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Geschichte 1932

Kurt von Schleicher, der letzte Kanzler vor Hitler

Er war der letzte deutsche Regierungschef vor Hitler. Kurt von Schleicher, der vormalige Reichswehrminister, wollte die NSDAP spalten. Wäre es ihm gelungen, hätte Hitler – so zumindest wird kolportiert – Selbstmord begangen. Vor 75 Jahren, am 3. Dezember 1932, wurde von Schleicher zum Regierungschef ernannt.

Schon ehe Kurt von Schleicher vor 75 Jahren Reichskanzler wurde, war er eine hinter den deutschen Regierungen stehende militärgraue Eminenz gewesen. Vom 3. Dezember 1932 bis zum 30. Januar 1933 war er Chef des Kabinetts und gleichzeitig Reichswehrminister. Wie auch schon vorher versuchte er in seiner kurzen Kanzlerschaft – 70 Tage – die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zu verhindern. Aber er wurde vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg abgesetzt. Am 30. Juni 1934 wurde er auf Geheiß Adolf Hitlers erschossen.

Kurt Ferdinand Friedrich Hermann von Schleicher wurde am 7. April 1882 als Sohn eines preußischen Offiziers in Brandenburg an der Havel geboren. Er besuchte die Berliner Kadettenanstalt von 1896 bis 1900 und wurde dann Leutnant im 3. Garderegiment zu Fuß. Dort lernte er Oskar von Hindenburg kennen, der später in der sogenannten Kamarilla bei der Beratung seines Vaters im Januar 1933 eine verhängnisvolle Rolle spielte.

Im Jahre 1909 besuchte Schleicher die Kriegsakademie. 1913 kam er zum Großen Generalstab, wo er in der Eisenbahnabteilung unter Wilhelm Groener, dem späteren Reichswehrminister, diente. Den Ersten Weltkrieg verbrachte er zumeist im Stab des Generalquartiermeisters.

Karriere Im Reichswehrministerium

Nach dem Ende des Krieges unterstützte er ein kurzlebiges Bündnis zwischen der Armee und der Sozialdemokratie. Der weitgehend von Schleicher initiierte Ebert-Groener-Pakt befreite einerseits sowohl den ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert als auch den SPD-Politiker Otto Wels von aufständischen Matrosen. Derselbe Vertrag garantiert andererseits die Trennung von Staat und Militär. Schleicher wurde dann einer der maßgeblichen Denker, welche die Reichswehr zu einer Art Staat im Staat werden ließen.

Nach einigen Jahren als Leiter des Truppenamtes avancierte Schleicher 1929 zum beamteten Staatssekretär im Reichswehrministerium; inzwischen war er Generalmajor geworden.

Als Groener, Reichswehr- und Innenminister unter dem Reichskanzler Heinrich Brüning, im April 1932 die Wehrorganisationen der NSDAP, SA und SS verbot, kam es zu einem Bruch zwischen den beiden. Schleicher wollte eine Zusammenarbeit der Wehrmacht mit den zwei Organisationen erreichen, um sowohl das Militär zu stärken als auch die NSDAP zu schwächen. Er erreichte schließlich auch, dass sein alter Freund Groener ganz aus der Politik ausschied.Auf Betreiben Schleichers entließ Hindenburg im Juni 1932 Heinrich Brüning und ernannte stattdessen Franz von Papen zum Reichskanzler; er wurde dessen Reichswehrminister.

Hitler sollte Vizekanzler werden

Zusammen mit Papen bot Schleicher im August 1932 Adolf Hitler die Vizekanzlerschaft an, die dieser jedoch ablehnte. Vorher, bei den Wahlen am 31. Juli 1932, hatten die zwei die Weimarer Demokratie bekämpfenden rechten und linken Parteien, die NSDAP und die KPD, zusammen mehr Mandate errungen als alle anderen Gruppierungen gemeinsam.

