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1 Einleitung

„The first thing you notice when you enter the conference room of the economics department at Harvard are the rows of photographs of previous members of the department. Your eyes wander from one stern-looking gentleman to the next, recognizing a few and trying to determine the identity of the others. You suddenly realize that one photograph is in some ways different from the others – that of Schumpeter. After looking at it for a while, you figure out the reason: While all the other photographs are in black and white, that of Schumpeter is in color.“ (Swedberg 1991, S. 3)

Richard Swedberg (1991) beginnt mit diesen Sätzen sein viel beachtetes Werk über den österreichischen Nationalökonomen und Politiker Joseph A. Schumpeter. Schumpeter sticht in der Gemäldegalerie der Harvard Business School durch die farbige Fotografie hervor. Swedberg interpretiert dies als Beleg für die Besonderheit Schumpeters, sowohl was sein Leben als auch sein wissenschaftliches Werk betrifft. Der im heutigen Tschechien in eine Tuchhändlerfamilie hineingeborene Schumpeter war nicht nur ein herausragender ökonomischer Theoretiker, sondern auch ein einflussreicher Politiker im ersten Weltkrieg, im Anschluss – 1919 – für einige Monate sogar österreichischer Finanzminister, und er war Präsident einer österreichischen Privatbank. Zwar scheiterte er sowohl als Politiker als auch als Banker, nicht jedoch als Begründer der ökonomischen Innovationstheorie und einer evolutionistischen Wirtschaftstheorie. 1932 nahm er eine Professur für Wirtschaftswissenschaften an der Harvard-Universität an, die er bis zu seinem Tod innehatte. Joseph A. Schumpeter ist einer der innovativen Ökonomen des letzten Jahrhunderts, der vor allem durch sein 1911 erschienenes Werk „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ (Schumpeter 1964 [1911]), seinen Aufsatz „Der Unternehmer“ (Schumpeter 1928) und sein Werk „Konjunkturzyklen“ (1961 [1939]) Bedeutung für die Wirtschaftswissenschaften und später für die Wirtschafts- und Techniksoziologie erlang. Zudem gilt sein 1942 erschienenes Buch „Capitalism, socialism and democracy“ (Schumpeter 1980 [1942]) vielen als provokative Vorhersage der Zukunft des Kapitalismus – im Sinne des Scheiterns an seinem eigenen Erfolg. Diese Zukunft wird unter anderem ausgelöst durch die Veralltäglichung von Innovation in Großunternehmen und der zunehmenden Leitung durch Manager, die stärker ihre eigenen Interessen verfolgen, als die des Unternehmens als Ganzem (vgl. Berle und Means 1932; Burnham 1941; Beyer 1998).

Schumpeter verknüpft in seinem Innovationsansatz das persönliche Element im Wirtschaftsleben mit Prozessen der wirtschaftlichen Entwicklung. Damit gilt er als Vertreter eines methodologischen Individualismus (vgl. Schumpeter 1970 [1908]; Bohnen 1975), der den Akteur in das Zentrum der Analyse rückt und wirtschaftliche und gesellschaftliche Tatbestände als Folge individuellen Handelns beziehungsweise als Folge der situativen Beziehungen unterschiedlicher Akteure, zum Beispiel auf dem Markt, betrachtet. Schumpeter gilt auch als Ideengeber der evolutorischen Ökonomik, die davon ausgeht, dass die Entwicklung der Wirtschaft dieser inhärent ist (siehe auch den Beitrag von Pyka über „Evolutorische Innovationsökonomik“, in diesem Band).

In diesem Beitrag wird der Versuch unternommen, die Theorie der Innovation von Schumpeter nachzuzeichnen und in seine Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung einzubetten (siehe auch Blättel-Mink und Menez 2015). Im Anschluss wird der Wandel des Konzepts des Unternehmertums vor und nach Schumpeter verhandelt um sodann zentrale Weiterentwicklungen seines Ansatzes in der Ökonomik wie in der Techniksoziologie nachzuzeichnen. Hier sei bereits darauf hingewiesen, dass zentrale Aspekte der Schumpeter’schen Theorie und seiner Folgen in unterschiedlichen Beiträgen dieses Handbuchs aufgegriffen und fortentwickelt werden.

2 Wirtschaftliche Entwicklung

In seiner „Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung“ (Schumpeter 1964 [1911]) stellt Schumpeter wirtschaftlichen Wandel als einen Prozess dar, der sich aus der Logik des Wirtschaftens heraus begründen lässt (vgl. auch Schaeder 1956). Diese Absicht teilt Schumpeter mit Karl Marx, wenn er schreibt: „In der Tat, was ihn von den Ökonomen seiner eigenen Zeit und denen, die ihm vorausgingen, unterscheidet, war gerade eine Vision der ökonomischen Evolution als eines besonderen durch das ökonomische System selbst erzeugten Prozesses.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. XXIII) Schumpeter selbst geht von einer Volkswirtschaft aus, die einen Gleichgewichtszustand anstrebt, diesen jedoch nie erreicht. „Die Lage des ideellen, nie erreichten, stets angestrebten (nicht bewusst natürlich) volkswirtschaftlichen Gleichgewichtszustandes ändert sich ja, weil sich die Daten ändern.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 94) Zu diesen Daten zählt er außersoziale (d. h. Naturverhältnisse), außerwirtschaftlich soziale (z. B. Kriegsfolgen, Handels-, Sozial- und Wirtschaftspolitik) und soziale (z. B. Geschmacksrichtungen der Konsumentinnen). Weiterhin, und das sind die für ihn im Hinblick auf die Initiierung von wirtschaftlicher Entwicklung relevanten, verweist er auf wirtschaftliche Daten, die sich inhärent verändern. Darunter subsumiert er: neue Konsumgüter, neue Produktions- oder Transportmethoden, neue Märkte und neue Formen der industriellen Organisation. Der wirtschaftliche Kreislauf wird dann spontan und diskontinuierlich unterbrochen. Dieser dynamische Prozess gestaltet sich, anders als der Prozess der statischen Wirtschaft, als „die Veränderung der Bahn, in welcher sich der Kreislauf erfüllt, im Gegensatz zur Kreislaufbewegung, die Verschiebung des Gleichgewichtszustandes, im Gegensatz zum Vorgang der Bewegung nach einem Gleichgewichtszustand“. (Schumpeter 1964 [1911], S. 98)

Schumpeter bezeichnet seine Theorie als eine:

