Rummenigge: "Die wichtigste Mannschaft ist nicht der FC Bayern"
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Rummenigge: "Die wichtigste Mannschaft ist nicht der FC Bayern"


"Die wichtigste Mannschaft ist nicht der FC Bayern"

Von Julian Buhl

Aktualisiert am 02.02.2023Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Karl-Heinz Rummenigge: Der 67 Jahre alte frühere Weltklassestürmer spielte von 1974 bis 1984 für den FC Bayern. (Quelle: Martin Hoffmann/imago images)

In Teil zwei des t-online-Interviews spricht Karl-Heinz Rummenigge über die Krisenpläne der DFB-Taskforce, Rudi Völler als Sturmpartner und die umstrittene Rolle der Fifa.

Nach über 20 Jahren in verantwortlicher Position beim FC Bayern hat sich Karl-Heinz Rummenigge vor knapp anderthalb Jahren als Vorstandsvorsitzender des Rekordmeisters zurückgezogen.

Endgültig aus dem Fußballgeschäft verabschiedet hat sich der 67-Jährige damit aber nicht. Im Gegenteil: Seit April 2021 ist Rummenigge nun Mitglied des Uefa-Exekutivkomitees. Seit Anfang des Jahres gehört er außerdem zur Taskforce des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), die nach dem Vorrunden-Aus der deutschen Nationalelf bei der WM in Katar gegründet wurde.

Im zweiten Teil des großen Exklusivinterviews mit t-online spricht er unter anderem darüber und verteidigt die umstrittene Rolle der Fifa.

t-online: Herr Rummenigge, Sie sind Mitglied der neu gegründeten DFB-Taskforce. Wer und was genau hat sie dazu bewogen, diese Rolle zu übernehmen?

Karl-Heinz Rummenigge: Der Spiritus Rector der ganzen Geschichte ist Aki Watzke (BVB-Boss, Anm. d. Red.) – zusammen mit dem neuen Präsidenten Bernd Neuendorf. Sie haben Bedarf gesehen, nachdem das dritte Turnier in Folge nicht so gelaufen ist, wie man das von der Nationalmannschaft gewohnt war. Man darf jetzt jedoch auch nicht zu kurz springen. Das Ganze trägt die Überschrift, sportliche Reformen oder Veränderungen herbeizuführen. Mit Rudi Völler als neuem Direktor der Nationalmannschaft hat es die erste Änderung schon gegeben. Aber es werden weitere folgen.

Welche genau?

Der Fokus muss wieder so weit wie möglich auf den Fußball gerichtet werden. Das bedeutet neben der Änderung der sportlichen Strukturen vor allem eine Entpolitisierung des DFB. Seit 2016 wird ein Negativtrend offensichtlich – auch aufgrund der Unruhe, die den Verband über Jahre begleitet hat.

Wie fällt Ihr erstes Zwischenfazit bei der Arbeit der Taskforce aus?

Grundsätzlich wird in diesem Gremium sehr offen, ehrlich und zielorientiert diskutiert. Alle Mitglieder haben erkannt, dass sich etwas Gravierendes ändern muss. Es gilt jetzt, mit Blick auf die Heim-EM in knapp anderthalb Jahren die Kurve zu kriegen und wieder Begeisterung zu wecken. Ich habe das ja schon einmal erlebt.

Als Sie 2000 Chef der DFB-Taskforce waren und Völler Teamchef …

Ja. Auch nach einer desaströsen EM gelang damals der Umschwung, was sich allerdings etwas einfacher gestaltet hat als heute. Auch das vermaledeite 1:4 gegen Italien 2006 habe ich miterlebt. Damals hat es der DFB mit gemeinsamem Handeln geschafft, das Schiff wieder flottzukriegen, und dann durften wir alle eine WM erleben, die den Fans sehr viel Freude bereitet hat.

Mit dem Duo Völler/Rummenigge auf dem Platz wären viele sportliche Probleme der Nationalelf schon gelöst, oder?

(lacht) Wir hätten zumindest einen guten Sturm: Er würde Mittelstürmer spielen und ich als hängende Spitze dahinter. Es sind ja aber nicht nur wir beide. Ich finde es zum Beispiel sehr wichtig, dass Matthias Sammer in dem Gremium dabei ist – ein absoluter DFB-Insider und auch kritischer Geist.

Als Verantwortlicher in München waren Sie nicht immer als der allergrößte Freund des DFB bekannt. Hat sich da etwas grundlegend verändert?

Wir hatten zwischen Bayern München und dem DFB sicher hin und wieder unterschiedliche Sichtweisen. Aber wir haben immer Wert auf den Fakt gelegt, dass die wichtigste Mannschaft des Landes nicht der FC Bayern, sondern die Nationalelf ist. Denn die hat nie polarisiert, sondern die Fans immer elektrisiert und geeint. Wir brauchen jetzt einen Verband und eine Mannschaft, die vorausgehen. Denn die Zeiten werden anspruchsvoller für den gesamten Fußball, vor allem den deutschen.

