Wie Waldseer Schüler Demokratie lernen
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Besondere Erfahrung

Wie Bad Waldseer Schüler Demokratie üben

Bad Waldsee / Lesedauer: 3 min

Ist Demokratie noch angesagt? Schaut man auf den aktuellen Rechtsruck, kommen Zweifel. Wie eine Bad Waldseer Schule kreativ Demokratie unterrichtet.
Veröffentlicht:15.04.2024, 15:00

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Die Demokratie erlebt ruppige Zeiten. In vielen Ländern wird an ihr genagt, sie wird beschnitten und massiv gestutzt. Was Demokratie ausmacht und warum sie als Staatsform erstrebenswert ist, lernen Schülerinnen und Schüler der Eugen Bolz Schule in einem besonderen Fach.

Demokratie ist anstrengend und zeitaufwändig. Man muss sich gegenseitig zuhören, Meinungen, die einem selbst widerstreben, gelten lassen und vor allem sich gut informieren. Außerdem gibt es bei demokratischen Prozessen häufig kein klares Ja oder Nein, sondern man muss abwägen und Kompromisse machen.

Demokratie ist anstrengend - lohnt sich aber

Das haben auch die Jugendlichen der Klasse 8 der Eugen Bolz Schule in Bad Waldsee gemerkt. Im Rahmen ihres Fachs Lebenswerkstatt lernen sie Dinge wie Glück, gute Umgangsformen aber auch Demokratiebildung.

Die Klasse von Susanne Schmidinger hat den Themenblock zur Demokratie fast abgeschlossen. Für diesen Nachmittag hat sich die Klassenlehrerin etwas Besonderes überlegt. Die Schüler sollen sich in einem interaktiven Spiel ihre eigene Insel kreieren. Sie bestimmen die Regeln, die dort gelten sollen.

Schüler kreieren ihre eigene Insel

Mittels eines Fragenkatalogs, der ihnen Auswahlmöglichkeiten bietet, können sie sich in kleinen Gruppen durch das Spiel klicken. Fragen wie: Sollte dort jeder wählen dürfen, auch wenn die Person sich vor freiwilliger Arbeit drückt?, werden gestellt. Soll es eine Polizei geben, die eigene Gesetze vorschlagen darf? Werde ich bestraft, wenn ich von einer Straftat weiß und es für mich behalte?

Bevor sie mit dem Spiel auf den Tablets loslegen, hat Schmidinger zentrale Begriffe einer demokratischen Regierungsform wiederholt. Im Kreis sitzend, spricht sie mit den Jugendlichen die Punkte durch. Was macht eine Demokratie aus? Was sind Institutionen und was ist überhaupt ein Staat?

Basiswissen Demokratie schülerfreundlich aufbereitet

Farblich zugeordnete Karten werden von den Schülern benannt und in die Mitte gelegt. Bei den Fragen der Lehrerin fliegen die Hände nach oben. Viel Wissen aus den vorherigen Stunden scheint hängengeblieben zu sein. Schmidinger moderiert freundlich und motivierend.

Beim Spiel gehen die Jungs und Mädchen in kleine Gruppen zusammen. Am Ende spuckt es ihnen die Staatsform aus, die durch ihre Auswahl am ehesten zutrifft. Das Ergebnis überrascht viele.

Diktatur, Autokratie oder zumindest autoritäre Demokratie ist bei den meisten das Fazit. Schnell spielen einige Gruppen noch einmal, um doch noch ein demokratisches Ergebnis zu erzielen, wählen sogar bewusst das genaue Gegenteil von dem, was sie in der ersten Runde angeklickt hatten. Wie sollten sie sonst ihre Insel vor den anderen rechtfertigen?

Trotz gründlichem Austausch enttäuscht das Ergebnis

Drei Jungs am Fensterplatz nehmen sich viel Zeit. Sie diskutieren der Reihe nach die Fragen, klären, wenn etwas nicht verständlich ist, denn einer aus der Gruppe lebt noch nicht lange in Deutschland. Aber auch sie haben am Ende eine autoritäre Demokratie erspielt, obwohl sie mit bester Absicht die Fragen beantwortet haben.

Beim Schauen über die Schulter wird klar, dass das Spiel zwar für Schüler in dem Alter konzipiert ist, einige Fragen aber durchaus kleine Fallstricke enthalten. Auch die Lehrerin gibt zu, beim ersten Durchgang nicht alles gewusst zu haben. Sie rät ihren Schülerinnen und Schülern, genau und gründlich die Fragen durchzulesen. Zum Schluss kann man die eigenen Antworten noch einmal kritisch durchgehen und überdenken.

Lerneffekt bei Schülerinnen und Schülern

Am Ende kommen alle im Kreis zusammen. Wie es ihnen ging, möchte Schmidinger wissen. „Bei uns hat es gepasst“, sagt ein blonder Schüler. Auch wenn das Ergebnis Autokratie nicht das gewünschte war. Ein anderes Mädchen erklärt ihr Ergebnis der autoritären Demokratie so: „Wir hatten Zeitdruck. Daher haben wir die KI entscheiden lassen.“

Schmidinger ist zufrieden.

Genau das sollen sie merken. Für Demokratie muss man sich Zeit nehmen - auch bei dem Spiel. Wenn die Schülerinnen und Schüler das merken, habe ich mein Ziel erreicht,

findet sie.

 Der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Am nächsten Tag wird weiter diskutiert. Demokratie passt eben nicht in eine einzelne Doppelstunde. Demokratie braucht Zeit.