„Theorie des Übergangs der Volkswirtschaft von dem jeweils gegebenen Gravitationszentrum zu einem anderen (‚Dynamik‘) im Gegensatz zur Theorie des Kreislaufs selbst, zur Theorie der steten Anpassung der Wirtschaft an wechselnde Gleichgewichtszentren und ipso facto auch der Wirkungen dieses Wechsels (‚Statik‘)“. (Schumpeter 1964 [1911], S. 99)

Dabei bezieht er sich auf den Neoklassiker John Bates Clark, von dem er sagt:

„(Clark) … , dessen Verdienst es ist, ‚Statik‘ und ‚Dynamik‘ bewusst und grundsätzlich geschieden zu haben, erblickt in den ‚dynamischen‘ Momenten eine Störung des statischen Gleichgewichts. Wir auch: und auch von unserem Standpunkt ist es eine wesentliche Aufgabe, die Wirkungen dieser Störung … zu untersuchen“. (Schumpeter 1964 [1911], S. 92)

Wirtschaftliche Produktion ist, Schumpeter zufolge, das Kombinieren der im jeweiligen Wirtschaftsbereich vorhandenen Dinge und Kräfte. Wirtschaftliche Entwicklung vollzieht sich in Form einer Neukombination von Produktionsmitteln und deren Durchsetzung, oder als die Andersverwendung des Produktionsmittelvorrats der Volkswirtschaft (siehe hierzu auch Swedberg 2000; Becker et al. 2006). Diese Neukombinationen, die diskontinuierlich und in Scharen (siehe hierzu auch Mensch 1975) auftreten, werden idealtypisch von reinen Unternehmern durchgesetzt (vgl. Schumpeter 1964 [1911], S. 334).Footnote 1 In einer verkehrswirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft,Footnote 2 die gekennzeichnet ist durch Arbeitsteilung, Privateigentum an Produktionsmitteln und freier Konkurrenz, setzen sich neue Kombinationen durch das Niederkonkurrieren der alten durch. Dieser Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ (Schumpeter) ist unabdingbar für die Einleitung wirtschaftlicher Entwicklung, die sich bei Schumpeter als wirtschaftlicher und in der Folge auch als gesellschaftlicher Fortschritt – im Sinne der Nachfrage nach Arbeit, Kaufkraftsteigerung der Massen, zunehmender Konsum – darstellt.

Die „neuen Kombinationen von Produktionsmitteln“ können sein:

  • Herstellung eines neuen, das heißt bisher unbekannten Gutes oder einer neuen Qualität eines Gutes,

  • Einführung einer neuen, das heißt bislang unbekannten Produktionsmethode,

  • Erschließung eines neuen Absatzmarktes für den betreffenden Industriezweig (dieser Absatzmarkt kann schon vorher existiert haben, ohne dem betreffenden Industriezweig jedoch bekannt gewesen zu sein),

  • Eroberung einer neuen Bezugsquelle von Rohstoffen oder von Halbfabrikaten,

  • Durchführung einer Neuorganisation wie Schaffung einer Monopolstellung, wie beispielsweise Vertrustung. (vgl. Schumpeter 1964 [1911], S. 101).Footnote 3

Entwicklung vollzieht sich sodann in Konjunkturzyklen. „Konjunkturzyklen analysieren heißt nicht mehr und nicht weniger, als den Wirtschaftsprozess des kapitalistischen Zeitalters analysieren.“ (Schumpeter 1961 [1939], S. 5) Dem konjunkturellen Aufschwung der Wirtschaft folgt zwangsläufig ein Abschwung, nachdem der Prozess der schöpferischen Zerstörung seinen Höhepunkt überschritten hat.

2.1 Die kapitalistische Unternehmung als Teil der Gesellschaft

„Wirtschaftet das soziale Ganze, indem es Untergruppen oder einzelne wirtschaften lässt, da zerfällt der soziale Produktionsprozess in äußerlich selbstständige, scheinbar autonome, grundsätzlich auf sich selbst gestellte, unmittelbar nur am eigenen Lebensinteresse orientierte Einheiten – Unternehmungen.“ (Schumpeter 1928, S. 476)

Das Lebensinteresse einer Unternehmung steht unter dem Druck gegebener Verhältnisse und der jeweils eng begrenzten Handlungsmöglichkeiten. Eine reine Unternehmung orientiert sich ausschließlich an der Marktchance und an der Kapitalrechnung, nicht am Überleben. Dafür benötigt sie auch die gesellschaftlich gegebene Möglichkeit, sich über Barkredite zu finanzieren. Eine kapitalistische Unternehmung überlebt – unter den gegebenen Umständen – dann, wenn sie sich am Markt orientiert und in Bezug auf Angebot und Nachfrage rentabel wirtschaften kann, das heißt, wenn sie konkurrenzfähig ist.

Die Existenz kapitalistischer Unternehmungen hängt nach Schumpeter von folgenden gesellschaftlichen Randbedingungen ab: einer ausreichenden Bevölkerungsdichte, einer gewissen Stabilität der sozialen Bedingungen, der Arbeitsteilung und volkswirtschaftlichen Reichtum. Weitere Voraussetzungen für das Funktionieren kapitalistischer Unternehmungen sind: das Vorhandensein der Institution Privateigentum als „private, vertragsmäßige Verfügungsmöglichkeit über die Produktionsmittel und Produktionsergebnisse“ (Schumpeter 1928, S. 477) und eine Mentalität in der Gesellschaft, die dem Wirtschaften – nicht notwendig dem Neuen – zugewandt ist.

Schumpeter bezieht diese Mentalität auf die Gesamtgesellschaft, wie er überhaupt – ganz im Sinne Max Webers (1980 [1922]) – die wirtschaftlichen Prozesse eingebettet in die Vorgänge der Gesamtgesellschaft sieht. „Denn der einzelne unterscheidbare Wirtschaftszustand eines Volkes ergibt sich nicht einfach aus dem vorhergehenden Wirtschafts-, sondern nur aus dem vorhergehenden Gesamtzustand.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 90)

Und, wie Weber, konzediert er der Welt des Wirtschaftens eine relative Autonomie, „weil sie einen so großen Teil des Volkes ausfüllt und einen großen Teil vom Rest formt oder bedingt“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 90).

