Stephen Crane: Ein amerikanischer Klassiker zum Wiederentdecken
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Stephen Crane: Ein amerikanischer Klassiker zum Wiederentdecken

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Amerikanischer Klassiker: Der Schriftsteller Stephen Crane. Foto: © Literaturmuseum Badenweiler
Amerikanischer Klassiker: Der Schriftsteller Stephen Crane. Foto: © Literaturmuseum Badenweiler © -

Ernest Hemingway bewunderte Stephen Crane und hat von ihm gelernt. H.G. Wells nannte den Kollegen den „besten Schreiber unserer Generation“. Joseph Conrad, mit dem Crane befreundet war, beneidete ihn um sein Talent. In den USA zählt der Schriftsteller zu den Klassikern. Es gab deutsche Ausgaben seiner Bücher. Aber ein Begriff ist er hierzulande nicht. Das will der Bielefelder Pendragon Verlag jetzt ändern. Er bringt nicht nur eine Neuübersetzung des Romans „Die rote Tapferkeitsmedaille“ heraus. Parallel erscheint der biografische Roman „Mr. Crane“ von Andreas Kollender.

Stephen Crane (1871-1900) wurde nicht einmal 29 Jahre alt, aber sein Leben birgt allemal genug Stoff für einen Roman. Der Sohn eines Predigers und Collegeabbrecher begann als Reporter in den Slums von New York. Er schrieb seinen ersten Roman über ein Straßenmädchen. Seine Lebensführung entspricht nicht der Norm: Er hat ein Verhältnis zu einer älteren, verheirateten Frau und bändelt nebenbei mit Huren an. 1895 schreibt er sein Meisterwerk, einen Roman über den Bürgerkrieg: „The Red Badge of Courage“, das nun als „Die rote Tapferkeitsmedaille“ neu vorliegt.

Als er den Roman schrieb, war Crane nicht an der Front gewesen. Seine Geschichte um den jungen Soldaten Henry Fleming bricht mit der Art, wie über Krieg geschrieben wurde. Die Schlachten erscheinen als sinnleeres Gemetzel. Der Roman ist aus der Sicht der einfachen Truppen geschrieben, Crane lässt sie Slang und Dialekt sprechen. Der einfache Soldat hat keinen Überblick über Strategie, über Frontverläufe, über den Sinn eines bestimmten Angriffs. Henry, der meistens nur der „Junge“ genannt wird, begreift nicht, was in diesem Krieg vor sich geht. Beim ersten Gefecht lässt er sich von der Panik seiner Kameraden anstecken und flieht, desertiert. Dann irrt er hinter der Front herum, begegnet einem Zug mit Verletzten und schämt sich seiner Feigheit. Schließlich kommt er zurück zu seiner Einheit, unterwegs wird er angeschossen. Die blutige Wunde des Streifschusses ist seine „rote Tapferkeitsmedaille“. Der traumatisierte Junge geht zurück in den Krieg, wird zum wilden Kämpfer, teilweise in einer Art Trance oder Rausch. Mit einem Freund streitet er sich darum, die Fahne tragen zu dürfen, deren Träger tödlich getroffen wurde. „Es war ein makabres Gezerre, da der Tote mit allen nur erdenklichen Mitteln darum kämpfte, das ihm anvertraute Gut nicht leichtfertig aus der Hand zu geben.“ Am Ende hat er zwar das Gefühl, endlich ein Mann zu sein. Aber ob seine Seite die Schlacht gewonnen hat oder ob in Wirklichkeit „sie uns ganz schön verprügelt ham“, wie ein Kamerad des Jungen es formuliert, das bleibt offen. Cranes Sicht auf den Krieg ist antiheroisch. „Blutige Füße und gottverdammt dürftige Rationen, das ist alles, was wir haben“, lässt er einen Soldaten „maulen“.

Crane gelang durchaus ein Bestseller. Reich wurde er nicht. Er siedelte nach England um, wo er Joseph Conrad und Henry James kennen lernte. Er war zum Kriegsberichterstatter avanciert, nicht zuletzt durch sein Buch, und so reiste er zu Kriegsschauplätzen. Auf dem Weg nach Kuba in den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien erlitt er Schiffbruch und trieb mehrere Tage lang in einem offenen Boot. Er schrieb darüber die Erzählung „The Open Boat“, die Kritiker als Inspiration für Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ ansehen. Seine ohnehin angegriffene Gesundheit nahm zusätzlich Schaden. Mit Tuberkulose kam er 1900 in den Kurort Badenweiler, wo er starb.

Andreas Kollender, ein Spezialist für Romane über historische Figuren, konzentriert sich in seinem Buch „Mr. Crane“ auf die letzten sieben Tage in Badenweiler. Er erzählt aus der Sicht der Krankenschwester Elisabeth Camphausen. Auch sie ist eine beschädigte Figur: Bei einem Brand wurde ihr Gesicht entstellt. Aber sie ist gebildet und emanzipiert sich aus einer als Einengung empfundenen Ehe. Kollender lässt sie und Crane eine wilde Affäre erleben, gleichsam eine Liebe zum Tode. Eingeblendet und parallel geführt ist eine zweite Patientengeschichte, die Elisabeth 1914 zeigt, wie sie einem traumatisierten Soldaten begegnet, den sie im Lazarett eigentlich wieder fronttauglich pflegen soll. Hier schlägt Kollender geschickt einen Bogen zu Cranes Kriegsroman.

„Mr. Crane“ ist eine überaus reizvolle Ergänzung zu dem Klassiker. Kollender schildert packend die Konfrontation zwischen dem rebellischen Außenseiter und den Konventionen des Kaiserreichs. Überzeugend nutzt er die Leerstellen in Cranes Leben für eine literarische Improvisation über ein kurzes, heftiges Leben.

Stephen Crane: Die rote Tapferkeitsmedaille. Deutsch von Bernd Gockel, mit einem Nachwort von Thomas Schneider und einem Portrait von Rüdiger Barth. 320 S., 24 Euro

Andreas Kollender: Mr. Crane. 256 S., 24 Euro

beide Pendragon Verlag, Bielefeld

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