Starke Frauen?
Adelige Damen
im Südwesten des
spätmittelalterlichen
Reiches
Herausgegeben von Klaus Oschema,
Peter Rückert und Anja Thaller
Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2022
Die Tagung und Publikation wurden gefördert von
sowie der Fondation pour la Protection du Patrimoine Culturel, Historique et Artisanal, Lausanne.
Umschlagbild :
Drei Fürstinnen, Ehefrauen des Grafen Ulrich V. von Württemberg, rechts Margarethe von Savoyen.
Ausschnitt aus einem Altarflügel im Landesmuseum Württemberg, um 1470.
Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier.
Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte an den Abbildungen liegen beim Landesarchiv Baden-Württemberg bzw.
bei den verwahrenden Institutionen.
© 2022 by Landesarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart
Satz und Druck: Offizin Scheufele Druck & Medien GmbH & Co. KG, Stuttgart
Kommissionsverlag: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Printed in Germany
ISBN 978-3-17-042251-3
Inhalt
5
Vorwort
Gerald Maier
7
Starke Frauen?
Adelige Damen im Südwesten
des spätmittelalterlichen Reiches.
Zur Einführung
Klaus Oschema, Peter Rückert und
Anja Thaller
Haus und Herrschaft Savoyen
18
Herzog, Hexen, Heiratsmarkt? Wahrnehmung und Rolle des
spätmittelalterlichen Savoyen im
Südwesten des Reiches
Klaus Oschema
46
Schwiegersöhne von Grafen, Herzögen
und Königen.
Zum Rang der savoyischen Ehefrauen
vom 11. bis 17. Jahrhundert
Thalia Brero
68
Amadeus VIII. von Savoyen:
Graf, Herzog, Papst (1383 – 1451).
Eine biographische Skizze
Elisa Mongiano
Margarethe von Savoyen:
Königin, Kurfürstin, Gräfin
75
Margarethe von Savoyen –
eine zentrale Figur auf dem
Schachbrett der politischen Allianzen
des Hauses Savoyen
Eva Pibiri
94
Vier Jahre Ehe – Streit für eine
Generation. Margarethe von Savoyen
zwischen Pfalz und Württemberg
Erwin Frauenknecht
108 Zwischen fürstlichem Prunk und
finanziellen Nöten: Margarethe von
Savoyen als Gräfin von Württemberg
Anja Thaller
Fürstinnen: Handlungsspielräume
und kulturelle Profile
130 Internationale Fürstinnen des
späten Mittelalters in Württemberg
Peter Rückert
158 Margarethe von Savoyen und
ihre literarischen Interessen.
Erfolge und Probleme mediävistischer
GönnerInnenforschung
Martina Backes
167
Fürstinnen und ihr Anteil
am literarischen Kulturtransfer
im deutschen Südwesten vor 1500
Christa Bertelsmeier-Kierst
189 Habsburgerinnen des
15. Jahrhunderts: Die »Agency«
der weltlichen Fürstinnen
im Schnittfeld von strukturellen
und biographischen Parametern
Christina Antenhofer
211
Geistliche Frauen und adlige Familie
Sigrid Hirbodian
228 Katharina von Württemberg:
Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
4
Inhalt
Schlussworte: Adlige Frauen im
Südwesten des spätmittelalterlichen
Reichs oder das bewegte Leben der
Margarethe von Savoyen
Jörg Peltzer
271
Materielle Spuren der Hofkultur
unter Margarethe von Savoyen und
Ulrich V. von Württemberg
Ingrid-Sibylle Hoffmann und
Julia Bischoff
251
Anhang
278
Stammtafeln
279 Orts- und Personenregister
von Michael Aljoscha Sengstmann
286 Abkürzungen
288 Abbildungsnachweis
289 Autorinnen und Autoren
Katharina von Württemberg –
Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
Am 10. Mai 1488 ergeht eine Bulle, mit der
Papst Innozenz VIII. seine Adressaten auffordert, die aus dem Kloster Lauffen entflohene
Grafentochter Katharina von Württemberg
(1441 – 1497) in ihre geistliche Gemeinschaft
zurückzuführen. Wer war diese einst im
Doppelkloster Adelberg lebende und dann in
einen Frauenkonvent nach Lauffen trans
ferierte flüchtige Frau? Femme fatale oder
verzweifelte Verfolgte? Auch wenn auf diese
etwas zugespitzte Frage sicherlich keine
eindeutige Antwort zu geben sein wird, möchte
ich Sie mitnehmen auf eine Reise ins aus
gehende 15. Jahrhundert, auf der wir die
Bedingungen der Flucht Katharinas von
Württemberg genauer erforschen wollen.
Es steht außer Frage, dass Katharina ein
»unmögliches« Verhalten für eine Frau des
Mittelalters an den Tag legte, als sie die
klausurierte Ordensgemeinschaft offensichtlich ohne Befugnis verließ. War diese unge
horsame Person aber auch eine »starke« Frau?
Um einer Antwort auf diese Frage wenigstens
etwas näherzukommen, seien zunächst kurz
die Eckdaten von Katharinas Leben vorgestellt.
Da ihre Lebensgeschichte aufs Engste mit der
Geschichte ihrer einstigen geistlichen Gemeinschaften, dem Prämonstratenserkloster
Adelberg und dem Frauenkonvent in Lauffen,
verbunden ist, widmen wir uns sodann den
Bedingungen und Abläufen des klösterlichen
Reformbestrebens ihres Vaters, Graf Ulrichs V.
von Württemberg (um 1413 – 1480), die
Katharinas Geschicke auf lange Sicht be
einflussen sollten. Zwei Aspekte gilt es hier
besonders hervorzuheben: Der erste betrifft
erbrechtliche und finanzielle Querelen, der
andere die lebenseinschneidenden Veränderungen, welche die Klausurierung der Kanonissen mit sich brachte. Schließlich werde ich der
Frage nachgehen, ob und wie wir Katharina
von Württemberg eigentlich als eine »starke«
Frau auszeichnen können.
Kurzbiographie
Katharina wird am 7. Dezember 1441 als
einzige Tochter aus der Ehe Graf Ulrichs von
Württemberg mit Herzogin Margarethe von
Kleve geboren.1 Am 20. Mai 1444 verstirbt
die Mutter. Katharina sieht kurze Zeit darauf,
noch als Zweijährige, den Vater mit Herzogin
Elisabeth von Bayern (1419 – 1451) eine neue
Ehe eingehen, in der vier Kinder geboren
werden. Aus dieser ersten geschwisterlichen
Reihe ist besonders der knapp sechs Jahre
jüngere Graf Eberhard VI., genannt der Jüngere
(1447 – 1504), hervorzuheben, der spätere
Herzog Eberhard II.
Der ersten Stiefmutter Katharinas war
ebenfalls kein langes Leben an der Seite
Ulrichs beschert: Sie stirbt im Wochenbett
ihrer Tochter Elisabeth am 1. Januar 1451.
Es dauert nun fast drei Jahre, bis sich Ulrich
erneut vermählt, mit Margarethe von Savoyen
(1420 – 1479), am 11. November 1453. Zu
diesem Zeitpunkt ist Katharina fast zwölf Jahre
alt. Drei weitere Halbschwestern bereichern
ihre Familie in den Folgejahren. Über die
Kindheit und Jugend Katharinas wissen wir
nichts Konkretes; ihr Leben können wir nur
anhand der uns über das familiäre Leben
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
Ulrichs V. zugänglichen Informationen
ausmalen.
Die Familie war finanziell schlecht aufgestellt, sodass die Aussicht auf eine einer
Grafentochter gebührende Mitgift gering war.2
Üblicherweise wurde die älteste Tochter
verheiratet, doch sollte Katharina ein geistliches Leben führen.3 Allerdings trat sie nicht
wie vielfach üblich schon als Sechs bis
Achtjährige ins Kloster ein, sondern erst
relativ spät mit etwa 20 Jahren. Eher ins
Muster passend trat ihre bald nach 1445
geborene Halbschwester Margarethe, aus der
zweiten Ehe des Vaters mit Herzogin Elisabeth
von BayernLandshut, 1453 in das reformierte
Dominikanerinnenkloster Liebenau bei Worms
ein, wo sie 1479 verstarb. Katharina wird als
junges Mädchen durch die Erfahrung Margarethes in Liebenau einen Eindruck davon
gewonnen haben, was es bedeutete, in einem
klausurierten Frauenkloster zu leben.
Als junge Frau wird Katharina verschiedene
Ordenszugehörigkeiten in Erwägung gezogen
haben. Die Wahl fiel auf Adelberg, das einzige
Prämonstratenserstift auf württembergischem
Territorium. Zwar ist sich die Forschung nicht
einig darüber, ob hier damals tatsächlich noch
ein Doppelkloster bestand, doch gilt Adelberg
andererseits als das am längsten bestehende
Doppelkloster des Ordens.4 Adelberg lag nicht
nur in der Grafschaft Württemberg, es verstand
sich überdies – basierend auf seiner Gründung
durch die Staufer 1187 – als landesherrliches
Hauskloster.5 Andere, nicht nur prestigereiche
Gründe mögen Katharina dazu bewogen
haben, in Adelberg einzutreten, aber dazu
später.
Katharina wird zum ersten Mal 1462 als
Kanonisse in Adelberg erwähnt, d. h. zu diesem
Zeitpunkt musste sie ihre Profess bereits
abgelegt haben, sodass wir davon ausgehen
dürfen, dass sie spätestens 1462 ins Kloster
eingetreten war. Untypischerweise gab es
keinen Erbverzicht bei ihrem Klostereintritt,
was dann nach dem Ableben des Vaters zu
Problemen führen sollte. Kurz nach dem
Klostereintritt setzen, ab 1465 bezeugt, die
229
Bemühungen Ulrichs V. ein, die beiden
Konvente des prämonstratensischen Doppelklosters Adelberg zu trennen. 1476 kam es zum
Umzug Katharinas in das einstige Dominikanerinnenkloster Lauffen, und gleichzeitig
begann die Reform des Frauenkonvents.
Katharina bezog, ausgestattet mit einem für
eine Frau geistlichen Standes beträchtlichen
Lebensunterhalt, ihr Quartier in Lauffen.
Zwischen Februar 1487 und Mai 1488 verließ
sie es wieder. Nachdem sie kurzzeitig beim
Würzburger Bischof Obdach fand, versuchte
sie spätestens 1489 im fränkischen Prämonstratenserfrauenstift Gerlachsheim an der
Tauber Fuß zu fassen. Auch dieses Zusammenleben war ihr nicht vergönnt: Ob sich Katha
rina aber wirklich in Gerlachsheim aufhielt,
muss laut einer beurkundeten Rechtsstreit
beilegung zwischen ihr und der Meisterin von
Gerlachsheim von 1492 in Frage gestellt
werden.
Wo Katharina in den Jahren von 1488 bis zu
ihrem Tod lebte, ist nicht völlig geklärt. Sehr
wahrscheinlich wird sie ihre letzten Jahre in
Würzburg verbracht haben, wie eine Nachricht
vom 22. August 1497 nahelegt: Ihr Bruder
Eberhard der Jüngere verkaufte zu diesem
Zeitpunkt ein Haus samt Hof in Würzburg,
das ihm von der hochgebornen und gaistlichen
o
o
frow Katharinen, gräfin zu Würtemberg und zu
o
Múmppelgart, closterfrow zu Louffen, Premonstratenser ordens, unser lieb swester salig
gedaichtniß, erblich angefallen ist.6 Katharina
hatte offensichtlich Freunde im Umkreis des
Würzburger Bischofs, und als letzte Lebens
station bot ihr diese Stadt gute Existenz
bedingungen.7 Man nimmt an, dass sie in
Adelberg bestattet liegt, da sie im Nekrolog
des Konvents erwähnt wird.8 In Lauffen wurde
sie nicht begraben, jedenfalls ist ihr Grab auf
einer frühneuzeitlichen Abzeichnung der sich
im Spätmittelalter im dortigen Kirchenraum
befundenen Grabplatten nicht zu finden.9
Die Kurzbiographie Katharinas von Württemberg lässt ein bewegtes Leben erahnen.
