(PDF) Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht | Racha Kirakosian - Academia.edu
Starke Frauen? Adelige Damen im Südwesten des spätmittelalterlichen Reiches Herausgegeben von Klaus Oschema, Peter Rückert und Anja Thaller Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2022 Die Tagung und Publikation wurden gefördert von sowie der Fondation pour la Protection du Patrimoine Culturel, Historique et Artisanal, Lausanne. Umschlagbild : Drei Fürstinnen, Ehefrauen des Grafen Ulrich V. von Württemberg, rechts Margarethe von Savoyen. Ausschnitt aus einem Altarflügel im Landesmuseum Württemberg, um 1470. Gedruckt auf alterungsbeständigem, säurefreiem Papier. Alle Rechte vorbehalten. Die Rechte an den Abbildungen liegen beim Landesarchiv Baden-Württemberg bzw. bei den verwahrenden Institutionen. © 2022 by Landesarchiv Baden-Württemberg, Stuttgart Satz und Druck: Offizin Scheufele Druck & Medien GmbH & Co. KG, Stuttgart Kommissionsverlag: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Printed in Germany ISBN 978-3-17-042251-3 Inhalt 5 Vorwort Gerald Maier 7 Starke Frauen? Adelige Damen im Südwesten des spätmittelalterlichen Reiches. Zur Einführung Klaus Oschema, Peter Rückert und Anja Thaller Haus und Herrschaft Savoyen 18 Herzog, Hexen, Heiratsmarkt? Wahrnehmung und Rolle des spätmittelalterlichen Savoyen im Südwesten des Reiches Klaus Oschema 46 Schwiegersöhne von Grafen, Herzögen und Königen. Zum Rang der savoyischen Ehefrauen vom 11. bis 17. Jahrhundert Thalia Brero 68 Amadeus VIII. von Savoyen: Graf, Herzog, Papst (1383 – 1451). Eine biographische Skizze Elisa Mongiano Margarethe von Savoyen: Königin, Kurfürstin, Gräfin 75 Margarethe von Savoyen – eine zentrale Figur auf dem Schachbrett der politischen Allianzen des Hauses Savoyen Eva Pibiri 94 Vier Jahre Ehe – Streit für eine Generation. Margarethe von Savoyen zwischen Pfalz und Württemberg Erwin Frauenknecht 108 Zwischen fürstlichem Prunk und finanziellen Nöten: Margarethe von Savoyen als Gräfin von Württemberg Anja Thaller Fürstinnen: Handlungsspielräume und kulturelle Profile 130 Internationale Fürstinnen des späten Mittelalters in Württemberg Peter Rückert 158 Margarethe von Savoyen und ihre literarischen Interessen. Erfolge und Probleme mediävistischer GönnerInnenforschung Martina Backes 167 Fürstinnen und ihr Anteil am literarischen Kulturtransfer im deutschen Südwesten vor 1500 Christa Bertelsmeier-Kierst 189 Habsburgerinnen des 15. Jahrhunderts: Die »Agency« der weltlichen Fürstinnen im Schnittfeld von strukturellen und biographischen Parametern Christina Antenhofer 211 Geistliche Frauen und adlige Familie Sigrid Hirbodian 228 Katharina von Württemberg: Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 4 Inhalt Schlussworte: Adlige Frauen im Südwesten des spätmittelalterlichen Reichs oder das bewegte Leben der Margarethe von Savoyen Jörg Peltzer 271 Materielle Spuren der Hofkultur unter Margarethe von Savoyen und Ulrich V. von Württemberg Ingrid-Sibylle Hoffmann und Julia Bischoff 251 Anhang 278 Stammtafeln 279 Orts- und Personenregister von Michael Aljoscha Sengstmann 286 Abkürzungen 288 Abbildungsnachweis 289 Autorinnen und Autoren Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian Am 10. Mai 1488 ergeht eine Bulle, mit der Papst Innozenz VIII. seine Adressaten auffordert, die aus dem Kloster Lauffen entflohene Grafentochter Katharina von Württemberg (1441 – 1497) in ihre geistliche Gemeinschaft zurückzuführen. Wer war diese einst im Doppelkloster Adelberg lebende und dann in einen Frauenkonvent nach Lauffen trans­ ferierte flüchtige Frau? Femme fatale oder verzweifelte Verfolgte? Auch wenn auf diese etwas zugespitzte Frage sicherlich keine eindeutige Antwort zu geben sein wird, möchte ich Sie mitnehmen auf eine Reise ins aus­ gehende 15. Jahrhundert, auf der wir die Bedingungen der Flucht Katharinas von Württemberg genauer erforschen wollen. Es steht außer Frage, dass Katharina ein »unmögliches« Verhalten für eine Frau des Mittelalters an den Tag legte, als sie die klausurierte Ordensgemeinschaft offensichtlich ohne Befugnis verließ. War diese unge­ horsame Person aber auch eine »starke« Frau? Um einer Antwort auf diese Frage wenigstens etwas näherzukommen, seien zunächst kurz die Eckdaten von Katharinas Leben vorgestellt. Da ihre Lebensgeschichte aufs Engste mit der Geschichte ihrer einstigen geistlichen Gemeinschaften, dem Prämonstratenserkloster Adelberg und dem Frauenkonvent in Lauffen, verbunden ist, widmen wir uns sodann den Bedingungen und Abläufen des klösterlichen Reformbestrebens ihres Vaters, Graf Ulrichs V. von Württemberg (um 1413 – 1480), die Katharinas Geschicke auf lange Sicht be­ einflussen sollten. Zwei Aspekte gilt es hier besonders hervorzuheben: Der erste betrifft erbrechtliche und finanzielle Querelen, der andere die lebenseinschneidenden Veränderungen, welche die Klausurierung der Kanonissen mit sich brachte. Schließlich werde ich der Frage nachgehen, ob und wie wir Katharina von Württemberg eigentlich als eine »starke« Frau auszeichnen können. Kurzbiographie Katharina wird am 7. Dezember 1441 als einzige Tochter aus der Ehe Graf Ulrichs von Württemberg mit Herzogin Margarethe von Kleve geboren.1 Am 20. Mai 1444 verstirbt die Mutter. Katharina sieht kurze Zeit darauf, noch als Zweijährige, den Vater mit Herzogin Elisabeth von Bayern (1419 – 1451) eine neue Ehe eingehen, in der vier Kinder geboren werden. Aus dieser ersten geschwisterlichen Reihe ist besonders der knapp sechs Jahre jüngere Graf Eberhard VI., genannt der Jüngere (1447 – 1504), hervorzuheben, der spätere Herzog Eberhard II. Der ersten Stiefmutter Katharinas war ebenfalls kein langes Leben an der Seite Ulrichs beschert: Sie stirbt im Wochenbett ihrer Tochter Elisabeth am 1. Januar 1451. Es dauert nun fast drei Jahre, bis sich Ulrich erneut vermählt, mit Margarethe von Savoyen (1420 – 1479), am 11. November 1453. Zu diesem Zeitpunkt ist Katharina fast zwölf Jahre alt. Drei weitere Halbschwestern bereichern ihre Familie in den Folgejahren. Über die Kindheit und Jugend Katharinas wissen wir nichts Konkretes; ihr Leben können wir nur anhand der uns über das familiäre Leben Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian Ulrichs V. zugänglichen Informationen ausmalen. Die Familie war finanziell schlecht aufgestellt, sodass die Aussicht auf eine einer Grafentochter gebührende Mitgift gering war.2 Üblicherweise wurde die älteste Tochter verheiratet, doch sollte Katharina ein geistliches Leben führen.3 Allerdings trat sie nicht wie vielfach üblich schon als Sechs­ bis Achtjährige ins Kloster ein, sondern erst relativ spät mit etwa 20 Jahren. Eher ins Muster passend trat ihre bald nach 1445 geborene Halbschwester Margarethe, aus der zweiten Ehe des Vaters mit Herzogin Elisabeth von Bayern­Landshut, 1453 in das reformierte Dominikanerinnenkloster Liebenau bei Worms ein, wo sie 1479 verstarb. Katharina wird als junges Mädchen durch die Erfahrung Margarethes in Liebenau einen Eindruck davon gewonnen haben, was es bedeutete, in einem klausurierten Frauenkloster zu leben. Als junge Frau wird Katharina verschiedene Ordenszugehörigkeiten in Erwägung gezogen haben. Die Wahl fiel auf Adelberg, das einzige Prämonstratenserstift auf württembergischem Territorium. Zwar ist sich die Forschung nicht einig darüber, ob hier damals tatsächlich noch ein Doppelkloster bestand, doch gilt Adelberg andererseits als das am längsten bestehende Doppelkloster des Ordens.4 Adelberg lag nicht nur in der Grafschaft Württemberg, es verstand sich überdies – basierend auf seiner Gründung durch die Staufer 1187 – als landesherrliches Hauskloster.5 Andere, nicht nur prestigereiche Gründe mögen Katharina dazu bewogen haben, in Adelberg einzutreten, aber dazu später. Katharina wird zum ersten Mal 1462 als Kanonisse in Adelberg erwähnt, d. h. zu diesem Zeitpunkt musste sie ihre Profess bereits abgelegt haben, sodass wir davon ausgehen dürfen, dass sie spätestens 1462 ins Kloster eingetreten war. Untypischerweise gab es keinen Erbverzicht bei ihrem Klostereintritt, was dann nach dem Ableben des Vaters zu Problemen führen sollte. Kurz nach dem Klostereintritt setzen, ab 1465 bezeugt, die 229 Bemühungen Ulrichs V. ein, die beiden Konvente des prämonstratensischen Doppelklosters Adelberg zu trennen. 1476 kam es zum Umzug Katharinas in das einstige Dominikanerinnenkloster Lauffen, und gleichzeitig begann die Reform des Frauenkonvents. Katharina bezog, ausgestattet mit einem für eine Frau geistlichen Standes beträchtlichen Lebensunterhalt, ihr Quartier in Lauffen. Zwischen Februar 1487 und Mai 1488 verließ sie es wieder. Nachdem sie kurzzeitig beim Würzburger Bischof Obdach fand, versuchte sie spätestens 1489 im fränkischen Prämonstratenserfrauenstift Gerlachsheim an der Tauber Fuß zu fassen. Auch dieses Zusammenleben war ihr nicht vergönnt: Ob sich Katha­ rina aber wirklich in Gerlachsheim aufhielt, muss laut einer beurkundeten Rechtsstreit­ beilegung zwischen ihr und der Meisterin von Gerlachsheim von 1492 in Frage gestellt werden. Wo Katharina in den Jahren von 1488 bis zu ihrem Tod lebte, ist nicht völlig geklärt. Sehr wahrscheinlich wird sie ihre letzten Jahre in Würzburg verbracht haben, wie eine Nachricht vom 22. August 1497 nahelegt: Ihr Bruder Eberhard der Jüngere verkaufte zu diesem Zeitpunkt ein Haus samt Hof in Würzburg, das ihm von der hochgebornen und gaistlichen o o frow Katharinen, gräfin zu Würtemberg und zu o Múmppelgart, closterfrow zu Louffen, Premonstratenser ordens, unser lieb swester salig gedaichtniß, erblich angefallen ist.6 Katharina hatte offensichtlich Freunde im Umkreis des Würzburger Bischofs, und als letzte Lebens­ station bot ihr diese Stadt gute Existenz­ bedingungen.7 Man nimmt an, dass sie in Adelberg bestattet liegt, da sie im Nekrolog des Konvents erwähnt wird.8 In Lauffen wurde sie nicht begraben, jedenfalls ist ihr Grab auf einer frühneuzeitlichen Abzeichnung der sich im Spätmittelalter im dortigen Kirchenraum befundenen Grabplatten nicht zu finden.9 Die Kurzbiographie Katharinas von Württemberg lässt ein bewegtes Leben erahnen. Wenden wir uns den historischen Begeben­ heiten etwas genauer zu, lassen sich mögliche 230 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian