Beziehung: Späte Liebe, großes Glück

Späte Liebe, großes Glück

Mr. Right noch mit 50+ finden, geht das? Na klar! Drei Paare über die Chancen später Liebe, erste Dates – und die Frage: Was ist im Alter eigentlich anders als in früheren Partnerschaften? Und kann eine späte Liebe das ganz große Glück sein?

Beziehung: Späte Liebe, großes Glück
Späte Liebe, großes Glück
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Die wichtigste Frage: Was verbindet uns?

Nina Zucker

Paartherapeuthin Nina Zucker hat eine Praxis für Gestalttherapie in Hamburg Alsterdorf arbeitet mit Paaren und Einzelklienten.

© Nina Zucker
Das Herz rast, der Körper bebt, und wir kommen keine Luft. Frisch verliebt zu sein ist eines der schönsten Gefühle der Welt und ganz sicher nicht allein etwas für Teenager. Stellt sich nur die Frage: Sollen wir wirklich noch mal von vorn anfangen? Jetzt, wo vielleicht schon deutlich mehr als 50 Kerzen auf der Geburtstagstorte brennen? Unbedingt! Denn reife Liebe ist frei, wild und wunderbar. „Späte Liebesbeziehungen drehen sich deutlich seltener um Abhängigkeiten, sondern in der Regel allein darum, das Leben gemeinsam zu genießen“, weiß die Hamburger Paartherapeutin Nina Zucker. Und ein sehr wichtiger Aspekt kommt hinzu: Frauen leben seit jeher länger als Männer. Eine 1960 geborene Frau wird heute rund 83 Jahre alt. Tendenz steigend.

In anderen Worten: Wer heute 50 ist, hat noch mehr als ein Drittel seines Lebens vor sich. Wäre doch trostlos ganz ohne Romantik, oder? Doch wie gelingt es, zwei erlebnisreiche Leben zu einem neuen zusammenzufügen? „Es ist im Vorfeld wichtig, Glaubenssätze und Überzeugungen zu überprüfen. Sie geben Hinweise auf das, was wir von der neuen Beziehung erwarten und wie wir ticken. Außerdem sollte man sich fragen: Was verbindet uns? Anders als bei jungen Paaren geht es bei reiferen ja nicht mehr darum, Kinder zu bekommen oder ein Haus zu bauen“, so Zucker.

Außerlichkeiten zählen noch immer – ab jetzt aber Slow Sex

Die Dating-Website zweisam.de befragte in einer Studie jüngst 600 Menschen über 50, was ihnen beim Dating und in Beziehungen wichtig ist. 92 Prozent gaben an, gleiche Werte seien wesentlich, dicht gefolgt vom selben Humor. Auch Äußerlichkeiten spielen eine nicht unerhebliche Rolle. So gaben 82 Prozent der 50- bis 65-Jährigen an, auf das Aussehen ihres Datingpartners zu achten. Fakt ist: Nur weil wir älter sind, bedeutet das nicht, dass plötzlich alles anders ist als früher. Wer immer lustvoll geliebt hat, wird auch im reiferen Alter nach Erotik suchen. Wir sollten uns endlich von dem Gedanken verabschieden, dass Sexualität ausschließlich mit Jugend verbunden ist. Das sieht auch Therapeutin Nina Zucker so: „Schneller, heißer Sex, der auf den Orgasmus fixiert ist, wird mit zunehmendem Alter uninteressanter. Slow Sex ist das Stichwort. Die Erregungskurve ist dabei flacher und dauert länger. Es geht um Intimität – eine wichtige Facette, die gerade reifere Beziehungen prägt. In allen Lebensbereichen.“

Große Liebe, spätes Glück: Wie drei Paare zusammengefunden haben

Heike & Jan (beide 51): „Plötzlich wusste ich: Diesen Mann lasse ich nie mehr los!“
Mit 18 teilten sie den Zauber der ersten Liebe. Erst Jahrzehnte später treffen sie sich wieder. Und knüpfen vorsichtig dort an, wo sie damals aufgehört hatten „Zum ersten Mal sah ich Jan beim Faustballspielen. Das war 1986. Wir waren damals beide 18. Ich weiß noch, wie ich dachte: ‚Wow, ist der cool!‘ Er war so anders als die Jungs, die ich kannte, irgendwie punkiger und nicht so bieder. Scheinbar gefiel ich ihm auch, denn wir wurden kurz darauf ein Paar und hatten sogar unser erstes Mal zusammen. Doch nach drei Monaten war wieder Schluss. Jan ging seiner Wege. Es fühlte sich für ihn alles zu schön, zu glücklich, zu verliebt an, wie er mir erst kürzlich erzählte. Der Kontakt brach danach ab. Erst Jahre später – ich lebte mittlerweile in Hamburg – klingelte mein Telefon. ‚Hallo, hier ist Jan, kennst du mich noch?‘ Klar kannte ich ihn.