Wenden wir uns den historischen Begeben
heiten etwas genauer zu, lassen sich mögliche
230
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
Motivgründe für Katharinas Flucht aus Lauffen
eruieren. Wie bereits angedeutet, handelt es
sich zum einen um Erbregelungen und zum
anderen um die Klausurierung des Konvents.
Beide Aspekte sind verknüpft mit der Reform
des Prämonstratenserstifts, d. h. auch mit der
Trennung der beiden Adelberger Konvente.
Die Trennung der Adelberger Konvente und
ihre Konsequenzen
Kloster Adelberg wurde 1178 im dritten
Versuch mit einem aus Roggenburg stammenden Gründungskonvent eingerichtet;10 wir
dürfen davon ausgehen, dass von Beginn an bis
1476 auch Prämonstratenserinnen auf dem
Gelände des Doppelklosters ansässig waren.
Verschiedene Urkunden Adelbergs aus dem
13. und 14. Jahrhundert eröffnen ein differenziertes Bild vom Zusammenleben der Prämonstratenserinnen mit ihren geistlichen
Brüdern. Aus diesen Quellen wird ersichtlich,
dass Ordensfrauen Geldgeschäfte tätigten und
so in die spätmittelalterliche Ökonomisierung
ihres Klosters aktiv involviert waren. Verwandtschaftsverhältnisse begünstigten oft den
Handlungsspielraum der Kanonissen. Immer
wieder, auch noch im 15. Jahrhundert, künden
wirtschaftliche Transaktionen von einer
relativen Selbstbestimmung der Prämonstratenserinnen.11 Sie verhielten sich mitnichten
passiv, und in einigen Fällen handelten sie
auch relativ unabhängig vom Propst.12 Stefanie
AlbusKötz stellt »eine gewisse Emanzipation
des Frauenkonvents vom Männerkonvent«
fest, die »20 Jahre vor der Verlegung [etwa zur
Mitte des 15. Jahrhunderts] nach Lauffen ein
relativ selbstständiges Auftreten von Meisterin
und Frauenkonvent in Vermögensdingen«
hervorbrachte.13 So mag es nicht Wunder
nehmen, wenn die Verlegung der Adelberger
Schwestern nach Lauffen in der zweiten Hälfte
des 15. Jahrhunderts nicht ganz reibungslos
ablief.
Um die Einzelheiten besser nachvollziehen
zu können, soll zunächst ein Blick auf die
Klostergeschichte Lauffens geworfen werden.
Im Bistum Würzburg gelegen, lebten im
Kloster Lauffen von 1003 bis vor 1285
zunächst Benediktinerinnen, dann übernahmen Dominikanerinnen das Haus von 1285 bis
1476; 1476 markiert in der Lauffener Geschichte das Jahr, in dem die Adelberger Prämonstratenserinnen dorthin übersiedelten; das Kloster
bestand noch bis 1536. Eine wechselnde
Ordenszugehörigkeit ist nichts Außergewöhnliches im Mittelalter und betraf vor allem
Frauenklöster.14 Kloster Lauffen war trotz
einiger weniger bekundeter wirtschaftlicher
Transaktionen des Öfteren vom Aussterben
bedroht;15 1474 weilte dort nur noch eine
Dominikanernonne.16
Bereits 1456 war beschlossene Sache, dass
das Dominikanerinnenkloster reformiert
werden sollte.17 Dieser Plan der Grafen Ulrich
und Eberhard V., des Älteren, wurde durch den
pfälzischen Krieg, unter dem Lauffen als
Grenzort besonders litt, verzögert. Eine
»Reformbulle«, die Graf Ulrich am 6. März 1459
von Papst Pius II. erlangt hatte, sollte aber auf
lange Sicht Erfolg versprechen:18 Ulrich nahm
1465 das Lauffener Reformprojekt wieder in
Angriff, mit dem konkreten Vorschlag,
zunächst die Klosteranlage zu sanieren und
anschließend die Adelberger Prämonstratenserinnen dorthin zu transferieren. In Adelberg
wurde dieser Vorstoß als Reform durch
Ordensfremde wahrgenommen;19 und der
Versuch, am Prämonstratenserorden vorbei
zu agieren, scheiterte zunächst an der von
päpstlichen und kaiserlichen Bestätigungen
beflügelten Resistenz der Chorherren. Die
Freiheiten und Immunitäten Adelbergs
wurden am 2. Mai 1467 von Papst Paul II.
und am 21. Juli 1469 von Kaiser Friedrich III.
bekräftigt.20 Auch finanzielle Schwierigkeiten
des Grafen, die durch die kriegerischen
Auseinandersetzungen der frühen 1460er
Jahre noch intensiviert wurden, hatten
sicherlich zur vorübergehenden Suspension
des Reformprojektes beigetragen.21
Doch der landesherrliche Reformwille hielt
an, und Ulrich konnte die Adelberger Prämons
tratenserinnen bald mit Unterstützung des
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
Dominikanerordens auf Umwegen reformieren.
Die Versetzung der Adelberger Frauen wird in
einer päpstlichen Bulle von Papst Sixtus IV.
vom 4. April 1474 bestätigt: Die Auflösung des
Doppelklosters Adelberg
sei erwünscht, um, wie es heißt, »Ärgernisse«,
die vom Zusammenleben der Geschlechter
herrührten, zu vermeiden (scandalis provideretur).22 Diese Rhetorik dürfen wir als diploma
tisches Kalkül interpretieren, das weniger die
Realität widerspiegelt, als vielmehr darauf
gerichtet war, ein schlagkräftiges Argument
für den Umzug der Prämonstratenserinnen
zu liefern.23 Es ist explizit davon die Rede,
das bisherige Zusammenleben von Männern
und Frauen zu beenden, denn Adelberg wurde
zumindest von außen als ein unzeitgemäßes
Doppelkloster wahrgenommen.
Am 7. April 1476 vermachte der Adelberger
Abt Berthold Dürr den Prämonstratenserinnen
in Lauffen alles an Gütern und Einkommen,
was ihnen in Adelberg zustand, zusätzlich zu
den Lauffener Gütern.24 Eine Urkunde der
Meisterin des Klosters Lauffen, Margaretha
von Sachsenheim, vom 28. August 1476 zählt
im Detail auf, was Berthold den Prämonstratenserinnen versprochen hatte; dieses
Dokument sollte zweifelsohne als Rechtsgrundlage für die wirtschaftliche Absicherung
des Lauffener Konvents dienen.25
Eine ganz besonders ausführliche Dar
stellung der Umzugsbegründung sowie der
wirtschaftsrechtlichen Aufstellung des
Lauffener Konvents, der weiterhin der Aufsicht
Adelbergs unterstand, findet sich in einer
gemeinsam ausgestellten Urkunde der Grafen
Ulrich V. und Eberhard des Jüngeren vom
16. Januar 1478.26 In einer emotional geladenen Öffnung bekunden Vater und Sohn
Ehrfurcht vor dem unbekannten Tod und
betonen ihren sehnlichen Wunsch, den
geistlichen Dienst zu stärken und böswillige
Taten zu vermeiden. Darauf folgt die Erklärung, dass das Dominikanerinnenkloster in
Lauffen aufgrund unkontrolliert wegziehender
Schwestern (unordenlich verlassen) dem
Untergang geweiht war; deswegen hätten
231
Vater und Sohn entschieden, die Prämonstratenserinnen aus Adelberg nach Lauffen zu
verlegen. Aber auch weil Adelberg ein closter
mannes person und von andern luten vil grosses
wandels ist, sollten die Frauen von den
Männern getrennt werden, sodass sie in irer
o
gutten andacht und úbung dest mynder gestört
würden; die strenge Klausur in Lauffen
erlaubte in der Tat weder weltlichen noch
geistlichen Verkehr (wandel). Weder Kosten
o
noch Mühen scheuend (mit grosser muw und
durch vil costes) hätten sie sowohl beim Papst
als auch bei den Prämonstratenser und
Dominikanerorden endlich erreicht, dass die
Adelberger Schwestern nach Lauffen kommen
konnten, um dort unbehelligt nach ihrer
Prämonstratenserregel leben zu dürfen.
Um das wirtschaftliche Wohl zeigten sich die
Grafen ebenfalls besorgt: Um die Verpflegung
und das Auskommen der Ordensfrauen auch in
Zukunft zu garantieren, vermachten sie dem
Konvent in Lauffen auf ewig 130 pfund geltz
jerlicher gult an korn, win und gelt.27 Zusätzlich
hätten sie es bewirkt, dass der Abt und der
Prior von Adelberg Gülten und Güter (gulten
o
und guttern) an den Lauffener Konvent geben
sollte, wie in einer Urkunde vermerkt sei,
welche die Kanonissen darumb haben. Im
letzten Teil der Urkunde erfahren wir, dass die
Lauffener Meisterin und ihr Konvent keine
weiteren Ansprüche an den Abt oder das Stift
Adelberg stellen dürfen. Die Grafen von
Württemberg sollen und wollen abbt und
convent zú Adelberg, ir nachkomen und gotzhuß
by solichem, wie hievor stett, getrauwlich ze
handthaben, zú schútzen und zú schirmen und
nit zu gestatten, das sie von den frowen zú
Louffen oder iren nachkommen ferrer getrungen
oder umbgetriben werden.28 Die Neuregelung
der Beziehung zwischen Adelberg und seinem
weiblichen Zweig wurde akribisch festgehalten: Die Urkunde zeugt von einer legislativen
Argumentation, die jeden weiteren Anspruch
der Chorfrauen gegenüber den Grafen aber
auch den Chorherren von Adelberg unterbinden will. Die ihnen zugestandene Hilfe wird als
großzügig und ausreichend dargestellt. Doch
232
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
warum wurde so sehr darauf beharrt, alles zum
Wohl der Lauffener Ordensfrauen ausgerichtet
zu haben, wenn es am Ende darum ging, deren
Rechtsbefugnisse einzuschränken? Handelt es
sich schlicht um einen Topos, oder befürchtete
man weitere Ansprüche seitens der Prämonstratenserinnen?
Dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig,
wenn man bedenkt, dass Katharina von
Württemberg, das einzige Kind Ulrichs aus
erster Ehe mit Margarethe von Cleve, die beim
Klostereintritt nicht auf ihr Erbe verzichtet
hatte, von der Translokation nach Lauffen
unmittelbar betroffen war.29 Vor den Ereignissen in den 1470er Jahren erscheint sie als
Ausstellerin von Quittungen über ihr vierteljährlich vom Vater bezogenes Leibgeding;
einige dieser Quittungen, die Katharina selbst
schrieb und mit ihrem Papiersiegel beglaubigte, sind überliefert.30 Eine Rente von 200
Gulden jährlich wurde ihr nochmals nach
ihrem Umzug nach Lauffen am 30. April 1477
durch ihren Vater bestätigt. Das Leibgeding
sicherte die relative Unabhängigkeit Katha
rinas gegenüber ihrem Konvent in finanzieller
Hinsicht, aber es verpflichtete sie auch: Mit
ihrer Unterhaltung sollte die Memoria der
Familie aufrechterhalten werden.31
Zusätzlich zum Leibgeding, das auch nach
Ulrichs Ableben weiterhin an sie gezahlt
werden sollte, vermachte der Graf seiner
Tochter Katharina zum Gedächtnis seiner
ersten Frau und »aus väterlicher Treue und
Liebe und aus anderen Gründen« die Mitgift
ihrer Mutter sowie insbesondere 50 Gulden an
Fronfasten, was – pro Quatember ausgezahlt
– weitere 200 Gulden jährlich bedeutete.32
Mit dieser außerordentlich großzügigen
Erbregelung wollte Ulrich für Katharina sorgen
– zum Vergleich: Ihrer Halbschwester Margarethe, die Dominikanerin in Liebenau war,
wurden vom Vater lediglich 60 Gulden jährlich
zugestanden. Ob die ominösen »anderen
Gründe« ein Indiz für die widerwillige
Translokation Katharinas nach Lauffen sind,
ist schwer zu beurteilen, aber eine Frage
wert.33
Gründe für die Flucht: Finanzen
Zwei Aspekte, die sich unter den Stichwörtern
»Finanzen« und »Freiheit« zusammenfassen
lassen, fallen als mögliche Gründe für die
Flucht Katharinas von Württemberg aus
Lauffen besonders ins Gewicht: Der erste
betrifft ihr Erbe. Bekanntlich sind Kanonissen
nicht an das Armutsgebot gebunden, sodass
sie das Recht auf privates Eigentum behalten.