Motivgründe für Katharinas Flucht aus Lauffen eruieren. Wie bereits angedeutet, handelt es sich zum einen um Erbregelungen und zum anderen um die Klausurierung des Konvents. Beide Aspekte sind verknüpft mit der Reform des Prämonstratenserstifts, d. h. auch mit der Trennung der beiden Adelberger Konvente. Die Trennung der Adelberger Konvente und ihre Konsequenzen Kloster Adelberg wurde 1178 im dritten Versuch mit einem aus Roggenburg stammenden Gründungskonvent eingerichtet;10 wir dürfen davon ausgehen, dass von Beginn an bis 1476 auch Prämonstratenserinnen auf dem Gelände des Doppelklosters ansässig waren. Verschiedene Urkunden Adelbergs aus dem 13. und 14. Jahrhundert eröffnen ein differenziertes Bild vom Zusammenleben der Prämonstratenserinnen mit ihren geistlichen Brüdern. Aus diesen Quellen wird ersichtlich, dass Ordensfrauen Geldgeschäfte tätigten und so in die spätmittelalterliche Ökonomisierung ihres Klosters aktiv involviert waren. Verwandtschaftsverhältnisse begünstigten oft den Handlungsspielraum der Kanonissen. Immer wieder, auch noch im 15. Jahrhundert, künden wirtschaftliche Transaktionen von einer relativen Selbstbestimmung der Prämonstratenserinnen.11 Sie verhielten sich mitnichten passiv, und in einigen Fällen handelten sie auch relativ unabhängig vom Propst.12 Stefanie Albus­Kötz stellt »eine gewisse Emanzipation des Frauenkonvents vom Männerkonvent« fest, die »20 Jahre vor der Verlegung [etwa zur Mitte des 15. Jahrhunderts] nach Lauffen ein relativ selbstständiges Auftreten von Meisterin und Frauenkonvent in Vermögensdingen« hervorbrachte.13 So mag es nicht Wunder nehmen, wenn die Verlegung der Adelberger Schwestern nach Lauffen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nicht ganz reibungslos ablief. Um die Einzelheiten besser nachvollziehen zu können, soll zunächst ein Blick auf die Klostergeschichte Lauffens geworfen werden. Im Bistum Würzburg gelegen, lebten im Kloster Lauffen von 1003 bis vor 1285 zunächst Benediktinerinnen, dann übernahmen Dominikanerinnen das Haus von 1285 bis 1476; 1476 markiert in der Lauffener Geschichte das Jahr, in dem die Adelberger Prämonstratenserinnen dorthin übersiedelten; das Kloster bestand noch bis 1536. Eine wechselnde Ordenszugehörigkeit ist nichts Außergewöhnliches im Mittelalter und betraf vor allem Frauenklöster.14 Kloster Lauffen war trotz einiger weniger bekundeter wirtschaftlicher Transaktionen des Öfteren vom Aussterben bedroht;15 1474 weilte dort nur noch eine Dominikanernonne.16 Bereits 1456 war beschlossene Sache, dass das Dominikanerinnenkloster reformiert werden sollte.17 Dieser Plan der Grafen Ulrich und Eberhard V., des Älteren, wurde durch den pfälzischen Krieg, unter dem Lauffen als Grenzort besonders litt, verzögert. Eine »Reformbulle«, die Graf Ulrich am 6. März 1459 von Papst Pius II. erlangt hatte, sollte aber auf lange Sicht Erfolg versprechen:18 Ulrich nahm 1465 das Lauffener Reformprojekt wieder in Angriff, mit dem konkreten Vorschlag, zunächst die Klosteranlage zu sanieren und anschließend die Adelberger Prämonstratenserinnen dorthin zu transferieren. In Adelberg wurde dieser Vorstoß als Reform durch Ordensfremde wahrgenommen;19 und der Versuch, am Prämonstratenserorden vorbei zu agieren, scheiterte zunächst an der von päpstlichen und kaiserlichen Bestätigungen beflügelten Resistenz der Chorherren. Die Freiheiten und Immunitäten Adelbergs wurden am 2. Mai 1467 von Papst Paul II. und am 21. Juli 1469 von Kaiser Friedrich III. bekräftigt.20 Auch finanzielle Schwierigkeiten des Grafen, die durch die kriegerischen Auseinandersetzungen der frühen 1460er Jahre noch intensiviert wurden, hatten sicherlich zur vorübergehenden Suspension des Reformprojektes beigetragen.21 Doch der landesherrliche Reformwille hielt an, und Ulrich konnte die Adelberger Prämons­ tratenserinnen bald mit Unterstützung des Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian Dominikanerordens auf Umwegen reformieren. Die Versetzung der Adelberger Frauen wird in einer päpstlichen Bulle von Papst Sixtus IV. vom 4. April 1474 bestätigt: Die Auflösung des Doppelklosters Adelberg sei erwünscht, um, wie es heißt, »Ärgernisse«, die vom Zusammenleben der Geschlechter herrührten, zu vermeiden (scandalis provideretur).22 Diese Rhetorik dürfen wir als diploma­ tisches Kalkül interpretieren, das weniger die Realität widerspiegelt, als vielmehr darauf gerichtet war, ein schlagkräftiges Argument für den Umzug der Prämonstratenserinnen zu liefern.23 Es ist explizit davon die Rede, das bisherige Zusammenleben von Männern und Frauen zu beenden, denn Adelberg wurde zumindest von außen als ein unzeitgemäßes Doppelkloster wahrgenommen. Am 7. April 1476 vermachte der Adelberger Abt Berthold Dürr den Prämonstratenserinnen in Lauffen alles an Gütern und Einkommen, was ihnen in Adelberg zustand, zusätzlich zu den Lauffener Gütern.24 Eine Urkunde der Meisterin des Klosters Lauffen, Margaretha von Sachsenheim, vom 28. August 1476 zählt im Detail auf, was Berthold den Prämonstratenserinnen versprochen hatte; dieses Dokument sollte zweifelsohne als Rechtsgrundlage für die wirtschaftliche Absicherung des Lauffener Konvents dienen.25 Eine ganz besonders ausführliche Dar­ stellung der Umzugsbegründung sowie der wirtschaftsrechtlichen Aufstellung des Lauffener Konvents, der weiterhin der Aufsicht Adelbergs unterstand, findet sich in einer gemeinsam ausgestellten Urkunde der Grafen Ulrich V. und Eberhard des Jüngeren vom 16. Januar 1478.26 In einer emotional geladenen Öffnung bekunden Vater und Sohn Ehrfurcht vor dem unbekannten Tod und betonen ihren sehnlichen Wunsch, den geistlichen Dienst zu stärken und böswillige Taten zu vermeiden. Darauf folgt die Erklärung, dass das Dominikanerinnenkloster in Lauffen aufgrund unkontrolliert wegziehender Schwestern (unordenlich verlassen) dem Untergang geweiht war; deswegen hätten 231 Vater und Sohn entschieden, die Prämonstratenserinnen aus Adelberg nach Lauffen zu verlegen. Aber auch weil Adelberg ein closter mannes person und von andern luten vil grosses wandels ist, sollten die Frauen von den Männern getrennt werden, sodass sie in irer o gutten andacht und úbung dest mynder gestört würden; die strenge Klausur in Lauffen erlaubte in der Tat weder weltlichen noch geistlichen Verkehr (wandel). Weder Kosten o noch Mühen scheuend (mit grosser muw und durch vil costes) hätten sie sowohl beim Papst als auch bei den Prämonstratenser­ und Dominikanerorden endlich erreicht, dass die Adelberger Schwestern nach Lauffen kommen konnten, um dort unbehelligt nach ihrer Prämonstratenserregel leben zu dürfen. Um das wirtschaftliche Wohl zeigten sich die Grafen ebenfalls besorgt: Um die Verpflegung und das Auskommen der Ordensfrauen auch in Zukunft zu garantieren, vermachten sie dem Konvent in Lauffen auf ewig 130 pfund geltz jerlicher gult an korn, win und gelt.27 Zusätzlich hätten sie es bewirkt, dass der Abt und der Prior von Adelberg Gülten und Güter (gulten o und guttern) an den Lauffener Konvent geben sollte, wie in einer Urkunde vermerkt sei, welche die Kanonissen darumb haben. Im letzten Teil der Urkunde erfahren wir, dass die Lauffener Meisterin und ihr Konvent keine weiteren Ansprüche an den Abt oder das Stift Adelberg stellen dürfen. Die Grafen von Württemberg sollen und wollen abbt und convent zú Adelberg, ir nachkomen und gotzhuß by solichem, wie hievor stett, getrauwlich ze handthaben, zú schútzen und zú schirmen und nit zu gestatten, das sie von den frowen zú Louffen oder iren nachkommen ferrer getrungen oder umbgetriben werden.28 Die Neuregelung der Beziehung zwischen Adelberg und seinem weiblichen Zweig wurde akribisch festgehalten: Die Urkunde zeugt von einer legislativen Argumentation, die jeden weiteren Anspruch der Chorfrauen gegenüber den Grafen aber auch den Chorherren von Adelberg unterbinden will. Die ihnen zugestandene Hilfe wird als großzügig und ausreichend dargestellt. Doch 232 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian warum wurde so sehr darauf beharrt, alles zum Wohl der Lauffener Ordensfrauen ausgerichtet zu haben, wenn es am Ende darum ging, deren Rechtsbefugnisse einzuschränken? Handelt es sich schlicht um einen Topos, oder befürchtete man weitere Ansprüche seitens der Prämonstratenserinnen? Dieser Gedanke ist gar nicht so abwegig, wenn man bedenkt, dass Katharina von Württemberg, das einzige Kind Ulrichs aus erster Ehe mit Margarethe von Cleve, die beim Klostereintritt nicht auf ihr Erbe verzichtet hatte, von der Translokation nach Lauffen unmittelbar betroffen war.29 Vor den Ereignissen in den 1470er Jahren erscheint sie als Ausstellerin von Quittungen über ihr vierteljährlich vom Vater bezogenes Leibgeding; einige dieser Quittungen, die Katharina selbst schrieb und mit ihrem Papiersiegel beglaubigte, sind überliefert.30 Eine Rente von 200 Gulden jährlich wurde ihr nochmals nach ihrem Umzug nach Lauffen am 30. April 1477 durch ihren Vater bestätigt. Das Leibgeding sicherte die relative Unabhängigkeit Katha­ rinas gegenüber ihrem Konvent in finanzieller Hinsicht, aber es verpflichtete sie auch: Mit ihrer Unterhaltung sollte die Memoria der Familie aufrechterhalten werden.31 Zusätzlich zum Leibgeding, das auch nach Ulrichs Ableben weiterhin an sie gezahlt werden sollte, vermachte der Graf seiner Tochter Katharina zum Gedächtnis seiner ersten Frau und »aus väterlicher Treue und Liebe und aus anderen Gründen« die Mitgift ihrer Mutter sowie insbesondere 50 Gulden an Fronfasten, was – pro Quatember ausgezahlt – weitere 200 Gulden jährlich bedeutete.32 Mit dieser außerordentlich großzügigen Erbregelung wollte Ulrich für Katharina sorgen – zum Vergleich: Ihrer Halbschwester Margarethe, die Dominikanerin in Liebenau war, wurden vom Vater lediglich 60 Gulden jährlich zugestanden. Ob die ominösen »anderen Gründe« ein Indiz für die widerwillige Translokation Katharinas nach Lauffen sind, ist schwer zu beurteilen, aber eine Frage wert.33 Gründe für die Flucht: Finanzen Zwei Aspekte, die sich unter den Stichwörtern »Finanzen« und »Freiheit« zusammenfassen lassen, fallen als mögliche Gründe für die Flucht Katharinas von Württemberg aus Lauffen besonders ins Gewicht: Der erste betrifft ihr Erbe. Bekanntlich sind Kanonissen nicht an das Armutsgebot