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Die Familie de Maizière, eine deutsche Dynastie

Reporter Investigative Recherche
Die de Maizières dienten Hitler, der DDR und der Bundesrepublik. Sie alle prägten deutsche Politik. Ohne Makel ging dies nicht.

Der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums als ein Austausch der Charaktere: bis eben noch Karl-Theodor zu Guttenberg, die fränkische Lichtgestalt, 39, eloquent, charismatisch, immer etwas lärmend, ein Politiker anderen Typs. Möglicherweise auch einer, der zum Studium der Akten ein ähnlich unbefangenes Verhältnis gepflegt hat wie zu den Fußnoten in seiner Dissertation.

Und nun Thomas de Maizière, der preußische Pflichtmensch, 57, spröde, effizient, stets an der Sache orientiert, ein Politiker der alten Schule. Einer, der schon frühmorgens in der Dienstlimousine die Vorlagen des Apparats in sich hineinfrisst. Die Gegensätze könnten kaum größer sein.

Kein Wunder, dass der Übergang von zu Guttenberg auf de Maizière als Zäsur beschrieben worden ist. Und überhaupt keine Frage, dass mit dem neuen Ressortchef das glamouröse Element aus dem Bendlerblock am Berliner Reichpietschufer weichen und dort wieder eine gewisse Biederkeit einziehen wird. Doch jenseits der Inszenierung des Amtes verbindet die gegensätzlichen Typen weit mehr, als es zunächst den Anschein hat. Beide haben ein gemeinsames Fundament - beide entstammen einer politischen Dynastie.

Angehörige solcher Familienverbände, die über Generationen hinweg Macht und Einfluss hatten, unterliegen ganz eigenen Regeln. Das Bewusstsein, zur Elite zu gehören, ist ihnen früh eingeimpft worden. Und sie sind von einer Selbstsicherheit getragen, die ihresgleichen sucht. "Regieren muss man auch können", postuliert etwa de Maizière. Sein Leitmotiv trägt er mit einer Überzeugung vor, die auf Zuhörer bisweilen schneidend arrogant wirkt.

Seine Familie war zu Zeiten der deutschen Teilung auch geteilt

Anders als in den USA - man denke an die Clintons, die Bushs oder die Kennedys - sind politische Dynastien in Deutschland nahezu unbekannt. Eine Ausnahme bilden die Weizsäckers, die seit 150 Jahren deutsche Geschicke mitbestimmen. Und eben die Guttenbergs sowie die de Maizières. Von diesen drei bedeutenden Clans wiederum ist über die Familie de Maizière vergleichsweise wenig bekannt. Die Wurzeln der hugenottischen Protestanten aus dem Raum Metz lassen sich in Kirchenbüchern bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg flüchtete die Familie vor religiöser Verfolgung aus Frankreich und folgte einem Aufruf des Großen Kurfürsten, sich in der Mark Brandenburg niederzulassen. Zu ihrer Tradition gehört es, private Dinge keinesfalls in die Öffentlichkeit zu zerren. Was nach außen dringt, ist sparsam dosiert, wirklich interessante Facetten bleiben intern. Der Familie haftet daher etwas Geheimniskrämerisches an.

Wer verstehen will, wie der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière tickt, kommt nicht umhin, sich mit seinem Stammbaum zu beschäftigen. Unter den politischen Dynastien in Deutschland weist seine Familie eine Besonderheit auf: In Zeiten der deutschen Teilung war auch sie geteilt. Unmittelbarer als bei den Weizsäckers oder den Guttenbergs, deren Angehörige im Westen lebten, spiegeln sich in der jüngeren Geschichte der de Maizières auch die Erfahrungen der Deutschen mit zwei Diktaturen. In beiden Regimes haben sie in hervorgehobenen Positionen mitgewirkt. Der Teil der Familie, der nach 1945 im Osten lebte, war in bedenklicher Weise mit dem System verstrickt. Darüber allerdings schweigt sich die heutige Generation aus, Thomas de Maizière eingeschlossen.