Im Mittelalter bestand dieses Eigentum oft in
Form eines Grundstücks oder dem Anspruch
auf einen regelmäßigen Lebensunterhalt;34
solche relativen Freiheiten der Kanonissen
wurden von reformnahen Klerikern kritisch
beäugt.35 Es ist stark davon auszugehen,
dass die 20jährige Katharina ein Wörtchen
mitzureden hatte bei der Wahl ihres Klosters.
Als finanziell gut aufgestellte Grafentochter
war ein Leben als Kanonisse in Adelberg
natürlich attraktiv, denn sie konnte so ihren
Besitz persönlich verwalten.
Dennoch hatte möglicherweise Ulrich V. mit
seinem großzügigen Erbversprechen gegenüber Katharina auf sie zukommende finanzielle Schwierigkeiten bereits vorausgesehen,
denn nach seinem Tod 1480 brach ein Erbstreit
zwischen Katharina und ihrem Vetter Graf
Eberhard dem Älteren aus, in den auch die
Klöster Lauffen und Adelberg verstrickt waren.
Gegenstand des Streits scheint zunächst die
von Graf Ulrich V. bestimmte Versorgung
Katharinas gewesen zu sein.
Dokumente dazu sind erst ab 1487 greifbar,
in Form einer hypothetischen Erbregelung bei
söhnelosem Ableben der Grafen von Württemberg.36 In einer Urkunde vom 3. März 1487
ernennt Graf Eberhard der Ältere Bevoll
mächtigte zur Entgegennahme des Erbverzichts der Gräfin Katharina, mit Einwilligung
des Konvents von Lauffen und des Klosters
Adelberg als dessen Vaterkloster. Katharina
und mit ihr die Konvente in Adelberg (Abt
Berthold und Prior Johannes Sindysen) und
Lauffen (Meisterin Margaretha von Sachsenheim) sollen auf Katharinas väterliche, mütterliche, brüderliche und vetterliche Erbteile
verzichten, sollten die Grafen von Württem-
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
233
1
1
Papst Innozenz VIII.
beauftragt die Äbte von
Roggenburg, Adelberg und
Schussenried, die heimlich
aus dem Kloster Lauffen
entwichene Nonne Katharina dorthin zurückzuführen, 1488 (HStAS A 602
Nr.418).
berg keine männlichen Erben hervorbringen.
Zugleich werden dem Konvent in Lauffen
jährlich 1.000 Gulden versprochen. Zwei kleine
Schnitte in der Urkunde zeigen allerdings ihre
spätere Annullierung an.
Am selben Tag bevollmächtigen Prior und
Konvent des Klosters Adelberg ihren Abt, den
Erbverzicht der Gräfin Katharina zu bestätigen; das Kloster Lauffen sollte sich diesem
Verzicht anschließen.37 Zwei Tage später
beurkunden Adelberg und Lauffen den
Erbverzicht Katharinas: Hier wird präzisiert,
dass die Prämonstratenserinnen – Katharina
wird namentlich genannt – auf päpstliche
Anordnung nach Lauffen transferiert wurden.
Die jährliche Rente, die für Katharina an das
Kloster Lauffen abzutreten war, wird mit 1.000
Gulden angegeben; insgesamt sollen 20.000
Gulden ausgezahlt werden.38
Die Erbregelung geht auf die in jenen Jahren
durchaus im Raum stehende Möglichkeit des
kinderlosen Ablebens aller drei württember
gischen Grafen ein: Eberhard der Ältere als
regierender Graf war ohne männliche Nachkommen, ebenso wie Katharinas Halbbruder
Eberhard der Jüngere. Heinrichs erster Sohn
Ulrich war erst kaum einen Monat zuvor, am
8. Februar 1487 zur Welt gekommen; sein
Überleben war zu diesem Zeitpunkt angesichts
der hohen Kindersterblichkeitsrate nicht
sicher.39
Wie ging Katharina mit der neu aufgesetzten
Erbregelung um? Ihr reguläres Leibgeding war
davon nicht betroffen, doch das großzügige
Erbversprechen ihres Vaters war in Gefahr
geraten. Hatte sie daher nun mit unerwarteten
Nachteilen zu rechnen, insbesondere in Bezug
auf ihr Einkommen im Verhältnis zu dem, was
234
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
ihrem Konvent zugesichert war? Fühlte sie
sich von ihren Verwandten wie von den
Ordensgeschwistern hintergangen, weil über
ihren Kopf hinweg über ihr Erbe entschieden
wurde?
Wie dem auch sei: Katharina muss bald
darauf, zwischen März 1487 und Mai 1488,
aus dem Kloster geflohen sein und damit so
viel Aufsehen erregt haben, dass die Sache
sogar an den Papst herangetragen wurde. Am
10. Mai 1488 befahl Papst Innozenz VIII. auf
Bitten des Klosters Lauffen und des Grafen
Eberhard des Älteren den Äbten von Roggenburg, Adelberg und Schussenried, Katharina in
ihr Kloster zurückzuführen (Abb. 1).40
Nachdem Katharina vorübergehend Unter
stützung beim Würzburger Bischof Rudolf von
Scherenberg gefunden hatte, sollte sie dann
in das fränkische Gerlachsheim wechseln.41
Wir bewegen uns jetzt in den Einzugsbereichen dreier Bistümer: Adelberg lag im Bistum
Konstanz, Lauffen im Bistum Würzburg und
Gerlachsheim im Bistum Mainz. Diese partiku
lare Machtverteilung mochte in die Hände
Katharinas spielen, da nicht das Wort eines
einzigen Bischofs über sie entscheiden konnte,
sodass sich ihr ein größerer Freiraum eröff
nete. Andererseits verstand sich Adelberg
ohnehin als unabhängiges Kloster, was dann
die relative Absenz des Konstanzer Bischofs
in der Affäre erklären würde.
Versuche, Katharina zur Rückkehr nach
Lauffen zu bewegen, müssen allesamt
gescheitert sein, denn am 28. Januar 1489
bittet Abt Christoph von Oberzell (bei
Würzburg) den Abt von Adelberg, Katharina
vom Gehorsam zu entbinden.42 Der Abt von
Oberzell mischte sich ein, weil Katharina
anscheinend im Chorfrauenstift Gerlachsheim
leben wollte, das seiner Aufsicht unterstand.43
Wir erfahren, dass Katharina wegen Erbstreitigkeiten mit den Grafen von Württemberg aus
Lauffen entflohen sei und sich anschließend
unter den Schutz des Bischofs von Würzburg
gestellt habe.44
Am selben Tag bemühte sich Katharina
darum, eine Abfindung in die Wege zu leiten,
in der sie zugleich auf Ansprüche jenseits
ihres Leibgedings verzichten wollte (Abb. 2).45
Der Ton des Schreibens klingt nicht resigniert:
Gleich zu Beginn werden das Gedächtnis des
Vaters und dessen Wille evoziert; so wird das
Leibgeding mit der Verpflichtung der Memoria
aufgewogen. Auf diese Weise rüstete sich
Katharina, wenn sie anschließend einen
gewissen Johann Meyse bevollmächtigte,
mit Vertretern ihres Vetters Eberhard den
verabredeten Abfindungsvertrag zu schließen
und damit Zugeständnisse zu machen. Hier
liegt ein Dokument vor, das in der Stuttgarter
Kanzlei entstanden ist und ausdrücklich das
Recht des Leibgedings für Katharina einfordert. Katharina lenkte gewissermaßen ein,
aber nicht ohne eine Abfindung zu beanspruchen.
Wenige Tage nach Katharinas Besuch in der
Kanzlei wurde der Vertrag am 5. Februar 1489
endlich geschlossen und von Katharina selbst,
Eberhard dem Älteren sowie Katharinas
Rechtsvollstrecker Gerhard von Talheim,
Vogt zu Lauffen, besiegelt.46 Darin begnügt
sich die Gräfin mit einer einmaligen Zahlung
von 250 Gulden bar und 300 Gulden Leib
geding jährlich. Sie sollte ihr ausstehendes
Leibgeding und darüber hinaus »gesondert
zum Zeichen der Freundschaft« andere Erträge
und Zollfreiheit in Göppingen erhalten. Erneut
wird berichtet, dass Katharina wegen ihres
von Eberhard bedrohten Leibgedinges aus dem
Kloster Lauffen weggegangen sei. Dorthin
sollte sie trotz des päpstlichen Aufrufs und
auch nach der Lösung des Erbstreits nicht
zurückkehren.
Stattdessen stellte sie sicher, dass weder
Adelberg noch Lauffen Ansprüche auf ihr Erbe
erheben konnten, wie eine von ihr ausgestellte
Urkunde vom 6. Februar 1489 bezeugt, die von
Katharina, dem Abt sowie dem Prior von
Adelberg und von der Meisterin von Lauffen
besiegelt wurde (Abb. 3).47 Damit waren die
hypothetischen Zugeständnisse Eberhards des
Älteren gegenüber dem Kloster Lauffen vom
3. März 1487 keineswegs ungültig, aber
zumindest wurde Katharinas eigenes Erbe
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
2
2
Gräfin Katharina
bevollmächtigt Johann
Meyse, den mit dem Vertreter von Graf Eberhard
verabredeten Abfindungsvertrag zu schließen, 1489
(HStAS A 602 Nr. 420).
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Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
3
3
Gräfin Katharina verzichtet gegen ein Leibgeding
von 300 Gulden auf alle
Erbansprüche, 1489
(HStAS A 602 Nr. 422).
unabhängig davon behandelt. Hier endet die
historisch nachweisbare Beziehung zwischen
Katharina und ihrer einstigen geistlichen
Familie in Lauffen.48
Freilich können wir nicht ausschließen, dass
ein ähnlicher Erbstreit auch bei Fortbestehen
des Doppelklosters Adelberg ausgebrochen
wäre, doch die Verlegung des Frauenkonvents
bot offenbar einen Nährboden dafür, da sich
die Chorfrauen nun wirtschaftlich neu
disponieren mussten und in dieser Situation
besonders fragil waren. In der sozialen und
wirtschaftlichen Instabilität der Gemeinschaft
konnten die nach der Ordensregel gestatteten
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
Ansprüche einer Einzelnen auf Privateigentum
untergehen. Ob die Umsiedlung der Frauen ein
willkommener oder gar ein Akt der Selbstbestimmung war, ist schwer zu ermitteln. Aus
diesen Gründen kann die Verlegung prämonstratensischer Frauenkonvente im Einzelfall und
speziell im Falle Adelberg/Lauffen sicher nicht
unproblematisch als »Emanzipationsbewegung« gesehen werden.49 Vor allem hinsichtlich
der Klausurierungsbestimmungen stellte sich
die neue Situation als einschneidend heraus,
gerade was die Eigenständigkeit des Frauenkonvents in Rechts und Wirtschaftsangelegenheiten anging.
Die Gründe der Flucht: Freiheit
Der zweite Aspekt von Katharinas Flucht hängt
mit der Klausurierung zusammen. Die Quellen
betonen zwar, dass Katharina aufgrund finan
zieller Streitigkeiten aus Lauffen entfloh; kann
es aber noch einen anderen Grund gegeben
haben? Auch hier seien einige Worte als
Hintergrund vorausgeschickt, sie betreffen die
Doppelklosterform im Prämonstratenserorden:
Trotz einer allgemeinen Tendenz zur Eindämmung der Doppelklöster im Prämonstratenserorden war diese Form des Zusammenlebens im
15. Jahrhundert nicht völlig abgeschafft. Das
zeigen die einst in Oberschwaben existierenden
Gemeinschaften besonders gut (Abb. 4).
Historisch rekonstruierbare Verhältnisse
zwischen Kanonikern und Kanonissen zeugen
von pragmatischen Lösungen, wenn es darum
ging, das spirituelle und praktische Zusammenleben zu gestalten.
