John Heartfield 1891 – 1968

John Heartfield,
der Begründer der politischen Fotomontage,
wurde als Helmuth Herzfeld
am 19. Juni 1891 in Schmargendorf
(heute Berlin-Schmargendorf) geboren.

Biographie

„John Heartfield ist einer der bedeutendsten europäischen Künstler. Er arbeitet auf einem von ihm selbst erschaffenen Feld, der Fotomontage. Vermittels dieses neuen Kunstmittels übt er Gesellschaftskritik […]. Die Blätter dieses großen Satirikers […] werden von vielen, darunter dem Verfasser dieser Zeilen, für klassisch gehalten.“
Bertolt Brecht
 

Nach einer abgebrochenen Buchhändlerlehre und einer Ausbildung an Kunst-gewerbeschulen in München und Berlin wurde er 1914 als Gardesoldat eingezogen,
dann aber auf Grund einer simulierten Nervenkrankheit entlassen. Er verkehrte im Romanischen Café mit der Berliner Bohème um Else Lasker-Schüler und mit George Grosz und gehörte der kleinen Gruppe junger Berliner Intellektueller an, welche sich frühzeitig der allgemeinen Kriegsbefürwortung entzog. Aus Protest gegen die antienglische Kriegspropaganda nahm er den Namen John Heartfield an und gründete mit seinem Bruder Wieland Herzfelde die oppositionelle Zeitschrift „Neue Jugend“ und 1917 den nach einem Roman von Else Lasker-Schüler benannten „Malik-Verlag“.

Einige Zeit später gehörte Heartfield auch zu den Initiatoren der Berliner Dada-Bewegung und trat gemeinsam mit seinem Bruder, George Grosz und Erwin Piscator der gerade gegründeten KPD bei. Nach einem Intermezzo als Ausstatter und Regisseur bei der UFA arbeitete Heartfield für Erwin Piscator an der Reinhardt-Bühne, engagierte sich für die KPD in deren grafischem Atelier und gab gemeinsam mit Kurt Tucholsky 1929 das viel beachtete Bilderbuch „Deutschland, Deutschland über alles“ heraus. Ein Jahr später begann seine ständige Mitarbeit bei der „Arbeiter-Illustrierten-Zeitung“, für die bis 1938
die klassischen Fotomontagen zur Zeitgeschichte entstanden. 1933 floh der Künstler
nach Prag und von dort 1938 weiter nach London. Dort arbeitete er als Buchgestalter
für englische Verlage und erhielt eine Arbeitserlaubnis als freischaffender Cartoonist.

Die Rückkehr Heartfields nach Leipzig und Berlin fiel in die äußerst problematische Zeit der „Formalismusdiskussion“ in der DDR. Nach zwei Herzinfarkten 1951 und 1952 übernahm er wieder umfangreiche Arbeiten als Ausstatter und Bühnenbildner u. a. für das Berliner Ensemble und das Deutsche Theater. 1956 wurde Heartfield zum Mitglied der Deutschen Akademie der Künste (Ost) gewählt. Es folgten weitere staatliche Ehrungen und zahlreiche internationale Ausstellungen. Am 26. April 1968 starb der Fotomonteur, Bühnenbildner und Typograf John Heartfield nach einer schweren Virusgrippe in Berlin.
Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt.

Die Fotomontagen gegen den Nationalsozialismus gehören zu den herausragenden künstlerischen wie zeitgeschichtlichen Zeugnissen im Werkschaffen Heartfields. Sie wurden in den letzten Jahren mehrfach auf internationalen Ausstellungen in Europa,
Israel und den USA gezeigt.

Gemäß dem Testament der Eheleute John und Gertrud Heartfield wurde 1984 ein
Archiv für den gesamten künstlerischen und schriftlichen Nachlass eingerichtet.
Diese Schenkung wird heute als eines der bedeutendsten Zeugnisse der Berliner und deutschen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts vom Archiv der Akademie der Künste betreut.

Kindheit, Jugend, Ausbildung, Militärdienst

19. Juni 1891 Geburt von Helmuth Herzfeld in Schmargendorf bei Berlin. Als der Vater Franz Held (1862-1908) wegen Gotteslästerung verurteilt wird, flüchtet er mit seiner Ehefrau Alice (geb. Stolzenberg, 1867-1911) in die Schweiz,
später nach Aigen bei Salzburg in Österreich.
1899 Er und seine drei Geschwister (Hertha, Wieland, Charlotte) verlieren beide Eltern unter bis heute ungeklärten Umständen in Aigen bei Salzburg. Der Bürgermeister
des Ortes nimmt die Kinder auf.
1905 / 1906 Nach Abschluss der Volksschule Beginn einer Buchhändlerlehre in Wiesbaden.
1908 – 1911 Studium an der Königlich-Bayrischen Kunstgewerbeschule in München. Beeinflussung durch die Reklamezeichner und Plakatmacher Albert Weisgerber und Ludwig Hohlwein.
1912 Arbeit als Werbegrafiker in der Druckerei Gebrüder Bauer
in Mannheim; erster Bucheinband für die „Ausgewählten Werke“ seines Vaters Franz Held. Bekanntschaft mit seiner späteren Frau Helene Balzar.
1913 Rückkehr nach Berlin und Studium an der Kunst- und Handwerkerschule in Berlin-Charlottenburg
bei Ernst Neumann.
1914 / 1915 Militärdienst im Berliner Kaiser-Franz-Josef-Regiment; Bekanntschaft mit George Grosz. Vernichtung seiner frühen Gemälde (vorwiegend Landschaftsbilder).
Entlassung aus dem Garderegiment wegen einer simulierten Nervenkrankheit.
1916 Helmuth Herzfeld nennt sich aus Protest gegen die antienglische Kriegspropaganda „Gott strafe England!“ fortan John Heartfield.

