OFDb - Kiss Daddy Goodnight (1987) - Eine Kritik von Intergalactic Ape-Man
Review

Kiss Daddy Goodnight, das Spielfilmdebüt des 1957 in Wien geborenen Film- und Theaterregisseurs Peter Ily Huemer bildet zugleich das Sprungbrett für die Filmkarriere des Models Uma Thurman. Dieses im deutschen Sprachraum auch unter dem seltsamen Titel Das Mitternachts-Massaker veröffentlichte Werk ist definitiv etwas spezielles.
Unterstrichen von Rezeptionen zwischen Liebe und Hass bleibt der eigentliche Umstand meist verborgen, welche diese so konträren Reaktionen verursacht. Dabei ist der Plot zunächst einfach zu umreißen. Uma Thurman gibt das Mädchen Laura, welches sich in Verkleidungen gehüllt des Nachtens Männer aufreißt, um diese zu betäuben und zu berauben.

Schwer macht es Peter Ily Huemer seinen Zuschauern in Kiss Daddy Goodnight nun dadurch, daß er sich nicht wie gewöhnlich auf spekulative Szenen konzentriert, sondern dem Beziehungsgeflecht ringsherum mehr Beachtung schenkt. Seine Perspektive ist dabei weder das Fenster in eine vollkommene Anderswelt noch der Naturalismus. Vielmehr scheint es, als würde das Leben eine Theaterinszenierung sein, deren Bühne wir aus dem Hintergrund und mit dem Blick die Garderobe der Darsteller streifend beobachten.
In Kiss Daddy Goodnight wird ein sehr puristisches Bild der Menschen beschrieben, welche der generellen Ähnlichkeit dadurch entfliehen, sich stereotyper Rollen anzunehmen, um ihrer Vorstellung eines zielführenden Weges zu folgen, oder genauer im Falle von Laura eine Lockwirkung auszustrahlen. Mit dem Überstreifen blutroter Lederhandschuhe scheint Laura eine Distanz zur Tat aufzubauen.

Mit Kiss Daddy Goodnight unterwirft sich Peter Ily Huemer dem in den 80er Jahren modernen, sehr zähflüssigen Rhythmus des New Yorker Independentfilms, welcher in Jim Jarmusch und Abel Ferrara schillernde Lichtgestalten gefunden, jedoch in Werken wie Buddy Giovinazzos Combat Shock oder Greg Lambersons Slime City auch obskure Genrefilme beeinflußt hat. Peter Ily Huemers grobkörnig-nihilistischer Blick auf den Puls der Großstadt, dessen Schlag nahezu jeden Anflug von Idealismus in einem modischen Massenphänomen verebben läßt, wirkt wie eine Auferstehung des Film Noir.
Kiss Daddy Goodnight spielt sich denkbar unpathetisch im urbanen Zwielicht ab. Die Figuren, darunter auch Paul Dillon, der ältere Bruder der Schauspieler Matt und Kevin Dillon, sowie Steve Buscemi und Annabelle Gurwitch, sumpfen in ihren Lebensumständen. Wünsche versucht man berechnend und ohne Gedanken an eine Moral zu erfüllen. Ein Gegenmodell kommt kaum in Frage.

So wenig erfüllend Kiss Daddy Goodnight unter dem Strich doch für die Seele ausfallen mag, so sehr fasziniert er durch seine Atmosphäre. Glänzend freilich sticht die junge Uma Thurman hervor, welche sich vom Punkrock-Girl, der Lolita von Nebenan oder einem verführerischen Schneewittchen unterschiedlichster Verkleidungen bemächtigt, welchen sie verwandlerisch auch im Spiel folgen kann. Bemerkenswert bleibt die Kostümierung als Femme Fatale mit pechschwarzer Bob-Perrücke ganz im Stil der Stummfilmikone Louise Brooks, die Parallelen zu Mia Wallace in Pulp Fiction erahnen läßt. So sehr Quentin Tarantino Uma Thurmans Barfußauftritt in Johnny Be Good also gefallen haben wird, kann man Kiss Daddy Goodnight als Vorzeichen für ihren Durchbruch verstehen.

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