Das am längsten bestehende Doppelkloster
des Ordens war, wie bemerkt, das in der
Grafschaft Württemberg gelegene Kloster
Adelberg. Dabei möchte ich auf die Studie von
AlbusKötz hinweisen, aus der hervorgeht, dass
der gemeinsame Besitz der beiden Adelberger
Konvente und auch die unmittelbare Nähe der
Konvente auf dem Klosterareal für deren lange
Koexistenz spricht.50
Generell darf davon ausgegangen werden,
dass viele Doppelklöster »Erfolgsgeschichten«
237
zu verbuchen hatten, und dass zumindest
religiöse Frauen, aber auch viele Männer diese
monastische Lebensform der gleichgeschlechtlichen vorzogen.51 Symbiotische Verhältnisse
zwischen Kanonikern und Kanonissen hat es
auf verschiedenen Ebenen gegeben, denn
letztere konnten nie völlig auf Ordenspriester
verzichten; deshalb waren selbst unabhängige
Frauenstifte stets mit einem männlichen
Konvent affiliiert, welcher liturgische,
sakramentale, pastorale und zuweilen
ökonomische sowie rechtliche Funktionen
übernahm.52 Ein Kanonissenkonvent unterstand in diesen Angelegenheiten stets dem Abt
eines Chorherrenstifts, was trotz strikt
separater Konvente zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl in prämonstratensischen
Doppelklöstern führte.53 Präskriptive Dokumente zur Auflösung von Doppelklöstern
mögen den Anschein der Unterbindung einer
Zusammenarbeit zwischen den Chorherren
und Laienbrüdern auf der einen und den
Kanonissen auf der anderen Seite erwecken;
doch, so legt die jüngere Forschung nahe,
entsteht bei der Überprüfung der konkreten
Verhältnisse des Zusammenlebens ein
nuancierteres Bild, welches in einigen Fällen
gar eine »Kultur der Kooperation« ans Licht
bringt.54 Für die junge Grafentochter Katharina, die einem Kloster beitreten sollte, waren
das Gemeinschaftsgefühl im Doppelkloster
und dessen Öffnung zur Außenwelt wohl
interessant, denn so konnte sie mit Freunden
und Familie besser in Kontakt bleiben.
Wie sah das Leben aber im reformierten
Lauffen aus, wohin sie 1476 zog? Etwas
weniger als zehn Jahre weilte Katharina in
Lauffen; über diesen Abschnitt ihres Lebens
wissen wir kaum etwas. Historiographische
Quellen geben uns vereinzelte Anhaltspunkte,
wie etwa ein historisierendes Aquarell (Abb.
5).55 Diese Nachbildung eines spätmittelalterlichen Gemäldes von 1605 zeigt Katharina
als Erste in das Kloster Lauffen einziehende
Chorfrau, gefolgt von der Meisterin Margaretha von Sachsenheim – beide sind an ihren
jeweiligen Wappen erkennbar. Interessanter-
238
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
4
4
Karte der Region mit relevanten Referenzpunkten
(C. Scott Walker,
Harvard Map Collection).
weise wendet sich die Katharina darstellende
Figur vom Betrachter ab und ist somit die
Einzige auf dem Bild, deren Gesicht unerkannt
bleibt. Ob dies eine subtile Interpretation
seitens des Künstlers ist, den Fortgang (das
Abwenden) Katharinas aus der Lauffener
Gemeinschaft zu repräsentieren, sei dahingestellt. Der beaufsichtigende Abt Berthold von
Adelberg erscheint zweimal auf dem Bild: Er
weist den Frauen den Weg und erwartet sie im
Eingang der neuen Kirche. Seine Präsenz ist
also doppelt kodiert, zumal er als schirmender
Wegweisender (seine Geste öffnet eine Art
Schutzmantel) viel größer, d. h. viel wichtiger,
als alle anderen Figuren erscheint. Sein
Stabträger ist an beiden Stellen ein Laienbruder. Im neuen Gebäude werden die Frauen
zudem von einem Kaplan, der ein geöffnetes
Buch in den Händen hält, empfangen. Die
designierende Schriftrolle markiert ihn als
Bruder Thomas Renner Prior. So ist bildlich
bekräftigt, dass die Chorherren von Adelberg
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
5
5
Historisierendes Aquarell
der ins Kloster Lauffen
ziehenden Prämonstratenserinnen, geführt von
Gräfin Katharina von
Württemberg, 1605
(WLB Stuttgart, Cod. hist.
fol. 308, Bl. 6 v– 7 r).
die liturgische Ordnung der Schwestern
weiterhin gewährleisten. Der Prozession der
insgesamt siebzehn Kanonissen folgt eine
Laienschwester.
Im Hintergrund wird ein Wagen aus dem
brennenden Adelberger Gebäudekomplex
gerettet; warum auf dem Bild das Gebäude der
Frauen nach ihrem Auszug aus Adelberg in
Flammen aufgeht, ist unklar. Nachweislich hat
das Frauenkloster 1361 gebrannt, wonach es
vermutlich noch näher am Männerkonvent,
d. h. innerhalb derselben Ummauerung wieder
aufgebaut wurde.56 In die Komposition
integriert sind drei Kanoniker, die den Frauen
aus ihrem Klostergewölbe hinterherblicken.
Die Prämonstratenserinnen haben die
239
Hände zum Gebet gefaltet oder tragen ein
Buch: Zwei Beutelbücher und ein Codex sind
erkennbar. Hier wird die Geschichte der
Translokation samt fiktiver Elemente – wie
etwa der Annahme, dass Katharina Äbtissin
war und daher als Erste Einzug hielt – visuell
für die Nachwelt verarbeitet. Hingegen ist hier
von Graf Ulrich V. keine Spur.
Ein detaillierteres und zeitlich näheres
»Bild« des Auszugs der Adelberger Frauen wird
von einem älteren narrativen Bericht gezeichnet, der sich in einer Münchner Handschrift
befindet.57 Dieser deutsche Bericht Thomas
Renners folgt auf die Abschrift einer älteren
lateinischen Adelberger Konventschronik (mit
Gründungsbericht aus dem 13. Jahrhundert)
und schildert sodann die Ereignisse von 1475
und 1476. Am 27. August 1476 seien zunächst
neun Kanonissen (gaistliche personen und
schwestern) nach Lauffen gekommen, die
namentlich genannt werden; unter ihnen sei
auch eine Laienschwester (ain layesch person,
ain jungkfrow), genaugenommen eine
Pfründnerin, gewesen.58 In Lauffen hätten die
Prämonstratenserinnen die einzige dort
verbliebene Dominikanerin Anna Mürrerin
freundlich behandelt, als wer sy von irem
orden gewest. Am 18. Oktober seien dann die
restlichen Chorfrauen aus Adelberg übergezogen; nicht aus ungerhorsamin oder verachtung
der bäpstlichen gebott, sunder mit erlobung und
gründen blieben diese länger in Adelberg.
Das Kloster Lauffen sollte noch renoviert (baß
gebuwen) und eingerichtet (zugericht) werden,
bevor die verbleibenden Kanonissen darin
Platz nehmen sollten.59 Als erste dieser
Nachhut wird Katharina gravin geborn von
Wirttemberg, des obgeschriben grave Ulrich
thochter genannt. Darauf folgen sieben weitere
Kanonissen.60
Dass es bei dem vom Adelberger Abt
Berthold Dürr unterstützten Umzug der
Frauen nach Lauffen vordergründig um die
Klausurierung ging, zeigt der Abschluss des
Berichts: Nachdem die großzügigen Schenkungen und Renteneinkünfte kurz verzeichnet
werden, kommt der Chronist auf die päpstliche
240
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
Bulle vom 4. April 1474 zurück und erklärt
schließlich, dass die Translokation initiiert
wurde, weil es von außen betrachtet besorg
niserregend sei, dass Frauen und Männer
innerhalb einer Klostermauer lebten, selbst
wenn es zwischen ihnen niemals zu etwas
e
Anrüchigem komme: es möchte argerlich sin
der gemainen welt, das frowen und man in ainer
mür so nach by ain ander söllte wonnen und ob
nymmer arges geschehe.61 Diese Begründung –
ein Echo der päpstlichen Bulle – lässt keinen
Zweifel daran, dass Adelberg auch noch 1476
als ein Doppelkloster wahrgenommen wurde.
Zudem können wir bemerken, dass das
gemeinsame geistliche Leben von Männern
und Frauen in Zeiten der Observanzbewegung – und umso stärker in Württemberg,
wo Ulrich V. für sein Reformbestreben bekannt
war – als anstößig erachtet wurde.
Im Kolophon lesen wir schließlich, dass den
Kanonissen ein Beichtvater aus Adelberg an
die Seite gestellt wurde, der mit dem Chro
nisten Thomas Renner identifizierbar ist, den
wir bereits auf der beschriebenen Miniatur
als Prior von Adelberg kennengelernt haben.
Mit der Präsenz des Chorherrn war der
Fortgang der Messe samt der Sakramentenspende in Lauffen gesichert.
Was wissen wir noch über das kulturelle
Leben in Lauffen? Die standesbewussten
Kanonissen schmückten die Konventkirche
und Zellen mit ihren Wappen;62 ferner lassen
Zeugnisse der Heiligenverehrung und ein wohl
»reiche[r] Bestand an Paramenten« von 1543
auf eine gewisse Lebendigkeit im religiös
künstlerischen Bereich schließen.63 Im
deutschen Teil der Handschrift von Thomas
Renner führt der Chronist aus, dass die
insgesamt siebzehn Schwestern, d. h. die
e
Chorfrauen, aller irrer farender hab: bucher,
clader, clainet, hailtum, und was zu in gehort
u
hat, mit sich in das Kloster brachten.64 Ob
Kleider (wohl nicht der Ordenshabit), kleine
Kostbarkeiten und Reliquien einer reformierten Ordensfrau im 15. Jahrhundert wirklich
zustanden, ist zwar fraglich, aber auch
»innerhalb der Observanzbewegung« war die
»monastische Armut […] umstritten«, wie
Tabea Scheible erörtert.65 Im vorliegenden Fall
könnte der besondere Status der Kanonissen
ihr Privateigentum erklären. Jedenfalls
gehörten Bücher zum akzeptierten und sogar
geförderten Besitz einer observanten Religiosa
im Spätmittelalter,66 denn Gebetbücher und
andere paraliturgische Schriften sollten
spirituelle Anreize für das Verstehen der
Liturgie liefern.67 Es ist in diesem Sinne kein
Zufall, dass im Translokationsbericht der
Aspekt der Liturgie herausgestrichen wird;
schließlich bestand die Kernaufgabe des
spirituellen Lebens darin, zu beten und das
Offizium zu zelebrieren.
Die von allen reformierten Ordensgemeinschaften gleichermaßen adoptierten Regeln
der Klausur bedeuteten, dass die Kanonissen
in ihrer Mobilität stark eingeschränkt waren –
und zwar auf den architektonisch markierten
Bereich ihres Konvents.68 Am 29. Dezember
1477 bittet Graf Ulrich von Württemberg den
Abt von Adelberg um eine Visitation Lauffens
in Begleitung von zwei Stuttgarter Geistlichen,
um zu überprüfen, dass die Frauen keinen
großen Verkehr zur Außenwelt betrieben, aber
auch um sicherzustellen, dass es ihnen an
nichts mangelte. Die zwei ausgewählten
Männer werden namentlich genannt: Doktor
Werner Wick, genannt Unzhäuser, Chorherr
und Stiftsprediger zu Stuttgart,69 und der
Stuttgarter Dominikaner Johannes Praußer/
Pruser.70 Diese beiden Reformer, die von
Stievermann als »landesherrliche Vertrauensleute« bezeichnet werden, kooperierten im
Duo auch in anderen Reformfällen wie etwa
dem Kloster Steinheim, welches sie kurz
nach der Visitation Lauffens im Juni 1478
aufsuchten.71 Es sollte dafür gesorgt werden,
dass künftig schmach undt schaden von den
Frauen abgewendet werde und nicht vill
übler ding entstehe, die der Reputation unßer
lieben dochter undt der andern frauen schaden
könnten. Ulrich betont mahnend, wie wichtig
ihm die Ordnung des Klosters ist, wozu dessen
Ausbau, Einkünfte, Ausstattung und die aus
reichende Besetzung mit Knechten gehörte:
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
würde dißer unßer mainung nit nachkomen,
wür hetten daß nit gern.72
Tatsächlich soll es laut des entsprechenden
Visitationsberichts von 1478 gerade anfänglich
»Mängel bei der Handhabung der Klausur«
gegeben haben.73 Der Visitationsbericht
Wicks und Prusers vom 6. Januar 1478 bringt
disziplinarische Probleme zur Sprache:
das größte ergernuß zu allen frawn clöstern
entspringe dem unnuzen, ybrigen, unordentlichen eingang geistlicher und weltlicher personen.
