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Boots & Blues - Lee Hazlewood ist tot

Feuilletonredakteur
Quelle: Jakob Axelman / Four Music
Sein größter Hit war "These Boots Are Made For Walking". Der Songschreiber Lee Hazlewood machte Nancy Sinatra berühmt. Als Musiker verband er Countryklänge mit Showmusik. Pop-Helden entdeckten ihn als cooles Vorbild. Jetzt ist Hazlewood mit 78 Jahren gestorben.

Im angeblich so antiamerikanischen Deutschland haben paradoxerweise gerade exemplarisch amerikanische Künstler eine fast religiöse Gefolgschaft. Wohl nirgendwo außerhalb der USA sind Matt Groenings „Simpsons“ so populär wie hier. Wohl nirgendwo sonst ist Johnny Cash so intensiv betrauert worden.

Und es ist auch kein Zufall, dass Deutschlands Hauptstadt einer der letzten Orte war, den der bereits todkranke Lee Hazlewood bereiste. In Berlin nahm er 2006 den Song „Lee Hazlewood und das erste Lied des Tages“ gemeinsam mit Bela B. von den Ärzten auf, und hier erschien auch sein Abschiedsalbum „Cake Or Death“, für das er sich hier noch einmal mit einer Reihe „letzter“ Interviews abplagte.

Für jede Lösung ein Problem parat

In der selben Stadt waren fast zeitgleich 2002 auch jene zwei Platten erschienen, die dem Comeback des Musikers endgültig eine gewisse Breitenwirkung bescherten: Auf dem Tribut „Total Lee“ spielten u. a. Calexico oder Jarvis Cocker Hazlewood-Kompositionen, und auf „For Every Solution There’s A Problem“ bewies Hazlewood selbst noch einmal, dass sein Talent nur unwesentlich gelitten hatte, seitdem er in den Sechzigerjahren mit Nancy Sinatra jene Lieder aufnahm, die allein schon für die Unsterblichkeit reichten: „These Boots Are Made for Walking“ beispielsweise oder und „Some Velvet Morning“.

Hazlewood kam am 9. Juli 1929 in Oklahoma zur Welt, und seine frühe Kindheit wurde von den mythischen Staubstürmen überschattet, die für diesen zu Tode belandwirtschafteten Teil der USA damals typisch waren. Zu Hause soll der Vater am liebsten Bluegrass und die Mutter Bing Crosby gehört haben – dem Sohn gelang viel später die Synthese zwischen Showmusik und Country.

Zuerst aber wirkte er auf dem Gebiet des Rock ’n’ Roll, und der WELT hat er 2002 erzählt, wie er damals mit dem Gitarristen Duane Eddy dessen später weltberühmten „Twang“-Sound erfand: „Für 200 Dollar kaufte ich einem benachbarten Farmer dessen Getreidetank ab. Der Tank passte nur nicht ins Studio hinein. Wir stellten ihn also im Freien auf, verstauten darin Mikrophon und Lautsprecher und besaßen plötzlich eine wunderbare Echokammer. Leider waren auch die Vögel vom Echo begeistert. Ständig saßen sie im Tank und zwitscherten. Bei Aufnahmen stand deshalb immer jemand mit der Flinte daneben.“

Blixa Bargeld und der Song "Sand"

All das blieb jedoch gleichermaßen wenig beachtet wie 1963 Hazlewoods erstes Soloalbum „Trouble Is A Lonesome Town“. Der Ruhm kam erst, als Nancy Sinatra einen Komponisten, Arrangeur und Gesangspartner benötigte.

In den frühen Siebzigerjahren zog Hazlewood nach Schweden, um seinem Sohn den Kriegsdienst zu ersparen. Das gab seiner ohnehin bereits wieder verglimmenden Karriere den Rest, obwohl er noch bis 1977 eine Reihe von Soloalben aufnahm.

Doch während seiner Schweigenszeit begann der allmähliche Aufstieg zur „Stilikone der alternativen Musikszene“ (für solche Floskeln ist der "Spiegel" immer gut): Bereits 1985 nahmen Blixa Bargeld und die Einstürzenden Neubauten eine wirklich famose Version von Hazlewoods „Sand“ auf, und im gleichen Jahrzehnt wurde „Some Velvet Morning“ zum klassischen Rausschmeißer-Lied, mit dem in deutschen Independent-Musikclubs morgens um neun Uhr das unwiederbringliche Ende des Abends signalisiert wurde.

Wiederkehr in der Royal Albert Hall

Aber erst 1999 ging Hazlewood wieder ins Plattenstudio und trat – eingeladen von Nick Cave – in der Royal Albert Hall auf. Der „Welt am Sonntag“ beschrieb er das Konzert als „einen der glücklichsten Momente meines Lebens“: „Ich habe kein graues Haar im Publikum gesehen. Ach, ich fühlte mich frisch und jung. Und wissen Sie, was das Beste war? Diese jungen Leute kannten alle meine obskuren Songs. Die wollten gar nicht ,These Boots Are Made For Walking‘ hören, sie wollten Songs wie ‚Sand‘.“

Dieses Glück konnte er nur noch wenige Jahre genießen. Vor drei Jahren wurde unheilbarer Nierenkrebs diagnostiziert. Er starb jetzt in seinem Haus in der Nähe von Las Vegas. „Ein schöner Ort zum Sterben“ hatte er 2006 gesagt.

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