gebunden, sodass sie das Recht auf privates Eigentum behalten. Im Mittelalter bestand dieses Eigentum oft in Form eines Grundstücks oder dem Anspruch auf einen regelmäßigen Lebensunterhalt;34 solche relativen Freiheiten der Kanonissen wurden von reformnahen Klerikern kritisch beäugt.35 Es ist stark davon auszugehen, dass die 20­jährige Katharina ein Wörtchen mitzureden hatte bei der Wahl ihres Klosters. Als finanziell gut aufgestellte Grafentochter war ein Leben als Kanonisse in Adelberg natürlich attraktiv, denn sie konnte so ihren Besitz persönlich verwalten. Dennoch hatte möglicherweise Ulrich V. mit seinem großzügigen Erbversprechen gegenüber Katharina auf sie zukommende finanzielle Schwierigkeiten bereits vorausgesehen, denn nach seinem Tod 1480 brach ein Erbstreit zwischen Katharina und ihrem Vetter Graf Eberhard dem Älteren aus, in den auch die Klöster Lauffen und Adelberg verstrickt waren. Gegenstand des Streits scheint zunächst die von Graf Ulrich V. bestimmte Versorgung Katharinas gewesen zu sein. Dokumente dazu sind erst ab 1487 greifbar, in Form einer hypothetischen Erbregelung bei söhnelosem Ableben der Grafen von Württemberg.36 In einer Urkunde vom 3. März 1487 ernennt Graf Eberhard der Ältere Bevoll­ mächtigte zur Entgegennahme des Erbverzichts der Gräfin Katharina, mit Einwilligung des Konvents von Lauffen und des Klosters Adelberg als dessen Vaterkloster. Katharina und mit ihr die Konvente in Adelberg (Abt Berthold und Prior Johannes Sindysen) und Lauffen (Meisterin Margaretha von Sachsenheim) sollen auf Katharinas väterliche, mütterliche, brüderliche und vetterliche Erbteile verzichten, sollten die Grafen von Württem- Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 233 1 1 Papst Innozenz VIII. beauftragt die Äbte von Roggenburg, Adelberg und Schussenried, die heimlich aus dem Kloster Lauffen entwichene Nonne Katharina dorthin zurückzuführen, 1488 (HStAS A 602 Nr.418). berg keine männlichen Erben hervorbringen. Zugleich werden dem Konvent in Lauffen jährlich 1.000 Gulden versprochen. Zwei kleine Schnitte in der Urkunde zeigen allerdings ihre spätere Annullierung an. Am selben Tag bevollmächtigen Prior und Konvent des Klosters Adelberg ihren Abt, den Erbverzicht der Gräfin Katharina zu bestätigen; das Kloster Lauffen sollte sich diesem Verzicht anschließen.37 Zwei Tage später beurkunden Adelberg und Lauffen den Erbverzicht Katharinas: Hier wird präzisiert, dass die Prämonstratenserinnen – Katharina wird namentlich genannt – auf päpstliche Anordnung nach Lauffen transferiert wurden. Die jährliche Rente, die für Katharina an das Kloster Lauffen abzutreten war, wird mit 1.000 Gulden angegeben; insgesamt sollen 20.000 Gulden ausgezahlt werden.38 Die Erbregelung geht auf die in jenen Jahren durchaus im Raum stehende Möglichkeit des kinderlosen Ablebens aller drei württember­ gischen Grafen ein: Eberhard der Ältere als regierender Graf war ohne männliche Nachkommen, ebenso wie Katharinas Halbbruder Eberhard der Jüngere. Heinrichs erster Sohn Ulrich war erst kaum einen Monat zuvor, am 8. Februar 1487 zur Welt gekommen; sein Überleben war zu diesem Zeitpunkt angesichts der hohen Kindersterblichkeitsrate nicht sicher.39 Wie ging Katharina mit der neu aufgesetzten Erbregelung um? Ihr reguläres Leibgeding war davon nicht betroffen, doch das großzügige Erbversprechen ihres Vaters war in Gefahr geraten. Hatte sie daher nun mit unerwarteten Nachteilen zu rechnen, insbesondere in Bezug auf ihr Einkommen im Verhältnis zu dem, was 234 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian ihrem Konvent zugesichert war? Fühlte sie sich von ihren Verwandten wie von den Ordensgeschwistern hintergangen, weil über ihren Kopf hinweg über ihr Erbe entschieden wurde? Wie dem auch sei: Katharina muss bald darauf, zwischen März 1487 und Mai 1488, aus dem Kloster geflohen sein und damit so viel Aufsehen erregt haben, dass die Sache sogar an den Papst herangetragen wurde. Am 10. Mai 1488 befahl Papst Innozenz VIII. auf Bitten des Klosters Lauffen und des Grafen Eberhard des Älteren den Äbten von Roggenburg, Adelberg und Schussenried, Katharina in ihr Kloster zurückzuführen (Abb. 1).40 Nachdem Katharina vorübergehend Unter­ stützung beim Würzburger Bischof Rudolf von Scherenberg gefunden hatte, sollte sie dann in das fränkische Gerlachsheim wechseln.41 Wir bewegen uns jetzt in den Einzugsbereichen dreier Bistümer: Adelberg lag im Bistum Konstanz, Lauffen im Bistum Würzburg und Gerlachsheim im Bistum Mainz. Diese partiku­ lare Machtverteilung mochte in die Hände Katharinas spielen, da nicht das Wort eines einzigen Bischofs über sie entscheiden konnte, sodass sich ihr ein größerer Freiraum eröff­ nete. Andererseits verstand sich Adelberg ohnehin als unabhängiges Kloster, was dann die relative Absenz des Konstanzer Bischofs in der Affäre erklären würde. Versuche, Katharina zur Rückkehr nach Lauffen zu bewegen, müssen allesamt gescheitert sein, denn am 28. Januar 1489 bittet Abt Christoph von Oberzell (bei Würzburg) den Abt von Adelberg, Katharina vom Gehorsam zu entbinden.42 Der Abt von Oberzell mischte sich ein, weil Katharina anscheinend im Chorfrauenstift Gerlachsheim leben wollte, das seiner Aufsicht unterstand.43 Wir erfahren, dass Katharina wegen Erbstreitigkeiten mit den Grafen von Württemberg aus Lauffen entflohen sei und sich anschließend unter den Schutz des Bischofs von Würzburg gestellt habe.44 Am selben Tag bemühte sich Katharina darum, eine Abfindung in die Wege zu leiten, in der sie zugleich auf Ansprüche jenseits ihres Leibgedings verzichten wollte (Abb. 2).45 Der Ton des Schreibens klingt nicht resigniert: Gleich zu Beginn werden das Gedächtnis des Vaters und dessen Wille evoziert; so wird das Leibgeding mit der Verpflichtung der Memoria aufgewogen. Auf diese Weise rüstete sich Katharina, wenn sie anschließend einen gewissen Johann Meyse bevollmächtigte, mit Vertretern ihres Vetters Eberhard den verabredeten Abfindungsvertrag zu schließen und damit Zugeständnisse zu machen. Hier liegt ein Dokument vor, das in der Stuttgarter Kanzlei entstanden ist und ausdrücklich das Recht des Leibgedings für Katharina einfordert. Katharina lenkte gewissermaßen ein, aber nicht ohne eine Abfindung zu beanspruchen. Wenige Tage nach Katharinas Besuch in der Kanzlei wurde der Vertrag am 5. Februar 1489 endlich geschlossen und von Katharina selbst, Eberhard dem Älteren sowie Katharinas Rechtsvollstrecker Gerhard von Talheim, Vogt zu Lauffen, besiegelt.46 Darin begnügt sich die Gräfin mit einer einmaligen Zahlung von 250 Gulden bar und 300 Gulden Leib­ geding jährlich. Sie sollte ihr ausstehendes Leibgeding und darüber hinaus »gesondert zum Zeichen der Freundschaft« andere Erträge und Zollfreiheit in Göppingen erhalten. Erneut wird berichtet, dass Katharina wegen ihres von Eberhard bedrohten Leibgedinges aus dem Kloster Lauffen weggegangen sei. Dorthin sollte sie trotz des päpstlichen Aufrufs und auch nach der Lösung des Erbstreits nicht zurückkehren. Stattdessen stellte sie sicher, dass weder Adelberg noch Lauffen Ansprüche auf ihr Erbe erheben konnten, wie eine von ihr ausgestellte Urkunde vom 6. Februar 1489 bezeugt, die von Katharina, dem Abt sowie dem Prior von Adelberg und von der Meisterin von Lauffen besiegelt wurde (Abb. 3).47 Damit waren die hypothetischen Zugeständnisse Eberhards des Älteren gegenüber dem Kloster Lauffen vom 3. März 1487 keineswegs ungültig, aber zumindest wurde Katharinas eigenes Erbe Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 2 2 Gräfin Katharina bevollmächtigt Johann Meyse, den mit dem Vertreter von Graf Eberhard verabredeten Abfindungsvertrag zu schließen, 1489 (HStAS A 602 Nr. 420). 235 236 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 3 3 Gräfin Katharina verzichtet gegen ein Leibgeding von 300 Gulden auf alle Erbansprüche, 1489 (HStAS A 602 Nr. 422). unabhängig davon behandelt. Hier endet die historisch nachweisbare Beziehung zwischen Katharina und ihrer einstigen geistlichen Familie in Lauffen.48 Freilich können wir nicht ausschließen, dass ein ähnlicher Erbstreit auch bei Fortbestehen des Doppelklosters Adelberg ausgebrochen wäre, doch die Verlegung des Frauenkonvents bot offenbar einen Nährboden dafür, da sich die Chorfrauen nun wirtschaftlich neu disponieren mussten und in dieser Situation besonders fragil waren. In der sozialen und wirtschaftlichen Instabilität der Gemeinschaft konnten die nach der Ordensregel gestatteten Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian Ansprüche einer Einzelnen auf Privateigentum untergehen. Ob die Umsiedlung der Frauen ein willkommener oder gar ein Akt der Selbstbestimmung war, ist schwer zu ermitteln. Aus diesen Gründen kann die Verlegung prämonstratensischer Frauenkonvente im Einzelfall und speziell im Falle Adelberg/Lauffen sicher nicht unproblematisch als »Emanzipationsbewegung« gesehen werden.49 Vor allem hinsichtlich der Klausurierungsbestimmungen stellte sich die neue Situation als einschneidend heraus, gerade was die Eigenständigkeit des Frauenkonvents in Rechts­ und Wirtschaftsangelegenheiten anging. Die Gründe der Flucht: Freiheit Der zweite Aspekt von Katharinas Flucht hängt mit der Klausurierung zusammen. Die Quellen betonen zwar, dass Katharina aufgrund finan­ zieller Streitigkeiten aus Lauffen entfloh; kann es aber noch einen anderen Grund gegeben haben? Auch hier seien einige Worte als Hintergrund vorausgeschickt, sie betreffen die Doppelklosterform im Prämonstratenserorden: Trotz einer allgemeinen Tendenz zur Eindämmung der Doppelklöster im Prämonstratenserorden war diese Form des Zusammenlebens im 15. Jahrhundert nicht völlig abgeschafft. Das zeigen die einst in Oberschwaben existierenden Gemeinschaften besonders gut (Abb. 4). Historisch rekonstruierbare Verhältnisse zwischen Kanonikern und Kanonissen zeugen von pragmatischen Lösungen, wenn es darum ging, das spirituelle und praktische Zusammenleben zu gestalten. Das am längsten bestehende Doppelkloster des Ordens war, wie bemerkt, das in der Grafschaft Württemberg gelegene Kloster Adelberg. Dabei möchte ich auf die Studie von Albus­Kötz hinweisen, aus der hervorgeht, dass der gemeinsame Besitz der beiden Adelberger Konvente und auch die unmittelbare Nähe der Konvente auf dem Klosterareal für