Wir trafen uns, wurden Freunde und schliefen sogar wieder in einem Bett zusammen – aber körperlich wurden wir nie. Wenig später heiratete ich einen anderen Mann, und auch Jan war in festen Händen, glücklich, wie er sagte. Doch weder meine Ehe noch seine Beziehung hielten lange, und dann kam der G20- Gipfel. Ich wohnte damals in Hamburg gleich neben einem Viertel, das bei Krawallen häufig im Zentrum steht. Und ich weiß noch, wie mich riesige Angst überkam, dass Hooligans bei mir einbrechen könnten. Jan schrieb mir an dem Abend und fragte, ob alles okay wäre. Ich sagte ihm, was los war, dass ich Angst hatte und kein Auge zubekam. ‚Soll ich vorbeikommen und dich beschützen?‘ Ich musste lachen. Beschützen? Das Wort klang irgendwie altmodisch, und außerdem war ich bisher doch prima alleine zurechtgekommen.

Dennoch spürte ich ein warmes Gefühl im Bauch. Um zwei Uhr nachts stand Jan vor mir. ‚Jetzt bin ich da, jetzt kannst du ruhig schlafen‘, sagte er und legte sich neben mich. Ich war glücklich, aber auch verwirrt. Jahrelang hatte ich gedacht: Das mit Jan und mir, das war einmal, und es hat nicht funktioniert. Doch in dieser Nacht im Juli 2017 wurde mir klar: Diesen Mann lasse ich nie mehr los. Rückblickend hätte ich nicht gedacht, dass mich die Liebe noch mal so tief ins Herz trifft. Diese späte Beziehung ist ehrlicher als die davor. Natürlich welkt man über die Zeit ein wenig dahin, fühlt sich vielleicht selbst nicht mehr so attraktiv wie früher – aber in den Augen des anderen ist man schön, und nur das zählt! Überhaupt: Es ist wichtiger, an die Liebe zu glauben. Dann sind auch andere überzeugt – egal wie alt.“

Dörte (64) & Wilfried (69): „Ich habe nie zuvor so viel gelacht in einer Partnerschaft“

Dörte dachte immer, Online-Dating sei nichts für sie, bis ihre Tochter sie auf einem Portal anmeldet und Dörte plötzlich heftige Herzklopfen bekommt „Durch meinen Beruf als Klavierlehrerin arbeite ich oft bis spätabends. Da bleibt wenig Kraft zum Ausgehen. Großartig gestört hat mich das nicht. Ich war zufrieden mit meinem Leben und genoss die Urlaube allein in Schweden mit meinem alten Hund. Es war meine Tochter, die meinte: ‚Urlaube zu zweit sind doch viel schöner, Mama!‘ Und dass ich doch noch so viel mehr Dinge zu teilen hätte. Sie ließ absolut nicht locker und meldete mich schließlich bei Friendscout24 an.

Die Liebe im Internet finden? Ich war äußerst skeptisch, füllte den Fragebogen nur widerwillig aus und musste dabei fast über mich selbst lachen. Wenn schon Wunschkonzert, dann richtig, dachte ich. Größe? Gerne 1,80 Meter und dazu blaue, grüne oder graue Augen. Eine Antwort folgte prompt. ‚Ich bin nur 1,76 Meter und habe braune Augen. Geht das auch?‘ Wilfrieds Worte trafen genau meinem Geschmack. Der hat Humor, den musst du kennenlernen, sagte ich mir. Schon beim ersten Date unterhielten wir uns offen und ehrlich. Mir gefiel das Gefühl, dass ich ganz ich selbst sein konnte. Das war am 21. Dezember 2008. Zwei Wochen später wurden wir ein Paar und sind seit 2012 sogar Mann und Frau – sehr zur Freude meiner Töchter.

Ich bin ganz ehrlich: Als junge Frau hätte ich mich wohl nicht für Wilfried entschieden. Da wäre er mir zu langweilig und still gewesen. Ich habe immer eher die Herausforderung gesucht und mir gern Männer gesucht, die Probleme hatten. Probleme, die ich dann lösen konnte. Willy dagegen ruht in sich. Ich habe nie zuvor so viel gelacht in einer Partnerschaft. Wir machen ständig Quatsch, tanzen in der Küche – egal ob zu Wiener Walzer oder Hardrock. In meinen Beziehungen vor Willy habe ich immer nur Rücksicht genommen und mich um die Befindlichkeiten des anderen gekümmert. Bei Willy brauche ich das nicht. Es ist vollkommen unkompliziert. Er lässt mich, wie ich bin, und ich lasse ihn auch, wie er ist. Folgerichtig ist Willy auch der erste Mann, bei dem meine Mutter nicht die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat. Ich denke, wer auf der Suche nach Liebe ist, sollte offen bleiben und auch das Online-Dating nicht unterschätzen.“

Elke (55) & Gunter (53): „Ich hatte genaue Vorstellungen von unserem Leben zu zweit“

