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Loki Schmidt Frau des Altkanzlers

Loki Schmidt – ein etwas ungewöhnliches Leben

Gradlinig, sensibel und hanseatisch nüchtern – so war Loki Schmidt. Sie selbst bezeichnete ihr Leben als "etwas ungewöhnlich".

Der zähe Lebenswille, der Loki Schmidt immer wieder gefährliche Gesundheitskrisen bestehen ließ, hat sie am Ende verlassen – diesmal blieb ihr der Sieg versagt. Und die Gnadenhochzeit am 27. Juni 2012, 70 Jahre Ehe mit Helmut Schmidt, die sie so gern noch feiern wollte, hat sie nicht mehr erleben dürfen.

Es war ein in jeder Hinsicht erfülltes Leben, das sich jetzt vollendet hat. Die Feststellung, dass die Trauer über eine Todesnachricht sich mit großer Dankbarkeit für eine imponierende Lebensleistung verbindet – selten war sie so gerechtfertigt. Loki Schmidt war eine Frau von eiserner Disziplin, der jede Wehleidigkeit zuwider war. Aber bei aller verlässlichen Gradlinigkeit war sie alles andere als eine eindimensionale Persönlichkeit, realistisch und zugleich sensibel, hanseatisch nüchtern und dabei nicht ohne eine romantische Ader.

Die 23-jährige Lehrerin Hannelore Glaser, die im Juni 1942 ihren Jugendfreund, den Luftwaffen-Oberleutnant Helmut Schmidt heiratete, war damals und blieb auch in ihren späteren glanzvollen Jahren eine in jeder Hinsicht typische Hamburgerin: Resolut, handfest, erdverbunden, selbstbewusst und zutiefst misstrauisch gegenüber jeder Schaumschlägerei, und vor allem: stolz auf ihre Heimatstadt.

Auch als sie in Bonn als Ehefrau eines Bundesministers und dann des Bundeskanzlers Repräsentationspflichten zu erfüllen hatte, was der in dieses Milieu wahrlich nicht hineingeborenen Tochter eines Betriebselektrikers und einer Schneiderin mit eindrucksvoller Parkettsicherheit gelang, blieb Hamburg für das Ehepaar Schmidt die Stadt, in der beide zutiefst verwurzelt waren. Sie selbst hat es so formuliert: „Wir haben uns von Anfang an gesagt: Bonn ist Arbeitsplatz, Hamburg ist Zuhause“.

Ein "ungewöhnliches" Leben

Loki Schmidt hat von sich selbst mit dem für sie typischen Understatement gesagt, ihr Leben sei „etwas ungewöhnlich“ gewesen. Das trifft wortwörtlich zu. Sie hat beides kennengelernt, in den ersten Nachkriegsjahren die materielle Not, später an der Seite eines Staatsmannes die Sonnenseiten ebenso wie die Belastungen, die ein politisches Spitzenamt mit sich bringt. Loki Schmidt war eine Zeitzeugin par excellence. Sie verkörperte die Generation der „Trümmerfrauen“, die nach dem Krieg anpackten, um dem Elend Einhalt zu gebieten und Wege aus der Not jener Tage zu finden.

Ihre Schilderung der damaligen Alltagsprobleme, die in ihren Lebenserinnerungen einen breiten Raum einnimmt, gehört zu den eindrucksvollsten Passagen eines bewegenden, 2003 erschienenen Buches, das im Zwiegespräch mit dem Journalisten Dieter Buhl entstanden ist – nach dem Urteil der FAZ ein „wohltuend authentisches, ein ehrliches, ein sympathisches Buch“. Es erklärt auch die kritischen Urteile, mit denen Loki Schmidt immer wieder auf die überzogene Anspruchshaltung späterer Generationen reagiert hat.

Der Heimkehrer Helmut Schmidt hätte ohne die materielle und die immaterielle Unterstützung seiner Frau nicht Volkswirtschaftslehre studieren können, nachdem er im Sommer 1945 aus der britischen Kriegsgefangenschaft in das zerbombte Hamburg zurückgekehrt war. Er hat das häufig und überzeugend anerkannt. Ihr damals karges Lehrerinnengehalt, ihre Geduld, ihr Verständnis und ihre Großzügigkeit, seine scharfe, überragende Intelligenz, sein rhetorisches Naturtalent, seine zupackende Energie – das waren und blieben die realen Voraussetzungen für den „etwas ungewöhnlichen“ Lebensweg dieses Ehepaares, der zutiefst mit der deutschen Nachkriegspolitik verbunden ist.

