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Geschichte Märtyrer der KPD

So starben Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg

In der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 1919 ermordeten Freikorps-Soldaten die Anführer des Spartakus-Aufstandes. Die Regierung wollte beide vor Gericht stellen. Stattdessen wurden sie zu Helden.
Die Kombo mit undatierten Archivbildern zeigt die Politiker Karl Liebknecht (l) und Rosa Luxemburg. Der Jurist und Politiker Karl Liebknecht stimmte am 02.12.1914 im Reichstag als einziger Abgeordneter (SPD) gegen die Kriegskredite. Er trat im Januar 1916 aus der Fraktion aus und gründete gemeinsam mit der sozialistischen Politikerin Rosa Luxemburg den Spartakusbund. Liebknecht proklamierte am 09.11.1918 in Berlin die "Freie sozialistische Republik" und beteiligte sich an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Am 15. 01.1919 wurden er und Rosa Luxemburg in Berlin von Freikorpsoffizieren ermordet. dpa (zu dpa-Porträts vom 10.01.1999) (nur s/w) | Die Kombo mit undatierten Archivbildern zeigt die Politiker Karl Liebknecht (l) und Rosa Luxemburg. Der Jurist und Politiker Karl Liebknecht stimmte am 02.12.1914 im Reichstag als einziger Abgeordneter (SPD) gegen die Kriegskredite. Er trat im Januar 1916 aus der Fraktion aus und gründete gemeinsam mit der sozialistischen Politikerin Rosa Luxemburg den Spartakusbund. Liebknecht proklamierte am 09.11.1918 in Berlin die "Freie sozialistische Republik" und beteiligte sich an der Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Am 15. 01.1919 wurden er und Rosa Luxemburg in Berlin von Freikorpsoffizieren ermordet. dpa (zu dpa-Porträts vom 10.01.1999) (nur s/w) |
Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg starben in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 1919 gewaltsam
Quelle: picture-alliance / dpa

Das Chaos währte eine Woche und endete blutig: Am Abend des 5. Januar 1919 hatten bewaffnete Spartakisten das Berliner Zeitungsviertel besetzt, sieben Tage später nahmen regierungsloyale Truppen das bis zuletzt heftig umkämpfte Polizeipräsidium ein. Doch der Preis war hoch: Rund 160 Menschen verloren ihr Leben, etwa 1000 Aufständische wurden inhaftiert – darunter einer der Anführer des Aufstandes, der Radikalsozialist Georg Ledebour.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die beiden Köpfe der KPD, hingegen entzogen sich der Festnahme zunächst. Doch beide blieben bei ihrer aufrührerischen Propaganda. Luxemburg hatte am 7. Januar klar Position für die Gewalt bezogen: „Die Gegenrevolution entwaffnen, die Massen bewaffnen, alle Machtpositionen besetzen.“

Spartakus-Aufstand bricht in Berlin los

Am 5. Januar 1919 bricht in Berlin der sogenannte Spartakus-Aufstand aus, mit dem Kommunisten und linker Flügel der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) die Regierung stürzen wollen. Der Aufstand wird am 12. Januar 1919 niedergeschlagen.

Quelle: History-Vision

Dabei blieb sie auch nach dem unübersehbaren Scheitern des Aufstandes – am 14. Januar 1919 erschien im KPD-Parteiblatt „Rote Fahne“ ein Leitartikel von ihr, in dem es hieß: „Vor die Tatsache der frechen Provokation seitens der Ebert-Scheidemann gestellt, war die revolutionäre Arbeiterschaft gezwungen, zu den Waffen zu greifen.“ Verantwortlich seien also nicht die Angreifer gewesen, sondern die Verteidiger der demokratischen Umgestaltung Deutschlands.

In der Reichshauptstadt liefen wilde Gerüchte um, darunter die Behauptung, auf die Köpfe von Luxemburg und Liebknecht seien 100.000 Mark ausgesetzt – tot oder lebendig. Auch kursierten Flugblätter, auf denen es hieß: „Das Vaterland ist dem Untergang nahe. Rettet es! Es wird nicht von außen bedroht, sondern von innen: von der Spartakusgruppe. Schlagt ihre Führer tot!“ Verantwortlich für diesen Mordaufruf war eine „Antibolschewistische Liga“, die nicht nur gegen Linksradikale hetzte, sondern ebenso gegen die demokratische Revolution und die SPD.