Im Idealfall stellt die Gesellschaft einer verkehrswirtschaftlich organisierten Wirtschaft folgende Hilfsmittel oder Institutionen zur Verfügung:

  • eine experimentell erarbeitete Produktionstechnik,

  • eine auf privatwirtschaftliche Zweckmäßigkeit abgestellte wirtschaftliche Kalkulation,

  • eine entsprechende Gestaltung des Verkehrsrechts und

  • eine entsprechende Gestaltung der Wirtschaftspolitik.

Wirtschaftliche Entwicklung hat immer auch Auswirkungen auf das gesellschaftliche Ganze. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang das von Schumpeter beschriebene Zusammenspiel der wirtschaftlichen und der politischen Elite als konstituierendes Element der kapitalistischen Gesellschaft. So werden von ihm späterhin konsequent die politische (und wissenschaftliche) Elite mit verantwortlich gemacht für den Untergang des Kapitalismus (vgl. Schumpeter 1980 [1942]).

3 Theorie der Innovation

„Wir gehen davon aus, dass neue Produktionsfunktionen (Durchsetzung neuer Kombinationen) durch das Vorgehen neuer, für diesen Zweck gegründeter Unternehmungen in das System eindringen, während die vorhandenen oder alten Unternehmungen eine Zeit lang wie früher weiterarbeiten und dann unter dem Druck der Konkurrenz, mit verschiedenen charakteristischen Verzögerungen und, in verschiedenen charakteristischen Weisen, durch Anpassung an den neuen Stand der Dinge reagieren.“ (Schumpeter 1961 [1939], S. 103)

Idealtypisch nimmt Schumpeter die Entstehung neuer Unternehmungen an, schließt aber nicht aus, dass Innovationen auch in bereits bestehenden Unternehmen möglich sind. Innovationen erzeugen wirtschaftliche Ungleichgewichte, diese können nur mittels eines jeweils besonderen und schmerzhaften Prozesses absorbiert werden: dem Prozess der schöpferischen Zerstörung. Die Funktion des reinen Unternehmers besteht denn auch darin, den Markt zu revolutionieren, Dinge in Gang zu setzen und Neues zu schaffen. Diese neuen Unternehmungen setzen sich durch und alte Unternehmungen stehen unter dem Druck, die Neuerung zu übernehmen (imitativer Wettbewerb). Nicht alle auf dem Markt tätigen Unternehmungen sind jedoch in der Lage zu konkurrieren und somit den Innovationsvorsprung des reinen Unternehmers zu verringern. Wirtschaftliche Entwicklung, wie Schumpeter sie versteht, „gleicht eher einer Reihe von Explosionen als einer allmählichen, wenn auch unablässigen Umformung.“ (Schumpeter 1961 [1939], S. 110)

Genau dieser Prozess ermöglicht, Schumpeter zufolge, wirtschaftlichen Fortschritt. Die Innovation ist eine unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung im Sinne wirtschaftlichen Fortschritts. Wie sieht ein Marktprozess aus, in dem sich solche Vorgänge abspielen können?

3.1 Der kapitalistische Marktprozess

Geht man von einem Markt aus, der sich aus mehr oder weniger rational kalkulierenden Individuen zusammensetzt, die versuchen, das Beste aus einer gegebenen Situation zu machen und zwar zu ihrem eigenen Nutzen, so bietet sich folgendes Bild: Der Warenerzeuger bietet Waren zu einem möglichst hohen Preis an, und die Konsumentin will zu einem möglichst geringen Preis Güter erwerben. Damit sie das Geschehen antizipieren und ihr Handeln danach ausrichten können, damit also Ordnung herrscht, streben die Marktteilnehmer nach einem Gleichgewicht. Hierzu ist es notwendig, dass alle Beteiligten ein möglichst großes Wissen über den Wirtschaftsprozess als solchen, über die jeweiligen Ziele der Wirtschaftssubjekte und mögliche Verhaltensweisen anderer Marktteilnehmerinnen haben. Tatsächlich, so Schumpeter, verfügt jedoch jeder Marktteilnehmer nur über ein relativ geringes Maß an Kenntnissen, so dass sein Verhalten, in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation und den ihm bekannten Faktoren, relativ unstabil und somit auch nicht vorhersagbar ist. Ein völliges Gleichgewicht auf dem Markt wird ihm zufolge so gut wie nie erreicht.

Schumpeter argumentiert hier gegen die Annahmen der klassischen (Richard Cantillon, Adam Smith, David Ricardo, Robert Malthus) wie auch der ersten neo-klassischen Wirtschaftstheoretiker (Alfred Marshall, Richard Solow; vgl. hierzu u. a. Schefold 1989), die allesamt von einem wirtschaftlichen Gleichgewicht ausgingen und vom vollständigen Wissen der Marktteilnehmerinnen. Die Entwicklung der Wirtschaft geschieht in deren Wahrnehmung durch Bevölkerungswachstum oder durch neue Technologien, Ereignisse, die von außen auf die Volkswirtschaft einwirken. Schumpeter geht hingegen von einem dynamischen Wirtschaftsprozess aus. Er spricht in diesem Zusammenhang auch von „monopolistischer Konkurrenz“. Jede Marktteilnehmerin sucht ihren Vorteil auszubauen (Schumpeter 1980 [1942]). Die Unterbrechung des Gleichgewichtsstrebens leistet reines Unternehmertum, indem es innoviert und sich somit einen Wettbewerbsvorsprung verschafft, den die anderen Marktteilnehmer in mehr oder weniger kurzer Zeit wieder aufholen („imitativer Wettbewerb“). Der reine Unternehmer revolutioniert den Markt und leitet die Phasen der wirtschaftlichen Expansion und des darauffolgenden Booms ein. Unternehmen, die nicht in der Lage sind, die Innovation zu übernehmen, verschwinden vom Markt. Im Folgenden erleidet die Wirtschaft eine Rezession, da sich die Leistungsfähigkeit der Innovation abschwächt. Der Konjunkturzyklus endet mit einer Phase der Depression.

3.2 Innovatives Handeln

Schumpeter definiert wirtschaftliche Entwicklung als eine Veränderung der Daten des Gleichgewichtszustandes durch den Übergang von einem gegebenen Zustand der Volkswirtschaft in einen anderen. Dieser Übergang kann stattfinden:

  1. 1.

    aufgrund des stetigen Wachstums der Bevölkerung und damit zusammenhängend des stetigen Anwachsens der Menge an produzierten Gütern, oder

  2. 2.

    aufgrund anderer außerwirtschaftlicher Ereignisse, wie soziale Umwälzungen, politische Eingriffe, oder

  3. 3.

