Gedenktag: Was wir über den heiligen Josef wissen - religion.ORF.at
Gedenktag

Was wir über den heiligen Josef wissen

Er ist wichtig für das irdische Aufwachsen von Jesus Christus, bleibt aber sonst im Hintergrund: Josef von Nazareth, zu dessen Ehren Papst Franziskus ein noch bis zum 8. Dezember dauerndes „Jahr des heiligen Josef“ ausgerufen hat. Was weiß man eigentlich von Josef, dem Adoptivvater von Jesus?

Was zwei Evangelien des Neuen Testaments in ihren Einleitungskapiteln zu berichten wissen über den Mann, der Jesus adoptierte und dadurch knapp zweitausend Jahre später zum Universalpatron der katholischen Kirche erklärt wurde, hat die Theologin Petra Müller-Ritter, Professorin für Bibelwissenschaft des Neuen Testamentes und Vorständin des Instituts für Biblische Wissenschaften der Hochschule Heiligenkreuz, am Donnerstag im Interview mit der Nachrichtenagentur römisch-katholischen Nachrichtenagentur Kathpress dargelegt.

Nur spärlich ist das, was wir gesichert über das Leben des Heiligen aus Nazareth, dessen Gedenktag am 19. März gefeiert wird, wissen. Sein Alter wie auch die Geburts- und Todesdaten bleiben im Dunkeln, und zu seiner Herkunft gibt es in den neutestamentlichen Stammbäumen sogar unterschiedliche Angaben. Josefs Vater heißt bei Matthäus Jakob, bei Lukas jedoch Eli.

„Gott wird richten“

„Den Genealogien geht es in erster Linie um Jesus, nicht um Josef“, kommentierte dies Ritter-Müller. Umgekehrt verhält sich dies bei der später entstandenen Literatur, die nicht Eingang in den Bibelkanon fand: Die sogenannten Apokryphen wie etwa das Protoevangelium des Jakobus nennt zwar biografische Details zu Josef, diese seien jedoch historisch nicht haltbar und würden „eher der Volksfrömmigkeit entspringen“, so die Expertin.

Als Hinweis für die Heilsgeschichte sei auch die Nennung Josefs – und somit auch Jesu – als Nachfahre des jüdischen Königs David (im Lukasevangelium) zu verstehen. Diesem Umstand geschuldet ist, dass Josef unmittelbar vor der Geburt Jesu zur Eintragung in Steuerlisten nach Betlehem gehen musste, wobei laut der Ritter-Müller genaue historische Umstände einer Zählung unter dem Statthalter Quirinius historisch nicht haltbar sind. Josefs Name – er bedeutet „Gott wird richten“ – ist zwar derselbe wie von zwei anderen biblischen Gestalten, nämlich Josef dem Ägypter und Josef von Arimathea.

Frommer Jude und Bauarbeiter

Ein literarischer Code ist dies in den Augen der Theologin dennoch eher nicht: „Der Name war in der jüdischen Antike relativ häufig.“ Ein Jude war Josef freilich, wahrscheinlich auch fromm, pilgerte er doch jährlich zum Pessachfest nach Jerusalem. Beruflich war Josef Handwerker, gehörte damit der kleinbürgerlichen Mittelschicht an und musste durch seine Arbeit für sich und seine Familie den Unterhalt bestreiten.

Seine genaue Tätigkeit wird unter Experten diskutiert: Die Berufsbezeichnung „tekton“ der griechischen Evangelien bezeichnet Baumeister, wobei sich aber die Übersetzung „Zimmermann“ durch Martin Luther, der hier wohl an die aus Holz errichteten Fachwerkshäuser seiner Zeit dachte, durchsetzte. In Israel wurden Häuser aber eher aus Stein erbaut. „Wir können vermuten, dass Josef – ebenso wie Jesus auch – am Bau gearbeitet hat, mit Holz oder auch anderen Materialien“, so die Heiligenkreuzer Professorin dazu. Denkbar sei, dass Josef und Jesus auch in der galiläischen Stadt Sepphoris sechs Kilometer nördlich von Nazareth engagiert waren, die König Herodes Antipas zu genau jener Zeit stark vergrößern ließ.

Heilige Josef und das Christuskind von Guido Reni (1575 – 1642)
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Heilige Josef und das Christuskind von Guido Reni (1575–1642)

Beziehung zu Maria erörtert

Inhalt vieler theologischer Abhandlungen ist die Liebesbeziehung zwischen Maria und Josef, zu der es jedoch keine stichhaltigen Angaben gibt. Mit einigen Ausnahmen. So schreibt Matthäus über die Szene, in der Josef die Schwangerschaft Mariens entdeckt, bevor die Eheleute noch zusammenlebten: „Josef, ihr Mann, der gerecht war und sie nicht bloßstellen wollte, beschloss, sich in aller Stille von ihr zu trennen.“

Ritter-Müller dazu: „Josef hätte Maria für die Trennung eine Scheidungsurkunde ausstellen können. Dann hätte theoretisch der biologische Vater des Kindes sie heiraten können. Das wäre aber ein öffentlicher Akt gewesen, der Maria als Ehebrecherin geoutet hätte. Das wollte er ihr ersparen.“

Keine Scheidung

Sicherlich habe Josef seiner Verlobten Maria – bei den Juden hatte die Verlobung bereits rechtliche Folgen, auch wenn man noch nicht zusammenlebte – Zuneigung entgegengebracht, unterstrich die Theologin: Schließlich habe er ihr den Scheidungsakt ersparen und sie nicht wegen der unehelichen Schwangerschaft dem Gerede der Leute aussetzen wollen.