Um die Klausurierung in Lauffen durchzu
setzen, empfahlen sie eine ganze Reihe von
Maßnahmen: Zunächst sollte die Meisterin
mit ihren Ratsschwestern eine Pförtnerin
ernennen, die sich in ihrem Betragen als solide
erwiesen habe (ein portnerin der leben bewert
sei). Weltliche Personen sollten nur mit einer
entsprechenden Erlaubnis Einlass finden und
der Prior diesen Verkehr überwachen. Sobald
der Prior das Gelände verließ, sollte er dem
Kaplan die Verantwortung übergeben. Auch
die Pförtnerin sollte nach Absprache mit der
Meisterin ihr Amt einer anderen überlassen,
wenn sie anderweitig beschäftigt war. Eine
Glocke an der Klosterpforte sollte die Pförtnerin rufen, an einem Redefenster konnte das
Ersuchen geklärt werden, dann schließlich
eine Glocke zum Hof hin geläutet werden,
bevor Prior, Hofmeister oder Knecht herbeieilen konnten, um zu antworten – wer genau
gefragt war, sollte mit underschidlichen clängen
und leiten der Glocke signalisiert werden.
Es durfte nur eine Tür geben, die ein Schloss
zur Außenwelt aufwies, d. h. auch von außen
ent oder verriegelbar war: die Kellertür, die
vordergründig der Warenannahme diente. Von
innen sollte diese Tür ebenfalls verschließbar
sein. Ein Schloss an der hinteren Kirchentür
sollte nur vom Prior geöffnet werden können,
obwohl die Meisterin den Schlüssel dazu
besaß.
Auch der Briefverkehr der Kanonissen
schien dem Reformeifer der Dominikaner zu
unkontrolliert, denn von nun an sollten alle
sowohl an weltliche wie geistliche Korrespondenten adressierten Briefe der Konventua
241
linnen durch die Hand der Meisterin gehen,
welche sie nach dem Lesen erneut zu versiegeln hatte. Zugleich wurde die Befugnis der
Meisterin vehement eingeschränkt: Sie durfte
nunmehr weder über geistliche Angelegen
heiten noch über Klostergeschäfte Briefe
verfassen und sollte sich bei Wünschen und
Fragen an ihren Ordensoberen, den Abt,
wenden.
Die Liste der Einschränkungen lässt sich
fortführen: Keine der Damen sollte ohne
vorherige Absprache mit dem Abt wirtschaft
liche Transaktionen betätigen, und kleinere
Käufe von alltäglichen Dingen mussten genau
dokumentiert werden und gemeinsam mit den
anderen Rechnungen einmal jährlich an St.
Martin einem Adelberger Prälaten vorgelegt
werden. Fremde und Kinder sollten nur mit
Einwilligung eines Adelberger Prälaten
aufgenommen werden. Im Gegenzug konnte
der Abt den Frauenkonvent nicht zur Auf
nahme bestimmter Personen zwingen. Mit
den Eltern der Kinder, die mindestens ein Jahr
lang zur Probe im Kloster lebten, durften keine
Kaufgeschäfte getätigt werden, und vor der
Profess musste ein Erbverzicht stattfinden
oder ein Vertrag zwischen der Familie und dem
Konvent geschlossen werden. Große Baumaßnahmen mussten vom Adelberger Abt bewilligt
werden (bei kleineren genügte die Bewilligung
des Priors). Zu guter Letzt werden vier Bau
maßnahmen der Priorität nach spezifiziert:
1. der Bau einer Mauer zum Weingarten hin,
2. die Vollendung des Kornhauses, 3. die
Einrichtung eines Löschkastens (Kasten zu
dem wasser für fewrs noth), 4. das Chorgestühl
der Frauen.74 Offensichtlich wurde bei diesen
Bauprojekten der Abschottung zur Außenwelt
die höchste Bedeutung zugemessen.
All diese Verbote und Gebote teilen indirekt
mit, dass die Lauffener Damen weiterhin
betriebsam waren, doch genau das durften
sie als reformierte Ordensfrauen nicht mehr
ohne Weiteres sein. Der Einschnitt war enorm:
Kommunikation wie Transaktionen waren
komplett reguliert und kontrolliert. Frauen,
die sich im Reformkontext der Klausur
242
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
widersetzten, traten nicht nur aus ihrer
Gemeinschaft aus, sondern ließen sich vom
Kloster auszahlen und mussten anschließend
auf die Unterstützung ihrer Familien setzen.75
Offenbar konnte aber Katharina nicht mit
der Absicherung durch ihre Familie rechnen:
Zum einen war die Klausurierung von niemand
anderem als ihrem Vater initiiert, zum anderen
herrschte ein Erbstreit zwischen ihr und den
anderen Familienangehörigen, sodass sie bei
einem regulären Klosteraustritt auf keine
finanzielle Unterstützung hoffen durfte. Ob
sich Katharina letztlich wegen der Klausurierung und der damit einhergehenden Verän
derungen entfernte, kann zwar anhand der
Quellen nicht definitiv erhärtet werden,76 doch
erscheint diese Begründung im Licht der
observanten Reform zu erwägen. Schließlich
sind die Faktoren Finanzen und Freiheit bei
der Erklärung des Verhaltens Katharinas eng
miteinander verstrickt, wie ihre weitere
Biographie unterstreicht.
War Katharina von Württemberg eine
»starke Frau«?
1489 sollte Katharina unter Sonderkondi
tionen im nicht reformierten Prämonstratenserinnenstift Gerlachsheim aufgenommen
werden, wie die Abschrift eines Vertrags von
1492 zwischen ihr und der Meisterin von
Gerlachsheim im Urbar des Klosters detailliert
ausführt.77 In dieser Abschrift der Urkunde
vom 20. Mai 1495 geht es eigentlich um die
Beilegung eines Rechtsstreits zwischen der
Meisterin Elisabeth Kressin und Katharina von
Württemberg, der die von Katharina begonnenen, aber nicht vollendeten Baumaßnahmen
im Kloster Gerlachsheim betrifft. Zunächst
wird an den Inhalt des Vertrags vom 11. Mai
1489 erinnert, mit dem wohl die Einwilligung
der Meisterin Elisabeth Kressin und des
vorstehenden Abts von Oberzell erging,
Katharina in Gerlachsheim mit eigenem Hof
und eigener Kost aufzunehmen, d. h. ohne dem
Stift finanziell zur Last zu fallen (on schaden
des klosters). Weiterhin sollte sie ein größeres
Bauprojekt, eine hoffstatt, initiieren dürfen. Es
wurden 1489 drei Szenarien ausgemalt, so die
Narratio weiter, die Katharinas Aufenthalt bzw.
Bauprojekt regeln sollten: 1. Im Falle, dass sich
Katharina im Laufe des Jahres wieder fort
begäbe, alß ir gnad macht hatt, sollte sie der
Meisterin nichts schuldig sein. Hier verrät uns
die Urkunde im Nebensatz, dass Katharina
Gerlachsheim offenbar schon 1489 wieder
verlassen hatte. 2. Sollte Katharina das Jahr
über in Gerlachsheim bleiben, aber anschließend fortgehen, ohne den Bau vollendet zu
haben, dann sollten dem Konvent nach ihrem
Tod 100 Gulden zukommen. 3. Sofern der Hof
fertiggebaut werden würde, sollte er in das
Stiftseigentum übergehen und Katharina
würde dem Konvent nichts mehr schulden.
Anschließend wird der Vertragsbruch
konkretisiert: Wan aber die genant fraw
Katherin geboren zu Wirtenberg unnd Mumpelgart mit verwilligung irs abts zu Zell fürgenommen hatt, sich gen Germsheim nit zu begeben,
unnd alda etlich bew angefengt unnd nit
wolbracht hatt … Wir erfahren hier, dass
Katharina mit der Erlaubnis des Abts von
Oberzell nicht in Gerlachsheim eingezogen ist,
obwohl sie das mehrere Gebäude umspannende Bauprojekt hatte beginnen lassen. Sie
führte es auch nicht zu Ende, worüber sich die
Meisterin beschwert: die meinsterin vermeint
den baw zu volbringen, oder dem Kloster dafür
hundert gülden zü geben schuldig sein. Dieser
Forderung nachzugehen, verweigert sich
Katharina, die sich vertraglich nicht in der
Pflicht sieht: daß aber unnser gnedig fraw zu
Wirtenberg vermeint zu thun noch zur zeit nit
pflichtig wer, nachdem die verschreibung solches
nitt gibt. Bestand Katharina hier auf den Zusatz
aus dem Vertrag von 1489, wonach die 100
Gulden erst nach ihrem Tod fällig würden?
Oder nicht viel eher auf den Umstand, dass
Szenario 1 eingetreten ist und sie Gerlachsheim noch binnen eines Jahres verließ und
deswegen dem Stift nichts schuldete?
Die Frage ist schwer zu beantworten, da der
genaue Wortlaut des Vertrags nicht überliefert
ist und mündliche Absprachen unbekannt
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
bleiben. Jedenfalls einigte man sich nach der
Anhörung beider Parteien darauf, dass
Katharina dem Konvent 50 Gulden auszahlen
müsse und alles Baumaterial, das sich noch auf
dem Stiftsgelände befand, dort bleiben sollte:
holz, stein, kalck, zigel unnd sonst alles, daß
zu demselben baw gemacht, geacht unnd
verhanden. Die restlichen benötigten Materialien wurden vom Konvent gestellt, und keine
Seite durfte weitere Ansprüche an die andere
stellen. Besiegelt wurde der Beschluss von
beiden Parteien.
Ein wichtiges Indiz für die Klärung von
Katharinas Aufenthaltsort ist, dass der
geschuldete Geldbetrag, so wird präzisiert,
am 20. Januar 1492 in Würzburg ausgezahlt
werden sollte. Hielt sich Katharina womöglich
seit ihrem Fortgang aus Lauffen hauptsäch
lich in Würzburg auf? War ihr schwelendes
Bauprojekt in Gerlachsheim nur ein Ablenkungsmanöver, um ihren dortigen Aufenthalt
aufzuschieben? Da sie das Stift nichts kosten
sollte, baute sie ihren eigenen Hof, welchen
sie wiederum vor Vollendung nicht beziehen
konnte. Wollte sie womöglich nie ernsthaft
nach Gerlachsheim ziehen? Diese Frage
werden wir nicht beantworten können. Relativ
sicher steht aber fest, dass Katharina ihren
Lebensabend in Würzburg verbrachte.
Ganz friedlich scheinen auch ihre letzten
Jahre nicht abgelaufen zu sein, denn 1495
wurde sie vom Oberzeller Abt nach Gerlachsheim vorgeladen, um der Anklage eines herren
Endressen Vnnger Parfüsser ordens Rede und
Antwort zu stehen. Der Grund der Anklage ist
nicht bekannt.78 Bemerkenswert bleibt, dass
Katharina nach ihrem Tod 1497 offenbar in
Adelberg bestattet wurde;79 damals fungierte
Berthold Dürr noch immer als Adelberger Abt.
Hätte er also eine so unerhört herumgetrie
bene Ordensschwester posthum wieder
aufgenommen?
Leider sagt die karge Überlieferung wenig
über Katharinas Persönlichkeit aus. Ihre
Verbundenheit mit dem Prämonstratenser
orden, ihre Freundschaften und Feindschaften,
ihre Hoffnungen und Ängste kann man nur
243
mühsam zwischen den Zeilen erahnen. Aus
den Anhaltspunkten kann zwar das Bild eines
eigensinnigen Charakters gewonnen werden,
aber viele Fragen werden wir offenlassen
müssen.
Kann man stark sein in einem System,
das einem nicht erlaubt, stark zu sein? Das
Konzept einer »starken Frau«, so scheint mir,
ist ein modernes, das aus der Diskrepanz
zwischen der gesetzlich geregelten Gleich
berechtigung der Geschlechter und einer von
frauendiskriminierenden Konventionen
dominierten Lebenswirklichkeit erwächst.