Der Vater

Vater Ulrich de Maizière ist in dem 1965 von SED-Agitatoren herausgegebenen "Braunbuch" mit den Namen von Nazis, die in der Bundesrepublik zu Amt und Würden gekommen waren, ein eigener Abschnitt gewidmet. Darin heißt es, er sei als Offizier "durch die Schule des faschistischen Generalstabs" gegangen: "Nachdem er als Regimentsadjutant am Überfall auf Polen teilgenommen hatte, kam er zur Generalstabsausbildung an die Kriegsschule Dresden. Danach wurde er 1. Ordonnanzoffizier im Stab der Heeresgruppe C und beim Einfall in die Sowjetunion 2. Generalstabsoffizier der 18. Infanteriedivision." Ferner weist die Ostberliner Propagandaschrift auf "das besondere Vertrauen" hin, das Hitler in Ulrich de Maiziere gesetzt habe: "Er wurde noch im Februar 1945 in den ,Führerbunker' geholt."

Die Angaben entsprechen auf den ersten Blick durchaus den Tatsachen. Zwischen dem Führer und seinem Offizier ist in der Literatur sogar ein bemerkenswerter Wortwechsels überliefert. Am 23. März 1945 zeigte sich Hitler während einer Lagebesprechung im Führerhauptquartier besorgt, weil Teile der Reichskanzlei in Schutt und Asche lagen. Ulrich de Maizière beruhigte ihn, die militärische Organisation werde nicht beeinträchtigt: "Für den Apparat, der jetzt da ist, geht es also, auch wenn die Gebäude über der Erde zerstört sind."

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Keine zwei Monate vor dem Kriegsende sind das erstaunliche Worte. In seiner 1989 veröffentlichten Autobiografie "In der Pflicht", die sich als "Lebensbericht eines deutschen Soldaten im 20. Jahrhundert" versteht, hat Ulrich de Maizière dazu notiert: "Ich habe mich zu der mir anerzogenen und überlieferten Pflichterfüllung entschieden." Geprägt von Begriffen wie Vaterlandsliebe und Dienst am Gemeinwohl habe er damals geglaubt, "nicht ,aussteigen' zu dürfen".

Anders als es das "Braunbuch" jedoch weismachen wollte, war der im August 2006 verstorbene Ulrich de Maizière mitnichten ein Nazi. Der nationalen Komponente des Nationalsozialismus konnte er zwar zunächst durchaus etwas abgewinnen, aber die Gleichschaltung der Presse und der Ausschluss der jüdischen Kameraden aus der Armee weckten erste Zweifel in ihm. Wie sich aus dieser Zeitung vorliegenden Akten ergibt, hat die DDR-Staatssicherheit nichts unversucht gelassen, um Dokumente zu finden, die seine Mitgliedschaft in der NSDAP belegen. Vergeblich.

Die Pflicht siegt über die Passion

Eigentlich will Ulrich de Maizière, ein eher unsportlicher Brillenträger, nicht das Offiziershandwerk erlernen, sondern Musiker werden. Doch wie bei so vielen Söhnen der Familie siegt bei ihm die Pflicht über die Passion. Der Gedanke, dem Staat zu dienen, der einst Zuflucht vor Verfolgung geboten hatte, ist konstitutiv für das Bewusstsein der Dynastie. Zumindest wird der leidenschaftliche Klavierspieler nach seiner Rückkehr aus britischer Kriegsgefangenschaft im Juni 1947 vorübergehend Musikalienhändler in Hannover. Als ihn dann aber Heiligabend 1950 ein Brief von Oberst a. D. Johann Adolf Graf von Kielmansegg erreicht, zögert er nicht lange und tritt in die Bonner "Dienststelle Blank" ein, die den Aufbau der Bundeswehr vorantreibt.

Zusammen mit Kielmansegg gilt de Maizière als "Vater der Bundeswehr" sowie des Prinzips der "Inneren Führung", das den "Staatsbürger in Uniform" zum Markenzeichen macht. 1966 rückt er zum General und zum vierten Generalinspekteur der Bundeswehr auf. Kurz nach seiner Ernennung hält er am 20. Juli, dem Jahrestag des gescheiterten Attentats auf Hitler, eine viel beachtete Rede in der Bonner Beethovenhalle: "Der Widerstand formt das Traditionsbild der Bundeswehr". Bald darauf droht der Kalte Krieg heiß zu werden, im August 1968 rücken Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei ein und beenden den Prager Frühling brutal. Nun trägt jener Mann, der einst in Hitlers Bunker saß, Kurt Georg Kiesinger die Lage im Bundeskanzleramt vor.