Wirken in Deutschland

1917 gründet gemeinsam mit seinem Bruder Wieland Herzfelde und in Zusammenarbeit mit George Grosz den Malik-Verlag; typografische Gestaltung der Wochenausgabe
der „Neuen Jugend“.
1917 / 1918 Filmausstatter in Berlin bei den Brüdern Grünbaum und Regisseur bei der Militärischen Bildstelle der späteren UFA (Trickfilmabteilung). Heirat mit Helene Balzar.
1918 Mitglied des Berliner „Club Dada“. Geburt des Sohnes Tom. Am 30. Dezember tritt er gemeinsam mit seinem Bruder Wieland, George Grosz und Erwin Piscator in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein.
1919 Entlassung bei der UFA wegen seines Aufrufs zum Streik aus Anlass der Ermordung von Karl Liebknecht und
Rosa Luxemburg. Mitherausgeber der später verbotenen satirischen Zeitschrift „Jedermann sein eigner Fußball“. Zusammen mit Wieland Herzfelde und George Grosz Gründung der politisch satirischen Zeitschrift „Die Pleite“.
1920 Bühnenbilder für Erwin Piscators „Proletarisches Theater“ in Berlin. Geburt der Tochter Eva. Bekanntschaft mit Otto Dix u. a. Teilnahme an der „I. Internationalen Dada-Messe“ in Berlin.
1921 / 1922 Buchumschläge, Typografie und Buchgestaltung u.a. für
den „Malik Verlag“, den „Verlag für Literatur und Politik“,
den „Neuen Deutschen Verlag“. Ausstattungsleiter der Reinhardt-Bühne in Berlin. Heartfield arbeitet vor allem
für die KPD, insbesondere als Redakteur und Gestalter
der satirischen Zeitschrift „Der Knüppel“ (1923-1927)
und für das KPD-Zentralorgan „Die Rote Fahne“.
1924 – 1927 erste Begegnung mit Bertolt Brecht. Anlässlich des
10. Jahrestages des Beginns des Ersten Weltkrieges stellt er im Schaufenster der Malik-Buchhandlung in Berlin seine erste zeitgeschichtliche Fotomontage „Nach zehn Jahren – Väter und Söhne“ aus. Mit George Grosz, Rudolf Schlichter und Erwin Piscator Gründung der „Roten Gruppe“ in Berlin. Verschiedene Arbeiten für die Propaganda-Abteilung des Zentralkomitees der KPD. 1927 Ausstatter der Piscator-Bühne (Theater am Nollendorfplatz). Zweite Ehe mit Barbara Friedmann. Fotomontagen zur Zeitgeschichte
für die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung (AIZ bis 1935, ab 1936 Volks-Illustrierte; [1927-1933 Berlin, 1933-1938 Prag].
1929 Fotos und Fotomontagen zu
„Deutschland, Deutschland über alles“ von Kurt Tucholsky.
1931 / 1932 UdSSR-Reise: Vorträge und Unterricht, Reise nach Baku, Batumi, Odessa im Auftrag der Zeitschrift „USSR in construction“. Ausstellung von etwa 300 eigenen Arbeiten in Moskau. Freundschaft mit Sergei Tretjakow, Bekanntschaft mit Alexander Rodtschenko. Rückkehr nach Berlin