deren lange Koexistenz spricht.50 Generell darf davon ausgegangen werden, dass viele Doppelklöster »Erfolgsgeschichten« 237 zu verbuchen hatten, und dass zumindest religiöse Frauen, aber auch viele Männer diese monastische Lebensform der gleichgeschlechtlichen vorzogen.51 Symbiotische Verhältnisse zwischen Kanonikern und Kanonissen hat es auf verschiedenen Ebenen gegeben, denn letztere konnten nie völlig auf Ordenspriester verzichten; deshalb waren selbst unabhängige Frauenstifte stets mit einem männlichen Konvent affiliiert, welcher liturgische, sakramentale, pastorale und zuweilen ökonomische sowie rechtliche Funktionen übernahm.52 Ein Kanonissenkonvent unterstand in diesen Angelegenheiten stets dem Abt eines Chorherrenstifts, was trotz strikt separater Konvente zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl in prämonstratensischen Doppelklöstern führte.53 Präskriptive Dokumente zur Auflösung von Doppelklöstern mögen den Anschein der Unterbindung einer Zusammenarbeit zwischen den Chorherren und Laienbrüdern auf der einen und den Kanonissen auf der anderen Seite erwecken; doch, so legt die jüngere Forschung nahe, entsteht bei der Überprüfung der konkreten Verhältnisse des Zusammenlebens ein nuancierteres Bild, welches in einigen Fällen gar eine »Kultur der Kooperation« ans Licht bringt.54 Für die junge Grafentochter Katharina, die einem Kloster beitreten sollte, waren das Gemeinschaftsgefühl im Doppelkloster und dessen Öffnung zur Außenwelt wohl interessant, denn so konnte sie mit Freunden und Familie besser in Kontakt bleiben. Wie sah das Leben aber im reformierten Lauffen aus, wohin sie 1476 zog? Etwas weniger als zehn Jahre weilte Katharina in Lauffen; über diesen Abschnitt ihres Lebens wissen wir kaum etwas. Historiographische Quellen geben uns vereinzelte Anhaltspunkte, wie etwa ein historisierendes Aquarell (Abb. 5).55 Diese Nachbildung eines spätmittelalterlichen Gemäldes von 1605 zeigt Katharina als Erste in das Kloster Lauffen einziehende Chorfrau, gefolgt von der Meisterin Margaretha von Sachsenheim – beide sind an ihren jeweiligen Wappen erkennbar. Interessanter- 238 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 4 4 Karte der Region mit relevanten Referenzpunkten (C. Scott Walker, Harvard Map Collection). weise wendet sich die Katharina darstellende Figur vom Betrachter ab und ist somit die Einzige auf dem Bild, deren Gesicht unerkannt bleibt. Ob dies eine subtile Interpretation seitens des Künstlers ist, den Fortgang (das Abwenden) Katharinas aus der Lauffener Gemeinschaft zu repräsentieren, sei dahingestellt. Der beaufsichtigende Abt Berthold von Adelberg erscheint zweimal auf dem Bild: Er weist den Frauen den Weg und erwartet sie im Eingang der neuen Kirche. Seine Präsenz ist also doppelt kodiert, zumal er als schirmender Wegweisender (seine Geste öffnet eine Art Schutzmantel) viel größer, d. h. viel wichtiger, als alle anderen Figuren erscheint. Sein Stabträger ist an beiden Stellen ein Laienbruder. Im neuen Gebäude werden die Frauen zudem von einem Kaplan, der ein geöffnetes Buch in den Händen hält, empfangen. Die designierende Schriftrolle markiert ihn als Bruder Thomas Renner Prior. So ist bildlich bekräftigt, dass die Chorherren von Adelberg Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 5 5 Historisierendes Aquarell der ins Kloster Lauffen ziehenden Prämonstratenserinnen, geführt von Gräfin Katharina von Württemberg, 1605 (WLB Stuttgart, Cod. hist. fol. 308, Bl. 6 v– 7 r). die liturgische Ordnung der Schwestern weiterhin gewährleisten. Der Prozession der insgesamt siebzehn Kanonissen folgt eine Laienschwester. Im Hintergrund wird ein Wagen aus dem brennenden Adelberger Gebäudekomplex gerettet; warum auf dem Bild das Gebäude der Frauen nach ihrem Auszug aus Adelberg in Flammen aufgeht, ist unklar. Nachweislich hat das Frauenkloster 1361 gebrannt, wonach es vermutlich noch näher am Männerkonvent, d. h. innerhalb derselben Ummauerung wieder aufgebaut wurde.56 In die Komposition integriert sind drei Kanoniker, die den Frauen aus ihrem Klostergewölbe hinterherblicken. Die Prämonstratenserinnen haben die 239 Hände zum Gebet gefaltet oder tragen ein Buch: Zwei Beutelbücher und ein Codex sind erkennbar. Hier wird die Geschichte der Translokation samt fiktiver Elemente – wie etwa der Annahme, dass Katharina Äbtissin war und daher als Erste Einzug hielt – visuell für die Nachwelt verarbeitet. Hingegen ist hier von Graf Ulrich V. keine Spur. Ein detaillierteres und zeitlich näheres »Bild« des Auszugs der Adelberger Frauen wird von einem älteren narrativen Bericht gezeichnet, der sich in einer Münchner Handschrift befindet.57 Dieser deutsche Bericht Thomas Renners folgt auf die Abschrift einer älteren lateinischen Adelberger Konventschronik (mit Gründungsbericht aus dem 13. Jahrhundert) und schildert sodann die Ereignisse von 1475 und 1476. Am 27. August 1476 seien zunächst neun Kanonissen (gaistliche personen und schwestern) nach Lauffen gekommen, die namentlich genannt werden; unter ihnen sei auch eine Laienschwester (ain layesch person, ain jungkfrow), genaugenommen eine Pfründnerin, gewesen.58 In Lauffen hätten die Prämonstratenserinnen die einzige dort verbliebene Dominikanerin Anna Mürrerin freundlich behandelt, als wer sy von irem orden gewest. Am 18. Oktober seien dann die restlichen Chorfrauen aus Adelberg übergezogen; nicht aus ungerhorsamin oder verachtung der bäpstlichen gebott, sunder mit erlobung und gründen blieben diese länger in Adelberg. Das Kloster Lauffen sollte noch renoviert (baß gebuwen) und eingerichtet (zugericht) werden, bevor die verbleibenden Kanonissen darin Platz nehmen sollten.59 Als erste dieser Nachhut wird Katharina gravin geborn von Wirttemberg, des obgeschriben grave Ulrich thochter genannt. Darauf folgen sieben weitere Kanonissen.60 Dass es bei dem vom Adelberger Abt Berthold Dürr unterstützten Umzug der Frauen nach Lauffen vordergründig um die Klausurierung ging, zeigt der Abschluss des Berichts: Nachdem die großzügigen Schenkungen und Renteneinkünfte kurz verzeichnet werden, kommt der Chronist auf die päpstliche 240 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian Bulle vom 4. April 1474 zurück und erklärt schließlich, dass die Translokation initiiert wurde, weil es von außen betrachtet besorg­ niserregend sei, dass Frauen und Männer innerhalb einer Klostermauer lebten, selbst wenn es zwischen ihnen niemals zu etwas e Anrüchigem komme: es möchte argerlich sin der gemainen welt, das frowen und man in ainer mür so nach by ain ander söllte wonnen und ob nymmer arges geschehe.61 Diese Begründung – ein Echo der päpstlichen Bulle – lässt keinen Zweifel daran, dass Adelberg auch noch 1476 als ein Doppelkloster wahrgenommen wurde. Zudem können wir bemerken, dass das gemeinsame geistliche Leben von Männern und Frauen in Zeiten der Observanzbewegung – und umso stärker in Württemberg, wo Ulrich V. für sein Reformbestreben bekannt war – als anstößig erachtet wurde. Im Kolophon lesen wir schließlich, dass den Kanonissen ein Beichtvater aus Adelberg an die Seite gestellt wurde, der mit dem Chro­ nisten Thomas Renner identifizierbar ist, den wir bereits auf der beschriebenen Miniatur als Prior von Adelberg kennengelernt haben. Mit der Präsenz des Chorherrn war der Fortgang der Messe samt der Sakramentenspende in Lauffen gesichert. Was wissen wir noch über das kulturelle Leben in Lauffen? Die standesbewussten Kanonissen schmückten die Konventkirche und Zellen mit ihren Wappen;62 ferner lassen Zeugnisse der Heiligenverehrung und ein wohl »reiche[r] Bestand an Paramenten« von 1543 auf eine gewisse Lebendigkeit im religiös­ künstlerischen Bereich schließen.63 Im deutschen Teil der Handschrift von Thomas Renner führt der Chronist aus, dass die insgesamt siebzehn Schwestern, d. h. die e Chorfrauen, aller irrer farender hab: bucher, clader, clainet, hailtum, und was zu in gehort u hat, mit sich in das Kloster brachten.64 Ob Kleider (wohl nicht der Ordenshabit), kleine Kostbarkeiten und Reliquien einer reformierten Ordensfrau im 15. Jahrhundert wirklich zustanden, ist zwar fraglich, aber auch »innerhalb der Observanzbewegung« war die »monastische Armut […] umstritten«, wie Tabea Scheible erörtert.65 Im vorliegenden Fall könnte der besondere Status der Kanonissen ihr Privateigentum erklären. Jedenfalls gehörten Bücher zum akzeptierten und sogar geförderten Besitz einer observanten Religiosa im Spätmittelalter,66 denn Gebetbücher und andere paraliturgische Schriften sollten spirituelle Anreize für das Verstehen der Liturgie liefern.67 Es ist in diesem Sinne kein Zufall, dass im Translokationsbericht der Aspekt der Liturgie herausgestrichen wird; schließlich bestand die Kernaufgabe des spirituellen Lebens darin, zu beten und das Offizium zu zelebrieren. Die von allen reformierten Ordensgemeinschaften gleichermaßen adoptierten Regeln der Klausur bedeuteten, dass die Kanonissen in ihrer Mobilität stark eingeschränkt waren – und zwar auf den architektonisch markierten Bereich ihres Konvents.68 Am 29. Dezember 1477 bittet Graf Ulrich von Württemberg den Abt von Adelberg um eine Visitation Lauffens in Begleitung von zwei Stuttgarter Geistlichen, um zu überprüfen, dass die Frauen keinen großen Verkehr zur Außenwelt betrieben, aber auch um sicherzustellen, dass es ihnen an nichts mangelte. Die zwei ausgewählten Männer werden namentlich genannt: Doktor Werner Wick, genannt Unzhäuser, Chorherr und Stiftsprediger zu Stuttgart,69 und der Stuttgarter Dominikaner Johannes Praußer/ Pruser.70 Diese beiden Reformer, die von Stievermann als »landesherrliche Vertrauensleute« bezeichnet werden, kooperierten im Duo auch in anderen Reformfällen wie etwa dem Kloster Steinheim, welches sie kurz nach der Visitation Lauffens im Juni 1478 aufsuchten.71 Es sollte dafür gesorgt werden, dass künftig schmach undt schaden von den Frauen abgewendet werde und nicht vill übler ding entstehe, die der Reputation unßer lieben dochter undt der andern frauen schaden könnten. Ulrich betont mahnend, wie wichtig ihm die Ordnung des Klosters ist, wozu dessen Ausbau, Einkünfte, Ausstattung und die aus­ reichende Besetzung mit Knechten gehörte: Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian würde dißer unßer mainung nit