Nach einer neuerlichen Reichstagswahl am 6. November 1932, bei der die NSDAP Stimmen verlor, die KPD aber gewann, beiden Gruppen jedoch nach wie vor zusammen die Mehrheit der Mandate stellten, trat die Regierung Papen zurück. Nun sollte Adolf Hitler in die Regierung eintreten. Nachdem das nicht akzeptiert wurde, wollte Hindenburg Papen erneut zum Kanzler ernennen. Durch verschiedene Intrigen verhinderte dieses Schleicher und wurde schließlich am 3. Dezember 1932 selbst zum Kanzler berufen und mit der Gründung eines „Präsidialkabinetts“ beauftragt. Dieser aus elf Männern bestehenden Regierung gehörten neben zwei Vertretern der Deutschnationalen Volkspartei nur parteilose, aber sehr konservative Politiker an.

Der gescheiterte Versuch, die NSDAP zu spalten

Schleicher versuchte zunächst, eine vom TAT-Kreis unter Hans Zehrer entwickelte „Querfront“ durchzusetzen, die das Zusammenwirken aller staatserhaltenden Kräfte unter Einschluss der Gewerkschaften vorsah. Außerdem wollte Schleicher mithilfe Gregor Strassers die NSDAP spalten. Aber der Kanzler setzte sich nicht durch. Der frühere Reichskanzler Brüning schrieb dazu in seinen Memoiren: „Die Gefahren für Schleicher wuchsen, obwohl äußerlich sein Prestige nicht abnahm. Im Gegenteil. Durch seine außerordentliche geschickte Form der Konversation gelang es ihm nicht nur, mehr und mehr die gesamte Linkspresse einzufangen und Einfluss bei den Gewerkschaften zu gewinnen, sondern auch einzelne Persönlichkeiten aus (der) Deutschen Zentrumspartei ... für sich einzunehmen.“

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Aber Papen, der nie vergessen konnte, dass ihn Schleicher aus dem Kanzlerpalais verdrängt hatte, verhandelte heimlich – jedoch im Auftrag Hindenburgs – mit Adolf Hitler. Bei einem Treffen am 3. Januar 1933 in der Kölner Wohnung des Bankiers (und späteren SS-Gruppenführers) Kurt von Schroeder einigten sich Papen und Hitler auf eine gemeinsame Regierungsarbeit.

In Folge des Röhm-Putschs erschossen

Am 28. Januar 1933 erklärte Schleicher seinen Rücktritt. Franz von Papen wurde mit den Regierungsverhandlungen beauftragt. Adolf Hitler wurde Reichskanzler.

Im Zuge der Niederschlagung eines angeblichen Putschversuchs des SA-Führers Ernst Röhm wurde Schleicher zusammen mit seiner Frau am 30. Juni 1934 von SS-Leuten in seiner Privatwohnung in Neubabelsberg erschossen.

Schleicher war – laut dem Staatssekretär Hans-Otto Meissner – „erzkonservativ und Monarchist“, allerdings auch „ein Partner der demokratischen und der sozialdemokratischen Führer der maßvollen Linken“.

Am Ast der ersten Republik gesägt

Schleicher war gewiss wie die meisten seiner Kollegen in den höheren Rängen der Reichswehr kein Freund der Weimarer Republik. Aber er hat sie toleriert, ihr loyal gedient und wusste um das Verhängnis, das Nationalsozialisten ihrem Land dann bringen würden, wenn sie allein regierten. Er selbst sagte einmal: „Eines Tages werden wir Bündnisse abschließen wollen und müssen. Da muss man das absolute Vertrauen in uns haben, sonst wäre ja unsere Partnerschaft nur die Hälfte wert.“

In seinen verschiedenen politischen Funktionen wollte Schleicher sicherlich die Nationalsozialisten daran hindern, in Deutschland die Macht zu ergreifen. Trotzdem hat er – durch die frühe Schaffung des Staats im Staat – mitgeholfen, am Ast der ersten deutschen Republik zu sägen.

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