Sicherlich fiel Katharina zu Lebzeiten mit
ihrem Verhalten auf, aber vielleicht wollte sie
das gar nicht. Ihr Verhalten wurde von ihren
Zeitgenossen wohl nicht als positiv und schon
gar nicht als »stark« wahrgenommen.
Daher sei abschließend eine andere Frage
gestellt: Wie können wir die Situation, in der
sich Katharina befand, unter Berücksichtigung
der Alterität unserer heutigen Wahrnehmung
evaluieren und damit das Schicksal von
Katharina von Württemberg in historische
Kategorien einordnen?
Katharinas Leben ist uns einigermaßen gut
bekannt; das heißt natürlich nicht, dass nicht
auch andere ihr Recht zu erlangen suchten
und dabei verlieren konnten.80 Der bekanntlich
hohe Bildungsstand der Kanonissen verhalf
Frauen gewiss bei Versuchen, Gehör zu finden;
das Bewusstsein für die eigene Rechtsbefugnis
war dabei essentiell. Viel wichtiger noch war
der Grad der über diözesane Grenzen hinwegreichenden Vernetzung mit befreundeten
Häusern und Personen, bei denen im Ernstfall
Zuflucht und Unterstützung gefunden werden
konnte. Letztlich waren derartige institutionelle und personenbezogene Infrastrukturen
an die soziale Stellung der betroffenen Frauen
geknüpft, wie der Fall Katharinas vor Augen
führt. Obgleich nach dem Tod des Vaters die
Familie nicht mehr schützend hinter ihr stand,
so vereinfachte doch der Umstand, dass
Katharina über eine ordentliche Rente
verfügte und Grafentochter war, den damals
kaum für eine Frau des geistlichen Standes
244
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
einschlagbaren Weg eines unabhängigen
urbanen Lebens. Ob sie selbst dieses Leben
als erstrebenswert empfand, wissen wir nicht.
Wir bekommen aber einen Eindruck davon,
wie hart sie es erkämpfen musste.
Im Sinne von Intersektionalität sei abschließend unterstrichen, dass Katharina nicht
irgendeine Frau des 15. Jahrhunderts war,
sondern eine Kanonisse aus dem hohen Adel.
Mit ihrem gräflichen Rang grenzte sie sich
bereits von ihren Mitschwestern ab.81 Sie war
1 Zum Folgenden siehe mit ausführlichen Nachweisen Racha Kirakosian: Gräfin Katharina von Württemberg und die oberschwäbischen Doppelklöster
der Prämonstratenser im Mittelalter. In: Württemberg als Kulturlandschaft. Literatur und Buchkultur
an Klöstern und Höfen im späteren Mittelalter. Hg.
von Nigel Palmer, Peter Rückert und Sigrid Hirbodian
(Kulturtopographie des alemannischen Raums),
(erscheint Berlin/Boston 2022). An älterer Literatur
zu Katharina von Württemberg sei nur verwiesen
auf Gerhard Raff: Hie gut Wirtemberg allewege,
Bd. 1, Stuttgart 1988, S. 393 – 397; Eugen Schneider:
Die Klosterfrau Katharine Gräfin zu Württemberg.
In: Literarische Beilagen des Staatsanzeigers für
Württemberg 1895, S. 35 – 37, und Dieter Stievermann: Das Haus Württemberg und die Klöster vor
der Reformation. In: 900 Jahre Haus Württemberg.
Hg. von Robert Uhland, Stuttgart 1984, S. 459 – 481.
2 Vier Schwestern Katharinas sollten eine Heirat
eingehen, allerdings allesamt nach Katharinas
Eintritt ins Kloster.
3 Dass zusätzlich zu den finanziellen Problemen auch
eine fehlende biologische Mutter, die sich für die
Interessen der Tochter hätte einsetzen können,
bei der Entscheidung, Katharina zu verheiraten oder
in ein Kloster zu schicken, ein wichtiger Faktor war,
ist anzunehmen.
4 Vgl. Norbert Backmund: Monasticon Praemonstratense. Id est historia circariarum atque canoniarum
candidi et canonici ordinis Praemonstratensis, Bd. 1,
Berlin/New York 21983, S. 44: Hic parthenon ultimi
monasterii duplicis in Germania anno demum 1476
translatus est in Lauffen. Ausführlicher dazu wiederum Kirakosian, Gräfin Katharina, wie Anm. 1.
5 Botho Odebrecht: Kaiser Friedrich I. und die
Anfänge des Prämonstratenserstifts Adelberg. In:
ZWLG 6 (1942), S. 44 – 67, hier S. 45.
6 HStAS A 602 Nr. 6347.
7 Würzburg war im gesamten 15. Jahrhundert ein
begehrter Ort für Frauen, die religiös lebten und
keinem Konvent oder Orden angehörten; siehe dazu
Jennifer Kolpacoff Dean: »Geistliche Schwestern«.
The Pastorcal Care of Lay Religious Women in
Medieval Würzburg. In: Partners in Spirit. Women,
Men, and Religious Life in Germany, 1100 – 1500.
finanziell in der Lage, sich unabhängig zu
unterhalten. Sie war in Rechtssachen gut
bewandert, was zweifelsohne ihrem relativ
langen Aufenthalt am Hof des Vaters zu
verdanken war. Sie nutzte den kleinen
Spielraum, der sich ihr so ergab, und streckte
ihn so weit, dass sie sich von der Vormundschaft der Ordensvorgesetzten befreien
konnte. Insoweit war Katharina von Württemberg eine selbstbestimmte Frau.
8
9
10
11
12
Hg. von Fiona J. Griffiths und Julie Hotchin (Medieval
Women. Texts and Contexts 24), Turnhout 2014,
S. 237 – 270.
Joseph Zeller: Das Prämonstratenserstift Adelberg,
das letzte schwäbische Doppelkloster. 1178 (1188)
bis 1476. Ein Beitrag zur Geschichte der Doppelklöster, besonders im Prämonstratenserorden.
In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte NF 25 (1916), S. 107 – 162, hier S. 155.
Ihr Name erscheint zweimal im Nekrologium des
Klosters: Fragmenta Necrologii Adelbergensis. In:
Necrologia Germaniae, Bd. 1: Dioeceses Augustensis, Constantiensis, Curiensis. Hg. von Franz Ludwig
Baumann (MGH Necr. 1), Berlin 1888, S. 143 f.:
Catharina grävin zu Wirtenberg und Mümpelgart,
closterfraw zu Lauffen, grafen Ulrichs von Wirtenberg
und Margarethae ducissae de Clef dochter (S. 143) und
Catharina ducissa de Clef, com. de Wirtenberg, ob.
1497 (S. 144).
Zwei leicht voneinander abweichende frühneuzeit
liche Aufzeichnungen dokumentieren die einst im
Chor der Lauffener Klosterkirchen befindlichen
Grabsteine: WLB Stuttgart, Cod. hist. quart. 59, Nr. 2
und Cod. hist. fol. 308, Bl. 8 r –11 v.
Backmund, wie Anm. 4, S. 43 – 46; siehe auch Walter
Ziegler: Der Gründer Adelbergs. Volknand von
StaufenToggenburg, ein Vetter Barbarossas. In:
Hohenstaufen. Veröffentlichungen des Geschichts
und Altertumsvereins Göppingen e. V. 10 (1977),
S. 45 – 93. Zunächst wurde der Versuch unternommen, ein Zisterzienserkloster einzurichten, siehe
dazu Wilfried Schöntag: Memoria, Traditionsbildung
und Geschichtsschreibung in den schwäbischen
Prämonstratenserstiften im 12. und 13. Jahrhundert.
In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 25
(2006), S. 232 – 233.
Siehe Kirakosian, Gräfin Katharina, wie Anm. 1.
Vgl. dazu noch Zeller, wie Anm. 8, S. 134: »Von dem
Wirken der Frauen vermögen wir uns keine Vorstellung zu machen. Nirgends treten sie auf. Auch nicht
im letzten Abschnitt der Geschichte des Doppelklosters, […] wo es sich doch für den Frauenkonvent
um Sein und Nichtsein handelte. Über ihr Geschick
entscheiden ausschließlich der Schirmvogt einer
und Abt und Konvent des Mannsklosters anderer-
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
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seits und die übergeordneten kirchlichen und
Ordensinstanzen; den Frauen bleibt nur die Zustimmung zu den Maßnahmen, die von jener Seite
beschlossen und verfügt worden sind.«
Stefanie Albus-Kötz: Von Kräutergärten, Äckern,
Gülten und Hühnern. Studien zur Besitz und
Wirtschaftsgeschichte des Prämonstratenserstifts
Adelberg im Mittelalter 1178 – 1535 (Schriften zur
südwestdeutschen Landeskunde 73), Leinfelden
Echterdingen 2014, S. 15.
Racha Kirakosian: From the Material to the Mystical
in Late Medieval Piety. The Vernacular Transmission
of Gertrude of Helfta’s Visions, Cambridge 2021,
S. 14. Siehe auch Tabea Scheible: Arme, eingeschlossene Frauen? Zum Handlungsspielraum geistlicher
Frauengemeinschaften im 15. und 16. Jahrhundert:
Württembergische Dominikanerinnen in Reform
und Reformation. Ungedr. Dissertationsschrift,
Universität Tübingen 2020, S. 14 Anm. 88.
Vgl. etwa HStAS A 496 U 83 vom 10. August 1407:
Ritter Peter von Liebenstein vermacht den Dominikanerinnen in Lauffen (und ihren Nachfolgerinnen)
einen Hof; ebd., U 84 vom 5. Februar 1463: Kauf
vertrag zwischen Hans Geißborn, Bürger zu Bönnigheim und den Dominikanerinnen in Lauffen.
Vgl. Kurt Maier: Lauffen am Neckar. In: Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Hg. von Wolfgang Zimmermann und Nicole
Priesching. Ostfildern 2003, S. 320 – 321. In der Konventschronik wird diese letzte Dominikanerin Anna
Murrerin genannt; siehe BSB München, Clm 15330,
Bl. 112 vb. Zur wirtschaftlichen Situation des Klosters siehe Günter Cordes: Herrschaftlicher Besitz in
Lauffen. In: Jahrbuch für schwäbischfränkische
Geschichte 27 (1973), S. 161 – 179.
Zeller, wie Anm. 8, S. 135; Darstellung bei Christian
Friedrich Sattler: Geschichte des Herzogthums
Würtenberg unter der Regierung der Graven, Bd. 3,
Ulm 1767, S. 216. Siehe auch Sönke Lorenz: Kirchenreform und kanonikale Lebensform. In: Württembergisches Klosterbuch, wie Anm. 16, S. 20 – 34.
Einen kurzen Überblick zum württembergischen
Reformbestreben bietet Scheible, wie Anm. 14,
S. 47 – 50.
Siehe Dieter Stievermann: Landesherrschaft und
Klosterwesen im spätmittelalterlichen Württemberg, Sigmaringen 1989, S. 276.
Zeller, wie Anm. 8, S. 137 – 139.
Stievermann, wie Anm. 19, S. 276, ist der Ansicht,
dass die mit dem Lauffener Reformprojekt »verbundenen komplizierten finanziellen Transaktionen –
in einer Zeit, als Ulrich in großen Nöten steckte –
jedoch zum Dissens zwischen Kloster und
Schirmherrn geführt haben [dürften], der das Projekt zunächst wieder für längere Zeit stocken ließ«.
HStAS A 496 U 84 a. Die Narratio wird wiedergegeben bei Zeller, wie Anm. 8, S. 143, Anm. 126.
Zeller, wie Anm. 8, meint, dass es dem Landesherrn
vor allem darum ging, das Kloster Lauffen zu retten,
und widerspricht einer älteren These, wonach
»ärgerliche Vorkommnisse in Adelberg selbst«
Anlass waren (S. 136). Zugleich räumt er ein, dass
ein Doppelkloster (»ein solches Institut«) im
15. Jahrhundert auch im Prämonstratenserorden
»im Zeitalter der Ordensreformen als etwas Veralte-
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tes, Ungehöriges, Unschickliches empfunden wurde« und spricht von einer Öffentlichkeit, die das
Kloster »mit argwöhnischen Augen betrachtete«
(S. 134).
