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„Es gibt Träume, die nur einem einzelnen Menschen bestimmt sind“

Freier Mitarbeiter im Feuilleton
Johanna Wokalek bei der Filmpremiere „She Came to Me“ auf der Berlinale 2023 Johanna Wokalek bei der Filmpremiere „She Came to Me“ auf der Berlinale 2023
Im Rampenlicht: Johanna Wokalek
Quelle: pa/Geisler-Fotopress/Frederic Kern
Johanna Wokalek ist eine vielgefragte Schauspielerin, spielte in Filmen wie „Die Päpstin“ und „Aimee und Jaguar“. Doch das Theater hat für sie eine einzigartige Faszination. Jetzt tritt sie erstmals in Berlin auf. Das hat mit dem Humor einer sehr besonderen Frau zu tun.

Auf der Leinwand hat sie von der Päpstin bis zur Terroristin so gut wie alles gespielt, nun arbeitet Johanna Wokalek das erste Mal an einem Berliner Theater. Wir treffen die 48-jährige Schauspielerin in der Kantine des Berliner Ensembles, vor der Premiere von „Ich hab die Nacht geträumet“ der Regisseurin Andrea Breth. Die beiden kennen sich schon lange, haben gemeinsam große Erfolge am Wiener Burgtheater gefeiert.

Fürs Theater hat Wokalek außerdem mit Größen wie Luc Bondy, Peter Zadek, Thomas Vinterberg und Pina Bausch gearbeitet, im Kino kam ihr Durchbruch mit Filmen wie „Aimée & Jaguar“, „Hierankl“ und „Barfuß“. Dazu wird sie ab diesem Jahr als Kommissarin im „Polizeiruf 110“ zu sehen sein.

Mit der WELT spricht Johanna Wokalek über ihre Träume und erzählt, warum das Theater für sie ein besonderes Erlebnis ist.

WELT: Johanna Wokalek, alle Menschen träumen nachts, nicht alle erinnern sich am Morgen. Was bleibt Ihnen im Gedächtnis?

Johanna Wokalek: Es sind meist konkrete Szenen. Vielleicht sind es eher die frühen Träume im halbwachen Zustand. Die inszeniere ich womöglich selbst ein bisschen mit und gestalte sie, daher erinnere ich mich an die besonders gut. Das hat auch etwas Theatralisches. Ich bin dann die Regisseurin meiner eigenen Träume, ohne das bewusst zu wissen.

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WELT: Eine Traumbühne, so wie Sie es mit Andrea Breth in „Ich hab die Nacht geträumet“ im Berliner Ensemble machen?

Wokalek: Ich kenne Andrea Breth schon sehr lange und ich habe bei allen bisherigen Arbeiten immer das Gefühl gehabt, dass Träume ein großes Thema für sie sind. Es hat mich nicht gewundert, dass sie sich das Thema für diesen Abend gewählt hat, den sie mit uns baut, gestaltet und kreiert. Es ist für die Bühne eine große, aber schöne Herausforderung, weil Träumen an sich etwas Schwebendes hat. Wir sind uns des Träumens bewusst, es ist aber nicht so erdverhaftet, wie wenn wir wach sind. Das Schweben hat eine große Faszination für mich und es ist sehr reizvoll, dass für die Zuschauer erlebbar zu machen.

WELT: Auch Albträume? Die schrecken uns, können aber für die Kunst inspirierend sein, denkt man an die Literatur von Frank Kafka oder die Malerei des Surrealismus.

Wokalek: Der Traum vergrößert die Fantasie, der Albtraum vergrößert die dunklen Fantasien. Es tauchen Extreme auf, in den Gefühlen und den Szenerien. Das können die Liebe und das Schöne, aber auch Angst und Schrecken sein. So ist es auch, wenn das Schriftsteller aufschreiben oder Maler zeichnen. Das ist eigentlich der beinahe unmögliche Versuch, ein inneres Bild und ein inneres Gefühl, zu vergegenständlichen oder bildhaft werden zu lassen. Das ist auch unsere Aufgabe bei „Ich habe die Nacht geträumet“, auch der große Reiz.