Symptomatisch dafür ist, was Loki Schmidt ihrem Interviewer Dieter Buhl über die dramatischen Monate auf dem Höhepunkt der terroristischen RAF-Aktivitäten anvertraut hat: „Bei einem nächtlichen Spaziergang durch den kleinen Park des Bonner Kanzlerbungalows während der Besetzung der Stockholmer Botschaft haben Helmut und ich abgemacht: Wenn einer von uns gekidnappt wird – den Terroristen der RAF traute man ja alles zu – darf der andere keine Forderungen der Kidnapper erfüllen. Am nächsten Tag haben wir unsere Vereinbarung schriftlich niedergelegt. Anschließend war uns beiden wohler.“

Mut zur eigenen Meinung

Loki Schmidt hat nie zu den Politikerfrauen gehört, die über die „Bürde des Amtes“ stöhnen, in das ihr Mann gewählt worden ist. Sie hat es im Gegenteil durchaus genossen, als Ehefrau des Bundeskanzlers im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu stehen. Die Auslandsreisen, die sie in dieser Zeit an der Seite ihres Mannes absolvierte, die Begegnungen mit US-Präsident Gerald Ford und seiner Frau, mit der israelischen Regierungschefin Golda Meir, mit dem japanischen Kaiserpaar, mit Papst Johannes Paul II., mit dem spanischen Königspaar, mit der „Eisernen Lady“ Margaret Thatcher und anderen Größen der internationalen Politik, zeigten eine souveräne, selbstbewusste Dame, die sich vom Protokoll nicht verbiegen ließ, die den Mut zur eigenen Meinung mit sensiblem Takt und diplomatischen Fingerspitzengefühl zu verbinden wusste und gerade deshalb bei den jeweiligen Gastgebern einen nachhaltigen Eindruck hinterließ.

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Aber sie hat sich nie von der Macht, ihrem Sonnenlicht und ihren Annehmlichkeiten korrumpieren lassen. 1972 machte sie, damals immerhin Ehefrau eines Bundesministers, im Bonner St.Petrus-Krankenhaus eine Ausbildung als Krankenschwester. Nachdem die Kanzlerschaft Helmut Schmidts beendet war, wurde sie von Journalisten gefragt, ob sie nicht in ein „ganz tiefes Loch gefallen“ sei. Ihre spontane Antwort war typisch für die innere Unabhängigkeit, die sie sich in diesen Jahren stets bewahrt hatte: „Wir leben hier in einer Demokratie. Nach einer Wahl können sich die Verhältnisse verändern. Wieso sollte ich in ein Loch gefallen sein?“

Loki Schmidt hat aber die Macht und den Einfluss ihres Mannes durchaus „verhältnismäßig früh benutzt“, wie sie im Gespräch mit Dieter Buhl freimütig einräumte, um „etwas für das ganze Feld des Naturschutzes, vor allen Dingen für den Schutz der gefährdeten Pflanzen zu tun.“ Damit erfüllte sie sich einen Kindheits- und Jugendtraum. Sie wäre damals gern Biologin geworden, aber ein solches Studium scheiterte an den finanziellen Möglichkeiten des Elternhauses.

Lange bevor die Grünen als neue Gruppierung auf der politischen Bühne erschienen, engagierte sie sich als Naturschützerin, und auch das mit der umsichtigen Energie, die sie stets auszeichnete. Jahr für Jahr begleitete sie junge Wissenschaftler auf Forschungsreisen rund um den Globus, sie veröffentlichte mehrere wissenschaftliche Arbeiten über den Naturschutz, dazu den Bildband „Die Botanischen Gärten in Deutschland“, Ergebnis zweijähriger Recherchen und von 26.000 Reisekilometern.

Eine eigene Pflanze

In Mexiko fand sie ein zuvor nicht bekanntes Ananasgewächs (Bromelie), das sie dem Fundus des Bonner Botanischen Gartens überließ, mit dem wissenschaftlichen Namen „Pitcairnia Loki-Schmidtii nov. Spec“. Am Rio Negro in Brasilien stieß sie auf ein Kaktusgewächs, das sie erstmals nach Europa brachte. Ihren Namen tragen auch eine Orchidee aus Tunesien und die Neuzüchtung einer ungefüllten Dahlie. Ihre Verdienste um den Naturschutz würdigte die Hamburger Universität mit der Ernennung zur Ehrensenatorin, der Senat der Hansestadt verlieh ihr den Professorentitel, und für ihr gesamtes Lebenswerk 2009 die Ehrenbürgerwürde.

Das Erscheinen ihres letzten Buches, das die Kanzlerjahre aus ihrer Sicht beschreibt, mit dem für ihr Leben und ihre Haltung symptomatischen Titel „Auf dem roten Teppich und fest auf der Erde“, hat sie noch erlebt. Eine Kernfrage dieser Jahre hatte indessen schon ihr Gesprächspartner Dieter Buhl vorweggenommen, denn er wollte von ihr wissen: „Was bedeutete es für Sie persönlich, die Frau des mächtigsten Mannes der deutschen, der westdeutschen Politik zu sein?“

„Das kann ich überhaupt nicht beantworten, denn vor allem anderen war Helmut mein Mann. Den hatte ich nun schon vor längerer Zeit geheiratet. Und wie heißt es: Wo du hingehst, da gehe auch ich hin. Ich musste also sehen, dass ich mit dieser Situation fertig wurde.“

Loki Schmidt hat ihren Mann, diesen Ausnahmepolitiker mit Ecken und Kanten, wirklich geliebt, ihr Leben lang. Und sie ist mit allen Situationen fertig geworden, vor die sein stürmisches Temperament, seine Stärken und Schwächen, sein Pflichtbewusstsein und sein staatsmännisches Verantwortungsgefühl sie gestellt haben. Deshalb trauert die ganze Stadt, das ganze Land um Hannelore Schmidt.

Wenn Sie kondolieren wollen, können Sie es hier tun.

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