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Deutschland Klaus Wowereit

"Wir haben geknutscht, bis uns schwindlig war"

Klaus Wowereit stellt seine Autobiographie vor Klaus Wowereit stellt seine Autobiographie vor
Memoiren mit 53 - Klaus Wowereit
Quelle: DPA
Klaus Wowereit, der Lebemann, der einmal der erste schwule Bundeskanzler werden will, hat sein Privatleben noch nie versteckt. Im Gegenteil, er macht mit seinem Leben Schlagzeilen. Jetzt hat er seine Memoiren vorgestellt. Und verrät darin neue pikante Details.

Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, hat ein Buch schreiben lassen. Hajo Schumacher, ehemaliger Leiter des „Spiegel“-Büros in Berlin, hat es verfasst. Günther Jauch, führender Fernsehunterhalter aus Potsdam, hat es vorgestellt. Wowereits Buch heißt „...und das ist auch gut so. Mein Leben für die Politik“. Der Titel kommt gut, Jauch verdient gut, Schumacher schreibt gut, Wowereit hält sich für gut. Das passt.



Warum schon jetzt die Memoiren?



Klaus Wowereit ist jetzt 53 Jahre alt. Seit 35 Jahren gehört er der SPD an, seit 14 Jahren heißt seine zweite große Liebe Jörn Kubicki, seit sechs Jahren regiert er Berlin, seit drei Jahren ist er Mitglied von Hertha BSC, seit vier Monaten Jurymitglied eines Kochwettbewerbs. Und nun liegen seine Memoiren in den Buchläden der Republik. Ein Frühvollendeter? Ein Mann, der ein so pralles Leben führt, dass er kurz nach der Halbzeit schon Bilanz ziehen muss, weil er sonst, näher am Ende, längst den Überblick verloren hätte? Ein Geltungssüchtiger?


Warum nur, so fragt man sich, warum nur veröffentlicht ein Politiker in der Blüte seiner Amtszeit seine Memoiren, wo doch vielleicht das Beste, sicherlich aber das Ambitionierteste noch vor ihm liegt? Bei der Beantwortung dieser Frage muss man vier Dinge tun: Das Buch lesen, sich die Gemengelage in der SPD anschauen, dem Zeitgeist hinterherschnüffeln – und schließlich für sich klären, ob man das erste wowereitsche Axiom gelten lassen will, wonach das Leben selbst schon eine Lebensleistung ist.

Fangen wir mit dem Buch an. In „..und das ist auch gut so“ erfährt der Leser, dass Wowereit aus einfachen Verhältnissen stammt, dass seine Mutter fünf Kinder von drei Männern hatte, dass sein Vater in die DDR rübermachte, dass es bei den Wowereits einen Partykeller gab, aber keine überbehütenden Eltern. Der Leser erfährt auch, dass Wowereit seine krebskranke Mutter und seinen querschnittsgelähmten Bruder zu Hause pflegte; dass Jörn Kubicki ein Verwandter des FDP-Politikers Wolfgang Kubicki ist; dass Wowereit Jörn und nicht Wolfgang am 29. März 1993 in der „Bar Centrale“ in der Kreuzberger Yorckstraße kennenlernte; dass es Liebe auf den ersten Blick war; dass Wowereit „Nights in White Satin“ von den Moody Blues liebt und Jörn es hasst.


Und er erfährt, dass Wowereit zwei langjährige Beziehungen zu Frauen hatte; dass sein Coming out bei dem Berliner SPD-Parteitag 2001 („Ich bin schwul – und das ist auch gut so.“) erfolgte, weil er sonst einen Tag später geoutet worden wäre; dass Gerhard Schröder entschied, er, Wowereit, werde Spitzenkandidat und nicht der damalige SPD-Landeschef Peter Strieder. In Wowereits Buch stehen viele Sätze wie „Wir haben geknutscht, bis uns schwindlig war“ (Klaus und Sabine im Partykeller) oder „Ich habe gelitten wie ein Teenager“ (als Jörn Kubicki zu seinen Eltern nach Süddeutschland fuhr). In Wowereits Buch steht viel über Wowereits Leben – und wenig über Wowereits Politik.



Wowereit will ganz nach oben


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Zur Gemengelage in der SPD: Wie kein anderer Spitzengenosse steht Wowereit für Rot-Rot oder für Rot-Rot-Grün. Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün ist für die Bundestagswahl 2009 aber keine Option. SPD-Chef Kurt Beck hat beides bereits kategorisch ausgeschlossen. Was ist aber für die Zeit danach? Nach 2009 – und nach Beck. Viele Basisgenossen drängen bereits jetzt darauf, das Bündnisverbot mit Oskar Lafontaines Linken im Westen und im Bund aufzuheben.


Sollte, wofür vieles spricht, die SPD die Wahl 2009 verlieren, dürfte der Druck größer werden. Wowereits Chancen, ganz nach oben zu gelangen, würden in diesem Fall deutlich steigen. Selbstbewusst für ganz oben ist er jedenfalls. Auf die Frage, ob ein Schwuler Kanzler werden könne, antwortet Wowereit im jüngsten „Stern“: „Ich glaube, das wär' möglich.“ Möglich auch, dass er glaubt, ein Buch über den Menschen Wowereit mache das Mögliche wahrscheinlich.

Zum Zeitgeist: In Berlin regierten einst Ernst Reuter, Willy Brandt, Richard von Weizsäcker. Männer, die mit ihrer Politik Schlagzeilen machten. In Berlin regiert heute Klaus Wowereit. Ein Mann, der mit seinem Leben Schlagzeilen macht. Geschichten statt Geschichte. Da passt das Buch zum Leben. Da passt die mediale Selbstinszenierung des Politikers als Lebemann. Da passt „Wowi“. Wo es früher um die Deutungshoheit in der Politik ging, geht es heute um die Lufthoheit am Boulevard. Wowereits Lebensleistung besteht darin, als Schwuler in der Politik überlebt zu haben. Daraus lässt sich nicht nur ein Buch machen, sondern auch eine Karriere. Je dünner das erste, desto steiler die zweite. Und das ist nicht gut so.

Bleibt noch zu klären, ob man das erste wowereitsche Axiom für sich gelten lassen will: Ist das Leben selbst schon eine Lebensleistung? Ach, weiß der Klaus!

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