„Tausend Zeilen“: Interview mit Jonas Nay | ZEITjUNG

„Tausend Zeilen“: Interview mit Jonas Nay

In seinem Film „Tausend Zeilen“ bringt Michael Bully Herbig einen der größten deutschen Medienskandale auf die große Leinwand. Es geht um die Spiegel-Affäre rund um Claas Relotius und Juan Moreno. Letzterer deckte den Skandal schließlich auf und fasste ihn in seinem Buch „Tausend Zeilen Lüge“ zusammen. Der Film ist inspiriert von Morenos Buch und erzählt von einer wahren Begebenheit.

Lars Bogenius gespielt von Jonas Nay arbeitet als Journalist für das Medienunternehmen die Chronik. Seine Vorgesetzten himmeln ihn an, seine Arbeitskollegen sind neidisch auf seinen Erfolg. Bogenius schreibt Reportagen und Interviews, und das so echt und mitreißend, dass er zu einem der renommiertesten Journalisten Deutschlands gehört. Nichts scheint ihm bei seinem Ritt auf der Erfolgswelle im Weg zu stehen. Erst als Bogenius mit seinem Arbeitskollegen Juan Romero (gespielt von Elyas M`Barek) für eine Titelstory zusammenarbeitet, beginnt seine makellose Fassade zu bröckeln. Etwas stimmt mit Bogenius Reportagen nicht. Ist der Schein doch zu schön, um wahr zu sein? Als Romero dem nachgeht, findet er Unglaubliches vor. Vieles von dem, was Bogenius schreibt, ist frei erfunden! Doch wie bringt man das den Vorgesetzten, den Faktencheckern und Arbeitskollegen bei, die zunächst nur das als wahr erachten, was sie gerne hören?

Wir haben Jonas Nay zum Interview getroffen und mit ihm über seine Rolle als Lars Bogenius gesprochen.

ZEITjUNG: Warum hast du Tausend Zeilen gedreht? Was hat dich an dem Film gereizt?

Jonas: Am allermeisten hat mich meine Rolle gereizt, also die Rolle eines Hochstaplers. Das ist glaube ich etwas, worauf jeder Schauspieler per se erstmal Lust hat, weil sie Schauspieler im echten Leben sind. Sie verklickern den Leuten um sich herum, eine Person zu sein, die es eigentlich nicht gibt und das nicht nur auf der Bühne oder wenn die Kamera läuft, sondern 24/7, immer. So jemanden spielen zu können, hat mich tierisch gereizt.

ZEITjUNG: Hast du dich auf deine Rolle vorher besonders vorbereitet?

Jonas: Die intensivste Vorbereitung, oder das, was mich am allermeisten geprägt hat, waren die Gespräche mit Juan Moreno. Der Film, den wir gedreht haben, ist inspiriert von seinem Buch Tausend Zeilen Lüge. Als Autor dieses Buches war er für mich einfach eine wahnsinnig spannende Inspiration. Ich habe mich auch generell viel mit Hochstaplertum auseinandergesetzt und geguckt, was ich da so alles in meinen Lars Bogenius einfließen lassen kann. Da gibt es beispielsweise diese Spiegeltechniken, bei denen das Verhalten des Gegenübers gespiegelt wird, um Vertrauen herzustellen.

ZEITjUNG: Welche Schauspielerrollen bevorzugst du – Solche, die von deiner Persönlichkeit abweichen oder solche, die dir ähnlich sind?

Jonas: Das ist gar nicht so leicht zu sagen. (überlegt) Ja, ich denke, der Reiz ist schon stärker, wenn es eine Persönlichkeit ist, die weiter weg von einem ist. Ich kann aber nicht sagen, ob das auch per se die beste Besetzungsentscheidung ist. (lacht) Der Reiz ist natürlich total da, gerade an den bösen und verbotenen Charakteren. Nichtsdestotrotz glaube ich an Typecast und ich glaube auch daran, dass eine Rolle dann am besten wirkt, wenn sie möglichst authentisch an demjenigen oder derjenigen dran ist, die spielt. Oft sind es bei mir aber gar nicht die Rollen, die mich reizen, also in dem Fall war es jetzt so, aber es können auch ganz andere Faktoren sein. Ich habe viele historische Rollen gespielt, da hat mich der geschichtliche Background sehr interessiert. Aber auch gesellschaftlich politische Themen, die in Filmen behandelt werden, können mich total packen. Oder die Art und Weise wie ein Drehbuch geschrieben ist. Manchmal reicht es auch nur zu wissen, mit wem man den Film macht. Ich habe mich zum Beispiel total auf die Zusammenarbeit mit Michael Bully Herbig gefreut, weil sein Humor meine Jugend und Kindheit sehr geprägt hat.

ZEITjUNG: Aus welchen Gründen, denkst du, hübscht Lars Bogenius seine Reportagen auf? Was ist seine Motivation?

Jonas: Das war auch eine Frage, die mich beschäftigt hat. Was ist es, was Lars Bogenius letztlich antreibt? Und wir verraten es ja auch nicht so wirklich. (lacht) Ich habe versucht da so ein bisschen einen Schleier drauf zu lassen. Bei Lars Bogenius setzen wir ja an einem Punkt an, wo es nicht mehr darum geht, lüge ich oder lüge ich nicht, erfinde ich oder erfinde ich nicht, sondern er hat schon jahrelang betrogen und gelogen und er reitet jetzt auf so einer totalen Glücks- und Erfolgswelle. Er hat den Absprung verpasst und es gibt kein Zurück mehr, auch für ihn nicht. Mich hat es interessiert, was das mit jemandem machen kann, bei dem dieser Zustand der Glückswelle scheinbar unendlich andauert. Ich habe meinen Schwerpunkt auf dieses Gefühl gelegt und probiert den Zuschauer eher mitknobeln zu lassen, was Bogenius eigentlich antreibt.