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Sowjetischer StaatsgastAls Leonid Breschnew nach Oberberg kam

Lesezeit 4 Minuten
Breschnew auf Schloss Homburg

Gut gefallen hat es dem sowjetischen Staatschef auf Schloss Homburg, wie das Bild des Zeitungsfotografen beweist.

Vor 50 Jahren kam mit Leonid Breschnew ein hoher Staatsgast auch nach Oberberg. 

Im überregionalen Teil unserer Zeitung stand es im Mai vor 50 Jahren auf der ersten Seite: Der sowjetische Parteichef Leonid Breschnew betrachtete seinen Staatsbesuch als „Beweis der erstrebten Normalisierung zwischen Moskau und Bonn, als Festigung des Vertrauens und als Station für die Bemühungen, die Sicherheit in Europa zu stärken.“ Hehre Worte, die viele Menschen sich heute sicherlich wieder zu lesen wünschten. Vor 50 Jahren war der Besuch Breschnews aber für die Oberberger nicht nur über die Presse erlebbar, der Parteichef war gewissermaßen zum Greifen nah. Denn er sollte Schloss Homburg besuchen. Damit waren aufwendige Vorbereitungen verbunden.

Drei Tage lang Sperrgebiet

Ministerpräsident Heinz Kühn hatte den Staatsmann nach Nümbrecht eingeladen. Im Regionalteil dieser Zeitung wurde vom „Ereignis des Jahrhunderts für das oberbergische Land“ geschrieben, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Besuch noch gar nicht als sicher galt. Einen Imbiss, Spießbraten am offenen Kamin der Schlossküche zubereitet, sollte Breschnew genießen, dazu Bielsteiner Pils – alles serviert durch Helferinnen der Kreisverwaltung in Homburger Tracht.

Der hohe Gast sollte eine „typische Darstellung des Oberbergischen“ erleben. Museumsleiterin Anneliese Mehlau berichtete damals, dass in Hochgeschwindigkeit alles aufgeräumt und die Umlage noch schnell ein wenig mehr bepflanzt werde, die Wiese sollte frisch gemäht sein. Der Donnerstag vor dem montäglichen Besuch stand im Zeichen einer Inspektion des Schlosses durch Innenminister Willy Weyer, der im lärmenden Hubschrauber anreiste und damit die Pferde vor der historischen Postkutsche von Postillon Friedhelm Stöcker scheu machte.

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Wichelhaus auf der Gästeliste

Landrat Hans Wichelhaus stand auf der Gästeliste und auch Kreisdirektor Walter Hammeran. Am 18. Mai reiste Breschnew nach Deutschland, die Demonstrationen in Bonn für und gegen ihn blieben friedlich. Bundeskanzler Willy Brandt, der als Gastgeschenk einen Samowar erhielt, prangte mit Breschnew auf der Titelseite der Zeitung. In Nümbrecht war schon am Samstag alles bereit, fünf Damen waren ausgewählt, um die Gäste zu bedienen. Sie ließen sich allerdings von der Aufregung kaum anstecken. Erika Bois wurde zitiert: „Das habe ich doch schon öfter gemacht. Das lässt mich ziemlich kalt.“ Das Schloss war nun drei Tage lang Sperrgebiet, Autofahrer wurden umgeleitet. Breschnew sollte am Montag aus Dortmund mit dem Hubschrauber anreisen.

Bruderkuss 

Alles glückte wie geplant. NRW-Ministerpräsident Kühn und der sowjetische Parteichef tauschten den Bruderkuss, Friedhelm Stöcker erhielt ein Autogramm und sogar Bundeskanzler Brandt schritt zum Schloss. Eine Prophezeiung im Leitartikel vom Dienstag bewahrheitete sich nicht. Zu lesen stand damals in der Zeitung, dass „Spießbraten à la Leonid Breschnew“ das Oberbergische in Zukunft überregional bekannt machen werde. Drei Scheiben des Bratens genoss der Gast unter den Augen der Weltpresse, trank dazu Buttermilch und lauschte den Jagdhornbläsern des Hegerings Nümbrecht. Als Gastgeschenk wurde ihm ein Kupferstich von Schloss Homburg überreicht. Und er verewigte sich im Goldenen Buch der Gemeinde in kyrillischer Schrift, auch Willy Brandt unterschrieb.

Abreise per Hubschrauber

In Nümbrecht selbst ließ der Staatsmann, der schon am frühen Nachmittag wieder per Hubschrauber abreiste, sich nicht sehen. Im Gegensatz zu vielen Reportern, die die Schönheit des Kurparks ausdrücklich lobten. Es war ein aufregender Tag, der auch bei der Manöverkritik am Mittwoch positiv gewertet wurde. Für die Sicherheit der Prominenz war bestens gesorgt gewesen, der Ablauf klappte perfekt, am Tag danach dem hohen Besuch flanierten wie gewohnt wieder Schulklassen durch das Schloss. Am Donnerstag reiste Breschnew zurück nach Moskau.


Schnappschuss

Das Bild vom Breschnew-Besuch auf Schloss Homburg hat Wolfgang Röhrich aufgenommen, der bis 2001 als Fotoredakteur für diese Zeitung tätig war. Anlässlich seines 80. Geburtstags vor sechs Jahren erinnerte sich Röhrich: „Ich weiß noch, wie mir der Schnappschuss gelungen ist. Als Breschnew zurück zum Wagen gegangen ist, bin ich schnell vorausgelaufen. Die Sicherheitsleute haben mich vorbeigelassen, und dann konnte ich das Bild machen, bei dem er sich auf das Wagendach stützt. So locker und hemdsärmelig hatte den sowjetischen Staatschef noch niemand gesehen.“

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