Kunst: Botschafterin Hanna Bekker vom Rath - In geheimer Mission für das Auswärtige Amt - WELT
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Kunst Hanna Bekker vom Rath

In geheimer Mission für das Auswärtige Amt

Hanna Bekker vom Rath, porträtiert von Benno Walldorf (1968) Hanna Bekker vom Rath, porträtiert von Benno Walldorf (1968)
Hanna Bekker vom Rath, porträtiert von Benno Walldorf 1968
Quelle: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert © VG Bild-Kunst, Bonn
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Die Galeristin Hannah Bekker vom Rath organisierte geheime Ausstellungen während der Nazi-Herrschaft und verriet nie ihre Überzeugungen als eigenständige Frau. Für die Freiheit riskierte sie alles – und wurde dafür nach dem Zweiten Weltkrieg belohnt.

Erst vor ein paar Wochen gab es mit Grete Ring eine bedeutende Händlerin von moderner Kunst in der Berliner Liebermann-Villa am Wannsee zu entdecken. Jetzt würdigt das Brücke-Museum eine Malerin, Sammlerin, Mäzenin und Kunsthändlerin der gleichen Generation: die 1893 geborene Hanna Bekker vom Rath. Sie wird zu Recht als Aufständische für die Moderne geehrt.

Beide Wiederentdeckungen und Würdigungen sind in zweifacher Weise zu begrüßen. Denn es gilt sowohl die marginalisierte Bedeutung weiblicher Protagonistinnen für die Moderne, als auch für den Kunsthandel ins rechte Licht zu setzen. Sichtbar zu machen, welche Verdienste Hanna Bekker vom Rath für die Förderung und Rehabilitierung verfemter Künstler des Expressionismus gehabt hat, ist Ansatz und Anliegen des Brücke-Museums (in Kooperation mit den Kunstsammlungen Chemnitz). Gerade erst wurde es für seine „kritische Befragung der eigenen Geschichte und Sammlung“ unter einer feministischen und postkolonialen Perspektive vom deutschen Kunstkritikerverband zum Museum des Jahres gekürt.

Gastfreundschaft und Kunstsinn

Die Direktorin Lisa Marei Schmidt hat die Ausstellung mit Marian Stein-Steinfeld, der Enkelin, Biografin und Leiterin des Archivs Hannah Bekker vom Rath, wie eine Biografie in Bildern aufgebaut. Chronologisch kuratiert nach Lebensphasen und -themen, mit vielen Leihgaben (Baumeister, Beckmann, Jawlensky, Kirchner, Klee und Schmidt-Rottluff) aus dem Museum Wiesbaden, das ein Konvolut von Werken aus dem Nachlass erworben hat. Entlang von rund 100 Exponaten, Fotos und Dokumenten werden so die Künstlerfreundschaften Bekker von Raths, insbesondere zu Karl Schmidt-Rottluff, anschaulich gemacht.

Man erfährt von ihrem Lebensmittelpunkt im gastfreundlichen „Blauen Haus“ in Hofheim am Taunus, ihren geheimen Ausstellungen in Berlin während der Naziherrschaft, wie sie nach dem Krieg ihre Galerie in Frankfurt gründete und die Welt bereiste. Mit fünf eigenen Bildern wird auch ihre Karriere als Malerin gewürdigt. Eine Reihe von Bildnissen aus allen Lebensaltern lässt noch kaum ahnen, welche unabhängige Persönlichkeit in der Porträtierten steckte. Wie selbstbestimmt und unkonventionell die passionierte Kunstvermittlerin trotz ihrer dezenten Erscheinung bis ins hohe Alter agierte, zeigt ein Foto, dass die über siebzigjährige 1967 bei einer Vernissage in ihrem Frankfurter Kunstkabinett auf dem Tisch stehend zeigt.

Hanna Bekker vom Rath im Frankfurter Kunstkabinett, 1967
Hanna Bekker vom Rath im Frankfurter Kunstkabinett, 1967
Quelle: © Victor von Brauchitsch

Das Aufbegehren gegen die Konventionen ihrer großbürgerlichen Herkunft paarte sich bei der jungen Hanna vom Rath schon früh mit ihrem Interesse für die Kunst. Im Mal- und Zeichenunterricht bei Ottilie W. Roederstein fand sie nicht nur eine lebenslange Mentorin, sondern auch ein aufgeschlossenes Milieu, da die Porträtmalerin in Hofheim am Taunus mit ihrer Lebensgefährtin offen als Paar zusammenlebte. Sie vermittelte ihre Schülerin 1916 an die junge progressive Malerin und Bildteppichweberin Ida Kerkovius, die zum Stuttgarter Kreis der Avantgardisten um Adolf Hölzel zählte.

Beide Frauen freundeten sich an und mit dem Kauf erster Arbeiten von Kerkovius begann auch ihre Sammeltätigkeit. Acht Werke, darunter vier große Teppiche sind in der Ausstellung zu sehen. Nicht nur künstlerisch, sondern auch sozialpolitisch machte sie sich den Anspruch ihrer weiblichen Vorbilder auf ein selbstbestimmtes Leben zu eigen. Im Jahr 1918 hielt vom Rath eine Rede für die Emanzipation der Frau auf einer SPD-Veranstaltung in der Frankfurter Paulskirche – zu einer Zeit, als Frauen erstmals das Wahlrecht erhielten und zum Studium zugelassen wurden.

Absolute Selbstbestimmung

„Absolute Selbstbestimmung“ war auch die Voraussetzung, unter der Hanna vom Rath in die Ehe mit dem Musikschriftsteller Paul Bekker einwilligte. Mit ihm bekam sie drei Kinder und erwarb das Domizil in Hofheim, das aufgrund seines farbigen Anstrichs außen wie innen den Spitznamen das „Blaue Haus“ erhielt. Während die Ehe nur zehn Jahre dauerte, blieb die Liebe zur Kunst das große Kontinuum ihres Lebens.

