Berliner Fasching

Berliner Fasching · Kurt Tucholsky · Fröhlichkeit

Nun spuckt sich der Berliner in die Hände
und macht sich an das Werk der Fröhlichkeit.
Er schuftet sich von Anfang bis zu Ende
durch diese Faschingszeit.

Da hört man plötzlich von den höchsten Stufen
der eleganten Weltgesellschaft längs
der Spree und den Kanälen lockend rufen:
»Rin in die Eskarpins!«

Und diese Laune, diese Grazie, weißte,
die hat natürlich alle angesteckt;
die Hand, die tags hindurch Satin verschleißte,
winkt ganz leschehr nach Sekt.

Die Dame faschingt so auf ihre Weise:
gibt man ihr einmal schon im Jahr Lizenz,
dann knutscht sie sich in streng geschlossnem Kreise,
fern jeder Konkurrenz.

Und auch der Mittelstand fühlts im Gemüte:
er macht den Bockbier-Fasshahn nicht mehr zu,
umspannt das Haupt mit einer bunten Tüte
und rufet froh: »Juhu!«

Ja, selbst der Weise schätzt nicht nur die hehre
Philosophie: auch er bedarf des Weins!
Leicht angefüllt geht er bei seine Claire,
Berlin radaut, er lächelt …
Jeder seins.

Berliner Fasching · Kurt Tucholsky (Theobald Tiger) · Fröhlichkeit

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Berliner Fasching · Kurt Tucholsky · Fröhlichkeit · Nun spuckt sich der Berliner in die Hände und macht sich an das Werk der Fröhlichkeit.

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Autor: Kurt Tucholsky

Bewertung des Redakteurs:
4

Jeder Mensch hat dem Land gegenüber, in dem er geschützt wohnen, leben und arbeiten kann, dessen Gesetze zu beachten. Sollten diese unzulänglich sein, hat er die Pflicht diese zu verbessern, anstatt sich zu weigern, sie anzuerkennen.
Aventin