Das berühmte Gemälde „Die Familie Karls IV. von Spanien“, das Francisco de Goya 1800/1801 malte, hat seit jeher Anlass zu Spekulationen gegeben. Ein Beobachter fand, dass König und Königin „wie ein Bäcker und seine Gemahlin nach einem Lotteriegewinn“ aussähen, was man als kritische Stellungnahme des Künstlers verstand. Andere ergingen sich in Porträtstudien der Kinder, in denen sie Belege für das Gerücht zu erkennen meinten, nicht Karl, sondern Manuel de Godoy sei in Wahrheit ihr leiblicher Vater. Schließlich verlieh das Wissen um die Intrige, in der sich die Familie wenige Jahre später zerfleischen sollte, dem Bild eine Aura boshafter Erwartung.
Die drehte sich vor allem um den jungen Mann links im Vordergrund: Infant Ferdinand, den der frühe Tod seiner vier älteren Brüder zum Thronfolger gemacht hatte. Er war nicht unbedingt intelligenter als sein biederer Vater, aber wesentlich beliebter. Denn die allgemeine Misswirtschaft, Korruption und feudale Ausbeutung wurden Karl angelastet. Weniger weil er sie förderte, sondern weil er den vermeintlich Verantwortlichen für Spaniens Niedergang im Amt beließ. Der hieß Manuel de Godoy, war der Erste Minister und zugleich Liebhaber der Königin, die sich umso mehr in die Regierungsgeschäfte einmischte, als ihr Mann seinem Hobby, der Jagd, frönte.
Die spanischen Bourbonen waren längst nicht mehr Herren im eigenen Land. Dann hatte sich Karl 1807 auch noch dem Druck Napoleons I. beugen müssen und dessen Armee den Durchmarsch nach Portugal ermöglicht. Godoy hatte das Geschäft eingefädelt und war dafür reich belohnt worden. Seitdem war Portugal in das System der Kontinentalsperre gegen England eingebunden. Vor allem aber: Truppen sicherten die Verbindungswege durch Spanien nach Frankreich.
Die Furcht ging um, dass Godoy nun alle Macht zufallen würde. Daraufhin drängte Kronprinz Ferdinand seinen Vater, ihm weitreichende Vollmachten sowie den Oberbefehl über die Hauptstadt Madrid zu übertragen. Godoy, unterstützt von der Königin, konnte den König jedoch bewegen, vom Thronfolger eine Erklärung zu verlangen, in der dieser – beschränkt wie er war – seine Unterwerfung akzeptierte.
Der französische Marschall Joachim Murat, Napoleons Schwager und formal bereits Großherzog von Berg, sah nun seinerseits seine Chance, sich durch zupackendes Handeln die Krone Spaniens zu verdienen. Er zog Truppen zusammen und marschierte auf Madrid. Daraufhin bereitete Karl seine Flucht in sein amerikanisches Kolonialreich vor. Das aber führte zu Unruhen, während derer die Machtergreifung Ferdinands gefordert wurde. Von Angst gepeinigt, unterschrieb der König am 19. März 1808 in Aranjuez seine Abdankung, widerrief sie aber kurz darauf. Beide Bourbonen gingen Murat um Unterstützung an, der das Problem gern an Napoleon weiterreichte.
Der hatte andere Pläne: In Bayonne zwang er Karl dazu, endgültig auf die Krone zu verzichten, sie aber nicht Ferdinand, sondern ihm, dem Kaiser der Franzosen, anzutragen. Dafür erhielt er Schlösser samt fürstlicher Pension. Zähneknirschend folgten Ferdinand und sein jüngerer Bruder Don Carlos dem Beispiel seines Vaters. Um sicherzugehen, gab Napoleon Befehl, auch den jüngsten Bruder Francisco (1794–1865), der noch in Madrid weilte, nach Bayonne zu bringen.
Als französische Soldaten am 2. Mai in den Palast stürmten und sich der Infant in seiner Not auf dem Balkon zeigte, ertönte der Ruf „¡Que nos lo llevan!“ (Sie nehmen ihn uns weg!). Der Aufstand begann. Als Murat die Ordnung mit Waffengewalt wiederherstellen wollte, kam es zu Straßenschlachten. Mit Messern, Werkzeugen und Steinen gingen aufgebrachte Madrilenen gegen die Franzosen vor, während die regulären spanischen Truppen in ihren Kasernen blieben.
Umgehend zog Murat Verstärkungen heran und gab den Befehl aus: „Der irregeführte Pöbel von Madrid hat sich hinreißen lassen zu Revolte und Mord. Französisches Blut ist geflossen. Es verlangt Rache.“ Hunderte starben bei den Kämpfen, Dutzende Aufständische noch in der Nacht vor dem Erschießungspeloton. In zwei großen Gemälden hat Goya den „Dos de Mayo“, seinen Beginn und seine blutige Niederschlagung, in Szene gesetzt.
Zwar hatte Murat die Lage nach wenigen Stunden wieder unter Kontrolle. Aber der erhoffte Lohn blieb ihm verwehrt. Nicht er sollte die Krone Spaniens erhalten, sondern Napoleons Bruder Joseph Bonaparte. Der saß bereits auf dem Thron von Neapel, den er nun immerhin an Murat weiterreichte.
Doch Joseph wurde mit der Beförderung nicht glücklich. „Man hat Eurer Majestät nicht die Wahrheit gesagt“, schrieb er konsterniert nach seinem Einzug in Madrid an seinen Bruder. „Es gibt keinen einzigen Spanier, der offen für mich Partei ergreift.“ Ein glatter Euphemismus. Die erhofften Gewinne waren eine Chimäre, und inzwischen befand sich das ganze Land im Aufstand, der zum Vorbild des modernen Guerillakrieges wurde.
Gefangenen Franzosen wurden „die Köpfe mit Hacken zertrümmert“, Lazarett-Insassen „bei lebendigem Leib in Kessel mit kochendem Öl geworfen“, wie ein entsetzter Franzose notierte. Auf der anderen Seite vergewaltigten die Besatzer „Frauen, Jungfrauen und Nonnen“. Damit nicht genug: „Aus den Kirchen wurden geweihte Gegenstände gestohlen“, berichtete ein Soldat, „einige Offiziere und sogar Generäle besudelten sich und prägten auf ihre Stirn das Zeichen der Schande.“ Bis 1814 kostete der Guerillakrieg wohl 200.000 bis 300.000 Franzosen das Leben – und mehr als doppelt so viele Spanier.
Nach den schweren Niederlagen 1813 trat Napoleon in Verhandlungen mit Ferdinand ein, die in den Vertrag von Valençay mündeten. Als Ferdinand VII. gelangte der ehemalige Kronprinz erneut auf den spanischen Thron. Nach seiner Rückkehr kassierte er die – liberale – Verfassung und errichtete ein reaktionäres Regime, das selbst im Europa der Restauration seinesgleichen suchte.
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