nachkomen, wür hetten daß nit gern.72 Tatsächlich soll es laut des entsprechenden Visitationsberichts von 1478 gerade anfänglich »Mängel bei der Handhabung der Klausur« gegeben haben.73 Der Visitationsbericht Wicks und Prusers vom 6. Januar 1478 bringt disziplinarische Probleme zur Sprache: das größte ergernuß zu allen frawn clöstern entspringe dem unnuzen, ybrigen, unordentlichen eingang geistlicher und weltlicher personen. Um die Klausurierung in Lauffen durchzu­ setzen, empfahlen sie eine ganze Reihe von Maßnahmen: Zunächst sollte die Meisterin mit ihren Ratsschwestern eine Pförtnerin ernennen, die sich in ihrem Betragen als solide erwiesen habe (ein portnerin der leben bewert sei). Weltliche Personen sollten nur mit einer entsprechenden Erlaubnis Einlass finden und der Prior diesen Verkehr überwachen. Sobald der Prior das Gelände verließ, sollte er dem Kaplan die Verantwortung übergeben. Auch die Pförtnerin sollte nach Absprache mit der Meisterin ihr Amt einer anderen überlassen, wenn sie anderweitig beschäftigt war. Eine Glocke an der Klosterpforte sollte die Pförtnerin rufen, an einem Redefenster konnte das Ersuchen geklärt werden, dann schließlich eine Glocke zum Hof hin geläutet werden, bevor Prior, Hofmeister oder Knecht herbeieilen konnten, um zu antworten – wer genau gefragt war, sollte mit underschidlichen clängen und leiten der Glocke signalisiert werden. Es durfte nur eine Tür geben, die ein Schloss zur Außenwelt aufwies, d. h. auch von außen ent­ oder verriegelbar war: die Kellertür, die vordergründig der Warenannahme diente. Von innen sollte diese Tür ebenfalls verschließbar sein. Ein Schloss an der hinteren Kirchentür sollte nur vom Prior geöffnet werden können, obwohl die Meisterin den Schlüssel dazu besaß. Auch der Briefverkehr der Kanonissen schien dem Reformeifer der Dominikaner zu unkontrolliert, denn von nun an sollten alle sowohl an weltliche wie geistliche Korrespondenten adressierten Briefe der Konventua­ 241 linnen durch die Hand der Meisterin gehen, welche sie nach dem Lesen erneut zu versiegeln hatte. Zugleich wurde die Befugnis der Meisterin vehement eingeschränkt: Sie durfte nunmehr weder über geistliche Angelegen­ heiten noch über Klostergeschäfte Briefe verfassen und sollte sich bei Wünschen und Fragen an ihren Ordensoberen, den Abt, wenden. Die Liste der Einschränkungen lässt sich fortführen: Keine der Damen sollte ohne vorherige Absprache mit dem Abt wirtschaft­ liche Transaktionen betätigen, und kleinere Käufe von alltäglichen Dingen mussten genau dokumentiert werden und gemeinsam mit den anderen Rechnungen einmal jährlich an St. Martin einem Adelberger Prälaten vorgelegt werden. Fremde und Kinder sollten nur mit Einwilligung eines Adelberger Prälaten aufgenommen werden. Im Gegenzug konnte der Abt den Frauenkonvent nicht zur Auf­ nahme bestimmter Personen zwingen. Mit den Eltern der Kinder, die mindestens ein Jahr lang zur Probe im Kloster lebten, durften keine Kaufgeschäfte getätigt werden, und vor der Profess musste ein Erbverzicht stattfinden oder ein Vertrag zwischen der Familie und dem Konvent geschlossen werden. Große Baumaßnahmen mussten vom Adelberger Abt bewilligt werden (bei kleineren genügte die Bewilligung des Priors). Zu guter Letzt werden vier Bau­ maßnahmen der Priorität nach spezifiziert: 1. der Bau einer Mauer zum Weingarten hin, 2. die Vollendung des Kornhauses, 3. die Einrichtung eines Löschkastens (Kasten zu dem wasser für fewrs noth), 4. das Chorgestühl der Frauen.74 Offensichtlich wurde bei diesen Bauprojekten der Abschottung zur Außenwelt die höchste Bedeutung zugemessen. All diese Verbote und Gebote teilen indirekt mit, dass die Lauffener Damen weiterhin betriebsam waren, doch genau das durften sie als reformierte Ordensfrauen nicht mehr ohne Weiteres sein. Der Einschnitt war enorm: Kommunikation wie Transaktionen waren komplett reguliert und kontrolliert. Frauen, die sich im Reformkontext der Klausur 242 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian widersetzten, traten nicht nur aus ihrer Gemeinschaft aus, sondern ließen sich vom Kloster auszahlen und mussten anschließend auf die Unterstützung ihrer Familien setzen.75 Offenbar konnte aber Katharina nicht mit der Absicherung durch ihre Familie rechnen: Zum einen war die Klausurierung von niemand anderem als ihrem Vater initiiert, zum anderen herrschte ein Erbstreit zwischen ihr und den anderen Familienangehörigen, sodass sie bei einem regulären Klosteraustritt auf keine finanzielle Unterstützung hoffen durfte. Ob sich Katharina letztlich wegen der Klausurierung und der damit einhergehenden Verän­ derungen entfernte, kann zwar anhand der Quellen nicht definitiv erhärtet werden,76 doch erscheint diese Begründung im Licht der observanten Reform zu erwägen. Schließlich sind die Faktoren Finanzen und Freiheit bei der Erklärung des Verhaltens Katharinas eng miteinander verstrickt, wie ihre weitere Biographie unterstreicht. War Katharina von Württemberg eine »starke Frau«? 1489 sollte Katharina unter Sonderkondi­ tionen im nicht reformierten Prämonstratenserinnenstift Gerlachsheim aufgenommen werden, wie die Abschrift eines Vertrags von 1492 zwischen ihr und der Meisterin von Gerlachsheim im Urbar des Klosters detailliert ausführt.77 In dieser Abschrift der Urkunde vom 20. Mai 1495 geht es eigentlich um die Beilegung eines Rechtsstreits zwischen der Meisterin Elisabeth Kressin und Katharina von Württemberg, der die von Katharina begonnenen, aber nicht vollendeten Baumaßnahmen im Kloster Gerlachsheim betrifft. Zunächst wird an den Inhalt des Vertrags vom 11. Mai 1489 erinnert, mit dem wohl die Einwilligung der Meisterin Elisabeth Kressin und des vorstehenden Abts von Oberzell erging, Katharina in Gerlachsheim mit eigenem Hof und eigener Kost aufzunehmen, d. h. ohne dem Stift finanziell zur Last zu fallen (on schaden des klosters). Weiterhin sollte sie ein größeres Bauprojekt, eine hoffstatt, initiieren dürfen. Es wurden 1489 drei Szenarien ausgemalt, so die Narratio weiter, die Katharinas Aufenthalt bzw. Bauprojekt regeln sollten: 1. Im Falle, dass sich Katharina im Laufe des Jahres wieder fort­ begäbe, alß ir gnad macht hatt, sollte sie der Meisterin nichts schuldig sein. Hier verrät uns die Urkunde im Nebensatz, dass Katharina Gerlachsheim offenbar schon 1489 wieder verlassen hatte. 2. Sollte Katharina das Jahr über in Gerlachsheim bleiben, aber anschließend fortgehen, ohne den Bau vollendet zu haben, dann sollten dem Konvent nach ihrem Tod 100 Gulden zukommen. 3. Sofern der Hof fertiggebaut werden würde, sollte er in das Stiftseigentum übergehen und Katharina würde dem Konvent nichts mehr schulden. Anschließend wird der Vertragsbruch konkretisiert: Wan aber die genant fraw Katherin geboren zu Wirtenberg unnd Mumpelgart mit verwilligung irs abts zu Zell fürgenommen hatt, sich gen Germsheim nit zu begeben, unnd alda etlich bew angefengt unnd nit wolbracht hatt … Wir erfahren hier, dass Katharina mit der Erlaubnis des Abts von Oberzell nicht in Gerlachsheim eingezogen ist, obwohl sie das mehrere Gebäude umspannende Bauprojekt hatte beginnen lassen. Sie führte es auch nicht zu Ende, worüber sich die Meisterin beschwert: die meinsterin vermeint den baw zu volbringen, oder dem Kloster dafür hundert gülden zü geben schuldig sein. Dieser Forderung nachzugehen, verweigert sich Katharina, die sich vertraglich nicht in der Pflicht sieht: daß aber unnser gnedig fraw zu Wirtenberg vermeint zu thun noch zur zeit nit pflichtig wer, nachdem die verschreibung solches nitt gibt. Bestand Katharina hier auf den Zusatz aus dem Vertrag von 1489, wonach die 100 Gulden erst nach ihrem Tod fällig würden? Oder nicht viel eher auf den Umstand, dass Szenario 1 eingetreten ist und sie Gerlachsheim noch binnen eines Jahres verließ und deswegen dem Stift nichts schuldete? Die Frage ist schwer zu beantworten, da der genaue Wortlaut des Vertrags nicht überliefert ist und mündliche Absprachen unbekannt Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian bleiben. Jedenfalls einigte man sich nach der Anhörung beider Parteien darauf, dass Katharina dem Konvent 50 Gulden auszahlen müsse und alles Baumaterial, das sich noch auf dem Stiftsgelände befand, dort bleiben sollte: holz, stein, kalck, zigel unnd sonst alles, daß zu demselben baw gemacht, geacht unnd verhanden. Die restlichen benötigten Materialien wurden vom Konvent gestellt, und keine Seite durfte weitere Ansprüche an die andere stellen. Besiegelt wurde der Beschluss von beiden Parteien. Ein wichtiges Indiz für die Klärung von Katharinas Aufenthaltsort ist, dass der geschuldete Geldbetrag, so wird präzisiert, am 20. Januar 1492 in Würzburg ausgezahlt werden sollte. Hielt sich Katharina womöglich seit ihrem Fortgang aus Lauffen hauptsäch­ lich in Würzburg auf? War ihr schwelendes Bauprojekt in Gerlachsheim nur ein Ablenkungsmanöver, um ihren dortigen Aufenthalt aufzuschieben? Da sie das Stift nichts kosten sollte, baute sie ihren eigenen Hof, welchen sie wiederum vor Vollendung nicht beziehen konnte. Wollte sie womöglich nie ernsthaft nach Gerlachsheim ziehen? Diese Frage werden wir nicht beantworten können. Relativ sicher steht aber fest, dass Katharina ihren Lebensabend in Würzburg verbrachte. Ganz friedlich scheinen auch ihre letzten Jahre nicht abgelaufen zu sein, denn 1495 wurde sie vom Oberzeller Abt nach Gerlachsheim vorgeladen, um der Anklage eines herren Endressen Vnnger Parfüsser ordens Rede und Antwort zu stehen. Der Grund der Anklage ist nicht bekannt.78 Bemerkenswert bleibt, dass Katharina nach ihrem Tod 1497 offenbar in Adelberg bestattet wurde;79 damals fungierte Berthold Dürr noch immer als Adelberger Abt. Hätte er also eine so unerhört herumgetrie­ bene Ordensschwester posthum wieder aufgenommen? Leider sagt die karge Überlieferung wenig über Katharinas Persönlichkeit aus. Ihre Verbundenheit mit dem Prämonstratenser­ orden, ihre Freundschaften und Feindschaften, ihre Hoffnungen und Ängste kann man nur 243 mühsam zwischen den Zeilen erahnen. Aus den Anhaltspunkten kann zwar das Bild eines eigensinnigen Charakters gewonnen werden, aber viele Fragen werden wir offenlassen müssen. Kann man stark sein in einem System, das einem nicht erlaubt, stark zu sein? Das Konzept einer »starken Frau«, so