    „dadurch, dass manche Individuen über die wirtschaftliche Erfahrung und die gewohnte und erprobte Erfahrung hinausgehend in den gegebenen Verhältnissen des Wirtschaftslebens neue Möglichkeiten erkennen und durchsetzen“ (vgl. Schumpeter 1928, S. 483).

In Letzterem sieht er die für wirtschaftliche Entwicklung bedeutsamste Ursache. Der reine Unternehmer ist das aktive Element im Wirtschaftsprozess. Mit anderen Worten: Die unternehmerische Funktion im kapitalistischen Wirtschaftsprozess besteht in der Einleitung und Durchführung einer Innovation. Es geht um eine außeralltägliche Führungsfunktion im Gegensatz zur Alltagsfunktion des Leitens einer Unternehmung. Der reine Unternehmer, im Sinne Schumpeters, fordert vom Markt ungewohnte Aktivitäten. Er will innovieren. Damit initiiert er ein Handeln, das außerhalb der gewohnten Bahnen liegt. Er setzt die Einführung einer bislang unerprobten Alternative durch und führt den Wirtschaftsprozess für eine kurze Zeit an.

Schumpeter sieht drei grundlegende Schwierigkeiten, denen sich der solcher Art innovativ Handelnde gegenübergestellt sieht:

Handeln in Unsicherheit

Die Neukombination der Produktionsfaktoren impliziert geringe Planbarkeit, Berechenbarkeit und Vorhersagekraft. Das Handeln des Innovators findet außerhalb der gewohnten Bahnen statt. Die Fähigkeit zur Antizipation wird hier notwendig.

Neues tun ist schwerer als Gewohntes tun

Nach Schumpeter liegt es in der Natur des Menschen, dass ihm die Routine leichter fällt als das Erlernen neuer Tätigkeiten. „Diese geistige Fähigkeit setzt einen großen Überschuss von Kraft über das Erfordernis von Alltag voraus, ist etwas Eigenartiges und ihrer Natur nach selten.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 126)

Gegendruck von Seiten der Umwelt

Der Kapitalist, der eine Innovation finanzieren soll, wird eher auf das altbewährte Produkt zurückgreifen, da er dessen Rendite kennt, bevor er das höhere Risiko, das mit einem neuartigen Produkt verbunden ist, einzugehen bereit ist. Die Lohnarbeiterin tut sich schwer mit neuen Arbeitsmethoden, und der Konsument muss von der Güte des neuen Produktes erst mühsam überzeugt werden. Weiterhin wird die Einführung neuer Betriebsformen von der Öffentlichkeit häufig negativ beurteilt: „Immer ist das Überwinden dieses Widerstandes eine Aufgabe besonderer Art, die es im gewohnten Ablauf des Lebens nicht gibt, eine Aufgabe auch, die ein Verhalten besonderer Art erfordert.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 127) Innovatives Handeln erfordert, nach Schumpeter, Charaktereigenschaften, die nur ein geringer Teil der Bevölkerung aufzuweisen hat.

„Während es im Wesen der Routinearbeit in ausgefahrenen Bahnen liegt, dass ihr die durchschnittliche Intelligenz und Willenskraft der Individuen des betreffenden Volkes und der betreffenden Zeit gewachsen ist, so erfordert die Überwindung der oben erwähnten Schwierigkeiten Eigenschaften, die nur ein geringer Prozentsatz der Individuen hat, und daher bedarf es, um eine ganze Volkswirtschaft in solch neue Bahnen zu ziehen und den Fond ihrer wirtschaftlichen Erfahrung neu zu gestalten, einer wirtschaftlichen Führerschaft durch diese Individuen.“ (Schumpeter 1928, S. 483)

Reines Unternehmertum ist Schumpeter zufolge kurzfristig. Die Unternehmerfunktion besteht lediglich in der Durchsetzung einer Innovation. Weiterhin muss der Unternehmer auch nicht der Erfinder des von ihm eingeführten Gutes sein. Ganz wie die charismatische Herrschaft bei Max Weber (1980 [1922]) ist auch das Unternehmertum nicht vererbbar. Erfolgreiche Unternehmer steigen zwar häufig in die Kapitalistenklasse auf, dann sind sie jedoch nicht mehr notwendig als Innovatoren tätig. Reine Unternehmer bilden, bei Schumpeter, als solche keine soziale Klasse.

„Vererbbarkeit des Resultats und der Eigenschaften mag dann diese Position längere Zeit überindividuell erhalten, auch den Deszendenten weitere Unternehmungen erleichtern, aber nicht ohne weiteres die Funktion des Unternehmers vermitteln, was übrigens die Geschichte industrieller Familien im Gegensatz zur Phraseologie des sozialen Kampfes wohl ausreichend zeigt.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 117)

Schumpeter stellt dem reinen Unternehmer als dem Führenden zum einen die Geführten gegenüber, die sich von ihm lenken lassen und zum anderen den Geschäftsführer einer wirtschaftlichen Organisation, der eine Unternehmung leitet. Führung und Leitung erscheinen, in Anlehnung an Friedrich von Wieser (1927), als zwei unterschiedliche Handlungstypen (siehe auch Gronhaug und Reve 1988).

3.3 Der Unternehmergewinn

Die Einleitung einer Innovation oder, wie Schumpeter es auch bezeichnet, die Aufstellung einer neuen Produktionsfunktion (Schumpeter 1961 [1939], S. 95) bzw. die Neukombination der Produktionsmittel schafft einen Wettbewerbsvorsprung für die innovierende Unternehmung. Der daraus resultierende Unternehmergewinn ergibt sich – unter der Annahme des vollkommenen Wettbewerbs in einem dynamischen Wirtschaftssystem – als die Differenz von Kosten und Einnahmen zu einem Zeitpunkt t1 im Vergleich zum vorhergehenden Zeitpunkt t0. Wobei durch die Innovation entweder Kosten gesenkt oder Einnahmen erhöht werden. Dieser Innovationsvorsprung verschwindet in der darauffolgenden Phase des imitativen Wettbewerbs. „Innovation ist nicht nur die wichtigste unmittelbare Gewinnquelle, sondern bringt auch mittelbar durch die von ihr in Gang gesetzten Prozesse die Mehrzahl der Lagen hervor, aus denen sich die Marktlagengewinne und -verluste ergeben und in denen spekulative Tätigkeit einen Spielraum von Bedeutung gewinnt.“ (ebd., S. 113 f.)