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Das Traumbild, das wir zusammen auf der Bühne zeigen, hat Andrea Breth mit uns entworfen. Wir lassen es lebendig werden, auch mit Hilfe des großartigen Pianisten Adam Benzwi. Musik erreicht uns wie das Träumen vor dem Sprechen, sie trifft uns unmittelbar emotional. Die Musik trägt uns durch den Abend, der wie ein feines Gewebe ist – ein Traumkonstrukt aus Musik, Licht, Kostüm, Sprache und Bildern.

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WELT: Sie arbeiten seit über 20 Jahren immer wieder mit Andrea Breth. Was schätzen Sie an ihr und der Zusammenarbeit?

Wokalek: Andrea Breth ist unglaublich humorvoll. Außerdem hat sie eine große Fantasie. Und sie versteht auch meine Fantasie und gibt ihr Raum, das macht es besonders schön. Es ist ein großes Bestreben von ihr – und auch von uns –, etwas wie Poesie lebendig zu machen. Das ist nicht einfach in dieser lauten und fordernden Welt. Das schließt den Alltag nicht aus, aber es spiegelt ihn nicht auf eine tagespolitische Art und Weise. Wir wollen die Realität durch unsere Welt der Poesie hinterfragen und anders spiegeln.

WELT: „I have a dream“, lautet der berühmte Ausspruch von Martin Luther King. Was ist mit den politischen Träumen?

Wokalek: Wir müssen immer Träume lebendig halten, das ist wesentlich für unsere Existenz. Das sind die politischen, die poetischen und die persönlichen, das gehört zu unserem Menschsein. Mal sehen, welche Träume wir uns oder anderen erfüllen können, vielleicht sind sie unerfüllbar, aber wir müssen doch träumen. Und es gibt, wie bei Martin Luther King, Träume für viele und andere, die nur einem einzelnen Menschen bestimmt sind.

WELT: Sie haben im Theater kürzlich eine legendäre Inszenierung von Pina Bausch wiederaufgeführt, außerdem treten Sie künftig im „Polizeiruf 110“ als Kommissarin auf. Ist das ein Gegensatz?

Wokalek: In „Sisi & Ich“ spiele ich auch mit, der ist wirklich toll! Theater und Film sind unterschiedlich. Die Bühne hat für mich eine große Faszination, weil alles im Jetzt stattfindet. Der Vorhang geht hoch und viele Menschen erleben miteinander gemeinsam diesen Moment. Gerade, nachdem wir uns immer mehr in unser Zuhause zurückgezogen haben, wo wir Serien und Filme streamen, hat das Theater wieder eine große Chance, wo man eine Erfahrung miteinander teilt. Das ist ein unverwechselbares Erlebnis, das gemeinsame Erleben des Augenblicks.

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WELT: Die Bühne hat einen Ort. Sie treten das erste Mal in einem Theater in Berlin auf, oder?

Wokalek: Mit dem Burgtheater waren wir zum Theatertreffen eingeladen, so kenne ich das Berliner Publikum schon ein bisschen. Davon abgesehen ist es das erste Mal für mich auf einer Bühne hier, ich freue mich auf das volle Haus, das Publikum und die Reaktionen. Ich bin neugierig, auch ob es Unterschiede mit meinen jahrelangen Erfahrungen in Wien gibt. Die Menschen sind ja verbunden mit der Gegend, aus der sie kommen, und ihrer Geschichte. Wien und Berlin, das sind vollkommen unterschiedliche Städte und Mentalitäten.

WELT: Im Münchner Polizeiruf haben Sie die Rolle von Verena Altenberger übernommen. Die erste Folge wurde bereits gedreht und wird noch dieses Jahr ausgestrahlt. Mögen Sie Kriminalfilme?

Wokalek: Ich liebe Genrefilme, die erzählerisch und visuell raffiniert sind. Ich freue mich beim „Polizeiruf 110“ vor allem auf die Vielfalt, die verschiedenen Autoren, Regisseure und Schauspieler, mit denen man zusammenarbeitet. Und jedes Mal will man das Beste daraus machen. Das sind tolle Begegnungen. In der Kunst geht es um Austausch, daraus entsteht immer etwas anderes. Darauf freue ich mich jedes Mal wieder.

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