scheint mir, ist ein modernes, das aus der Diskrepanz zwischen der gesetzlich geregelten Gleich­ berechtigung der Geschlechter und einer von frauendiskriminierenden Konventionen dominierten Lebenswirklichkeit erwächst. Sicherlich fiel Katharina zu Lebzeiten mit ihrem Verhalten auf, aber vielleicht wollte sie das gar nicht. Ihr Verhalten wurde von ihren Zeitgenossen wohl nicht als positiv und schon gar nicht als »stark« wahrgenommen. Daher sei abschließend eine andere Frage gestellt: Wie können wir die Situation, in der sich Katharina befand, unter Berücksichtigung der Alterität unserer heutigen Wahrnehmung evaluieren und damit das Schicksal von Katharina von Württemberg in historische Kategorien einordnen? Katharinas Leben ist uns einigermaßen gut bekannt; das heißt natürlich nicht, dass nicht auch andere ihr Recht zu erlangen suchten und dabei verlieren konnten.80 Der bekanntlich hohe Bildungsstand der Kanonissen verhalf Frauen gewiss bei Versuchen, Gehör zu finden; das Bewusstsein für die eigene Rechtsbefugnis war dabei essentiell. Viel wichtiger noch war der Grad der über diözesane Grenzen hinwegreichenden Vernetzung mit befreundeten Häusern und Personen, bei denen im Ernstfall Zuflucht und Unterstützung gefunden werden konnte. Letztlich waren derartige institutionelle und personenbezogene Infrastrukturen an die soziale Stellung der betroffenen Frauen geknüpft, wie der Fall Katharinas vor Augen führt. Obgleich nach dem Tod des Vaters die Familie nicht mehr schützend hinter ihr stand, so vereinfachte doch der Umstand, dass Katharina über eine ordentliche Rente verfügte und Grafentochter war, den damals kaum für eine Frau des geistlichen Standes 244 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian einschlagbaren Weg eines unabhängigen urbanen Lebens. Ob sie selbst dieses Leben als erstrebenswert empfand, wissen wir nicht. Wir bekommen aber einen Eindruck davon, wie hart sie es erkämpfen musste. Im Sinne von Intersektionalität sei abschließend unterstrichen, dass Katharina nicht irgendeine Frau des 15. Jahrhunderts war, sondern eine Kanonisse aus dem hohen Adel. Mit ihrem gräflichen Rang grenzte sie sich bereits von ihren Mitschwestern ab.81 Sie war 1 Zum Folgenden siehe mit ausführlichen Nachweisen Racha Kirakosian: Gräfin Katharina von Württemberg und die oberschwäbischen Doppelklöster der Prämonstratenser im Mittelalter. In: Württemberg als Kulturlandschaft. Literatur und Buchkultur an Klöstern und Höfen im späteren Mittelalter. Hg. von Nigel Palmer, Peter Rückert und Sigrid Hirbodian (Kulturtopographie des alemannischen Raums), (erscheint Berlin/Boston 2022). An älterer Literatur zu Katharina von Württemberg sei nur verwiesen auf Gerhard Raff: Hie gut Wirtemberg allewege, Bd. 1, Stuttgart 1988, S. 393 – 397; Eugen Schneider: Die Klosterfrau Katharine Gräfin zu Württemberg. In: Literarische Beilagen des Staatsanzeigers für Württemberg 1895, S. 35 – 37, und Dieter Stievermann: Das Haus Württemberg und die Klöster vor der Reformation. In: 900 Jahre Haus Württemberg. Hg. von Robert Uhland, Stuttgart 1984, S. 459 – 481. 2 Vier Schwestern Katharinas sollten eine Heirat eingehen, allerdings allesamt nach Katharinas Eintritt ins Kloster. 3 Dass zusätzlich zu den finanziellen Problemen auch eine fehlende biologische Mutter, die sich für die Interessen der Tochter hätte einsetzen können, bei der Entscheidung, Katharina zu verheiraten oder in ein Kloster zu schicken, ein wichtiger Faktor war, ist anzunehmen. 4 Vgl. Norbert Backmund: Monasticon Praemonstratense. Id est historia circariarum atque canoniarum candidi et canonici ordinis Praemonstratensis, Bd. 1, Berlin/New York 21983, S. 44: Hic parthenon ultimi monasterii duplicis in Germania anno demum 1476 translatus est in Lauffen. Ausführlicher dazu wiederum Kirakosian, Gräfin Katharina, wie Anm. 1. 5 Botho Odebrecht: Kaiser Friedrich I. und die Anfänge des Prämonstratenserstifts Adelberg. In: ZWLG 6 (1942), S. 44 – 67, hier S. 45. 6 HStAS A 602 Nr. 6347. 7 Würzburg war im gesamten 15. Jahrhundert ein begehrter Ort für Frauen, die religiös lebten und keinem Konvent oder Orden angehörten; siehe dazu Jennifer Kolpacoff Dean: »Geistliche Schwestern«. The Pastorcal Care of Lay Religious Women in Medieval Würzburg. In: Partners in Spirit. Women, Men, and Religious Life in Germany, 1100 – 1500. finanziell in der Lage, sich unabhängig zu unterhalten. Sie war in Rechtssachen gut bewandert, was zweifelsohne ihrem relativ langen Aufenthalt am Hof des Vaters zu verdanken war. Sie nutzte den kleinen Spielraum, der sich ihr so ergab, und streckte ihn so weit, dass sie sich von der Vormundschaft der Ordensvorgesetzten befreien konnte. Insoweit war Katharina von Württemberg eine selbstbestimmte Frau. 8 9 10 11 12 Hg. von Fiona J. Griffiths und Julie Hotchin (Medieval Women. Texts and Contexts 24), Turnhout 2014, S. 237 – 270. Joseph Zeller: Das Prämonstratenserstift Adelberg, das letzte schwäbische Doppelkloster. 1178 (1188) bis 1476. Ein Beitrag zur Geschichte der Doppelklöster, besonders im Prämonstratenserorden. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte NF 25 (1916), S. 107 – 162, hier S. 155. Ihr Name erscheint zweimal im Nekrologium des Klosters: Fragmenta Necrologii Adelbergensis. In: Necrologia Germaniae, Bd. 1: Dioeceses Augustensis, Constantiensis, Curiensis. Hg. von Franz Ludwig Baumann (MGH Necr. 1), Berlin 1888, S. 143 f.: Catharina grävin zu Wirtenberg und Mümpelgart, closterfraw zu Lauffen, grafen Ulrichs von Wirtenberg und Margarethae ducissae de Clef dochter (S. 143) und Catharina ducissa de Clef, com. de Wirtenberg, ob. 1497 (S. 144). Zwei leicht voneinander abweichende frühneuzeit­ liche Aufzeichnungen dokumentieren die einst im Chor der Lauffener Klosterkirchen befindlichen Grabsteine: WLB Stuttgart, Cod. hist. quart. 59, Nr. 2 und Cod. hist. fol. 308, Bl. 8 r –11 v. Backmund, wie Anm. 4, S. 43 – 46; siehe auch Walter Ziegler: Der Gründer Adelbergs. Volknand von Staufen­Toggenburg, ein Vetter Barbarossas. In: Hohenstaufen. Veröffentlichungen des Geschichts­ und Altertumsvereins Göppingen e. V. 10 (1977), S. 45 – 93. Zunächst wurde der Versuch unternommen, ein Zisterzienserkloster einzurichten, siehe dazu Wilfried Schöntag: Memoria, Traditionsbildung und Geschichtsschreibung in den schwäbischen Prämonstratenserstiften im 12. und 13. Jahrhundert. In: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 25 (2006), S. 232 – 233. Siehe Kirakosian, Gräfin Katharina, wie Anm. 1. Vgl. dazu noch Zeller, wie Anm. 8, S. 134: »Von dem Wirken der Frauen vermögen wir uns keine Vorstellung zu machen. Nirgends treten sie auf. Auch nicht im letzten Abschnitt der Geschichte des Doppelklosters, […] wo es sich doch für den Frauenkonvent um Sein und Nichtsein handelte. Über ihr Geschick entscheiden ausschließlich der Schirmvogt einer­ und Abt und Konvent des Mannsklosters anderer- Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 seits und die übergeordneten kirchlichen und Ordensinstanzen; den Frauen bleibt nur die Zustimmung zu den Maßnahmen, die von jener Seite beschlossen und verfügt worden sind.« Stefanie Albus-Kötz: Von Kräutergärten, Äckern, Gülten und Hühnern. Studien zur Besitz­ und Wirtschaftsgeschichte des Prämonstratenserstifts Adelberg im Mittelalter 1178 – 1535 (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 73), Leinfelden­ Echterdingen 2014, S. 15. Racha Kirakosian: From the Material to the Mystical in Late Medieval Piety. The Vernacular Transmission of Gertrude of Helfta’s Visions, Cambridge 2021, S. 14. Siehe auch Tabea Scheible: Arme, eingeschlossene Frauen? Zum Handlungsspielraum geistlicher Frauengemeinschaften im 15. und 16. Jahrhundert: Württembergische Dominikanerinnen in Reform und Reformation. Ungedr. Dissertationsschrift, Universität Tübingen 2020, S. 14 Anm. 88. Vgl. etwa HStAS A 496 U 83 vom 10. August 1407: Ritter Peter von Liebenstein vermacht den Dominikanerinnen in Lauffen (und ihren Nachfolgerinnen) einen Hof; ebd., U 84 vom 5. Februar 1463: Kauf­ vertrag zwischen Hans Geißborn, Bürger zu Bönnigheim und den Dominikanerinnen in Lauffen. Vgl. Kurt Maier: Lauffen am Neckar. In: Württembergisches Klosterbuch. Klöster, Stifte und Ordensgemeinschaften von den Anfängen bis in die Gegenwart. Hg. von Wolfgang Zimmermann und Nicole Priesching. Ostfildern 2003, S. 320 – 321. In der Konventschronik wird diese letzte Dominikanerin Anna Murrerin genannt; siehe BSB München, Clm 15330, Bl. 112 vb. Zur wirtschaftlichen Situation des Klosters siehe Günter Cordes: Herrschaftlicher Besitz in Lauffen. In: Jahrbuch für schwäbisch­fränkische Geschichte 27 (1973), S. 161 – 179. Zeller, wie Anm. 8, S. 135; Darstellung bei Christian Friedrich Sattler: Geschichte des Herzogthums Würtenberg unter der Regierung der Graven, Bd. 3, Ulm 1767, S. 216. Siehe auch Sönke Lorenz: Kirchenreform und kanonikale Lebensform. In: Württembergisches Klosterbuch, wie Anm. 16, S. 20 – 34. Einen kurzen Überblick zum württembergischen Reformbestreben bietet Scheible, wie Anm. 14, S. 47 – 50. Siehe Dieter Stievermann: Landesherrschaft und Klosterwesen im spätmittelalterlichen Württemberg, Sigmaringen 1989, S. 276. Zeller, wie Anm. 8, S. 137 – 139. Stievermann, wie Anm. 19, S. 276, ist der Ansicht, dass die mit dem Lauffener Reformprojekt »verbundenen komplizierten finanziellen Transaktionen – in einer Zeit, als Ulrich in großen Nöten steckte – jedoch zum Dissens zwischen Kloster und Schirmherrn geführt haben [dürften], der das Projekt zunächst wieder für längere Zeit stocken ließ«. HStAS A 496 U 84 a. Die Narratio wird wiedergegeben bei Zeller, wie Anm. 8, S. 143, Anm. 126. Zeller, wie Anm. 8, meint, dass es dem Landesherrn vor allem darum ging, das Kloster Lauffen zu retten, und widerspricht einer älteren These, wonach »ärgerliche Vorkommnisse in Adelberg selbst« Anlass waren (S. 136). Zugleich räumt er ein, dass ein Doppelkloster (»ein solches Institut«) im 15. Jahrhundert auch im Prämonstratenserorden »im Zeitalter der Ordensreformen als etwas Veralte- 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 245 tes, Ungehöriges, Unschickliches empfunden wurde« und spricht von einer Öffentlichkeit, die das Kloster »mit argwöhnischen Augen betrachtete« (S. 134). HStAS A 496 U 86 b. Siehe dazu Norbert