Kicker im Kleid | ajum

Kicker im Kleid

Autor*in
Williams, David
ISBN
978-3-499-21784-5
Übersetzer*in
Haentjes-Holländer, Dorothee
Ori. Sprache
Englisch
Illustrator*in
Blake, Quentin
Seitenanzahl
240
Verlag
Rowohlt
Gattung
Buch (gebunden)Erzählung/Roman
Ort
Reinbek
Jahr
2017
Lesealter
8-9 Jahre10-11 Jahre12-13 Jahre
Einsatzmöglichkeiten
Preis
14,99 €
Bewertung
sehr empfehlenswert

Teaser

Was passiert, wenn ein Junge sich für Mode interessiert, wenn er gern ein Kleid anzieht?

Beurteilungstext

Im "Trendbericht Kinder- und Jugendliteratur 2017" des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels wird herausgestellt, dass vielfältige Familienkonstellationen und Lebensentwürfe im Kinder- und Jugendbuchmarkt der letzten Jahre ihren Platz finden. Das hier rezensierte Buch gehört sicher dazu, es zeigt Vielfalt in verschiedenen Perspektiven, insbesondere in Bezug auf Geschlechterrollenklischees.

Der zwölfjährige Dennis spielt gern und gut Fußball. Und Dennis mag Mode. Er lebt zusammen mit seinem Vater und seinem älteren Bruder John in einem ganz normalen Haus, in der Gegend ist alles gleichförmig. Weil Dennis auch Mode mag, kauft er sich eines Tages eine Vogue, was den Vater fürchterlich aufregt, denn Jungen lesen keine Vogue.
Dann lernt Dennis Lisa kennen, ein hübsches Mädchen, das zu Hause viele Vogue-Ausgaben hat und selber Kleider entwirft. Eines probiert Dennis an, und das gefällt sowohl Lisa als auch Dennis. Geschminkt, mit Perücke und weiteren Accessoires ist Dennis so überzeugend, dass er ein paar Tage später als Mädchen in die Schule geht – getarnt als Lisas Französisch-Austauschpartnerin. Alles geht gut, Dennis wird nicht einmal von seinem besten Freund erkannt. Doch leider hat Lisa auch Französisch, und Miss Windsors freundliche Nachfragen kann Dennis nicht befriedigen. Aus Hilflosigkeit geht er in die Offensive und behauptet, dass Miss Windsors Französisch einen so schauderlichen Akzent habe, dass er nichts verstanden hat. Miss Windsor bricht daraufhin mit einem sich über drei Seiten erstreckenden "aaaa....h" zusammen. Und weil Dennis nun weglaufen muss, aber noch wenig Übung mit hochhackigen Schuhen hat, stolpert er und verliert die Perücke. Das Auslachen der Mitschüler erstreckt sich als "Hahaha" über vier Seiten...
Die Strafe erfolgt unmittelbar durch den strengen Direktor Mr. Hawtrey: Dennis wird von der Schule verwiesen und auch zu Hause wird er ordentlich bestraft, vor allem, weil sein Vater nicht damit zurechtkommt, dass sein Sohn gern Kleider trägt.
Natürlich gibt es noch eine positive Wendung. Denn ohne Dennis kann die schulische Fußballmannschaft das Endspiel gegen die Maudlin Street nicht gewinnen. Doch der Direktor bleibt streng: Spiel ohne Dennis. Zur Halbzeit steht es 6:0... Doch mit Lisas Hilfe ziehen alle Fußballspieler aus Dennis Mannschaft Kleider an und stürmen mit Dennis nach der Pause auf das Spielfeld. Und zum Schluss kommt noch Dennis Vater und feuert seinen Sohn tüchtig an, so, dass sie das Spiel gewinnen.

Das Buch funktioniert! Und zwar darum, weil hier zwar geschlechtliche Rollenklischees zum Thema werden, aber die Geschichte als Story funktioniert. Vielfalt wird in den Figurendeutlich, zum Beispiel durch Dennis‘ Interesse an Mode und Kleidern, das mit keiner sexuelle Orientierung verbunden wird. Dennis ist Dennis - Punkt. Und andere können und dürfen anders sein. Lisa darf sich auch für Kleider orientieren. Vielfalt wird auch im Familienbild sichtbar: Vater und zwei Söhne in Dennis Familie, Mutter-Vater-Tochter bei Lisa. Vielfalt zeigt sich auch in den Nebencharakteren, dem Direktor, aber auch dem geheimnisvollen Zeitschriftenhändler Raj. Und so ist das Buch sicher ein wenig queer, aber eben nicht nur.
Etwas gewöhnungsbedürftig sind die für Williams typischen erzählerischen Übertreibungen: Der Überstrenge Direktor, die so sehr empfindliche Französischlehrerin, das Aufholen eines 6:0-Rückszandes im Fußballspiel. Und vor allem: Die unglaublich rasante Entwicklung von Dennis, der nur wenige Tage, nachdem er das erste Mal ein Kleid getragen hat, sich damit in die schulische Öffentlichkeit wagt. Hier wäre sicher eine längere Entwicklungszeit glaubwürdiger gewesen.

"Kicker im Kleid" ist Williams erstes Buch und in England schon im Jahr 2008 erschienen. Auf dem deutschen Markt wurden aber andere Bücher von ihm vorher herausgegeben, so z. B. "Gangsta-Oma" und "Terror-Tantchen".

Würde Williams hier einen Standardplot mit Standard-Figuren vorlegen, wäre das Buch wohl eher Mittelklasse. Ein wenig lustig, aber sicher eine schnelle unterhaltsame Lektüre. Durch die Figuration jedoch bekommt es etwas Besonderes und ermöglicht in dieser Kombination einen unaufgeregten Zugang zu einem aufregenden Thema.

Christoph Jantzen, AJuM Hamburg

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Diese Rezension wurde verfasst von Christoph Jantzen; Landesstelle: 15 Hamburg.
Veröffentlicht am 02.04.2017

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