Die in der kapitalistischen Gesellschaft vorhandenen privaten Vermögen stellen sich, laut Schumpeter, häufig als direktes beziehungsweise indirektes Ergebnis dieses Prozesses dar. Ein jeder Unternehmer wird nun versuchen, den Unternehmergewinn zu perpetuieren, das heißt den Wettbewerbsvorsprung so lange als möglich aufrechtzuerhalten. Das kann mit Hilfe des Patentrechts oder der Kartellbildung geschehen, womit der Wettbewerb eingeschränkt und der Gewinn monopolisiert wird. Diese Strategien sind jedoch in Schumpeters Verständnis kein konstitutives Element der Unternehmerfunktion.

Damit stellt sich auch die Frage, womit eigentlich die Innovation finanziert wird. Schumpeter nennt die Kreditschöpfung als das monetäre Gegenstück des reinen Unternehmertums.

„In Übereinstimmung mit unserer Vorstellung, dass neue Männer neue Betriebe gründen, nehmen wir weiterhin an, dass künftige Unternehmer nicht bereits zufällig einen Teil oder die Gesamtmenge der Produktionsgüter besitzen, die sie benötigen, um ihre Pläne durchzuführen, wie sie auch über keine Aktiva verfügen, die sie im Austausch gegen das von ihnen Benötigte geben können.“ (ebd., S. 118)

3.4 Motive unternehmerischen Handelns

Warum will ein Individuum die Bewegung hin zu einem Gleichgewicht stören, indem es innoviert, obwohl doch alle anderen Marktteilnehmerinnen dieses Gleichgewicht, wenn auch unbewusst, anstreben? Die wirtschaftlich Handelnden suchen primär Bedürfnisbefriedigung, „so kann man da ruhig sagen, dass die Vorgänge des Gleichgewichtsstrebens ihr Maß und Gesetz finden in der Welt der von Konsumakten zu erwartenden Bedürfnisbefriedigungen“. (Schumpeter 1964 [1911], S. 133).

Der reine Unternehmer strebt nach etwas anderem:

„Sein wirtschaftliches Motiv – Streben nach Gütererwerb – ist nicht verankert am Lustgefühl, das die Konsumtion der erworbenen Güter auslöst. Und ist Bedürfnisbefriedigung in diesem Sinne die ratio des Wirtschaftens, so ist das Verhalten unseres Typus überhaupt irrational oder von einem anders gearteten Rationalismus.“ (ebd., S. 134)

Der reine Unternehmer, der wirtschaftliche Führer, handelt außeralltäglich. Er genießt die Früchte seines Handelns nicht. Er ist rastlos, er muss immer weiter.Footnote 4 Schumpeter führt Persönlichkeitsmerkmale auf, die ihn auszeichnen und Motive, die sein Handeln leiten, sowie verschiedene Unternehmertypen, die dem entsprechen:

Traum und Wille, ein privates Reich zu gründen

„Ein Reich, das Raum gewährt und Machtgefühl, das es im Grund in der modernen Welt nicht geben kann, das aber die nächste Annäherung an Herrenstellung ist, die diese Welt kennt und deren Faszination gerade für solche Leute besonderes wirksam ist, die keinen anderen Weg zu sozialer Geltung haben.“ (Schumpeter 1964 [1911], S. 138)

Hier findet sich erneut ein Verweis auf die ursprüngliche Abwesenheit von Verfügungsgewalt über Produktionsmittel im reinen Unternehmertum.

Siegerwille – Kämpfen wollen – Erfolg haben wollen

Und zwar um des Erfolges willen und nicht als Mittel zum Zweck. Hier handelt es sich wiederum um ein Motiv, das wie das oben genannte spezifisch wirtschaftsfremd ist.

Freude am Gestalten

„unser Typ hat einen Kraftüberschuss, der, wie andere Felder der Betätigung, so auch das wirtschaftliche wählen kann und an der Volkswirtschaft ändert und in der Volkswirtschaft wagt, um des Änderns und Wagens und gerade der Schwierigkeiten willen“. (Schumpeter 1964 [1911], S. 139) Aus dem Gesagten wird noch einmal deutlich, wie weit sich der Unternehmer von den übrigen wirtschaftlich Handelnden entfernt.

4 Unternehmertum vor und nach Schumpeter

Der reine Unternehmer bei Schumpeter innoviert und initiiert damit einen Prozess der schöpferischen Zerstörung, in dem er eine Neukombination der vorhandenen Produktionsmittel durchsetzt. In der klassischen Wirtschaftstheorie geht der Begriff des Unternehmers auf Richard Cantillon (1755 [1732–34]) zurück. Interessanterweise ein Ire, denen bis in die neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine starke Abstinenz gegenüber freiem Unternehmertum nachgesagt wurde. Dies vor allem aufgrund der englischen Vormachtstellung (Lehnsherren) und aufgrund des dominanten Katholizismus. Cantillon begründete mit seiner Schrift „Essai sur la Nature du Commerce en Generale“ nicht nur die klassische, sondern auch die neo-klassische Wirtschaftstheorie. In seiner Vorstellung funktioniert der Markt über Angebot und Nachfrage, gibt es Landbesitzer und Arbeiter, die den Fluss von Einnahmen und Ausgaben in Gang halten. Des Weiteren gibt es den risikobereiten Unternehmer und den nicht-unternehmerisch tätigen wirtschaftlich Handelnden. Mit diesem Ansatz beeinflusste Cantillon auch die österreichische Schule der Wirtschaftstheorie, aus der wiederum Schumpeter hervorgeht. Dieser übernimmt unter anderem die von Cantillon vorgenommene Unterscheidung in normalen Preis (tatsächliche Kosten) und Marktpreis (Verhältnis von Angebot und Nachfrage). Cantillon beschreibt die Unternehmerfunktion als Anbieter von Waren auf dem Markt unter Unsicherheit, und er legitimiert den Unternehmergewinn als Anreiz für die Übernahme des unternehmerischen Risikos. Cantillon spricht dabei nicht von Neuerungen oder von Innovationen, sondern von einem immerwährenden Strom an Gütern, die vom Unternehmer geschickt auf dem Markt platziert werden.

