Jochen Schropp: Moderator und Ehemann Norman wohnen getrennt | GALA.de
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Jochen Schropp über Wohnsituation mit Norman "Das ist nichts, wofür ich mich rechtfertigen muss"

Jochen Schropp
© Nils Schwarz
Mobbing und die Scham vor der eigenen Sexualität: Jochen Schropps Jugend war herausfordernd, sie habe ihm aber auch geholfen, sich heute besser gegen Diskriminierung zu wehren. Ein Gespräch über gesellschaftliches Unverständnis, Übergriffigkeit und Identitätsfragen.

Sich von gesellschaftlichen Normen freizumachen, falle Jochen Schropp, 43, heute noch manchmal schwer. Mit seinem Ehemann Norman, den er im März 2022 geheiratet hat, lebt der Moderator nicht zusammen. Jeder hätte seinen "Rückzugsort", erklärt er im GALA-Interview. Ein Arbeitskollege habe sich überrascht darüber gezeigt, doch Schropp wolle sich für seine Lebensführung nicht rechtfertigen.

Lange wurde Jochen vermittelt, dass seine Liebe zu Männern nicht ok ist. In Songs, Filmen und Serien wurde oft über schwule Männer gelacht, auch heute noch steht Homosexualität in vielen Ländern unter Strafe. Erst mit 39 Jahren hatte der Schauspieler, der im ländlichen Teil Hessens aufwuchs, sein Coming-out, das sogar im Jahr 2018 noch hohe Wellen schlug. In seinem Buch "Queer as f*ck" schildert Schropp seinen Weg zu sich selbst, blickt auf schmerzhafte und lehrreiche Situationen zurück, nimmt Suchende an die Hand und liefert mithilfe von Diplom-Psychologin Miriam Junge einen hilfreichen Ratgeber für die LGBTQIA+-Community – und all die, die sich für tolerant halten.

Jochen Schropp: "Meistens fragen das ältere Generationen, was total übergriffig ist"

GALA: Welche queeren Fragen oder Aussagen kannst du nicht mehr hören und sollten tabu sein?
Jochen Schropp: Über folgende absurde Frage kann ich nur noch den Kopf schütteln: "Wer ist der Mann und wer ist die Frau?". Meistens fragen das ältere Generationen spaßig in Stammtischlaune, was zum einen total übergriffig ist, da es keinen etwas angeht, sollte die Frage sexuell gemeint sein. Es ist aber auch eine Frage danach, wer in einer heteronormativen Welt kocht, putzt und wer das Geld verdient. Diese klischeehaften Rollenbilder gelten jedoch als völlig überholt.

Auch die Aussage "Schade, wieder ein Verlust für die Frauenwelt" sollte tabu sein. Das ist zwar als Kompliment gemeint, und ich finde sie selbst nicht schlimm. Ich weiß aber auch, dass andere queere Menschen genervt davon sind. Sätze wie "Du siehst gar nicht schwul aus" oder "Ich hätte nicht gedacht, dass du schwul bist" gehen ebenfalls gar nicht. Wie sieht denn ein schwuler Mann aus? Und wie ein heterosexueller Mann? Männer kleiden sich unterschiedlich, was aber nicht auf ihre sexuelle Orientierung zurückgeführt werden sollte.

Dazu passt auch das Klischee, dass schwule Männer eine bestimmte Art haben zu reden, was ebenfalls völlig überholt ist. Im Film "Der Schuh des Manitu" hat darüber einst ein Millionenpublikum gelacht …
Da wurde der schwule Mann wohlgemerkt von heterosexuellen Schauspielern als nasal redend und mit einer bestimmten Körperlichkeit dargestellt. Darüber soll gelacht werden? Verstehe ich nicht.

Das Problem: Immer wieder wurde meine sexuelle Orientierung negativ dargestellt, in Filmen wie Serien.

Der negativ-besetzte Ausdruck "Boah ist das schwul" wird heute noch benutzt. Das höre ich manchmal auch noch im Job und stelle dann immer die Gegenfrage: "Ist das jetzt gut oder schlecht?"

Jochen Schropps Buch "Queer as f*ck: Selbstbestimmung, Sex und Sichtbarkeit – und warum ihr nicht so tolerant seid, wie ihr denkt" ist am 10. Mai 2022 im EMF-Verlag erschienen.
Jochen Schropps Buch "Queer as f*ck: Selbstbestimmung, Sex und Sichtbarkeit – und warum ihr nicht so tolerant seid, wie ihr denkt" ist am 10. Mai 2022 im EMF-Verlag erschienen.
© PR

Deshalb bin ich auch froh, mich öffentlich geoutet zu haben, um genau solche Fragen stellen und anders darauf reagieren zu können als damals. Da habe ich aus Sorge, man könne mich für schwul halten, bei solchen Äußerungen geschwiegen. Zudem wurde ich als Jugendlicher von einigen Mitschülern gemobbt und als Schwuchtel beschimpft – wieder eine Situation, in der mein schwul sein negativ besetzt gewesen ist.