Beim Aufbau ihrer Sammlung wurde dann der Frankfurter Kunsthändler Ludwig Schames ein wichtiger Berater, der ihre lebenslange Vorliebe für den deutschen Expressionismus entscheidend prägte. Zu ihren ersten Künstlerfreunden zählten Ludwig Meidner und Alexej Jawlensky, zu dessen Unterstützung sie 1928 einen Förderkreis gründete. Die Widmung auf seiner „Variation – Von Frühling, Glück und Sonne“ von 1917 bezeugt seine große Dankbarkeit.

Mit dem Ende ihrer Ehe 1930 unternahm Bekker vom Rath einen privaten Neubeginn: Für die Wintermonate mietete sie eine Wohnung in Berlin. Hier war sie im Zentrum des aktuellen Kunstgeschehens, stellte ihre Werke in der Kunsthandlung Gurlitt aus und lernte Schmidt-Rottluff kennen, der ihr bis zu seinem Lebensende eng verbunden blieb. Wie so viele gerieten aber nach 1933 auch zahlreiche Künstler unter Druck von Arbeits- und Verkaufsverbot, da sie als „entartet“ in die innere oder äußere Emigration gezwungen wurden.

So sah Karl Schmidt-Rottluff die Galeristin Hanna Bekker vom Rath, 1952
So sah Karl Schmidt-Rottluff die Galeristin Hanna Bekker vom Rath, 1952
Quelle: Museum Wiesbaden / Bernd Fickert © VG Bild-Kunst, Bonn © VG Bild-Kunst, Bonn
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Mit hohem Risiko und Verantwortungsgefühl für ihre „Schutzbefohlenen“ organisierte Bekker vom Rath von 1940 bis 1943 heimliche Verkaufsausstellungen in ihrer Schöneberger Wohnung. Um nicht aufzufliegen, wurde darüber nur von Mund zu Mund gesprochen. Umso erstaunlicher sind die vielen Eintragungen im Gästebuch der geheimen Ausstellungen – Baumeister, Heckel, Jawlensky, Kerkovius und Schmitt-Rottluff waren da.

Das „Blaue Haus“ mit Atelier und Garten, wo viele Künstlerfreunde über Wochen zu Gast waren, blieb indes der Lebensmittelpunkt. Auf den Innenaufnahmen von Marta Hoepffner lassen sich zahlreiche der Exponate im Brücke-Museum wiederentdecken: Allein im roten Zimmer finden sich Jawlenskys „Spanierin“ von 1913 neben Lehmbrucks „Büste der Knienden“ von 1912/14 und Archipenkos „Schwarzer Torso“ von 1913 auf dem Tisch, Schmitt-Rottluffs „Mittelmeerhafen“ von 1930 über dem Kamin und seine „Dorfecke“ von 1910 neben dem Fenster, bewacht von „Wuzhiqi“, einer chinesischen Skulptur aus dem frühen 12. Jahrhundert, die Bekker vom Rath als guter „Hausgeist“ auch regelmäßig nach Berlin begleitete.

Zu den Langzeitgästen in Hofheim gehörte vor allem Schmitt-Rottluff, dem die Hausherrin später sogar ein eigenes Haus mit Atelier auf ihrem Grundstück errichten ließ. Von seinen jährlichen Aufenthalten im „Blauen Haus“ geben das Aquarell „Die dicke Buche“ (1942) oder die „Veranda mit Sonnenschirm“ (1958) ein sonniges Bild. Mit ihm fand sie „die stärkste künstlerische Beziehung“, sodass ein Drittel aller Exponate von dem Initiator des Brücke-Museums stammen.

Das Rote Zimmer im Blauen Haus, 1962
Das Rote Zimmer im Blauen Haus, 1962
Quelle: © Estate Marta Hoepffner

Im Jahr 1947 eröffnete die 54-Jährige das Frankfurter Kunstkabinett Bekker vom Rath programmatisch unkonventionell: Die Werke in ihrer Käthe-Kollwitz-Ausstellung, die mehr als 2000 Besucher zählte, waren unverkäuflich. Zwei Jahre später zog sie in größere Räumlichkeiten an den Börsenplatz, an dem sich einst der von ihr geschätzte Kunstsalon Schames befunden hatte. Ab 1952 weitete Bekker vom Rath ihr Engagement auf internationale Ebene aus und unternahm ausgedehnte Ausstellungsreisen mit dem Ziel, die deutsche Kunst im Ausland wieder bekannter zu machen. Mit Unterstützung vom Auswärtigen Amt bereiste sie innerhalb von 15 Jahren 30 Länder auf fünf Kontinenten, darunter Brasilien, die USA, Südafrika und Indien.

Zu einer Zeit, als Geschäftsreisen für eine alleinstehende Frau noch keineswegs üblich waren, wurde Bekker vom Rath mit ihrem selbst bemalten Aluminiumkoffer für den Transport von Papierarbeiten zu einer fliegenden Händlerin und vielfach ausgezeichneten „Botschafterin der Kunst“. Wie ein Leuchtturm für die von den Nazis verfemten Künstler existierte die Galerie noch zehn Jahre über ihren Tod im Jahr 1983 hinaus und machte sich um aktuelle Positionen der Nachkriegszeit verdient.

„Hanna Bekker vom Rath. Eine Aufständische für die Moderne“, bis zum 16. Juni im Berliner Brücke-Museum, ab dem 7. Juli in den Kunstsammlungen Chemnitz; Katalog bei Hirmer, 40 Euro

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