Werner Sombart (1909, 1924 [1902]) betont die Rolle des Fremden. Wenig integrierte Bevölkerungsgruppen suchen eine Nische und finden diese in der Innovation als einer Aktivität, die von der Mehrheitsgesellschaft kaum übernommen wird. Sombart denkt hier vor allem an die Juden.

In seiner Protestantismus-These (1986 [1920]) behauptet Max Weber, dass die protestantische Ethik im kapitalistischen Unternehmer den Drang zu innovieren erzeugt. Die Koinzidenz von protestantischer Ethik bzw. calvinistischer Prädestinationslehre und kapitalistischem Geist befördert den Kapitalismus in der westlichen Welt. Allein Unternehmertum entgeht – nach Weber – dem „stahlharten Gehäuse“ der Bürokratie.

Homer G. Barnett (1991 [1953]) sieht „Dissatisfaktion“ als Ursache für Unternehmertum und Innovation und hat damit einen ähnlichen Ansatz Sombart. Auch Barnett verfolgt, wie Schumpeter, den Zusammenhang von Innovation und wirtschaftlicher Entwicklung. Innovation ist nicht nur etwas Neues, sondern auch etwas Besseres.

Ein weiterer Ansatz zur Stellung von Innovation in der Gesellschaft aus individualistischer Perspektive stammt von Everett M. Rogers (1962), der die Übernahme von Innovationen durch Unternehmer, die mehr oder weniger der gleichen Schicht angehören wie der Innovator, hervorhebt.

David McClelland (1966 [1960]) postuliert, dass Menschen mit hohem Leistungsbedürfnis (need for achievement) eher geneigt sind, schöpferisch tätig zu sein und zu innovieren als Routinearbeit durchzuführen. Ein hohes Leistungsniveau in einem Land geht dann mit einem starken wirtschaftlichen Wachstum einher, so die Annahme von McClelland.

Der Unternehmer, den Israel M. Kirzner (1978 [1973]; 1988 [1979]) als „homo agens“ beschreibt, greift auf die Dinge zurück, die von den anderen Marktteilnehmerinnen bisher nicht gesehen wurden, weshalb das Gleichgewicht auf dem Markt ins Schwanken geriet. Das heißt jedoch nicht notwendig, dass der Unternehmer auch innoviert. „Für Schumpeter ist Unternehmertum in erster Linie wichtig, um wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu bringen; für mich ist es in erster Linie wichtig, damit der Marktprozess in jedem Zusammenhang funktionieren kann – wobei die Möglichkeit der wirtschaftlichen Entwicklung nur als ein besonderer Fall gesehen wird“ (Kirzner 1978 [1973], S. 65). Wie bei Schumpeter wird auch der Unternehmer bei Kirzner auf die reine Unternehmerfunktion reduziert. Sein Wirken ist nur momentan. Er verfügt nicht notwendig über Kapital oder Organisationsmacht. Den Wirtschaftsprozess versteht Kirzner als spezifisch diskontinuierlich. Es gibt immer Informationslücken. Hier greift der Unternehmer ein.

Arnold Heertje (1982) zielt darauf ab, den Unternehmer, wie ihn Kirzner fasst, in das Schumpeter’sche Innovationskonzept zu integrieren. Er tut dies, indem er die Unternehmerfunktion auf das Finden neuer Lösungen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Probleme bezieht. Es bedarf der alertness oder Findigkeit, damit der Wirtschaftsprozess sich weiterentwickelt.

Die aktuellere Entwicklung, die individuelles Unternehmertum zunehmend als Teil eines unternehmerischen Teams konzipiert, thematisieren Isabell Stamm und Marie Gutzeit in ihrem Beitrag „Unternehmertum und Innovation“ in diesem Handbuch. Sie fassen ihr Verständnis von Unternehmertum zusammen:

„lässt sich unternehmerisches Handeln als ein dynamischer Prozess präzisieren, in dem die (entdeckte oder geschaffene) Gelegenheit ergriffen wird, eine Idee für etwas Neues umzusetzen. Dieser Prozess besteht aus aufeinander bezogenen, aber verschiedenen Bündeln von Aktivitäten, die der Koordination bedürfen; in diesem Prozess entstehen und reproduzieren sich unternehmerische Gruppen, die vielfältige Beziehungskonstellationen unter den Gruppenmitgliedern (Familie, Freunde, Bekannte, etc.) zulassen. Ein solches Verständnis von unternehmerischem Handeln distanziert sich von der charismatischen Einzelunternehmerin, schreibt dem Individuum als Träger einer Rolle innerhalb der unternehmerischen Gruppe dennoch Bedeutung zu.“

5 Wesentliche Aspekte in der Auseinandersetzung mit Schumpeters Verständnis von Innovation

In der Auseinandersetzung mit dem Innovationskonzept von Schumpeter gibt es mehrere Schwerpunkte, die bis in den aktuellen wissenschaftlichen Innovationsdiskurs hineinreichen:

  1. 1.

    Innovationen werden unterschieden in Basis- (radikale) und Verbesserungsinnovationen (inkrementale oder Scheininnovationen) (unter anderem Endress 1971; Mensch 1975; Redlich 1964).

  2. 2.

    Die Annahme, dass etwas, was neu ist für ein Unternehmen nicht notwendig eine absolute Marktneuheit sein muss (Rogers 1962; Barnett 1991), wird vor allem in der Entrepreneurship-Forschung diskutiert (u. a. Aichner 2000; Aldrich und Martinez 2001).

  3. 3.

    Die Zukunft der Unternehmerfunktion wird zum Thema gemacht. Untersucht wird der Prozess der Bürokratisierung wirtschaftlicher Unternehmungen (Burnham 1941; Hartmann 1968 [1959]; Beyer 1998).

  4. 4.

    Vor allem von Vertreterinnen der evolutorischen Innovationsökonomik wird die aus der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie stammende Annahme aufgegriffen, dass es keine vollständige Rationalität in Unternehmen gibt, sondern Handeln unter Unsicherheit und bounded rationality dominieren (March und Simon 1976 [1958]; siehe auch den Beitrag von Pyka über „Evolutorische Innovationsökonomik“, in diesem Band).

  5. 5.

    Die Beziehung von Konjunktur und Innovationen wird genauer unter die Lupe genommen. Schumpeter zufolge leitet ein Bündel von radikalen oder Basisinnovationen eine wirtschaftliche Expansion ein. Die Rezessionsphase ist eine Folge des Innovationsprozesses beziehungsweise des Prozesses wirtschaftlicher Entwicklung durch Basisinnovationen. Gerhard Mensch (1975) untersucht den Zusammenhang von Erfindungen, Innovationen und konjunkturellen Zyklen und konstatiert ein „technologisches Patt“ als Ausgangspunkt von Bündeln von Innovationen.