1919 Germany Berlin Sparticist uprsiring-The Spartacus League (German: Spartakusbund) was a Marxist revolutionary movement organized in Germany during World War I. The League was named after Spartacus, leader of the largest slave rebellion of the Roman Republic. It was founded by Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, and others. (Photo by: SeM Studio/Fototeca/UIG via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Durchsuchung eines Passanten während der Januar-Kämpfe 1919 in Berlin
Quelle: UIG via Getty Images

In Wirklichkeit gab es keine Belohnung, doch tatsächlich hatte der für die Sicherheit zuständige Volksbeauftragte Gustav Noske (SPD) rund 50 loyale Offiziere in die Postämter Berlins und der Vorstädte geschickt, um nach den gesuchten Spartakusanführern zu suchen. Er wusste, dass die Untergetauchten Kontakt zu ihren Anhängern hielten, zum Beispiel mit der Redaktion der „Roten Fahne“. Als möglicher Kurier galt der KPD-Funktionär Wilhelm Pieck, ebenfalls untergetaucht.

Die Verbindung funktionierte jedenfalls: Das KPD-Blatt veröffentlichte in seiner Ausgabe vom 15. Januar 1919 einen namentlich gezeichneten Leitartikel von Karl Liebknecht mit der Überschrift „Trotz alledem!“. Darin steigerte er seine Botschaft des Hasses noch, die seit Wochen die Propaganda der KPD bestimmte. Eine „ungeheure gegenrevolutionäre Schlammflut aus den zurückgebliebenen Volksteilen und den besitzenden Klassen“ habe die Aufständischen „ersäuft“.

The Spartacus League was a Marxist revolutionary movement organized in Germany during World War I. The League was named after Spartacus, leader of the largest slave rebellion of the Roman Republic. It was founded by Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin, and others. The League subsequently renamed itself the Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), joining the Comintern in 1919. Its period of greatest activity was during the German Revolution of 1918, when it sought to incite a revolution by circulating the newspaper Spartacus Letters. (Photo by: SeM/UIG via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Bewaffnete Zivilisten in Berlins Innenstadt im Januar 1919
Quelle: UIG via Getty Images

Von Einsicht in den grundsätzlichen Irrtum des Aufstandes gab es keine Spur – stattdessen hob Liebknecht seine ganz persönliche Fehlentscheidung, seine Anhänger zur Gewalt gegen die Absetzung des Übergangspolizeipräsidenten Emil Eichhorn aufzurufen, in den Rang einer höheren Wahrheit: „Jawohl, sie wurden geschlagen. Und es war historisches Gebot, dass sie geschlagen wurden. Denn die Zeit war noch nicht reif.“

Der Rat der Volksbeauftragten wollte die Anführer des Aufstandes vor Gericht stellen. Vor allem Liebknecht und Luxemburg, aber auch den bereits inhaftierten Georg Ledebour. Oder Paul Levi, einen weiteren führenden Spartakisten und KPD-Funktionär, der am 13. Januar 1919 festgenommen wurde.

Luxemburg und Liebknecht hingegen blieben unauffindbar – noch. Denn sie hielten sich versteckt, zunächst im Berliner Arbeiterbezirk Neukölln, wo sie aber angesichts ihres bürgerlichen Äußeren aufzufallen drohten, und anschließend im wohlhabenden Wilmersdorf. Ihr Quartier dort war die Wohnung des Kaufmanns Siegfried Marcusson, eines Sozialisten, dessen Sohn zu den Aufständischen im Zeitungsviertel gehört hatte.

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Doch am Abend des 15. Januar verschafften sich fünf Männer einer inoffiziellen „Bürgerwehr Wilmersdorf“ Zutritt zu dieser Wohnung. Sie hatten einen mysteriösen Hinweis bekommen. Liebknecht versuchte noch, sich als Siegfried Marcusson auszugeben, doch er trug einen Ausweis auf seinen eigenen Namen bei sich. Rosa Luxemburg dagegen bekannte sich geradezu trotzig zu ihrer Identität. Wenig später klingelte Wilhelm Pieck an der Wohnungstür, um den beiden KPD-Anführern falsche Papiere zu bringen.

Barbara Sukowa in der Rolle der Rosa Luxemburg in dem gleichnamigen Film von M.v. Trotta aus dem Jahr 1986. Rechts Otto Sander als Karl Liebknecht. Der Film schildert das Leben der polnischen, in Deutschland aktiven Friedenskämpferin und Kommunistin Rosa Luxemburg von 1898 bis zu ihrer Ermordung im Jahr 1919. | Verwendung weltweit
Barbara Sukowa als Rosa Luxemburg im gleichnamigen Film von Margarethe von Trotta (1986), rechts Otto Sander als Karl Liebknecht. Ein echtes Foto der beiden Festgenommenen vor ihre...r Ermordung gibt es nicht
Quelle: picture-alliance / dpa

Alle drei wurden ins „Eden“-Hotel gegenüber dem Zoologischen Garten gebracht, das Hauptquartier der Garde-Kavallerie-Schützen-Division, einer Mischung aus regulärer Truppe und Freikorps. Hier wurden sie auf Anweisung von Hauptmann Waldemar Pabst, dem Stabschef und eigentlichen Kopf der Division, vernommen.