Als sie Gunters Profilbild bei Tinder entdeckt, schreibt Elke ihm eine Nachricht. Er antwortet. Bald darauf führen sie eine Beziehung, die vorbestimmt scheint „Nie im Leben würde ich eine Beziehung eingehen, nur um nicht alleine zu sein. Für mich stand immer fest: 100 Prozent oder gar nichts. Als ich Gunters Profil bei Tinder entdeckte, gefiel mir sein Foto sofort. Es zeigte ihn mit seiner kleinen Enkeltochter. Ein Mann, der Familie hat, das fand ich attraktiv. Ich schrieb ihm, er antwortete prompt. Kurz darauf trafen wir uns zum ersten Mal in Soltau auf einem Rastplatz. Vielleicht ein merkwürdiger Ort für ein erstes Date, aber der Parkplatz lag genau auf halber Strecke zwischen Gunter und mir. Wir aßen Burger im Diner, gingen spazieren und unterhielten uns für eine Ewigkeit. Beim Abschied küsste er mich. Es war wunderschön. Ich verliebte mich Hals über Kopf. Wir trafen uns danach noch ein paarmal auf dem Rastplatz.

Zwei Monate später – wir führten mittlerweile eine Fernbeziehung – kam uns Gunters Tochter besuchen. ‚Und? Wann wird geheiratet, Papa?‘, fragte sie. Verrückt. Nicht nur für uns schien alles klar zu sein, auch für unsere Kinder. Wir gehörten einfach zusam- men. Trotz meiner starken Gefühle für Gunter hatte ich genaue Vorstellungen von unserem gemeinsamen Leben. Ich lebte seit einigen Jahren in einem Trailer auf einem Campingplatz. Hier wollte ich bleiben. Zu oft habe ich für Männer etwas aufgegeben oder musste das Feld für eine Neue räumen. Irgendwann hatte ich mir geschworen: Das passiert nie wieder! Entweder einer kommt zu mir oder eben nicht. Gunter akzeptierte das. Wir leben seither wunderbar auf 60 Quadratmetern.

Wenn ich an mich und die Liebe in jungen Jahren denke, sehe ich eine Frau, die nicht wusste, was ihr wichtig war, die 20 Jahre an einer Ehe festhielt, in der sie viele Dinge einfach schluckte. Wenn ich Klamotten vom Haushaltsgeld kaufte, versteckte ich sie wochenlang im Schrank, damit mein Ex-Mann nicht sah, dass ich mir etwas Gutes getan hatte. Das würde ich heute nie wieder tun. Als ich Gunter kennenlernte, wusste ich ganz genau, wer ich war und was mir guttut, welche Kompromisse ich eingehen kann und welche nicht. Ich glaube, das ist die große Chance einer späten Liebe. Sich selbst und seine Bedürfnisse zu verstehen und sie auszusprechen macht Beziehungen stark.“

Was unser Experte rät: Schriftsteller Günter Franzen

Günther Franzen

Mit 60 verliert Autor Günter Franzen die Liebe seines Lebens. Er trauert, jahrelang – bis er sich im Netz auf die Suche nach einer neuen Beziehung macht. Seine Erfahrungen hat er im Buch „Späte Liebe“ (Aufbau Verlag) verarbeitet.

© Günther Franzen
Herr Franzen, warum kann es schwierig sein, im Alter einen Partner zu finden?
Ich glaube, nicht das Finden ist das größte Problem, sondern viel öfter die äußeren Umstände. Ab einem bestimmten Alter sind wir oft so eingespielt in unserem Alltag, dass es schwerfällt, sich von Gewohnheiten und Vorlieben zu lösen.

Wie kann das am besten gelingen?
Man sollte sich ehrlich fragen: Wie anpassungsfähig bin ich, und was bin ich bereit aufzugeben? Niemand wird sich lückenlos in den Lebensentwurf eines anderen einfügen. Flexibilität ist wichtig.

Noch mal einen Schritt zurück, zur Suche. Sie haben Ihre neue Partnerin im Internet kennengelernt. Wie war das?
Für mich war es ein gangbarer Weg, um eine neue Beziehung zu finden. Natürlich können Portale den Klang einer Stimme oder den Geruch eines Menschen nicht ersetzen, aber im besten Fall begegnet man sich ja irgendwann – und dann beginnen die Stunden der Wahrheit.

Was ist sonst zu beachten?
Dating-Portale sind kein Amazon-Warenlager. Man sollte also nicht erwarten, sich dort seinen Wunschkandidaten einfach aus dem Regal nehmen zu können. Sie führen Menschen zusammen, mehr nicht.

Wie sollte man sich auf Portalen zeigen?
Viele geben sich einen Decknamen. So vermeidet man, dass andere einen direkt nach dem ersten Online-Kontakt googeln können. Ich denke, es ist wichtig, nicht zu viel von sich preiszugeben. Wenn der Kontakt aufgebaut ist, kann man das ja immer noch ganz ausführlich machen. Ich habe außerdem ganz prägnant formuliert, was ich will und was nicht.

War die Suche im Netz anstrengend?
In acht Jahren habe ich 30 Frauen getroffen. Bis auf wenige Ausnahmen waren das sehr bereichernde Erfahrungen – auch wenn man nicht zueinanderfand.


Interview: Marlene Apel