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Geschichte Leopold II. im Kongo

„Sie kamen mit elf Köpfen und neun Gefangenen zurück“

Dass in Afrika Schätze winkten, hatte Belgiens König Leopold II. beizeiten erkannt. 1885 wurde ihm der riesige Kongo als Privatbesitz zugesprochen. Dann begann eine Orgie der Ausbeutung, die selbst hartgesottene Zeitgenossen erschütterte.
LEOPOLD II King of Belgium (1865-1909) (Unattributed illustration in Royalties of the World, 1901) LEOPOLD II King of Belgium (1865-1909) (Unattributed illustration in Royalties of the World, 1901)
23. April 1885: Leopold II. von Belgien (1835–1909) wird Souverän des Freistaates Kongo
Quelle: picture alliance / Mary Evans Pi

Als König von Belgien hatte Leopold II. (1835–1909) viel Zeit. Sein Land hielt sich aus dem Machtpoker der Großen heraus. Und die Verfassung schränkte seine Möglichkeiten zum politischen Engagement doch sehr ein. Umso mehr interessierte sich der Monarch für die Entdeckungen, die zum Beispiel in Afrika gemacht wurden. Und so investierte er mit seinem Privatvermögen in Expeditionen in den unbekannten Kontinent.

Mit so großem Erfolg, dass Leopold am 23. April 1885 den Titel eines „souveränen Königs“ des unabhängigen Freistaates Kongo annehmen konnte. Damit war ein Gebiet zu seinem Privatbesitz geworden, das 76-mal so groß war wie Belgien.

Sein wichtigster Helfer dahin war der britische Entdecker Henry Morton Stanley gewesen. Der hatte im Auftrag der 1876 gegründeten Internationalen Afrika-Gesellschaft mehrere Entdeckungsreisen durch Schwarzafrika unternommen. Doch hinter dem philanthropischen Anspruch der Gesellschaft verbargen sich Leopolds Geld und Motiv, sich eine eigene Kolonie in Afrika zu verschaffen. Zu diesem Zweck sollte Stanley „Stützpunkte“ gründen, „die wir später in Besitz nehmen könnten“, wie Leopold einem Botschafter schrieb.

Mit der „Association Internationale du Congo“ (Internationale Vereinigung des Kongos) wurde das Unternehmen konkret. Stanley erwarb große Ländereien am Kongofluss, schloss Verträge mit Stammesführern und gründete mit Leopoldville (heute Kinshasa) auch eine Basis für die weitere Expansion. Doch inzwischen hatten auch die Großmächte erkannt, dass in Afrika womöglich Schätze und Absatzmärkte lockten, sodass ein regelrechter Wettlauf um die letzten „freien“ Gebiete entstand.

Mangels Machtmitteln verlegte sich Leopold auf die Diplomatie. Es gelang ihm schließlich, den deutschen Reichskanzler Otto von Bismarck als Vermittler zu gewinnen. Der lud 1884 zur „Kongokonferenz“ nach Berlin. Das Ergebnis war die „Kongoakte“. Sie legte fest, dass das Besitzrecht an Territorien an ihre „effektive“ Durchdringung gebunden war. Damit wurde der belgische König urplötzlich zum größten Landeigentümer Afrikas.

Umgehend machte sich Leopold daran, seinen neuen Untertanen die Vorzüge der abendländischen Zivilisation nahezubringen. Die afroarabische Sklavenjagd wurde bekämpft, Missionare verbreiteten das Christentum, Ingenieure bauten Straßen. Zugleich aber begann die Wertschöpfung. Dazu wurde eine Armee von Söldnern, die Force Publique, angeheuert, deren rund 20.000 Mann als Besatzer und Polizei auftraten. Unter dem Kommando belgischer Offiziere bekämpften Einheimische Aufstände und sorgten für das Eintreiben der Waren, die von Agenten im Auftrag von Firmen bewirtschaftet wurden.

Atrocities of the Rubber Slavery in the Belgian Congo. Mongala (left) and Biasia (right) arms were shattered by gunshots of 'rubber sentries' who attacked their village when it failed to meet its rubber tax quota. Mola Enuliti's (center) hands were smashed by sentries' rifle butts.
Opfer der Kautschuk-Sklaverei
Quelle: picture alliance / Courtesy Ever

Wie das geschah, hat ein Belgier beschrieben: „Dorf verlassen. Wir beauftragten mehrere Gruppen von Soldaten mit der Säuberung des Gebietes; einige Stunden später kamen sie mit elf Köpfen und neun Gefangenen zurück. Ein Boot, das abends auf die Jagd geschickt wurde, brachte auch noch etliche Köpfe mit.“

Zunächst reichten die Gewinne aus dem Elfenbeinhandel kaum aus, um Leopolds Investitionen zu decken. Doch nachdem Gummi zu einem begehrten Werkstoff der Industrialisierung geworden war, wurde die Kautschukproduktion zur Goldgrube. Um Munition zu sparen und ihren Einsatz zu belegen, wurde renitenten Einheimischen die rechte Hand abgehackt.

Obwohl sich Leopold davon distanzierte – „Hände abhacken, das ist idiotisch! Die brauche ich doch im Kongo!“ –, wuchs die internationale Kritik an den „Kongo-Gräueln“. 1908 musste er seinen Kongo an Belgien übergeben, die Entschädigung betrug 50 Millionen Franc. Bis dahin hatten etwa zehn Millionen Afrikaner ihr Leben verloren.

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