Exil in Prag und London

1933 Während der Osterfeiertage flieht Heartfield vor den Nationalsozialisten nach Prag; dort Wiederaufnahme der Arbeiten für den Malik-Verlag und die AIZ.
1934 Beteiligung an der Internationalen Karikaturenausstellung
im Prager Kunstverein Mánes, die zu diplomatischen Verwicklungen zwischen der CSR und Deutschland führt.
1. November: Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft durch die Hitlerregierung.
1935 Aufenthalt in Paris. Hier findet die Ausstellung
„150 photomontages“ im „Maison de la Culture“ statt. Bekanntschaft mit Walter Benjamin. Buchumschläge
für Willi Münzenbergs Editions du Carrefour.
1936 / 1937 Teilnahme an der „Internationalen Foto-Ausstellung“ im Prager Kunstverein Mánes und an der Ausstellung
„50 Jahre Mánes“. Wegen der Drohung Deutschlands,
die diplomatischen Beziehungen zur CSR abzubrechen, müssen einige Arbeiten Heartfields entfernt werden.
1938 Im Dezember Flucht aus Prag nach England wegen der bevorstehenden Besetzung der CSR durch die deutsche Wehrmacht.
1939 Trennung von seinem Bruder, dem das Verbleiben in England verweigert wurde. Ausstellung „One man’s war against Hitler“ in der Arcade Gallery in London.
1940 – 1942 Internierung als „feindlicher Ausländer“ in drei englischen Internierungslagern. Nach einer schweren Erkrankung,
wird er von seiner späteren Frau Gertrud Fietz gepflegt.
Der Freie Deutsche Kulturbund feiert den 50. Geburtstag John Heartfields mit einer Ausstellung. Im August 1942 Beteiligung an der Kulturbundausstellung „Allies Inside Germany“ in London.
bis 1950 1943 Arbeitserlaubnis als freischaffender Cartoonist. Arbeit als Buchgestalter für englische Verlage. Heartfield erreichen in London Berufungen als Professor für satirische Grafik in Dresden und als Lehrbeauftragter für Zeitungswesen in Berlin, die er nicht annimmt.

Leipzig, Berlin und Waldsieversdorf

1950 Bemühungen um Heartfields Rückreise werden angesichts des Kalten Krieges zwischen Ost und West immer problematischer. Besonders groß ist das Misstrauen der DDR-Regierung gegenüber allen Emigranten, die noch
so „spät“ aus dem westlichen Exil heimkehren wollen. Heartfield gelingt es, mit Gertrud Fietz nach Leipzig zurückzukehren. Hier beginnt die zeitweilige Zusammenarbeit der Brüder als „Werkstatt: H&H“ unter anderem für Theater und Verlage der DDR.
1951 – 1953 Ein Beschluss der Zentralen Parteikontrollkommission der SED verdächtigt alle „Westemigranten“ – unter ihnen auch die Brüder Herzfelde – „verräterischer Verbindungen“ zu westlichen Geheimdiensten. Heartfield erleidet seinen ersten Herzinfarkt. Die zum 60. Geburtstag vom späteren Kulturminister Johannes R.Becher angekündigte Heartfield-Ausstellung findet nicht statt. Ein Partei-Wiederaufnahme-verfahren wird wie die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Künste (DDR) abgelehnt. 1952 Heirat mit Gertrud Fietz. Gemeinsame Arbeit mit ebenfalls von Parteibeschlüssen bedrohten Künstlern wie Wolfgang Langhoff und Betty Loewen in Nikolai Pogodins Stück
„Das Glockenspiel des Kreml“ (Deutsches Theater).
Zweiter Herzinfarkt in Leipzig mit anschließendem Krankenhausaufenthalt bis zum Mai 1953. Heartfield besucht auf Empfehlung von Bertolt Brecht die Märkische Schweiz. In den nächsten Jahren verbringt er seine Sommerurlaube in Buckow.
1954 Wiederaufnahme der Arbeit für Berliner Theater (Kammerspiele und Berliner Ensemble). Stefan Heym fordert öffentliche Anerkennung der künstlerischen Arbeit von John Heartfield.
1956 Die Veränderungen in der UdSSR nach dem Tode Josef Stalins (1953) bewirken in der DDR mit einiger Verspätung die Zurücknahme der Beschlüsse zu den Parteiverfahren ehemaliger „Westemigranten“. Es folgt die verdiente künstlerische und politische Anerkennung der Brüder Herzfelde. Heartfield wird im Oktober zum Ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie der Künste gewählt, auch seine Parteimitgliedschaft gilt nun als ununterbrochen.
1957 Erste umfassende Heartfield-Ausstellung in der DDR in der Akademie der Künste „John Heartfield und die Kunst der Fotomontage“. Nach dem Umzug von Leipzig nach Berlin pachtet Heartfield ein Grundstück in Waldsieverdorf und errichtet hier ein Sommerhaus, in dem er fortan mit seiner Frau die Sommermonate verbringt. Chinareise und Nationalpreis II. Klasse für Kunst und Literatur der DDR,
in Moskau erhält er einen Teil der wieder aufgefundenen Werke seiner Moskauer Ausstellung von 1931 zurück.
1958 – 1967 Ausstellungen u. a. in der DDR, CSSR, Großbritannien, Italien, Ungarn, Schweden, Schweiz und Westberlin.
Erster Film über John Heartfield (DEFA), eine umfassende Heartfield-Monografie erscheint. Verleihung des Professorentitels und anderer Auszeichnungen.
1964 Legalisierung des Pseudonyms „John Heartfield“.
1968 Nach schwerer Erkrankung stirbt John Heartfield am
26. April in Berlin und wird auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof beigesetzt. Dem Testament folgend wird ein Archiv für seinen künstlerischen und schriftlichen Nachlass an der Akademie der Künste eingerichtet.

vgl. hierzu auch: Petra Albrecht und Michael Krejsa In: „John Heartfield“, hrsg. von Peter Pachnicke und Klaus Honnef, New York 1992.