Hofmann: Lauffen am Neckar. In: Handbuch der Stiftskirchen in Baden­Württemberg. Hg. von Sönke Lorenz, Oliver Auge und Sigrid Hirbodian, Ostfildern 2019, S. 372 – 377, hier S. 374. HStAS A 496 U 86 c. Im selben Dokument werden eine Urkunde von Abt Nikolaus sowie ein Brief an Abt Berchtold von Adelberg erwähnt, in dem die Regelungen nochmals detailliert dargelegt worden waren. Lauffen blieb Adelberg unterstellt; auch die Aufnahme neuer Frauen erforderte das Einvernehmen des Abts von Adelberg (siehe Verzichtbrief der Meisterin, ebd., U 86 c, Druck bei Zeller, wie Anm. 8, Beilage 4, S. 160 – 161). HStAS A 496 U 88. Diese Urkunde diskutiert auch Stievermann, wie Anm. 19, S. 280. Nach der beigelegten Urkundenabschrift (zu HStAS A 496 U 88) vom 4. April 1476: Graf Ulrich V. von Württemberg überlässt dem Frauenkloster zu Lauffen, in dem seine Tochter Katharina als Kanonisse lebt, ein Fünftel des großen Kornzehnten zu Lauffen, ein Viertel des großen Weinzehnten sowie andere Zinse und Gülten und befreit das Kloster von Abgaben, Zöllen und Lasten. Das Original ist wohl verloren. Vgl. HStAS A 496 U 88. Im Text heißt es weiter: Darumb so wollen wir und ist unser will und ernstlich mainung, das hinfúro zú ewigen zitten die vorgenanten o maisterin und all frowen des conventz und closters zu Louffen und alle der nachkommen an dem, das inen o von abbt und convent zu Adelberg gegeben, wie hievor o gemelt ist, genugig sin, und sie noch ihr nachkommen o und gotzhuß nit ferrer oder umb mer ersuchen oder begeren sollen, mit oder on recht in keinen wege. Katharina war nie Äbtissin, wie in der Frühen Neuzeit behauptet wurde, vgl. HStAS A 469 Bü 39: Notizen über das Leben Katharinas »Äbtissin von Lauffen« (Akten von 1765). Diese Quittungen sind in dem Katharina eigens zugeordneten Archivbestand zu finden: HStAS A 602 U 413 a – d; ebd., U 414 – 422. Zeller, wie Anm. 8, S. 123, zählt zwölf mit einem Leibgeding ausgestattete Adelberger Frauen im 13. und 14. Jahrhundert, und kommt zu dem Schluss, »daß im späteren Mittelalter wie in den meisten Frauenklöstern so auch in Adelberg das klösterliche Armutsgelübde nicht in seiner vollen Strenge beobachtet wurde«. Allerdings waren prämonstratensische Chorfrauen ohnehin vom Armutsgelübde ausgeschlossen, siehe Thomas Schilp: Norm und Wirklichkeit religiöser Frauengemeinschaften im frühen Mittelalter. Die Institutio sanctimonialium Aquisgranensis des Jahres 816 und die Problematik der Verfassung von Frauenkommunitäten (Veröffentlichungen des Max­Planck­Instituts für Geschichte 137 = Studien zur Germania Sacra 21), Göttingen 1998, S. 195 – 201. HStAS A 602 Nr. 414. Thomas Fritz: Katharina. In: Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon. Hg. von Sönke Lorenz, Dieter Mertens und Volker Press, Stuttgart 1997, S. 97 f., hier S. 98, geht davon aus, dass Katha- 246 Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 rina gegen ihren Willen nach Lauffen kam, ohne eine Quelle für diese Vermutung zu nennen. Schilp, wie Anm. 31. Ulrich Andermann: Die unsittlichen und disziplinlosen Kanonissen. Ein Topos und seine Hintergründe, aufgezeigt an Beispielen sächsischer Frauenstifte (11. – 13. Jahrhundert). In: Westfälische Zeitschrift 146 (1996), S. 39 – 63; John H. Van Engen: Friar Johannes Nyder on Laypeople Living as Religious in the World. In: Vita religiosa im Mittelalter. Festschrift für Kaspar Elm zum 70. Geburtstag. Hg. von Franz J. Felten, Nikolas Jaspert und Stephanie Haarländer (Berliner Historische Studien 31 = Ordensstudien 13), Berlin 1999, S. 583 – 616. In der Zwischenzeit hatten die Grafen von Württemberg weiterhin Geschäfte mit dem Kloster Adelberg abgewickelt, vgl. Urkundenregesten des Prämonstratenserklosters Adelberg (1178 – 1536). Bearb. von Karl Otto Müller (Veröffentlichungen der Württembergischen Archivverwaltung 4), Stuttgart 1949, S. 78 Nr. 462, S. 80 Nr. 473 und S. 82 Nr. 482; vgl. auch S. 79 Nr. 469. Die Grafen Eberhard der Ältere und Eberhard der Jüngere waren außerdem in einen Rechtsstreit mit dem Adelberger Abt Berch­ told involviert, vgl. ebd., S. 80 Nr. 474 und 475. HStAS A 602 Nr. 416. Der Abt von Roggenburg nahm auch nach 1441, als Adelberg zur Abtei erhoben wurde, an wichtigen Verhandlungen teil, siehe Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 66. HStAS A 602 Nr. 417. Eberhards d. Ä. einziges Kind Barbara war 1476 noch im Säuglingsalter verstorben. Das Haus Württemberg sollte sich in männlicher Linie über Graf Heinrichs zweiten Sohn Georg, der um 1498 geboren wurde, fortsetzen. Vgl. die Beiträge von Anja Thaller und Peter Rückert in diesem Band. HStAS A 602 Nr. 418. Einschlägig für diese Informationen ist ein Kopialbuch aus Gerlachsheim (Würzburger Standbuch 522), siehe Ingrid Heeg-Engelhart: Oberzell und die ihm unterstellten Niederlassungen der Prämonstratenserinnen bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts (insbesondere die Stifte Unterzell und Gerlachsheim). In: Oberzell – Vom Prämonstratenserstift (bis 1803) zum Mutterhaus der Kongregation der Dienerin der heiligen Kindheit Jesu. Hg. von Helmut Flachenecker und Wolfgang Weiss (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 62), Würzburg 2006, S. 249 – 312, hier S. 273 f. HStAS A 602 Nr. 419. Gerlachsheim war ein relativ selbstständiges Stift, siehe Bruno Krings: Die Prämonstratenser und ihr weiblicher Zweig. In: Studien zum Prämonstratenserorden. Hg. von Irene Crusius und Helmut Flachenecker (Studien zur Germania Sacra 25), Göttingen 2003, S. 75 – 105, hier S. 82. Katharinas Flucht aus Lauffen muss vor dem Hintergrund der Erbstreitigkeiten gesehen werden. Ihr Handeln wird wohl kaum allein auf Basis einer nostalgischen Emotion erklärbar sein, wie noch Zeller, wie Anm. 8, S. 155, vermutete: »In Lauffen hat sich die gräfliche Klosterfrau allem nach nie recht heimisch gefühlt; dagegen bewahrte sie dem Stift Adelberg, wo sie in jungen Jahren eingetreten war und Profeß gemacht hatte, ihr Leben lang solche 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 Anhänglichkeit, daß sie sich in der dortigen Klosterkirche ihre letzte Ruhestätte wählte, ein Wunsch, der nach ihrem Tode – sie starb am 28. Juni 1497 in Würzburg – erfüllt wurde und einen versöhnenden Abschluß ihres unruhigen Wanderlebens bildete«. HStAS A 602 Nr. 420. Ihr eigenes Siegel ist angehängt. Das Schreiben ist nicht von Katharinas Hand; es handelt sich um eine Kanzleischrift, vgl. Rück­ seite des Pergamentbriefs, auf Brieffaltung: diser procurator hat den eyd in der vertzihung an stat miner frowen und in ire sel gsworn zu Stutgart in der cantzly vor doctor Ludwigen, probst und cantzler, doctor Johansen Röchlin, Gerharten von Talheim, dem alten und niuwen lantschreibern Johan Fruffern [!] und andern […]. HStAS A 602 Nr. 421. Katharina verzichtet gegen ein Leibgeding von 300 Gulden auf alle Erbansprüche. HStAS A 602 Nr. 422. Bis zu ihrem Tod sollten ihre leiblichen Verwandten noch mindestens zweimal mit dem Kloster Adelberg zu tun haben, vgl. Urkundenregesten Adelberg, wie Anm. 36, S. 87 Nr. 513 – 514 und S. 88 Nr. 523. So sieht Krings, wie Anm. 43, S. 99, die Trennung der Konvente als eine »Emanzipationsbewegung, als ein konsequente[r] Weg zu größerer wirtschaftlicher und rechtlicher Eigenständigkeit gegenüber dem Mutterstift«. Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 14 – 16. In diesem Sinne bedarf die vielfach zitierte These, dass die cura monialium (die Sorge um die Spiritualität von Ordensfrauen) seitens der Kleriker und Mönche als Bürde aufgefasst wurde, ebenfalls der Revision; siehe dazu Fiona J. Griffiths: Nuns’ Priests’ Tales. Men and Salvation in Medieval Women’s Monastic Life, Philadelphia 2018, S. 16 – 18. Sabine Klapp: Negotiating Autonomy. Canons in Late Medieval »Frauenstifte«. In: Partners in Spirit, wie Anm. 7, S. 367 – 400, hier S. 373. Fiona J. Griffiths und Julie Hotchin: Women and Men in the Medieval Religious Landscape. In: Partners in Spirit, wie Anm. 7, S. 1 – 45, hier S. 10: »While these communities [double monasteries] generally had strict rules governing the interaction of the men and women, who maintained separate cloisters, there was nevertheless a joint sense of community, in which the men and women worked together, spiritually and practically«. Shelley Amiste Wolbrink: Necessary Priests and Brothers. Male­Female Co­Operation in the Premonstratensian Women’s Monasteries of Füssenich and Meer, 1140 – 1260. In: Partners in Spirit, wie Anm. 7, S. 171 – 212, hier S. 172: »Whereas previous scholarship has relied on prescriptive regulations to argue for a Premonstratensian rejection of women, more recent scholarship has centered on documents of practice that reveal a culture of co­operation«. Zum Original und der Geschichte der frühneuzeitlichen Kopie siehe Friedrich Freiherr von GaisbergSchöckingen: Zur Geschichte des Nonnenklosters Lauffen a. N. In: Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1902/1903, S. 25 – 34. Zeller, wie Anm. 8, S. 130 – 132 und Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 16, Anm. 132. BSB München, Clm 15330. Ebd., Bl. 112 va. Ebd., Bl. 112 vb. Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Racha Kirakosian 60 Stievermann, wie Anm. 19, S. 281, vermerkt zur niederadeligen Zusammensetzung des Konvents, dass der Graf seinen Willen zur Translokation und Reform durchsetzen konnte, weil die hier vertre­ tenen »Familienverbände […] vielfach in württembergischen Diensten nachzuweisen sind«. 61 BSB München, Clm 15330, Bl. 113 rb. 62 WLB Stuttgart, Cod. hist. fol. 308. 63 Hofmann, wie Anm. 24, S. 375. 64 BSB München, Clm 15330, Bl. 113 ra. 65 Scheible, wie Anm. 14, S. 40, siehe auch S. 198 f. 66 Zur Bedeutung der Buchkultur in reformierten Frauenklöstern siehe die Studien von Antje Willing: Die Bibliothek des Klosters St. Katharina zu Nürnberg. Synoptische Darstellung der Bücherverzeichnisse. Hg. von Antje Willing, 2 Bde., Berlin 2013; Simone Mengis: Schreibende Frauen um 1500. Scriptorium und Bibliothek des Dominikanerinnenklosters St. Katharina St. Gallen (Scrinium Friburgense 28), Berlin/Boston 2013. 67 Siehe dazu die Studie von Claire Taylor Jones: Ruling the Spirit. Women, Liturgy, and Dominican Reform in Late Medieval Germany, Philadelphia 2017. 