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Wirtschaft

Das 1898 erschienene Hauptwerk des Autors hat zusammen mit der monetären Analyse im zweiten Teil seiner Vorlesungen zur Nationalökonomie (1906/1913) die Entwicklung der makroökonomischen Theorie bis heute entscheidend geprägt. Ausgehend von einer kritischen Überprüfung der Quantitätstheorie müssen Wicksells Untersuchungen zur Bedeutung der aufkommenden (bargeldlosen) Kreditwirtschaft und zur Umlaufgeschwindigkeit des Geldes als bahnbrechend angesehen werden. Ganzen Generationen von Studierenden werden die Wicksell'schen ‚kumulativen Prozesse‘ unvergesslich bleiben, die aus einer Abweichung zwischen dem von den Banken verlangten Geldzins und dem ‚natürlichen‘, in Bezug auf das Preisniveau neutralen Zins resultieren. Neben der erforderlichen Übereinstimmung beider Zinssätze gehört zu den weiteren Bedingungen eines monetären Gleichgewichts auch, dass zu diesem Zinssatz die Nachfrage nach Krediten für Investitionen dem Angebot an Ersparnissen gleich ist (I=S-Bedingung).

Nahezu alle führenden Makroökonomen des 20. Jh.s standen in dieser ‚Wicksell Connection‘, wie der schwedisch-amerikanische Ökonom Axel Leijonhufvud (1981) betont hat. So ist das Wicksell'sche Zinsspannentheorem als ein wichtiger Bestandteil in die von Ludwig von Mises und Friedrich August Hayek entwickelte österreichische Konjunkturtheorie eingegangen, auch wenn diese die Ursache der Gleichgewichtsstörung stärker in einer Senkung des Geldzinses durch die Banken und weniger wie Wicksell in einem Anstieg des natürlichen Zinses aufgrund steigender Profiterwartungen der Unternehmer infolge des technischen Fortschritts sehen; auch haben von Mises und Hayek Wicksell eine zu große Fixierung auf das allgemeine Preisniveau und die Vernachlässigung der Struktur der relativen Preise vorgeworfen.

Erst 1936 erschien die englische Ausgabe von Geldzins und Güterpreise, veranlasst durch Keynes und übersetzt durch seinen engsten Mitarbeiter Richard Kahn. Wicksells Analyse der Quantitätstheorie, die zusammen mit dem Say'schen Gesetz zentraler Gegenstand der Keynes'schen Kritik war, veranlasste Joseph Schumpeter, Wicksell als ‚Schutzheiligen‘ aller Kritiker des Say'schen Gesetzes zu bezeichnen, wonach sich jedes Angebot seine eigene Nachfrage schaffe und es deshalb keinen allgemeinen Nachfragemangel als Schranke für die Gesamtproduktion gebe. Wie Schumpeter betont, wurde von den britischen klassischen Ökonomen und Say die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes vernachlässigt. Deren konsequente Berücksichtigung macht jedoch über eine Geldhaltung aus dem Vermögensmotiv die Trennung zwischen dem Verkauf einer Ware und dem Kauf einer anderen Ware möglich – und damit, entgegen den Auffassungen von Say und Ricardo, eine allgemeine Absatzkrise. Wicksell, der sein Werk als Modernisierung von Ricardos Geldtheorie verstand und die Gültigkeit der Quantitätstheorie für die Bedeutung des Geldwerts im langfristigen Gleichgewicht nicht anzweifelte, entwickelte sie zugleich weiter für eine moderne Kreditwirtschaft und wurde zu ihrem großen Kritiker, indem er ihre Unvollkommenheiten für die Analyse von Ungleichgewichtszuständen und dynamischen Anpassungsprozessen betonte. Wicksells Hypothese vom Versagen der intertemporalen Ressourcenallokation und der Bedeutung dieser intertemporalen Ungleichgewichte als Schlüssel zum Verständnis konjunktureller Probleme hat entscheidende Impulse für die moderne Forschung geliefert.

In seiner berühmten Präsidentschaftsrede über „Die Rolle der Geldpolitik“ vor der American Economic Association bezog sich Milton Friedman 1967 explizit auf Wicksell, als er in seiner Kritik des Phillipskurven-Konzepts den Begriff der ‚natürlichen Arbeitslosigkeit‘ in Analogie zu Wicksells Begriff des natürlichen Zinssatzes prägte, um die sich aus dem walrasianischen Gleichgewichtssystem ergebenden realen von den monetären Einflüssen zu trennen. Schließlich kommt die Bedeutung von Wicksells Werk als Grundlage der modernen Geld- und makroökonomischen Theorie auch darin zum Ausdruck, dass Michael Woodford in seinem wichtigen Lehrbuch zur monetären Makroökonomik Interest and Prices (2003) dem schwedischen Ökonomen bereits im Titel Referenz erweist.