Was meinen Sie genau?

Immer mehr Milliardäre oder Staaten kaufen sich insbesondere in England Klubs und pimpen die mit ihrem Vermögen auf dem Transfermarkt auf. Es wird für die Bundesliga nicht einfacher, da mitzuhalten – auch nicht für den FC Bayern.

Sehen Sie sich in dem Gremium eigentlich auch noch als Repräsentant des FC Bayern?

Nein, ich habe ja kein offizielles Amt mehr. Deshalb habe ich Aki Watzke direkt gesagt: "Ihr müsst den Oliver Kahn dazunehmen. Es muss jemand vom FC Bayern dabei sein." Denn auch die Klubs müssen jetzt geschlossen hinter der Mannschaft stehen, die für das große Ziel EM auf Kurs gebracht werden muss.

Wie dramatisch ist denn der aktuelle Zustand der Nationalelf aus Ihrer Sicht?

Bei den Halbfinalspielen und im Endspiel der WM hat man gesehen, was uns fehlt. Es gibt ein italienisches Wort dafür: "grinta". Das bedeutet Schneid oder Mumm. Die Marokkaner haben es uns bei der WM vorgemacht, mit welcher Leidenschaft die Fußball spielen. Wir müssen genau dieses Herzblut wieder reinbringen, das uns auch in der Vergangenheit ausgezeichnet hat. Es muss auch wieder etwas Besonderes sein, für die Nationalmannschaft spielen zu dürfen. Dann kommt auch der Fußball wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft.

Haben Sie die harsche Kritik am Bundestrainer nach der WM verstanden?

Wenn du in der Gruppenphase rausfliegst, gibt es Kritik an jedem: vom Platzwart bis zum Präsidenten. Das ist normal und dann auch berechtigt. Man muss einfach die richtigen Konsequenzen ziehen. Was wir unbedingt besser machen müssen, ist die Arbeit im Nachwuchs-Campus – das gilt für alle Bundesligaklubs.

Was muss mit Blick auf die Heim-EM sonst noch konkret passieren?

Wir brauchen eine Mannschaft, die wieder gierig auf Erfolg ist. Das kann sie jetzt in den Freundschaftsspielen hoffentlich schon unter Beweis stellen. Jeder, der ins Team berufen wird, muss dafür sorgen, dass da jetzt wieder ein anderer Zug reinkommt. Wir brauchen Harmonie, Loyalität und Zusammenarbeit, einen großen Schulterschluss zwischen DFB, Liga, Fans und Medien. Nur so haben wir die Chance, eine erfolgreiche und freudvolle Europameisterschaft zu erleben.

Würden Sie im Zusammenhang mit dem, was auf den DFB zukommt, sagen: Ist Rudi Völler als Nachfolger von Oliver Bierhoff nun die Wunsch- oder doch eher eine Verlegenheitslösung?

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Rudi ist ein Lottogewinn für den DFB und die Nationalelf. Er hat Fußball-Know-how und selbst auf höchstem Niveau gespielt. Er ist der beste Partner, den sich der Trainer Hansi Flick jetzt wünschen kann. Er braucht jemanden, mit dem er sich auf Augenhöhe austauschen und von dem er Ratschläge annehmen kann. Wir müssen insgesamt wieder mehr miteinander als übereinander sprechen. Rudi ist einer, der die Dinge klar anspricht.

Das hat er in der "One Love"-Debatte schon getan und sich eine kleine Auseinandersetzung mit Innenministerin Nancy Faeser geliefert.

Mir hat bei diesem Thema die französische Haltung gefallen. Der Präsident hat vor der WM gesagt: "Ich bin für die Politik zuständig und die Mannschaft für den Fußball." So eine Aussage hätte auch Hansi Flick geholfen. Ich würde mir eine ähnliche Haltung auch in Deutschland wünschen.

Fifa-Präsident Infantino wird in Deutschland sehr kritisch gesehen, stand bei der WM im Dauerfokus. Zu Recht?

Wissen Sie, aus meiner Sicht ist es die Hauptaufgabe der Fifa, den Fußball weltweit zu entwickeln – und der wird sie gerecht. Sehen Sie sich die Halbfinals bei der WM an, da spielten zwei Europäer, erstmals ein Team aus Afrika, und Südamerika war auch vertreten. Der Fußball in Europa ist auf einem sehr hohen Niveau. In anderen Erdteilen bedarf er aber noch der Entwicklung, und hier macht die Fifa offensichtlich vieles richtig, da aus Asien, Afrika, Süd- und Nordamerika sowie Ozeanien komplette Zustimmungswerte kommen. Und ich glaube, es gibt auch keine Diskussion darüber, dass das Finale der WM sportlich eines der besten aller Zeiten war. Ein Jahrhundert-Endspiel.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Interview mit Karl-Heinz Rummenigge
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