Insgesamt fünfeinhalb Jahre bekleidet Ulrich de Maizière das Amt des ranghöchsten Soldaten - unter drei höchst unterschiedlichen Regierungskoalitionen. Nach dem Abschied aus dem Amt 1972 bleibt er noch beratend für das Verteidigungsministerium tätig und wird Ehrenpräsident der Clausewitz-Gesellschaft. In seiner Zeit in der Bundeswehr erwirbt er sich den Ruf eines untadeligen Reformers. Darauf kann sein Sohn als neuer Verteidigungsminister aufbauen, wenn er jetzt die größte Strukturveränderung in der Geschichte der Bundeswehr vollenden muss: Der Name de Maizière hat in der Truppe einen guten Ruf.

Der Onkel

Über Clemens de Maizière, den fünf Jahre älteren Bruder von Ulrich und Onkel von Thomas sowie den Vater des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar, weiß die Öffentlichkeit kaum etwas. Jedenfalls nichts, was es ihr gestatten würde, sich ein Bild von ihm zu machen. Wenn ein maßgeblicher Angehöriger einer politischen Dynastie derart im Dunkeln bleibt, ist das selten ein Zufall. In der Regel steckt dahinter Kalkül. Clemens de Maizière hat das Familienprinzip, sich vom Staat in die Pflicht nehmen zu lassen, in skrupelloser Weise pervertiert. Er war Diener beider deutscher Diktaturen - in der zweiten gar mit einer Rigorosität, die erschaudern lässt. Nichts also, worüber man in einer Familie gern redet. Um die Wahrheit über Clemens de Maizière zu finden, muss man tief in Archive steigen.

Von seinem DDR-Onkel ist Thomas de Maizière angetan. Er lernt ihn erst spät persönlich kennen, wegen der sensiblen Position des Vaters darf die West-Verwandtschaft erst nach dessen Pensionierung in den Osten reisen. In dem Defa-Dokumentarfilm "Die de Maizières" aus dem Jahr 1999, der ungewöhnliche Einblicke in die Familie gibt, schwärmt Thomas rückblickend über seine ersten Begegnungen mit dem Oberhaupt der Familie im anderen Deutschland: "Der Clemens war anders als mein Vater, er war gemütlicher. Er war sicher ein Genussmensch. Er kannte sich aus mit Wein und rauchte vornehme Zigaretten. [...] Ein gebildeter, humorvoller Mann, der sich gern bedienen ließ, der Mittelpunkt der Familie war und sein wollte. Neugierig war er auf die jungen Verwandten, die da aus dem Westen kamen." Heute weiß man, dass diese Neugier auch mit trüben Motiven zusammenhing.

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Anders als der jüngere Bruder Ulrich, auf dessen Offizierskarriere die Familie stolz ist, fällt es dem 1906 geborenen Clemens de Maizière schwer, beruflich Fuß zu fassen. Nach dem Jurastudium rasselt er bei der großen Staatsprüfung durch, erst im zweiten Anlauf bekommt er ein "ausreichend". Während des Referendariats kassiert er wegen "arger Verzögerungen in der Ablieferung von Zivilurteilen und unrichtiger Angaben darüber" einen scharfen Tadel. In einer Beurteilung vom Dezember 1936 heißt es: "De Maizière, dessen Vater auf dem Felde der Ehre gefallen ist, ist für die Laufbahn des Richters leider nicht geeignet." Es ist das jähe Ende einer erhofften Karriere.

Erst SA-Mann, dann IM bei der Stasi

Allerdings versteht es Clemens de Maizière, den Mangel an Fleiß, vielleicht auch an Begabung, durch die Gesinnung auszugleichen. Über den Jungstahlhelm, der Jugendorganisation eines paramilitärisch organisierten Wehrverbandes zur Zeit der Weimarer Republik, wird er Mitglied der SA, der er als "Sturm-Mann, Führer einer Schar und Sturm-Pressewart" dient. Am 25. Mai 1937 stellt der "Gerichtsassessor a. D.", wie er sich dank Sondergenehmigung nennt, einen Aufnahmeantrag in die NSDAP. Laut Dokumenten, die dieser Zeitung vorliegen, erhält er die Mitgliedsnummer 3952867. Ein de Maizière als Nazi - das gehört zu den streng gehüteten Familiengeheimnissen.