  6. 6.

    Es wird die Frage nach dem Stellenwert technischen Wandels in der Innovationstheorie von Schumpeter aufgeworfen. So verweist Heertje (1988) darauf, dass Schumpeter zwar technische Innovationen impliziert, dass er dann aber die Invention und die Reifephase einer neuen Technik oder Technologie (zwischen Invention und Markteintritt) nicht näher thematisiert.

  7. 7.

    Schumpeter thematisiert Innovationen lediglich als erfolgreiche Innovationen. Scheitern ist für ihn kein Thema (Redlich 1964; Storper 1993). Das Nachfrageverhalten auf dem Markt spielt in seinem Ansatz keine Rolle.

  8. 8.

    Auch die Beobachtung, dass unterschiedliche Branchen auch unterschiedliche Innovationstypen hervorbringen, war noch kein Thema für Schumpeter. Unterschieden werden angebots- und nachfrageorientierte Innovationen (zum Beispiel Automobilbranche und Maschinenbau) sowie Basis- und Verbesserungsinnovationen (High-Tech-Branche und Automobilindustrie) (vgl. Soskice 1994; Pavitt 1984; Malerba et al. 1997).

Schließlich lassen sich im Anschluss an Schumpeter zwei Pfade der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Innovation hervorheben, die Veralltäglichung der Unternehmerfunktion und die zunehmende Heterogenisierung der am Innovationsprozess beteiligten Akteure. Auf beides soll im Folgenden noch kurz eingegangen werden.

5.1 Veralltäglichung der Unternehmerfunktion

Schumpeter (1980 [1942]) selbst sieht bereits die Veralltäglichung von Innovation vor allem für Großunternehmen, die auch nicht mehr auf reines Unternehmertum, sondern auf die „organisierte“ Form des Managements (Burnham 1941; Beyer 1998) setzen. Mit Gustav Schmoller (1998) stimmt er darin überein, dass die größte schöpferische Leistung des Unternehmers Großunternehmen sind, die einen Bürokratisierungsprozess im Wirtschaftsleben mit sich bringen. Innovation wird dann zur Alltagsaufgabe einzelner Abteilungen im Wirtschaftsunternehmen (vgl. Chandler 1978, 1990). Schumpeter prognostiziert 1942, dass die reine Unternehmerfunktion im Laufe der Entwicklung mehr und mehr der Bürokratisierung anheimfallen wird. Der Marktanteil großer Unternehmen, so seine These, wird im Fortlauf industrieller Entwicklung immer bedeutender werden und dort wird in Zukunft auch der Großteil an Innovationen stattfinden. Außerdem behauptet er, dass kleine Unternehmen in einem derartigen Kontext so gut wie keine Innovationskraft aufweisen.Footnote 5

Gegen diese These vom Funktionsverlust reinen Unternehmertums wird von mehreren Seiten (Heertje 1982; Foster 1986; Mensch 1975) argumentiert, dass jede Innovation einmal an ihr Ende gelangt (vgl. Konjunkturzyklen) und dass es der typisch unternehmerischen Findigkeit (siehe Kirzner 1988 [1979]) bedarf, dieses Ende vorherzusehen und durch neue Ideen bzw. Technologien die Wettbewerbssituation des eigenen Unternehmens zu verbessern. Zudem wird argumentiert, dass die Innovationskraft von kleinen- und mittelständischen Unternehmen nicht zu negieren ist (unter anderen Acs und Audretsch 1987). Es sind dann David B. Audretsch und A. Roy Thurik (2000), die für das 21. Jahrhundert die erneute Umkehr von der managed economy zur entrepreneurial economy vorhersagen.

5.2 Vom Akteur zum System

Schritt für Schritt wird der reine Unternehmer, das persönliche Element im Wirtschaftsleben, durch ein Netzwerk von wirtschaftlichen und außerwirtschaftlichen Akteuren ersetzt und aus seiner Außeralltäglichkeit herausgehoben. In einem ersten Schritt geht es um die Interaktion innerhalb der Wirtschaft, innerhalb des Marktes, um Interaktion und Kooperation im Bereich von Forschung und Entwicklung sowie zwischen Konsumentinnen und Produzenten. In einem zweiten Schritt werden außerwirtschaftliche Institutionen in das Innovationsnetzwerk einbezogen. Wirtschaftliche Kräfte, so die Annahme, reichen nicht aus, um Innovation zu institutionalisieren. Soziale Institutionen wie Forschung, Ausbildung, Industriepolitik und Zivilgesellschaft insgesamt müssen dazu beitragen, eine innovative Atmosphäre zu schaffen und zu erhalten.

Parallel zu diesen Forschungen entwickelt sich, vor allem im englischsprachigen Raum, ein Ansatz, der nach den Bedingungen technischer Entwicklung fragt, das heißt vor allem Produktinnovationen näher analysiert. Forschungs- und Entwicklungsabteilungen werden eingerichtet, technischer Fortschritt wird internalisiert, das heißt auch Inventionen werden zunehmend im Unternehmen entwickelt. Richard R. Nelson und Sidney G. Winter (1977; siehe hierzu auch den Beitrag von Pyka über „Evolutorische Innovationsökonomik“, in diesem Band) führen evolutionistische und institutionalistische Annahmen zusammen, wenn sie nach einer „useful theory of innovation“ suchen. Der Grundgedanke lautet: Bereits bei der Entscheidung, in die Forschung und Entwicklung einer bestimmten Technologie human- und finanzielle Ressourcen zu stecken, spielen externe Unternehmensumwelten eine mehr oder weniger große Rolle. Das Mehr oder Weniger bzw. auch die Frage, welche Umwelten eine Rolle spielen, hängt vor allem von der Branchenzugehörigkeit des Unternehmens ab (siehe Soskice 1994).

