Lou Andreas-Salomé - Mehr als eine Muse der Männer - Kultur - SRF
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Lou Andreas-Salomé Mehr als eine Muse der Männer

Lou Andreas-Salomé war schön, schlau und scherte sich nicht um Konventionen: Porträt einer Frau, die ihrer Zeit voraus war – und so manchem Mann.

Befreundet war sie mit Friedrich Nietzsche, Leo Tolstoi, Sigmund Freud, Rainer Maria Rilke und einigen mehr. Aber Lou Andreas-Salomé war mehr als nur die Weggefährtin grosser Männer.

Sie war selbst bekannt für ihre Intelligenz, ihre rebellische Art, ihre Schönheit. Nietzsche nannte sie «scharfsinnig wie ein Adler und mutig wie ein Löwe».

Die 1861 in St. Petersburg geborene Louise wuchs in einer adligen Familie auf. Sie las früh Philosophen wie Spinoza, Leibniz oder Kant und schrieb Gedichte.

Sie machte sich wenig aus bürgerlichen Konventionen, verweigerte ihre Konfirmation und trat mit 17 Jahren aus der Kirche aus – zum grossen Entsetzen ihres Umfelds.

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Lou Andreas-Salomé
aus 100 Sekunden Wissen vom 12.02.2011.
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Ein aussergewöhnliches Leben

19-jährig zog Lou Salomé in die Schweiz. Sie studierte an der Universität Zürich, eine der wenigen Universitäten Europas, die Frauen damals zum Studium zuliess.

Salomé studierte Theologie und Philosophie, musste das Studium aber aufgrund ihres Lungenleidens unterbrechen. Dies hemmte sie aber keineswegs. Ihr war klar: Sie will wissen, sie will schaffen und ein unabhängiges Leben führen.

Lou Andreas-Salomé, Paul Rée und Friedrich Nietzsche, sw-Foto vor Bergkulisse
Legende: Lou Andreas-Salomé, Paul Rée und Friedrich Nietzsche nachdem Salomé Heiratsanträge beider Männer abgelehnt hatte. Wikimedia

So entwickelte sie auch den Wunsch einer intensiven Arbeitsgemeinschaft zusammen mit Nietzsche und dem Philosophen Paul Rée. In Paris oder Wien sollten sie freundschaftlich zusammenleben, studieren, diskutieren. Daraus wurde nichts.

Trotzdem inspirierte sie die Männer in ihrem Schaffen. Ihre konfliktuöse Beziehung zu Nietzsche etwa war mitausschlaggebend für die Entstehung von dessen epochalem Werk «Also sprach Zarathustra».

Für ein Frauenleben in der Übergangsepoche zur Moderne ist Salomés Leben deshalb alles andere als gewöhnlich – durch ihre Eigenwilligkeit polarisierte sie und erregte Skandale.

Ihre Anziehungskraft auf Männer und ihre Freiheitsliebe machten sie zur femme fatale. Auch ihre Romanheldinnen sprengten alle Fesseln, die ihnen von den gesellschaftlichen Normen angelegt waren.

Zwischen Enthaltsamkeit und Femme fatale

Lou Andreas-Salomés umfangreiches Werk bezog Position zu Themen wie Gottesverlust und Erotik, nahm Erkenntnisse der Psychoanalyse vorweg und hat die Geschlechterdifferenz zum Thema.

Zudem glaubte sie, dass der Verzicht auf Sexualität zu ausserordentlichen intellektuellen Leistungen befähige. Ihren Ehemann Friedrich C. Andreas heiratete sie nur unter der Voraussetzung, dass zwischen ihnen keine körperliche Liebe stattfinde. Diverse Heiratsanträge im Vorfeld – etwa zwei von Friedrich Nietzsche – lehnte sie ab.

Lou Andreas-Salomé am Kamin posierend auf einer Aufnahme von 1900.
Legende: Lou Andreas-Salomé am Kamin posierend auf einer Aufnahme von 1900. Wikimedia

Schliesslich ging sie trotzdem Liebschaften ein, etwa mit dem Dichter Rainer Maria Rilke. Drei Jahre – von 1897 bis 1900 – dauerte ihre Liebesbeziehung, und Zeit seines Lebens war sie ihm Tutorin und Vertraute.

Einige seiner schönsten Gedichte sind Lou gewidmet. 1901 in einem Brief, kurz nach ihrem Liebesaus, schrieb er ihr: «Du warst das Zarteste, das mir begegnet, das Härteste warst Du, damit ich rang».

1912 gelangte Salomé schliesslich nach Wien, um dort aus erster Hand – nämlich bei Sigmund Freud – die Psychoanalyse zu erlernen. Schliesslich war sie mit fast allen Psychoanalytikern ihrer Zeit, nebst Freud auch Alfred Adler, bekannt und praktizierte als eine der ersten Frauen Freud'sche Psychoanalyse.

Vergessen und wiederentdeckt

Direkt nach ihrem Tod 1937 beschlagnahmte die Gestapo ihre Bibliothek, weil sie als Psychoanalytikerin eine angeblich «jüdische Wissenschaft» praktiziert habe. Auch dadurch geriet Salomé nach ihrem Tod vorerst in Vergessenheit, obwohl sie zu ihren Lebzeiten viel gelesen und bewundert wurde.

Erst in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde sie wiederentdeckt – zum Beispiel durch die Frauenbewegung. Während einige in Salomé eine Identifikationsfigur sahen, galt sie anderen als Antifeministin.

Fest steht: Salomé war eine Pionierin, deren Werk und Leben zeitweise zu Unrecht vernachlässigt wurde.

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