68 Siehe Heike Uffmann: Inside and Outside the Convent Walls. The Norm and Practice of Enclosure in the Reformed Nunneries of Late Medieval Germany. In: The Medieval History Journal 4 (2001), S. 83 – 108, hier S. 102: »Strictly regulated enclosure limited the nuns’ mobility to a small area with clearly demarcated boundaries«. 69 Zur Biographie von Werner Wick vgl. Oliver Auge: Stiftsbiographien. Die Kleriker des Stuttgarter Heilig­Kreuz­Stifts (1250 – 1552), Leinfelden­ Echterdingen 2002, S. 582 – 588. 70 Johannes Pruser war Prior des 1471 gegründeten Dominikanerklosters in Stuttgart, siehe Bernhard Neidiger: Stuttgart. In: Württembergisches Klosterbuch, wie Anm. 16, S. 467 f. Nach seinem Rücktritt vom Amt des Priors 1475 blieb Johannes Pruser als Lektor und Generalprediger in Stuttgart »und [beteiligte] sich auch an der von Graf Ulrich gewünschten Reform der württembergischen Dominikanerinnenkonvente 1478 maßgebend«, so Bernhard Neidiger: Das Dominikanerkloster Stuttgart, die Kanoniker vom gemeinsamen Leben in Urach und die Gründung der Universität Tübingen. Konkurrierende Reformansätze in der württembergischen Kirchenpolitik am Ausgang des Mittelalters (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart 58), Stuttgart 1993, S. 27. 71 Stievermann, wie Anm. 19, S. 284 – 286 (Zitat auf S. 285). Siehe auch Auge, wie Anm. 69, S. 191 f. 247 72 StA Sigmaringen Dep. 30/12 Teil 3, Marchtal: Reichs­, Kreis­ und Kollegialsachen, Nr. 240; jetzt: Dep. 30 Teil 4, Nr. 240. Regest in Joachim Fischer: Zur Archivgeschichte des Klosters Adelberg. In: ZWLG 31 (1972), S. 230, Nr. 9. Quellenzitate adaptiert nach einer Transkription von Monja Dotzauer. 73 Hofmann, wie Anm. 24, S. 374. Siehe auch die partielle Zusammenfassung des Visitationsberichts bei Albus-Kötz, wie Anm. 13, S. 19 f. 74 StA Sigmaringen Dep. 30/12 Teil 3, Marchtal: Reichs­, Kreis­ und Kollegialsachen, Nr. 240; jetzt: Dep. 30 Teil 4, Nr. 240. Regest in Fischer, wie Anm. 72, S. 230, Nr. 10. Quellenzitate adaptiert nach einer Transkription von Monja Dotzauer. 75 Ordensfrauen, die der Gemeinschaft den Rücken zukehrten und sich dabei ihren Besitz auszahlen ließen, konnten enorme wirtschaftliche Prekarität für das Kloster bedeuten, wie das etwa dem Straßburger Dominikanerinnenkonvent in St. Nikolaus in undis geschehen ist. Siehe dazu Monika Studer: Antonius der Einsiedler trifft Caesarius von Heisterbach. Zur gemeinsamen Überlieferung von Exempla der »Alemannischen Vitaspatrum« und des »Dialogus miraculorum« in Straßburger Handschriften und Drucken. In: Schreiben und Lesen in der Stadt. Literaturbetrieb im spätmittelalterlichen Straßburg. Hg. von Stephen Mossman, Nigel F. Palmer und Felix Heinzer (Kulturtopographie des alemannischen Raums 4), Berlin/Boston 2012, S. 167 – 196, hier S. 178. 76 Die Abschrift des deutschen Berichts in der Münchner Handschrift Clm 15330 – auch wenn sie auf Renners ursprünglichen Bericht aus seiner Zeit als Lauffener Kaplan zwischen 1476 und 1481 zurückgeht – stammt von 1499, doch Katharinas Verlassen des Konvents wurde hier nicht nachgetragen und bleibt unerwähnt. 77 StA Würzburg, Standbuch 522, Bl. 193 r – 194 v. Eine weitere Kopie befindet sich in GLAK 67, Bd. 635, Bl. 193 r – 194 v. Siehe auch Heeg-Engelhart, wie Anm. 41, S. 274. 78 Staatsarchiv Würzburg Standbuch 522, S. 197 r – v. 79 Zeller, wie Anm. 8, S. 155. Ihr Name erscheint zweimal im Nekrologium des Klosters; Baumann, wie in Anm. 8. 80 So wurde die Adelberger Kanonisse Elsbeth von Rechberghausen 1369 mit einer Urfehde von den Männern ihrer Familie in ihre Schranken verwiesen. Worin genau das Verbrechen Elsbeths lag, bleibt unausgesprochen; vgl. HStAS A 469 U 207. Siehe meine Ausführungen dazu (wie Anm. 1). 81 Zur niederadeligen Zusammensetzung des Konvents, siehe Stievermann, wie Anm. 19, S. 281. 248 Zusammenfassung – Résumé – Riassunto Katharina von Württemberg – Gräfin und Kanonisse auf der Flucht Das Leben der Grafentochter Katharina von Württemberg führte vom Hof ihres Vaters Ulrich V. in Stuttgart zum oberschwäbischen Prämonstratenserkloster Adelberg bis hin zum reformierten Frauenkonvent Lauffen am Neckar, aus dem Katharina aber entfloh, um anfänglich in Gerlachsheim und dann höchstwahrscheinlich in Würzburg Obdach zu finden. Der vorliegende Aufsatz begibt sich auf die Spuren der flüchtigen Kanonisse und fragt nach den Hintergründen und möglichen Motiven ihres Fortgangs aus Lauffen. Ordenstechnische Fragen zur Doppelklosterorganisation im Prämonstratenserorden und zu der vom Dominikanerorden angetriebenen observanten Reform spielen dabei genauso eine Rolle wie finanzielle Querelen. Diese entluden sich in einem Erbstreit zwischen Katharina und ihrem Vetter Graf Eberhard V., in den sich auch das Mutter­ kloster Adelberg und der Konvent von Lauffen einmischten. Katharina lenkte letztlich ein, was das Erbversprechen ihres verstorbenen Vaters anging, und akzeptierte eine verhältnismäßig kleine Abfindung; aber nach Lauffen, wo eine strenge Klausurierung das Leben der Frauen regelte, kehrte sie trotz päpstlichem Nachsuchen nicht zurück. Katharinas Versuch, sich ein neues Leben im nicht reformierten Prämonstratenserstift Gerlachsheim aufzubauen, scheiterte, sodass sie sich dort nicht lange aufhielt und sogar ein angefangenes, eigens finanziertes Bauprojekt abbrach. Die Bauruine zog rechtliche Konsequenzen nach sich, mit denen sie sich im Streit mit der Gerlachsheimer Meisterin konfrontiert sah. Schließlich können wir Katharina zu ihrem Lebensabend hin in Würzburg festmachen, wo sie ein Haus besessen hat. So sehr das umtriebige Leben der Katharina von Württemberg als außerordentlich selbstbestimmt faszinieren mag, bleibt zu hinter­ fragen, ob sie und ihre Zeitgenossinnen und Zeitgenossen dies ebenfalls so empfunden haben. Jedenfalls hatte Gräfin und Kanonisse Katharina von Württemberg kein einfaches Leben, und für das Stück Freiheit, das sie sich erkämpfen konnte, musste sie viele Zugeständnisse machen. 249 Katharina de Württemberg – Comtesse et chanoinesse en fuite La vie de Katharina de Württemberg, fille du comte Ulrich V, l’a mené de la cour de son père à Stuttgart au couvent de l’ordre des Prémontrés d’Adelberg (en Haute­Souabe), puis au couvent réformé de Lauffen sur le Neckar. Ensuite, Katharina s’échappe d’ici pour trouver refuge d’abord à Gerlachsheim, puis très probablement à Würzburg. Cet article suit les traces de la chanoinesse fugitive et s’interroge sur le contexte et les motifs pouvant expliquer son départ de Lauffen. Les questions relatives à l’organisation des monastères doubles au sein de l’ordre des Prémontrés ainsi qu’à la réforme observante menée par l’ordre des Dominicains jouent un rôle très important, tout comme les querelles financières. Ces dernières ont été causées par un conflit autour d’un héritage entre Katharina et son cousin, le comte Eberhard V – conflit dans lequel les couvents d’Adelberg et de Lauffen sont également intervenus. Katharina finit par faire des concessions concernant cet héritage qui lui avait été promis par son père défunt et accepte de recevoir un dédommage- ment relativement modeste. Cependant elle ne retourne pas à Lauffen, malgré les consignes de la part du pape, car la vie des femmes du couvent est régie par des règles strictes qui les cloîtrent. La tentative de Katharina de commencer une nouvelle vie au sein du couvent non réformé de Gerlachsheim, qui appartenait également à l’ordre des Prémontés de, échoue, puisqu’elle n’y reste pas longtemps. Elle abandonne même un projet de construction qu’elle avait commencé et financé de ses propres moyens. Le bâtiment inachevé entraîne des conséquences juridiques, puisqu’elle doit faire face à un contentieux avec la supérieure du couvent de Gerlachsheim. À la fin de sa vie, nous pouvons retrouver Katharina à Würzburg, où elle possédait une maison. Si la vie mouvementée de Katharina de Württemberg peut fasciner de par l’extraordinaire indépendance de cette fille de comte, il reste à savoir si elle et ses contemporains ont pu partager ce sentiment. Dans tous les cas, la comtesse et chanoinesse n’a pas eu une vie facile, et elle a dû faire de nombreux sacrifices pour le peu de liberté qu’elle a pu obtenir. 250 Caterina di Württemberg – Contessa e canonichessa in fuga La vita di Caterina di Württemberg, figlia del conte Ulrico V, la portò dalla corte di suo padre a Stoccarda al monastero premostratense di Adelberg nell’Alta Svevia, fino al convento femminile riformato di Lauffen am Neckar, dal quale Caterina però fuggì per trovare rifugio prima a Gerlachsheim e poi molto probabilmente a Würzburg. Questo saggio segue le orme della canonichessa in fuga e si interroga sui possibili motivi della sua partenza da Lauffen. Tra le motivazioni si trovano le questioni tecniche interne all’ordine premostratense relative all’organizzazione del monastero doppio per suore e monaci e alla riforma osservante portata avanti dall’ordine domenicano; oltre che le dispute finanziarie che si scatenarono in seguito a una lite per l’eredità tra Caterina e suo cugino, il conte Everardo V di Württemberg, in cui furono coinvolti anche la casa madre Adelberg e il convento di Lauffen. Alla fine, Caterina si mostrò conciliante riguardo alle promesse di eredità del defunto padre, ed accettò un indennizzo relativamente modesto; ma, nonostante le richieste del pontefice, non tornò a Lauffen, dove ormai una rigida clausura regolava la vita delle donne. Il tentativo di Caterina di rifarsi una nuova vita nel monastero premostratense non riformato di Gerlachsheim fallì. La sua permanenza lì fu breve e Caterina interruppe anche un progetto di costruzione che aveva iniziato e finanziato lei stessa. L’edificio mai finito ebbe conseguenze legali, che portarono ad una disputa con la superiora di Gerlachs­ heim. Infine, possiamo localizzare Caterina nei suoi ultimi anni di vita a Würzburg, dove possedeva una casa. Per quanto la vita movimentata di Caterina di Württemberg possa affascinarci oggi in quanto particolarmente emancipata, resta da chiedersi se anche lei ed i suoi contemporanei ne abbiano avuto la stessa percezione. Una cosa è sicura: la contessa e canonichessa Caterina di Württemberg non ebbe una vita facile, e dovette rinunciare a molto per conquistarsi un po’ di libertà.