In der soziologischen Technik- und Innovationsforschung wird dieser Ansatz verfeinert: Michael Tushman und Lori Rosenkopf (1992) differenzieren Branchen in Abhängigkeit von der Komplexität der angewendeten Technik. Je komplexer die Technik (Stahlbau versus Automobilbau versus Information- und Kommunikationstechnologien), desto größer der Bedarf an institutioneller Abstimmung (externe Kooperationen, staatliche Forschungsförderung in bestimmten Bereichen, Risikokapital). Sie identifizieren weiterhin vier Phasen im Prozess technischer Entwicklung, die wiederum einen Einfluss auf die Zusammensetzung der interaktiven Akteurssysteme haben: Variation (Grundlagenforschung; Forschung und Entwicklung), Gärung (Technologieentwicklung), Selektion (Herausbildung eines dominanten Designs) und Retention (Ausbau der Möglichkeiten des Dominanten Designs; Technologische Trägheit auf der Basis von Verbesserungsinnovationen) (siehe den Beitrag von Weyer über „Phasenmodelle der Technikentwicklung“, in diesem Band). Damit wird der Innovationsprozess, wie ihn Schumpeter verstanden hat, zu einer Abfolge unterschiedlicher, aufeinander aufbauender und interdependenter Phasen modifiziert, an denen unterschiedliche Akteure beteiligt sind.

Allein, es sind nicht alle Wirtschaftsunternehmen in der Lage, eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen einzurichten, und schon gar nicht, auch noch die Grundlagenforschung in das Unternehmen zu integrieren. Deshalb geht es in der Folge der Entwicklung einer Theorie wirtschaftlicher Entwicklung vor allem um die Kooperation zwischen Unternehmen, zum Beispiel im Bereich der Forschung und Entwicklung neuer Produkte und Produktionsprozesse. Uli Kowol und Wolfgang Krohn (1994) gehen davon aus, dass die spezifischen Schwächen von Markt (geringes Wissen, große Unsicherheit und Intransparenz) und Organisation (geringe Flexibilität, langsames Reaktionsvermögen) als Koordinationsformen wirtschaftlichen Handelns für den Bereich der Technikgenese durch networking, durch interorganisationale Netzwerke, überwunden werden können (siehe Perrow 1992; Powell 1996 [1990]; Weyer 1997).

In den Wirtschaftswissenschaften sind die Arbeiten von Giovanni Dosi (1982), Nelson und Winter (1982), Carlota Perez (1988) und Christopher Freeman (1982) zum Thema technologischer Wandel als Schritt in Richtung der Konzeptualisierung eines nationalen Innovationssystems (Lundvall 1988, 1992; Nelson 1993; Blättel-Mink und Ebner 2009) als einer Voraussetzung für nationale Wettbewerbsfähigkeit zu verstehen (siehe hierzu auch den Beitrag von Ebner über „Nationale Innovationssysteme“, in diesem Band).

6 Ausblick, oder: Wofür heute noch Schumpeter lesen?

Es lohnt sich auch heute noch Schumpeters Schriften zu lesen, ganz einfach, weil man in der Auseinandersetzung mit Innovation nicht an ihm vorbeikommt! Dies belegen die Beiträge dieses Handbuchs eindrücklich.

Es lohnt sich aber auch, Schumpeter zu lesen, weil er einen weiten Innovationsbegriff hat, der nicht auf technische Innovationen reduziert ist. Diese Facette wurde in der Literatur häufig übersehen, macht Schumpeter jedoch für aktuelle Analysen zur Gründung innovativer Unternehmen im verarbeitenden wie im Dienstleistungs- oder Informationssektor, zur Durchsetzung organisatorischer Neuerungen in Unternehmen oder zur Ausweitung von Märkten relevant.

Unternehmertum, wie es Schumpeter beschrieben hat, entwickelt sich auch und gerade in den Ländern des globalen Südens oder in sich der kapitalistischen Logik gegenüber öffnenden kommunistischen Ländern wie China oder Kuba (siehe Audretsch und Roy Thurik 2000).

Es lohnt sich auch heute noch Schumpeter zu lesen, da der individuelle Akteur im Innovationsprozess, so vernetzt die Akteure in den einzelnen Phasen desselben auch sein mögen, immer noch eine Rolle spielt. Davon gehen unter anderem Andrew van de Ven et al. (1999) aus, wenn sie schreiben, dass der Innovationsprozess „typically includes entrepreneurs, who, with support and funding of upper managers or investors, undertake a sequence of events that creates and transforms a new idea into an implemented reality“ (Van de Ven et al. 1999, S. 3; siehe auch Witte 1973). Dazu zählen auch Konzepte des Intrapreneurs (siehe Faust et al. 2000).

Es lohnt sich schließlich deshalb Schumpeter auch heute noch zu lesen, weil er die Einbettung wirtschaftlicher Entwicklung in gesamtgesellschaftliche Prozesse thematisiert hat und weil somit auch aktuelle Debatten um soziale (siehe auch den Beitrag von Howaldt und Schwarz über „Soziale Innovation“, in diesem Band) beziehungsweise gesellschaftliche Innovationen (Rammert 2010) von seinen Ideen befruchtet sind. So greift Swedberg (1991) gegen Ende seines Überblicksartikels zu Leben und Werk von Schumpeter in seinem Buch „Joseph A. Schumpeter. The Economics and Sociology of Capitalism“ Themen der sogenannten „Walgren Lectures“ auf, die Schumpeter in seinem letzten Lebensjahr gehalten hat, und in denen es ihm unter anderem um das Verhältnis von wirtschaftlichen Faktoren und sozialen Institutionen ging. Swedberg referiert Schumpeter: „Marx is wrong in assuming that it is always the economy that changes the social institutions; it is just as much the other way round.“ (Swedberg 2000, S. 76)

Swedberg beendet dieses Kapitel mit folgender Mahnung:

„The Walgren Lectures do not solve the problems that are inherent in bringing together economy and sociology; they are far too schematic for that. But they do show that until the end of his life Schumpeter kept thinking about various ways in which a purely economic analysis can be enriched through the neighboring social sciences. This problematique, it should be stressed, is just as much with us today as it was in the 1940s. […] This is in many ways a negative and anomalous development, which must be overcome if economics and nearby types of analyses – such as economic history and economic sociology – are to really flourish again. In the end, this is one of the reasons why Schumpeter’s ideas on Sozialökonomik are still of great interest to us.“ (ebd., S. 77; Hervorhebung durch den Autor)

Damit endet auch der Aufsatz zu „Das Innovationsverständnis von Joseph A. Schumpeter“ und lenkt die Aufmerksamkeit auf die weiteren Texte in diesem Handbuch, die sich – größtenteils in soziologischer Absicht – mit Facetten des Zusammenhangs von Innovation in Wirtschaft und Gesellschaft auseinandersetzen.