Dann kam Pieck frei. Entweder gelang ihm, sich selbst als unbedeutend darzustellen. Oder er verriet im Austausch für seine Freiheit die Verstecke anderer Spartakusanführer. Liebknecht und Luxemburg sollten spätabends beide ins Zellengefängnis Moabit gebracht werden, um hier auf ihren Prozess zu warten. Auf dem Weg zu den bereitstehenden Autos schlug ein Husar beide Gefangenen mit dem Kolben seines Gewehrs nieder und verletzte sie.

Luxemburgs Leiche im Landwehrkanal

Wenige Minuten später töteten die mit dem Transport beauftragten Soldaten beide kurz vor Mitternacht. Liebknechts Körper wurde als angeblich „unbekannter Toter“ in der Rettungsstation am Hotel Eden abgeliefert, Luxemburgs Leiche in den Landwehrkanal geworfen. Den Befehl zum Doppelmord gab Hauptmann Pabst, auch wenn er später, nach 1945, verschiedentlich behauptete, eine entsprechende Anweisung von Noske oder gar von Friedrich Ebert erhalten zu haben.

Die rasch aufgebrachte Schutzbehauptung, Liebknecht sei auf der Flucht erschossen und Luxemburg von Passanten vor dem Hotel „Eden“ gelyncht worden, erwies sich als frei erfunden. Allerdings war diese vorsätzliche Lüge zuvor noch amtlich verbreitet worden. Ein schwerer Fehler, der seither Verschwörungstheorien anheizt.

Press article about the assassination of Karl Liebknecht and Rosa Luxemburg, German revolutionary socialists (1919). (Photo by: Photo 12/UIG via Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Unmittelbar nach dem Doppelmord wurde die Lüge verbreitet, Liebknecht sei auf der Flucht erschossen worden. Das ist bis heute Anknüpfungspunkt für absurde Verschwörungstheorien
Quelle: UIG via Getty Images

Am folgenden Morgen erfuhr die Regierung, dass die beiden Festgenommenen nicht im Gefängnis angekommen waren. Vormittags kam Noske in die Reichskanzlei und fand den Volksbeauftragten Otto Landsberg „ganz verstört“ vor. Er war der Ansicht, der gewaltsame Tod von Liebknecht und Luxemburg sei „überhaupt nicht zu überstehen“. Der robustere Noske beurteilte die Lage „sehr viel kühler“. Allerdings erwartete auch er, dass der Doppelmord zu einem „Höchstmaß an Agitation und Aufreizung durch die eben geduckten Unabhängigen und Spartakusleute“ führen werde.

Das war untertrieben: Durch ihren gewaltsamen Tod werden die beiden Spartakusanführer noch am selben Tag zu Märtyrern, deren Verantwortung für den blutigen Aufstand in den Hintergrund trat.

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Weder Noske noch Ebert hatten ein Interesse daran, Liebknecht und Luxemburg umbringen zu lassen; der Doppelmord war aus ihrer Sicht ausschließlich kontraproduktiv. Nichtsdestotrotz hält sich bis heute die falsche Darstellung, von Kommunisten immer wieder verbreitet, einer der beiden SPD-Politiker hätte den Befehl erteilt.

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Ein dritter führender Sozialdemokrat, Philipp Scheidemann, erfuhr vom Doppelmord in Kassel. In einer SPD-Versammlung reagierte er spontan: „Ich bedauere den Tod der beiden aufrichtig.“ Zugleich sagte er aber zutreffend: „Sie haben Tag für Tag das Volk zu den Waffen gerufen und zum gewaltsamen Sturz der Regierung aufgefordert. Sie sind nun selbst Opfer ihrer eigenen Terrortaktik geworden.“

Ganz ähnlich urteilte ein aufmerksamer Beobachter, der Liberale Harry Graf Kessler: „Nicht der Tod selbst, aber die Art des Todes wirkt konsternierend. Liebknecht und Luxemburg haben durch den Bürgerkrieg, den sie angezettelt haben, so viele Leben auf dem Gewissen, dass an sich ihr gewaltsames Ende logisch erscheint.“

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Binnen weniger Stunden gingen die Hohenzollern unter

The Declaration of a Republic in Berlin, 9 November 1918. A member of the new government gives a speech from a platform of the Kronprinzen- Palais (Ein Anhänger der neuen Regierung hält von der Rampe des Kronprinzen-Palais eine Ansprache). (Photo by Culture Club/Getty Images) Getty ImagesGetty Images
Berlin-Mitte am 9. November 1918
Quelle: Getty Images

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