Deutschlands Image in Europa

EU-Politikerin Katarina Barley sorgt sich um deutschen Ruf

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AUTOR/IN
Evelyn Seibert

Unzuverlässig bei Abstimmungen - aber zu Hunderttausenden auf der Straße für die Demokratie: Die Europäer sind sich gerade nicht sicher, was mit den Deutschen los ist. Katarina Barley sieht Europa aber auf einem guten Weg, sich unabhängiger von Großmächten zu machen. Und europäisches Durcheinander kennt sie aus ihrem eigenen Familienalltag.

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Wenn die Vizepräsidentin des EU-Parlaments Katarina Barley sich mit ihrem Mann unterhält, kann es sein, dass sie auf Deutsch beginnt, auf Englisch weitermacht und Holländisch endet - alles in einem Satz. "Wir reden Kuddelmuddel", sagt sie dazu. Ihr Mann ist Niederländer, sie selbst halb Engländerin, halb Deutsche. Vor kurzem hat sie ihren Vater in Großbritannien besucht und hautnah erlebt, wie es aussieht, wenn ein Land die EU verlässt: Die Bauern haben ihre europäischen Erntehelfer verloren, das Gesundheitssystem steht wegen fehlender europäischer Fachkräfte vor dem Kollaps, Meeresbuchten werden zu Kloaken, weil die strengeren EU-Umweltregeln nicht mehr gelten, "die Flüsse sind voller Fäkalien", erzählt Barley von ihrer Reise.

Verhalten der FDP in Brüssel "verheerend"

Zurück in Brüssel stößt sie auf verwunderte Kolleginnen und Kollegen im EU-Parlament. Die FDP hat dem Ruf der Deutschen in Europa enorm geschadet, meint Barley. Dass die kleinste Ampelpartei in Brüssel europäische Entscheidungen auf den letzten Drücker mehrfach blockiert hat, "das ist verheerend", sagt sie. "Bei praktisch jeder wichtigen Entscheidung hören wir jetzt: Ja kann man sich denn noch auf Euch verlassen, auf Deutschland?". Alle anderen würden sich bei Abstimmungen an die Brüsseler Spielregeln halten, dass nach langen Diskussionen ab einem bestimmten Punkt die Würfel gefallen sind und abgestimmt wird. Darauf müssten sich auch alle verlassen können. Danach plötzlich auf den letzten Drücker wie die FDP zu sagen "ach jetzt doch nicht", sorge in Brüssel für Entsetzen. Auf der anderen Seite ist Katarina Barley froh darüber, dass in Europa auch sehr stark wahrgenommen wird, wie sich die Deutschen für Demokratie einsetzen und zu Tausenden auf die Straße gehen: "Da bekomme ich ganz viele positive Rückmeldungen zu. Denn natürlich schaut Europa, schaut die Welt beim Thema Demokratie und Kampf gegen Rechtsextremismus besonders auf Deutschland", sagt Barley.

Katarina Barley und SWR Korrespondentin Evi Seibert stehen in der Halle des ARD-Hauptstadtstudios nebeneinander und lächeln in die Kamera (Foto: SWR, Foto: Nicole Gebauer)
Europapolitikerin Katarina Barley und SWR Korrespondentin Evi Seibert im ARD-Hauptstadtstudio

Atombombe?

Sollte der nächste amerikanische Präsident den NATO-Beistand für Deutschland aufkündigen, hätte das Land keinen atomaren Schutzschirm mehr. Vor kurzem hatte Barley deswegen gesagt, man müsse darüber nachdenken, wie sich Deutschland beim Thema Atomwaffen in diesem Fall aufstelle. Daraufhin gab es Einiges an Kritik. Barley selbst sieht das so, als habe sie ein Tabu gebrochen, darüber zu sprechen. Im Interview der Woche bleibt sie aber bei ihrem Vorstoß: "Natürlich müssen wir darüber nachdenken, was denn sonst". Das heiße nicht, dass Deutschland eigene Atombomben beschaffen solle. Aber man solle die Menschen nicht für blöd halten, "die Leute fragen danach und es wäre schlimm, wenn wir nicht darüber nachdächten."

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Evelyn Seibert