HStAS A 496 U 86 b. Siehe dazu Norbert Hofmann:
Lauffen am Neckar. In: Handbuch der Stiftskirchen
in BadenWürttemberg. Hg. von Sönke Lorenz,
Oliver Auge und Sigrid Hirbodian, Ostfildern 2019,
S. 372 – 377, hier S. 374.
HStAS A 496 U 86 c. Im selben Dokument werden
eine Urkunde von Abt Nikolaus sowie ein Brief an
Abt Berchtold von Adelberg erwähnt, in dem die
Regelungen nochmals detailliert dargelegt worden
waren. Lauffen blieb Adelberg unterstellt; auch die
Aufnahme neuer Frauen erforderte das Einvernehmen des Abts von Adelberg (siehe Verzichtbrief der
Meisterin, ebd., U 86 c, Druck bei Zeller, wie Anm. 8,
Beilage 4, S. 160 – 161).
HStAS A 496 U 88. Diese Urkunde diskutiert auch
Stievermann, wie Anm. 19, S. 280.
Nach der beigelegten Urkundenabschrift (zu HStAS
A 496 U 88) vom 4. April 1476: Graf Ulrich V. von
Württemberg überlässt dem Frauenkloster zu Lauffen, in dem seine Tochter Katharina als Kanonisse
lebt, ein Fünftel des großen Kornzehnten zu Lauffen, ein Viertel des großen Weinzehnten sowie
andere Zinse und Gülten und befreit das Kloster von
Abgaben, Zöllen und Lasten. Das Original ist wohl
verloren.
Vgl. HStAS A 496 U 88. Im Text heißt es weiter:
Darumb so wollen wir und ist unser will und ernstlich
mainung, das hinfúro zú ewigen zitten die vorgenanten
o
maisterin und all frowen des conventz und closters zu
Louffen und alle der nachkommen an dem, das inen
o
von abbt und convent zu Adelberg gegeben, wie hievor
o
gemelt ist, genugig sin, und sie noch ihr nachkommen
o
und gotzhuß nit ferrer oder umb mer ersuchen oder
begeren sollen, mit oder on recht in keinen wege.
Katharina war nie Äbtissin, wie in der Frühen Neuzeit behauptet wurde, vgl. HStAS A 469 Bü 39:
Notizen über das Leben Katharinas »Äbtissin von
Lauffen« (Akten von 1765).
Diese Quittungen sind in dem Katharina eigens
zugeordneten Archivbestand zu finden: HStAS A
602 U 413 a – d; ebd., U 414 – 422.
Zeller, wie Anm. 8, S. 123, zählt zwölf mit einem
Leibgeding ausgestattete Adelberger Frauen im
13. und 14. Jahrhundert, und kommt zu dem
Schluss, »daß im späteren Mittelalter wie in den
meisten Frauenklöstern so auch in Adelberg das
klösterliche Armutsgelübde nicht in seiner vollen
Strenge beobachtet wurde«. Allerdings waren prämonstratensische Chorfrauen ohnehin vom Armutsgelübde ausgeschlossen, siehe Thomas Schilp:
Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im frühen Mittelalter. Die Institutio sanctimonialium Aquisgranensis des Jahres 816 und die
Problematik der Verfassung von Frauenkommunitäten (Veröffentlichungen des MaxPlanckInstituts
für Geschichte 137 = Studien zur Germania Sacra
21), Göttingen 1998, S. 195 – 201.
HStAS A 602 Nr. 414.
Thomas Fritz: Katharina. In: Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon. Hg. von Sönke
Lorenz, Dieter Mertens und Volker Press, Stuttgart
1997, S. 97 f., hier S. 98, geht davon aus, dass Katha-
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Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
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rina gegen ihren Willen nach Lauffen kam, ohne
eine Quelle für diese Vermutung zu nennen.
Schilp, wie Anm. 31.
Ulrich Andermann: Die unsittlichen und disziplinlosen Kanonissen. Ein Topos und seine Hintergründe,
aufgezeigt an Beispielen sächsischer Frauenstifte
(11. – 13. Jahrhundert). In: Westfälische Zeitschrift
146 (1996), S. 39 – 63; John H. Van Engen: Friar
Johannes Nyder on Laypeople Living as Religious
in the World. In: Vita religiosa im Mittelalter.
Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag. Hg.
von Franz J. Felten, Nikolas Jaspert und Stephanie
Haarländer (Berliner Historische Studien 31 =
Ordensstudien 13), Berlin 1999, S. 583 – 616.
In der Zwischenzeit hatten die Grafen von Württemberg weiterhin Geschäfte mit dem Kloster
Adelberg abgewickelt, vgl. Urkundenregesten des
Prämonstratenserklosters Adelberg (1178 – 1536).
Bearb. von Karl Otto Müller (Veröffentlichungen der
Württembergischen Archivverwaltung 4), Stuttgart
1949, S. 78 Nr. 462, S. 80 Nr. 473 und S. 82 Nr. 482;
vgl. auch S. 79 Nr. 469. Die Grafen Eberhard der
Ältere und Eberhard der Jüngere waren außerdem in
einen Rechtsstreit mit dem Adelberger Abt Berch
told involviert, vgl. ebd., S. 80 Nr. 474 und 475.
HStAS A 602 Nr. 416. Der Abt von Roggenburg nahm
auch nach 1441, als Adelberg zur Abtei erhoben
wurde, an wichtigen Verhandlungen teil, siehe
Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 66.
HStAS A 602 Nr. 417.
Eberhards d. Ä. einziges Kind Barbara war 1476
noch im Säuglingsalter verstorben. Das Haus
Württemberg sollte sich in männlicher Linie über
Graf Heinrichs zweiten Sohn Georg, der um 1498
geboren wurde, fortsetzen. Vgl. die Beiträge von
Anja Thaller und Peter Rückert in diesem Band.
HStAS A 602 Nr. 418.
Einschlägig für diese Informationen ist ein Kopialbuch aus Gerlachsheim (Würzburger Standbuch
522), siehe Ingrid Heeg-Engelhart: Oberzell und die
ihm unterstellten Niederlassungen der Prämonstratenserinnen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts
(insbesondere die Stifte Unterzell und Gerlachsheim). In: Oberzell – Vom Prämonstratenserstift
(bis 1803) zum Mutterhaus der Kongregation der
Dienerin der heiligen Kindheit Jesu. Hg. von Helmut
Flachenecker und Wolfgang Weiss (Quellen und
Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 62), Würzburg 2006, S. 249 – 312,
hier S. 273 f.
HStAS A 602 Nr. 419.
Gerlachsheim war ein relativ selbstständiges Stift,
siehe Bruno Krings: Die Prämonstratenser und
ihr weiblicher Zweig. In: Studien zum Prämonstratenserorden. Hg. von Irene Crusius und Helmut
Flachenecker (Studien zur Germania Sacra 25),
Göttingen 2003, S. 75 – 105, hier S. 82.
Katharinas Flucht aus Lauffen muss vor dem
Hintergrund der Erbstreitigkeiten gesehen werden.
Ihr Handeln wird wohl kaum allein auf Basis einer
nostalgischen Emotion erklärbar sein, wie noch
Zeller, wie Anm. 8, S. 155, vermutete: »In Lauffen hat
sich die gräfliche Klosterfrau allem nach nie recht
heimisch gefühlt; dagegen bewahrte sie dem Stift
Adelberg, wo sie in jungen Jahren eingetreten war
und Profeß gemacht hatte, ihr Leben lang solche
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Anhänglichkeit, daß sie sich in der dortigen Klosterkirche ihre letzte Ruhestätte wählte, ein Wunsch,
der nach ihrem Tode – sie starb am 28. Juni 1497 in
Würzburg – erfüllt wurde und einen versöhnenden
Abschluß ihres unruhigen Wanderlebens bildete«.
HStAS A 602 Nr. 420. Ihr eigenes Siegel ist angehängt. Das Schreiben ist nicht von Katharinas Hand;
es handelt sich um eine Kanzleischrift, vgl. Rück
seite des Pergamentbriefs, auf Brieffaltung: diser
procurator hat den eyd in der vertzihung an stat miner
frowen und in ire sel gsworn zu Stutgart in der cantzly
vor doctor Ludwigen, probst und cantzler, doctor
Johansen Röchlin, Gerharten von Talheim, dem alten
und niuwen lantschreibern Johan Fruffern [!] und
andern […].
HStAS A 602 Nr. 421.
Katharina verzichtet gegen ein Leibgeding von 300
Gulden auf alle Erbansprüche. HStAS A 602 Nr. 422.
Bis zu ihrem Tod sollten ihre leiblichen Verwandten
noch mindestens zweimal mit dem Kloster Adelberg
zu tun haben, vgl. Urkundenregesten Adelberg, wie
Anm. 36, S. 87 Nr. 513 – 514 und S. 88 Nr. 523.
So sieht Krings, wie Anm. 43, S. 99, die Trennung der
Konvente als eine »Emanzipationsbewegung, als ein
konsequente[r] Weg zu größerer wirtschaftlicher
und rechtlicher Eigenständigkeit gegenüber dem
Mutterstift«.
Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 14 – 16.
In diesem Sinne bedarf die vielfach zitierte These,
dass die cura monialium (die Sorge um die Spiritualität von Ordensfrauen) seitens der Kleriker und
Mönche als Bürde aufgefasst wurde, ebenfalls der
Revision; siehe dazu Fiona J. Griffiths: Nuns’ Priests’
Tales. Men and Salvation in Medieval Women’s
Monastic Life, Philadelphia 2018, S. 16 – 18.
Sabine Klapp: Negotiating Autonomy. Canons in
Late Medieval »Frauenstifte«. In: Partners in Spirit,
wie Anm. 7, S. 367 – 400, hier S. 373.
Fiona J. Griffiths und Julie Hotchin: Women and Men
in the Medieval Religious Landscape. In: Partners in
Spirit, wie Anm. 7, S. 1 – 45, hier S. 10: »While these
communities [double monasteries] generally had
strict rules governing the interaction of the men
and women, who maintained separate cloisters,
there was nevertheless a joint sense of community,
in which the men and women worked together,
spiritually and practically«.
Shelley Amiste Wolbrink: Necessary Priests and
Brothers. MaleFemale CoOperation in the Premonstratensian Women’s Monasteries of Füssenich
and Meer, 1140 – 1260. In: Partners in Spirit, wie
Anm. 7, S. 171 – 212, hier S. 172: »Whereas previous
scholarship has relied on prescriptive regulations to
argue for a Premonstratensian rejection of women,
more recent scholarship has centered on documents
of practice that reveal a culture of cooperation«.
Zum Original und der Geschichte der frühneuzeitlichen Kopie siehe Friedrich Freiherr von GaisbergSchöckingen: Zur Geschichte des Nonnenklosters
Lauffen a. N. In: Württembergische Jahrbücher für
Statistik und Landeskunde 1902/1903, S. 25 – 34.
Zeller, wie Anm. 8, S. 130 – 132 und Albus-Kötz,
wie Anm. 13, S. 16, Anm. 132.
BSB München, Clm 15330.
Ebd., Bl. 112 va.
Ebd., Bl. 112 vb.
Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Racha Kirakosian
60 Stievermann, wie Anm. 19, S. 281, vermerkt zur
niederadeligen Zusammensetzung des Konvents,
dass der Graf seinen Willen zur Translokation und
Reform durchsetzen konnte, weil die hier vertre
tenen »Familienverbände […] vielfach in württembergischen Diensten nachzuweisen sind«.
61 BSB München, Clm 15330, Bl. 113 rb.
62 WLB Stuttgart, Cod. hist. fol. 308.
63 Hofmann, wie Anm. 24, S. 375.
64 BSB München, Clm 15330, Bl. 113 ra.
65 Scheible, wie Anm. 14, S. 40, siehe auch S. 198 f.
66 Zur Bedeutung der Buchkultur in reformierten
Frauenklöstern siehe die Studien von Antje Willing:
Die Bibliothek des Klosters St. Katharina zu Nürnberg. Synoptische Darstellung der Bücherverzeichnisse. Hg. von Antje Willing, 2 Bde., Berlin 2013;
Simone Mengis: Schreibende Frauen um 1500.
Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen (Scrinium Friburgense 28), Berlin/Boston 2013.
