Katja Riemann: „Schauspielerei kann gefährlich sein“
Sie ist einer der größten deutschen Filmstars und gilt als Diva unter den deutschen Schauspielerinnen: Katja Riemann. In der herausragenden neuen Serie „Reset – Wie weit willst du gehen?“ (seit 7. März in der ZDF-Mediathek und seit 11. März im ZDF) verkörpert die 60-Jährige die erfolgreiche Fernsehjournalistin Floriane, die einen schweren Schicksalsschlag erleidet: Ihre Teenager-Tochter nimmt sich das Leben. Als Paula die Möglichkeit erhält, in der Zeit zurückzureisen, geht sie das Wagnis ein, um die Vergangenheit zu ändern. Über ihre Rolle und über ihre eigene Karriere als berufstätige Mutter sprach Cornelia Wystrichowski mit der Schauspielerin.
Katja Riemann: Keineswegs. Wir Schauspielenden müssen immer wieder vorsprechen, egal wie lange man das schon macht. Ich bin dankbar, dass ich überhaupt zu diesem Casting eingeladen wurde, und ich glaube, ich war die älteste. Es wäre vielleicht auch für andere Berufssparten nicht verkehrt, wenn man zwischendurch vorsprechen müsste, um seine Skills darzulegen. Ich habe der Regisseurin Samira Radsi vorgesprochen und mir wurde die Rolle schließlich angeboten. Darüber habe ich mich sehr gefreut.
Riemann: Ich sehe es nicht als Zeitreise-Serie, wir haben keinen Science-Fiction gedreht, und ich fände es auch falsch, die Serie dem Publikum so anzukündigen – denn dann erwarten die Menschen ja auch Science-Fiction mit Special Effects. Das gibt es bei uns nicht. Die Zeitreise-Elemente dienen als Vehikel, um sehr komplexe Themen zu verhandeln. Es geht um Mutterliebe, Feminismus, existentielle Fragen. Wir haben diese Elemente als Aufhänger benutzt, um in diese Beziehung zwischen Mutter und Tochter hineinzugehen und um uns der Frage anzunähern: Was, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte und etwas ändern könnte, eine andere Person – in diesem Fall das Kind – durch mein eigenes Verhalten beschützen könnte? Da geht es um Schuld, um Achtsamkeit und um die Frage: Warum ist in diesem 15-jährigen Mädchen diese tiefe Dunkelheit?
Riemann: Wissen Sie, ich bin ganz schlecht mit Verallgemeinerungen. Je älter ich werde, desto mehr erkenne ich, dass die überhaupt nicht greifen. Da geht es ja schon mit der Frage los: In welchem Land leben wir? Wie sind wir sozialisiert? An welchen Gott glauben wir? Leben wir in einem Land mit Geschlechtergerechtigkeit oder in einem Land, in dem man das Wort noch nicht einmal gehört hat? Das ist ganz vielfältig. Aber universell ist, glaube ich, die Bedeutung von Achtsamkeit. Wir bringen als Mütter ein Kind zur Welt, aber deswegen kennen wir unser Kind ja noch nicht – das kommt schon mit einer eigenen Persönlichkeit zur Welt. Wir müssen als begleitende Eltern achtsam sein, dass wir diese Persönlichkeit beschützen, bewahren und fördern.
Riemann: Ja, das war sehr schwierig. Wissen Sie, ich bin ja eine andere Generation, ich habe in den 90er Jahren meine Karriere gemacht, und zwar mit Kind – und der Wind blies mir fast 20 Jahre lang kalt ins Gesicht von allen Seiten, leider auch aus der Medienlandschaft. Das war nicht in Ordnung. Dass es mich immer noch gibt, und dass ich immer noch große und sehr interessante, komplexe Rollen spielen darf – das erfüllt mich mit Glück, Dankbarkeit und auch ein bisschen Stolz.
Riemann: Das Thema war für mich nicht neu, ich habe mich damit immer wieder beschäftigt. Die Leute in meiner Generation und älter haben immer gesagt. „Ich bin doch nicht verrückt, ich geh doch nicht zum Therapeuten.“ Aber ich musste nicht extra sensibilisiert werden. Wir hatten bei den Dreharbeiten auch eine psychologische Begleitung, die für uns da war und aufgepasst hat, wo Triggerpunkte sein könnten.
Riemann: Interessant, dass Sie das fragen. Ich habe nämlich neulich mit verschiedenen KollegInnen gesprochen und wir versuchen ein Angebot zu entwickeln, wie man aus den Figuren wieder herauskommt. Auf den Schauspielschulen werden wir darauf vorbereitet, wie wir Figuren kreieren, wie man ganz konkret in die Situation und das Gefühl hineinkommt. Das ist ja letztlich unser Job. Aber es fehlt das Handwerkszeug, wie man danach wieder rauskommt. Man muss ja eine Rolle auch wieder ablegen, sonst fängt man an zu hyperventilieren.
Riemann: Es kommt immer auf die Rolle an. Eigentlich kann ich das ganz gut, weil ich eine gute innere Balance habe. Aber bei „Reset“ war es irgendwann so, dass mich die Rolle körperlich angefochten hat. Wenige Wochen vor Ende der Dreharbeiten hatte ich ganz schwere Nierenschmerzen, und meine wunderbare Osteopathin, die mich die ganze Zeit begleitet hatte, sagte zu mir: Die Nieren sind nicht nur für die physiologische Entgiftung des Körpers da, sondern auch für die emotionale Entgiftung. Meine armen Nieren dachten, dass ich in einer Lebenskrise bin, weil ich das ja alles gespielt habe, Verlust, Krankheit, Tod und so weiter, sie konnten nicht wissen, dass es fake war. Sie sehen, Schauspielerei kann gefährlich sein.