Durch bessere Vorsorge will die Bundesregierung die Zahl der Suizide in Deutschland senken. Dazu plant die Regierung eine Suizidpräventionsstrategie, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. „Wir müssen das gesellschaftliche Tabu von Tod und Suizid überwinden, psychische Erkrankungen von ihrem Stigma befreien und Hilfsangebote besser bündeln“, hob Lauterbach hervor.
Der SPD-Politiker kündigte unter anderem eine Aufklärungskampagne und eine zentrale Krisendienst-Notrufnummer an, die gemeinsam mit den Ländern eingerichtet werden soll. Darüber hinaus sieht die Strategie vor, dass Fachkräfte im Gesundheitswesen für das Thema mit speziellen Schulungen sensibilisiert werden. Dies soll sie in die Lage versetzen, Betroffene in weitergehende Hilfs- oder Therapieangebote zu vermitteln. Alle Beratungs- und Kooperationsangebote sollen von einer bundesweiten Stelle koordiniert werden.
Die Präventionsangebote sollen sich vor allem auf die betroffenen Hochrisikogruppen ausrichten, sagte Lauterbach. Dazu gehören etwa ältere Männer, die schon vorher psychische Probleme hatten. Diese Gruppe erreiche man beispielsweise in Krankenhäusern oder Seniorenheimen. Auch Menschen, die bereits einmal einen Suizidversuch unternommen haben, seien gefährdet. Für diese Menschen brauche es „eine systematische Betreuung“, kündigte Lauterbach an.
Neben Präventions- und Informationsangeboten kündigte der Gesundheitsminister auch praktische Maßnahmen, wie eine mögliche Reduktion der Packungsgrößen von Schmerzmitteln oder Schutzvorrichtungen wie hohe Zäune an leicht zugänglichen Brücken, Hochhäusern oder Bahnübergängen an. Hierzu sollen mithilfe eines pseudonymisierten Suizidregisters Orte festgestellt werden, an denen Menschen besonders häufig Suizid begehen oder es versuchen.
„Seit gut 20 Jahren nimmt die Zahl der Suizide in Deutschland nicht ab“, mahnte Lauterbach. „Rund 10.000 Menschen nehmen sich pro Jahr in Deutschland das Leben“, sagte er mit Verweis auf Zahlen der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS). Die neue Suizidpräventionsstrategie solle „zielgenauere Hilfen und Vorbeugung sorgen“. Lauterbach kündigte an, die Regierung werde ein Gesetz zur Umsetzung der Strategie vorlegen.
Mehr Tote als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten, Drogen und Aids
„Bei Verkehrsunfällen ist Prävention selbstverständlich“, sagte die DGS-Vorstandsvorsitzende Ute Lewitzka auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Lauterbach. Bei Suizidalität sei das jedoch bisher nicht der Fall. Der DGS zufolge sterben in Deutschland jedes Jahr mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Gewalttaten, illegale Drogen und Aids zusammen. Die neue Strategie begrüßte Lewitzka als „einen kleinen Meilenstein“.
Experten gehen davon aus, dass die meisten dieser Todesfälle durch eine geeignete Ansprache vermeidbar wären. Häufig gehe es nicht um ein „Ich will nicht mehr leben“, sondern eher um: „Ich will so nicht mehr leben.“ Da könnten Hilfsangebote ansetzen. Auch die Präsidentin der Deutschen Caritas, Maria Welskop-Deffaa, forderte daher, „Schutzmaßnahmen schnell auf eine sichere rechtliche Grundlage“ zu stellen. Sie nannte dabei auch mehr Zäune an Bahngleisen, Brücken und Türmen.
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de. Eine Liste mit bundesweiten Hilfsstellen findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.