67 Siehe dazu die Studie von Claire Taylor Jones:
Ruling the Spirit. Women, Liturgy, and Dominican
Reform in Late Medieval Germany, Philadelphia
2017.
68 Siehe Heike Uffmann: Inside and Outside the
Convent Walls. The Norm and Practice of Enclosure
in the Reformed Nunneries of Late Medieval
Germany. In: The Medieval History Journal 4 (2001),
S. 83 – 108, hier S. 102: »Strictly regulated enclosure
limited the nuns’ mobility to a small area with
clearly demarcated boundaries«.
69 Zur Biographie von Werner Wick vgl. Oliver Auge:
Stiftsbiographien. Die Kleriker des Stuttgarter
HeiligKreuzStifts (1250 – 1552), Leinfelden
Echterdingen 2002, S. 582 – 588.
70 Johannes Pruser war Prior des 1471 gegründeten
Dominikanerklosters in Stuttgart, siehe Bernhard
Neidiger: Stuttgart. In: Württembergisches Klosterbuch, wie Anm. 16, S. 467 f. Nach seinem Rücktritt
vom Amt des Priors 1475 blieb Johannes Pruser
als Lektor und Generalprediger in Stuttgart »und
[beteiligte] sich auch an der von Graf Ulrich gewünschten Reform der württembergischen Dominikanerinnenkonvente 1478 maßgebend«, so Bernhard Neidiger: Das Dominikanerkloster Stuttgart,
die Kanoniker vom gemeinsamen Leben in Urach
und die Gründung der Universität Tübingen. Konkurrierende Reformansätze in der württembergischen Kirchenpolitik am Ausgang des Mittelalters
(Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart
58), Stuttgart 1993, S. 27.
71 Stievermann, wie Anm. 19, S. 284 – 286 (Zitat auf
S. 285). Siehe auch Auge, wie Anm. 69, S. 191 f.
247
72 StA Sigmaringen Dep. 30/12 Teil 3, Marchtal:
Reichs, Kreis und Kollegialsachen, Nr. 240; jetzt:
Dep. 30 Teil 4, Nr. 240. Regest in Joachim Fischer:
Zur Archivgeschichte des Klosters Adelberg. In:
ZWLG 31 (1972), S. 230, Nr. 9. Quellenzitate adaptiert nach einer Transkription von Monja Dotzauer.
73 Hofmann, wie Anm. 24, S. 374. Siehe auch die
partielle Zusammenfassung des Visitationsberichts
bei Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 19 f.
74 StA Sigmaringen Dep. 30/12 Teil 3, Marchtal:
Reichs, Kreis und Kollegialsachen, Nr. 240; jetzt:
Dep. 30 Teil 4, Nr. 240. Regest in Fischer, wie
Anm. 72, S. 230, Nr. 10. Quellenzitate adaptiert nach
einer Transkription von Monja Dotzauer.
75 Ordensfrauen, die der Gemeinschaft den Rücken
zukehrten und sich dabei ihren Besitz auszahlen
ließen, konnten enorme wirtschaftliche Prekarität
für das Kloster bedeuten, wie das etwa dem Straßburger Dominikanerinnenkonvent in St. Nikolaus in
undis geschehen ist. Siehe dazu Monika Studer:
Antonius der Einsiedler trifft Caesarius von Heisterbach. Zur gemeinsamen Überlieferung von Exempla
der »Alemannischen Vitaspatrum« und des »Dialogus miraculorum« in Straßburger Handschriften
und Drucken. In: Schreiben und Lesen in der Stadt.
Literaturbetrieb im spätmittelalterlichen Straßburg.
Hg. von Stephen Mossman, Nigel F. Palmer und Felix
Heinzer (Kulturtopographie des alemannischen
Raums 4), Berlin/Boston 2012, S. 167 – 196, hier
S. 178.
76 Die Abschrift des deutschen Berichts in der Münchner Handschrift Clm 15330 – auch wenn sie auf
Renners ursprünglichen Bericht aus seiner Zeit als
Lauffener Kaplan zwischen 1476 und 1481 zurückgeht – stammt von 1499, doch Katharinas Verlassen
des Konvents wurde hier nicht nachgetragen und
bleibt unerwähnt.
77 StA Würzburg, Standbuch 522, Bl. 193 r – 194 v. Eine
weitere Kopie befindet sich in GLAK 67, Bd. 635,
Bl. 193 r – 194 v. Siehe auch Heeg-Engelhart, wie
Anm. 41, S. 274.
78 Staatsarchiv Würzburg Standbuch 522, S. 197 r – v.
79 Zeller, wie Anm. 8, S. 155. Ihr Name erscheint
zweimal im Nekrologium des Klosters; Baumann,
wie in Anm. 8.
80 So wurde die Adelberger Kanonisse Elsbeth von
Rechberghausen 1369 mit einer Urfehde von den
Männern ihrer Familie in ihre Schranken verwiesen.
Worin genau das Verbrechen Elsbeths lag, bleibt
unausgesprochen; vgl. HStAS A 469 U 207. Siehe
meine Ausführungen dazu (wie Anm. 1).
81 Zur niederadeligen Zusammensetzung des
Konvents, siehe Stievermann, wie Anm. 19, S. 281.
248
Zusammenfassung – Résumé – Riassunto
Katharina von Württemberg –
Gräfin und Kanonisse auf der Flucht
Das Leben der Grafentochter Katharina von
Württemberg führte vom Hof ihres Vaters
Ulrich V. in Stuttgart zum oberschwäbischen
Prämonstratenserkloster Adelberg bis hin zum
reformierten Frauenkonvent Lauffen am
Neckar, aus dem Katharina aber entfloh, um
anfänglich in Gerlachsheim und dann
höchstwahrscheinlich in Würzburg Obdach
zu finden. Der vorliegende Aufsatz begibt sich
auf die Spuren der flüchtigen Kanonisse und
fragt nach den Hintergründen und möglichen
Motiven ihres Fortgangs aus Lauffen.
Ordenstechnische Fragen zur Doppelklosterorganisation im Prämonstratenserorden
und zu der vom Dominikanerorden angetriebenen observanten Reform spielen dabei
genauso eine Rolle wie finanzielle Querelen.
Diese entluden sich in einem Erbstreit
zwischen Katharina und ihrem Vetter Graf
Eberhard V., in den sich auch das Mutter
kloster Adelberg und der Konvent von Lauffen
einmischten. Katharina lenkte letztlich ein,
was das Erbversprechen ihres verstorbenen
Vaters anging, und akzeptierte eine verhältnismäßig kleine Abfindung; aber nach Lauffen,
wo eine strenge Klausurierung das Leben der
Frauen regelte, kehrte sie trotz päpstlichem
Nachsuchen nicht zurück.
Katharinas Versuch, sich ein neues Leben
im nicht reformierten Prämonstratenserstift
Gerlachsheim aufzubauen, scheiterte, sodass
sie sich dort nicht lange aufhielt und sogar ein
angefangenes, eigens finanziertes Bauprojekt
abbrach. Die Bauruine zog rechtliche Konsequenzen nach sich, mit denen sie sich im Streit
mit der Gerlachsheimer Meisterin konfrontiert
sah. Schließlich können wir Katharina zu
ihrem Lebensabend hin in Würzburg festmachen, wo sie ein Haus besessen hat.
So sehr das umtriebige Leben der Katharina
von Württemberg als außerordentlich selbstbestimmt faszinieren mag, bleibt zu hinter
fragen, ob sie und ihre Zeitgenossinnen und
Zeitgenossen dies ebenfalls so empfunden
haben. Jedenfalls hatte Gräfin und Kanonisse
Katharina von Württemberg kein einfaches
Leben, und für das Stück Freiheit, das sie sich
erkämpfen konnte, musste sie viele Zugeständnisse machen.
249
Katharina de Württemberg –
Comtesse et chanoinesse en fuite
La vie de Katharina de Württemberg, fille du
comte Ulrich V, l’a mené de la cour de son père
à Stuttgart au couvent de l’ordre des Prémontrés d’Adelberg (en HauteSouabe), puis au
couvent réformé de Lauffen sur le Neckar.
Ensuite, Katharina s’échappe d’ici pour trouver
refuge d’abord à Gerlachsheim, puis très
probablement à Würzburg. Cet article suit les
traces de la chanoinesse fugitive et s’interroge
sur le contexte et les motifs pouvant expliquer
son départ de Lauffen.
Les questions relatives à l’organisation des
monastères doubles au sein de l’ordre des
Prémontrés ainsi qu’à la réforme observante
menée par l’ordre des Dominicains jouent un
rôle très important, tout comme les querelles
financières. Ces dernières ont été causées par
un conflit autour d’un héritage entre Katharina
et son cousin, le comte Eberhard V – conflit
dans lequel les couvents d’Adelberg et de
Lauffen sont également intervenus. Katharina
finit par faire des concessions concernant cet
héritage qui lui avait été promis par son père
défunt et accepte de recevoir un dédommage-
ment relativement modeste. Cependant elle ne
retourne pas à Lauffen, malgré les consignes
de la part du pape, car la vie des femmes du
couvent est régie par des règles strictes qui les
cloîtrent.
La tentative de Katharina de commencer une
nouvelle vie au sein du couvent non réformé
de Gerlachsheim, qui appartenait également à
l’ordre des Prémontés de, échoue, puisqu’elle
n’y reste pas longtemps. Elle abandonne même
un projet de construction qu’elle avait
commencé et financé de ses propres moyens.
Le bâtiment inachevé entraîne des conséquences juridiques, puisqu’elle doit faire face à
un contentieux avec la supérieure du couvent
de Gerlachsheim. À la fin de sa vie, nous
pouvons retrouver Katharina à Würzburg,
où elle possédait une maison.
Si la vie mouvementée de Katharina de
Württemberg peut fasciner de par l’extraordinaire indépendance de cette fille de comte,
il reste à savoir si elle et ses contemporains
ont pu partager ce sentiment. Dans tous les
cas, la comtesse et chanoinesse n’a pas eu une
vie facile, et elle a dû faire de nombreux
sacrifices pour le peu de liberté qu’elle a pu
obtenir.
250
Caterina di Württemberg –
Contessa e canonichessa in fuga
La vita di Caterina di Württemberg, figlia del
conte Ulrico V, la portò dalla corte di suo padre
a Stoccarda al monastero premostratense di
Adelberg nell’Alta Svevia, fino al convento
femminile riformato di Lauffen am Neckar, dal
quale Caterina però fuggì per trovare rifugio
prima a Gerlachsheim e poi molto probabilmente a Würzburg. Questo saggio segue le
orme della canonichessa in fuga e si interroga
sui possibili motivi della sua partenza da
Lauffen.
Tra le motivazioni si trovano le questioni
tecniche interne all’ordine premostratense
relative all’organizzazione del monastero
doppio per suore e monaci e alla riforma osservante portata avanti dall’ordine domenicano;
oltre che le dispute finanziarie che si scatenarono in seguito a una lite per l’eredità tra
Caterina e suo cugino, il conte Everardo V di
Württemberg, in cui furono coinvolti anche la
casa madre Adelberg e il convento di Lauffen.
Alla fine, Caterina si mostrò conciliante
riguardo alle promesse di eredità del defunto
padre, ed accettò un indennizzo relativamente
modesto; ma, nonostante le richieste del
pontefice, non tornò a Lauffen, dove ormai una
rigida clausura regolava la vita delle donne.
Il tentativo di Caterina di rifarsi una nuova
vita nel monastero premostratense non
riformato di Gerlachsheim fallì. La sua
permanenza lì fu breve e Caterina interruppe
anche un progetto di costruzione che aveva
iniziato e finanziato lei stessa. L’edificio mai
finito ebbe conseguenze legali, che portarono
ad una disputa con la superiora di Gerlachs
heim. Infine, possiamo localizzare Caterina nei
suoi ultimi anni di vita a Würzburg, dove
possedeva una casa.
Per quanto la vita movimentata di Caterina
di Württemberg possa affascinarci oggi in
quanto particolarmente emancipata, resta da
chiedersi se anche lei ed i suoi contemporanei
ne abbiano avuto la stessa percezione. Una
cosa è sicura: la contessa e canonichessa
Caterina di Württemberg non ebbe una vita
facile, e dovette rinunciare a molto per
conquistarsi un po’ di libertà.