Anfang Mai 1945 gerät de Maizière in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Er bleibt danach im Ostsektor, wo er sich zunächst in Thüringen in der Ost-CDU engagiert. Anders als viele Parteimitglieder tritt er bedingungslos für die sozialistische Sache ein. Als "Parteisekretär mit besonderem Auftrag" wird er konspirativ in die westlichen Besatzungszonen geschickt - um alte Bekannte und Verwandte für die Sache des Ostens zu gewinnen. Die NSDAP-Mitgliedschaft schadet de Maizière im SED-Staat kaum, er verliert nur vorübergehend seine Zulassung als Anwalt.

Das Regime verzeiht die Verstrickung und vertuscht sie. Er dankt es auf seine Weise: Unter den Decknamen "Clemens", "Phil" und "Anwalt" stellt er sich als Inoffizieller Mitarbeiter in den Dienst der DDR-Staatssicherheit. Er verrät seine Mandanten an die Stasi und berichtet über Interna der evangelischen Kirche, der ihn zu ihrem Juristen gemacht hat.

Vor allem aber scheut Clemens de Maizière nicht davor zurück, die West-Verwandtschaft auszuspähen. So fertigt er über die Lebensumstände des Partners seiner in München lebenden Tochter lange Spitzelberichte. Auch der eigene Bruder gerät in sein Visier. Laut Unterlagen aus der Birthler-Behörde liest er der Stasi sogar aus den Briefen der Mutter vor, die ihm über den Bruder Ulrich und dessen Familie schreibt. Nach dem Tod der Mutter reist er im Auftrag des Geheimdienstes zur Beerdigung nach Hannover, um Neuigkeiten aus dem Kreis der Familie aufzufangen. Im Juni 1980 stirbt Clemens de Maizière - der Untergang der DDR bleibt ihm erspart.

Der Cousin

Clemens' Sohn Lothar de Maizière hat sich, so weit überschaubar, nie öffentlich über das Drama des Verrats in seinem Teil der Familie geäußert. In seinen 2010 erschienenen Memoiren "Ich will, dass meine Kinder nicht mehr lügen müssen" heißt es lapidar: "Das familiäre Band war nie abgerissen. Wir hatten auch zu Mauerzeiten unter schwierigen Umständen Kontakt gehalten." Lothar de Maizière jedenfalls wird mit dem Fall der innerdeutschen Grenze erst Chef der Ost-CDU und dann letzter Ministerpräsident der DDR. Bis heute ist er damit der berühmteste Exponent in der Dynastie der de Maizières, schon zu Lebzeiten steht sein Name in den Geschichtsbüchern.

Die Umwälzungen von 1989/90 bedeuten für die gesamte Familie neue Karrierechancen. Nun erweist es sich als Vorteil, dass man in Zeiten der Teilung in beiden Systemen gleichermaßen verankert war. Lothar de Maizière aktiviert das familiäre Netzwerk und lässt sich von seinem Cousin Thomas beraten. Gemeinsam verfolgen sie das Ziel, die C-Parteien in der Bundesrepublik und der DDR zu vereinen - anfangs gegen massive Vorbehalte im Westen, wo viele Christdemokraten nichts von den SED-hörigen Blockflöten im Osten wissen wollen. Später holt Lothar de Maizière dann Thomas in seine Regierungszentrale, wo dieser "eine Art Feuerwehrfunktion" ausübt - immer wenn es brennt, muss er ausrücken. Und das ist ständig der Fall in einer Phase, in der es gilt, den Wiedervereinigungsvertrag unter Dach und Fach zu bringen. Da ist die Unterstützung durch den juristisch versierten West-Verwandten hochwillkommen.

Nicht zuletzt wird in jenen Tagen eine folgenreiche freundschaftliche Bande geknüpft: zur heutigen Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel. Die Sprecherin des Demokratischen Aufbruchs befördert Lothar de Maizière 1990 auf Anraten des Cousins zur stellvertretenden Sprecherin seiner Regierung. Damit entsteht eine Verbindung, von der die Dynastie der de Maizières bis heute nachhaltig profitiert.

Wenn etwa Lothar de Maizière sein Buch vorstellt, ist Merkel selbstverständlich dabei und hält eine warme Rede. Auf ihren Wunsch hin bezieht der Mitstreiter aus alten Tagen auch eine üppige "Ehrenpension" für Verdienste um die Einheit - der Ex-Premier, der gerade einmal 174 Tage im Amt war, erfreut sich einer Überweisung von rund 800 Euro im Monat. Dafür musste eigens das Ministergesetz geändert werden, weshalb nun auch ehemalige Mitglieder des DDR-Kabinetts mit eindeutiger Stasi-Biografie eine Sonderrente beziehen.