Dass die Beziehung der beiden nicht intim war, schildern Matthäus und Lukas auf unterschiedliche Art und Weise durch die Beschreibung der Jungfräulichkeit Marias, die ja erst die göttliche Herkunft des Kindes – und somit die im christlichen Glauben zentrale Göttlichkeit Jesu – begründete. Ritter-Müller: "Insofern erklärt die Jungfräulichkeit Marias das Wesen und überhaupt die Person von Jesus Christus.

Josef auffallend „gerecht“

Auffällig ist laut der Bibelexpertin besonders das Adjektiv „gerecht“, mit dem Josef von Matthäus beschrieben wird. „Es ist auch sonst im Neuen Testament eher selten – und daher von besonderer Wichtigkeit.“ Josef habe sich einerseits an die Vorschriften des jüdischen Gesetzes gehalten, sei zugleich aber auch fair gegenüber Maria gewesen. Gerecht sei Josef aber auch dadurch, dass er nach seiner Begegnung mit dem Engel im Traum „tat, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte“, nämlich seine Frau zu sich nahm und sie „nicht erkannte, bis sie ihren Sohn gebar“.

Die Keuschheit Josefs, die oft mit dem Stichwort „Josefsehe“ belächelt wird, bezieht sich Ritter-Müller auf die hier geschilderte sexuelle Zurückhaltung. Josefs Gerechtigkeit umfasse somit „mitmenschliche Fairness, Gehorsam gegenüber Gott und seinen Geboten und sexuelle Zurückhaltung als Rücksichtnahme – und kann auch heute noch so verstanden werden“, so die Theologin.

Adoptivsohn Jesus wusste Bescheid

Josef übernahm also die Rolle als Vater und Ehemann. Er ließ seine hochschwangere Frau nicht allein zurück, als er nach Bethlehem gehen musste, schützte seine Familie bei der Verfolgung durch Herodes durch die gemeinsame Flucht nach Ägypten, kehrte dann mit ihr zurück und stellte mit seiner Tätigkeit als Handwerker den Unterhalt sicher. Er gab dem Kind den Namen – nämlich Jesus – und damit auch seine juristischen Rechte sowie seinen ehelichen, gesellschaftlichen Status als Sohn Josefs. Dies sei bedeutsam, betonte Ritter-Müller, denn: „Noch heute haben alleinerziehende Frauen in unserer Gesellschaft zumindest finanziell einen schweren Stand. Zur Zeit Jesu war das noch schwieriger.“

Worte von Jesus über Josef sind im Neuen Testament nicht überliefert, wohl aber zu ihm bzw. zu seinen Eltern. Als Zwölfjähriger sagt er ihnen, als sie ihn nach drei Tagen Suche im Tempel wiederfanden: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ Jesus wusste somit schon als Kind – religiös erwachsen gelten jüdische Buben mit 13 – Bescheid über seinen richtigen Vater bzw. darüber, dass Josef nur der Adoptivvater war. Wie es in der von Lukas geschilderten Episode weiter heißt, ging er anschließend mit den Eltern zurück nach Nazareth und war ihnen dort gehorsam. Für die Theologin ist dies Nachweis „für die jungfräuliche Geburt Jesu und seine wahre Herkunft, doch auch für seine Akzeptanz von Josef als Adoptivvater. Jesus stellte die Rolle und Autorität Josefs nicht infrage.“

Geschwisterfrage ungeklärt

Hatte Jesus Geschwister? Ritter-Müller verweist hier auf von Matthäus (6,3) genannte weitere Namen, die zum Familienverband Jesu gehören, der als „Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simeon“ sowie auch von mehreren Schwestern bezeichnet wird. Der Kirchenvater Tertullian und die spätere protestantische Exegese sind der Ansicht, es handle sich dabei um leibliche Geschwister Jesu.

In der griechisch-orthodoxen Kirche hält man sie mit Verweis auf das Protoevangelium des Jakobus und hält sie für Kinder Josefs aus einer ersten Ehe. Anders die katholische Auslegung, die sich u.a. auf den Geschichtsschreiber Eusebius von Caesarea bezieht: „Bruder“ kann demnach auch weitere, entferntere Verwandtschaftsgrade wie etwa Cousins bezeichnen kann, da es dafür im Aramäischen kein eigenes Wort gab. Handfest wissenschaftlich belegt ist jedoch keine der verschiedenen Auffassungen.