Der Vater
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Der Vater

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Das Goethe-Museum in Frankfurt bricht eine Lanze für den gemeinhin nicht beliebten Johann Caspar Goethe.

Es ist in vielen Fällen gewiss schwierig, der Sohn eines Vaters zu sein. Jedoch ist es mindestens so schwierig, der Vater eines berühmten Sohnes zu sein. Da Ersteres auf fünfzig Prozent der Bevölkerung zutrifft und Zweiteres nicht, hatte Johann Caspar Goethe (1710–1782) aber stets einen schlechten Stand. Anmerkungen des sogar außerordentlich berühmten Sohnes aus „Dichtung und Wahrheit“ traten hinzu. Thomas Mann fasst später zusammen: Johann Wolfgang von Goethes Herkunft sei „biologisch nicht gar vielversprechend“ gewesen, sein Vater ein „moroser, berufsuntätiger, sammeleifriger Eigenbrötler und lastender Pedant“.

Dem im Gegensatz zu seiner Frau kaum besungenen Wirklichen Kaiserlichen Rat, Juristen, Italienreisenden, Lautenspieler will das Frankfurter Goethe-Museum nun ein wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen. Es ist das Jahr seines 300. Geburtstages (am 29. Juli). Und wer an den Vitrinen entlanggeht und Doris Hopp eine Weile zuhört, die die Schau zusammen mit Joachim Seng vorbereitet hat, begreift alsbald, dass Goethes Vater vor allem sehr normal war. Als erster Akademiker und erster Erbe seiner sich soeben aus einfachen Verhältnissen rappelnden Familie reiste er begeistert durch Italien, schrieb darüber auf Italienisch und zeichnete eine Brücke ab. Doris Hopp sagt (nicht zum einzigen Mal): Er hat sich Mühe gegeben. Zurück in Frankfurt heiratete er vorzüglich und widmete sich zwei Langzeitprojekten: dem Umbau des Goethehauses und der Erziehung seines Sohnes (dass er auch seine Tochter mit Sorgfalt ausbildete, gehört zu den ungewöhnlicheren Facetten).

Dazu sammelte er Bücher und Gemälde – nach just den Kriterien, nach denen in jener Zeit alle wohlhabenden Frankfurter sammelten, wie zu erfahren ist –, befasste sich mit der Seidenraupenzucht oder schrieb an seiner Geschichte Frankfurts. Hier aber einmal etwas Sensationelleres: Im politischen Zank mit dem Schwiegervater warf dieser ein Messer nach ihm, worauf Johann Caspar (begeisterter Anhänger Friedrichs des Großen) den Degen zog. „Pfarrer Clauder so dabey war stiftete Frieden.“

Seiner Frau machte er kostspielige Geschenke, war also kaum der Knicker, als den man ihn sehen wollte (aber er hatte ein Buch über das Schätzen des Wertes von Perlen und Diamanten). Dass er den studierenden Sohn finanziell gut ausstattete, ist nicht jedem Johann-Caspar-Verächter bewusst.

Doris Hopp hegt sogar Zweifel daran, dass es tatsächlich die Großmutter war, die dem kleinen Johann Wolfgang jenes berühmte Puppentheater schenkte. Als Vater Goethe die Ausgabe ins Haushaltsbuch eintrug, war die Großmutter bereits längere Zeit tot. Dass der unbeliebte Vater dieses folgenreiche Präsent machte, passt freilich nicht ins Bild (und so steht es ja auch nicht in „Dichtung und Wahrheit“, dessen Titel zu bekannt ist, um ihn noch durchzulesen und zu beachten).

Neben den teils aus Weimar entliehenen Schriftstücken gibt es einen bunten Mix an Gegenständen, etwa eine seidene Weste, die mutmaßlich einem Halbbruder Johann Caspars gehörte. Oder das Hähnchen vom Schwengel des Brunnens im Hof des Hauses. Zwei Prinzessinnen, die 1790 zur Kaiserkrönung Josephs II. im Goethehaus übernachteten, sollen es beim Spielen abgebrochen haben!

Ja, Johann Caspar lebte, wie viele lebten. Es gibt Lücken in seinem Lebenslauf, die Rätsel aufgeben. Die Frage, ob es ihn glücklich machte, nicht berufstätig zu sein, bleibt im Raum. Dass er aber stolz auf den Sohn war, geht aus dem Brief hervor, der der Schau den Titel „Goethe Pater“ gab. So unterzeichnete er das Schreiben, in dem er froh berichtete, dass sein Sohn, „dieser Singuläre Mensch“, Legationsrat in Weimar geworden sei. Zur Bestattung des Vaters (ebenfalls beliebter Teil der Beweisführung) habe der Sohn übrigens gar nicht reisen können, so Hopp, da er viel zu spät davon erfahren habe. So wird im Goethe-Museum eine Lanze für eine entkomplizierte Vater-Sohn-Beziehung gebrochen. Aber gerne.

Goethe-Museum Frankfurt: bis 27. Februar. Publikation zur Ausstellung 19,80 Euro. www.goethehaus-frankfurt.de

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