Beweis für Stasi-Vergangenheit fehlt

Auch die Rolle von Lothar de Maizière in der DDR ist zweifelhaft. Auffällig oft tritt der Sohn in die Fußstapfen von Vater Clemens. So steigt er in dessen Anwaltskanzlei ein und übernimmt die Funktion als Justiziar der evangelischen Kirche. Hat er wie der Vater einen Bund mit dem MfS geschlossen? Dafür fehlt der eindeutige Beweis. Doch die Indizien in den überlieferten Stasi-Papieren - der Großteil ist 1989 vernichtet worden - fügen sich zu einer dichten Kette. Zumindest spricht wenig dafür, dass Lothar de Maizière nicht als IM "Czerny" - der Deckname geht vermutlich auf einen österreichischen Komponisten zurück - gearbeitet hat.

In diesem Zusammenhang hat diese Zeitung einen interessanten Stasi-Vermerk entdeckt. Danach organisierte der Führungsoffizier für "Czerny" im September 1989 eine Westreise nach München, offenbar als Auszeichnung für treue Dienste. Die Fahrt sollte anlässlich des 50. Geburtstags des IM stattfinden. Seinerzeit lebte eine Schwester von de Maizière in München, der am 2. März 1940 geboren wurde. Zum Zeitpunkt des Jubiläums konnte man dann allerdings längst ohne Erlaubnis von einem Teil Deutschlands in den anderen reisen.

Bezüglich der Aktenlage ist der Fall von Lothar de Maizière ganz ähnlich gelagert wie der von Gregor Gysi. Beide bestreiten eine Spitzeltätigkeit. Bezogen auf eine mögliche Stasi-Verstrickung der beiden bis heute eng befreundeten Anwälte besteht aber auch ein gravierender Unterschied. Anders als bei Gysi hat die CDU bei de Maizière stets die Augen zugedrückt. Offenbar gilt das selbst für den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, der de Maizière in herzlicher Abneigung verbunden ist. Auf einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz musste die Bundesregierung dieser Zeitung einen Geheimvermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 30. Dezember 1991 übermitteln. Das Schreiben birgt eine kleine historische Sensation: Schon vor der Volkskammerwahl am 18. März 1990, aus der die CDU als klarer Wahlsieger hervorging, war die Bonner Regierung demnach über den Stasi-Verdacht gegen de Maizière unterrichtet worden. Dieses Wissen behielt man für sich.

Merkels Multi-Minister

Dank der Gnade der späten Geburt und der Geografie ist Thomas de Maizière als ein Kind der Demokratie aufgewachsen. Totalitären Systemen, wie sie sein Vater, sein Onkel und sein Cousin erlebt haben, begegnet er in seiner wohlbehüteten Kindheit und Jugend nicht. Der in Bonn geborene CDU-Politiker besucht eine von Jesuiten geführte Schule und studiert, ganz in der Tradition der Familie, Rechtswissenschaften.

Der berufliche Aufstieg des Vaters von drei Kindern ist stets eng mit der Partei verbunden. Nach Stationen als Redenschreiber für Berlins Regierende Bürgermeister Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen wird er Leiter des Grundsatzreferates der Berliner Senatskanzlei. Nach den Wirren der Wiedervereinigung geht er als Aufbauhelfer nach Mecklenburg-Vorpommern. Dann holt Ministerpräsident Kurt Biedenkopf den tüchtigen Macher nach Sachsen. Später wird de Maizière in Dresden, wo er mit seiner Familie bis heute lebt, Finanz-, Justiz- und Innenminister.

In Berlin macht ihn Merkel erst zum Kanzleramtschef und dann zum Innenminister. Nachdem mit Verteidigungsminister Guttenberg der bislang hoffnungsvollste Repräsentant einer politischen Dynastie abtreten musste, gilt nun Thomas de Maizière als Merkels bester Mann. In diesem Amt muss es ihm gelingen, was sein Vater als Generalinspekteur bereits einmal vorexerziert hat: die Bundeswehr fit für die Zukunft zu machen. Dann könnte er wie sein Cousin Lothar in die Geschichtsbücher eingehen. Und das im Gegensatz zu manch anderem Vertreter aus dieser alten hugenottischen Familie ganz ohne Makel.

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