Mobbing in der Jugend: Schropp hatte Angst, zu ertrinken

Im Buch schilderst du, damals im Schwimmbad so lange unter Wasser getaucht worden zu sein, dass du dachtest, du würdest ertrinken. Andere Gleichaltrige haben dich ausgegrenzt und du hast dir manchmal gewünscht, auf Frauen zu stehen.
Ich glaube, viele Jugendliche machen ähnliche Sachen durch, auch wenn sie nicht homosexuell sind, weil sie aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Körpers gemobbt werden.

Ich wusste, dass ich es als schwuler Mann schwer haben werde und es etwas ist, was nicht bei allen Menschen gut ankommt.

Deswegen hatte ich gehofft, dass ich ein Leben führen kann, das als "normal" angesehen wird, das akzeptiert wird und dass ich nicht gegen irgendwas kämpfen muss. Ich glaube, heute ist die Sichtweise vieler Menschen offener. Aber gerade in dörflichen Gemeinden ist es vermutlich immer noch schwierig – dort, wo man wenig Kontakt zu queeren Personen hat.

Wie hast du geschafft, diese schlimmen Erfahrungen zu verarbeiten?
Es gibt zwei Arten von Menschen, die Mobbing-Erfahrung durchmachen: Die einen sind dadurch geprägt, gezeichnet und arbeiten ein Leben lang daran, das zu überwinden und die anderen wachsen daran. Ich gehörte zu Letzteren. Mein Highschool-Jahr in Amerika war damals meine Art der Therapie. Da wurde ich super von meinen Mitschülern angenommen und hatte die tollsten Freunde und Freundinnen. Das war eines der prägendsten und schönsten Jahre meines Lebens. Ich war nie ein Außenseiter und war beliebt in der Schule. Es war damals heilsam, mit dem wunderbaren Auslandsjahr im Rücken nach Deutschland zurückzukehren und wieder einen Selbstwert zu besitzen. Durch die Mobbingerfahrung weiß ich heute viel besser, wie ich reagieren muss, wenn ich oder andere ungerecht behandelt werden.

Jochen Schropp wurde in seiner Jugend gemobbt. Ein "Highschool-Jahr in Amerika" sei seine "Art der Therapie" gewesen und habe seinen "Selbstwert" zurückgebracht.
Jochen Schropp wurde in seiner Jugend gemobbt. Ein "Highschool-Jahr in Amerika" sei seine "Art der Therapie" gewesen und habe seinen "Selbstwert" zurückgebracht.
© Nils Schwarz

Wie reagierst du auf diskriminierende Aussagen oder queerfeindliche Handlungen?
Ich spreche die Person in einem ruhigen Ton direkt drauf an und frage, wieso sie das gesagt hat, und gehe dann in ein Gespräch. Es bringt nichts, wenn man selbst emotional oder impulsiv reagiert. Für manche Aussagen habe ich allerdings auch kein Verständnis und keine Kraft mehr. Homophobie ist keine Meinung, die diskutiert werden muss. Aber ich habe zum Glück selten Queer-Feindlichkeit erlebt, es sind eher klischeehafte Aussagen gewesen.

"Ich habe mich dafür geschämt, diese Gefühle zu haben"

Lange stellte der Paragraf 175 den homosexuellen Akt unter Strafe. Viel Negatives wurde in der Vergangenheit mit schwul sein verbunden. Hat das deine sexuelle Entfaltung in irgendeiner Weise beeinträchtigt?
Im Endeffekt bin ich mit einer Scham aufgewachsen, weil mir vermittelt wurde, dass ich so wie ich bin, nicht ok bin. Ich habe mich dafür geschämt, diese Gefühle zu haben.

Schwul sein steht in vielen Ländern noch unter Strafe, wird auch in Deutschland von manchen Menschen als ekelhaft angesehen. Deshalb habe ich mir damals auch manchmal gewünscht, auf Frauen zu stehen.

Ich habe gedacht: "Wenn ich mit einem Mädchen zusammen bin, muss ich mich nicht schämen". Schwuler Sex war vielleicht auch oft negativ konnotiert, weil homosexuelle Männer, um selbstbestimmten Sex zu haben, viel früher darüber geredet und Tabuthemen angesprochen haben, über die man in heterosexuellen Kreisen nicht gesprochen hat. Ich glaube, da sind wir heute in der Repräsentanz in den Medien schon sehr viel weiter. Auch in den sozialen Medien findet viel Aufklärung statt.

Du hattest dein öffentliches Coming-out erst mit 39 Jahren, hast der Presse zuvor ausweichende Antworten gegeben. Privat wurde dir oft das Gefühl vermittelt, nicht richtig zu sein. Konntest du dennoch deine Identität ausleben?
Die meisten Journalisten wussten von meiner sexuellen Orientierung. Die ausweichenden Antworten haben mich im Nachhinein zum Glück nicht belastet. Andere prominente beantworten ja auch nicht alle persönlichen Fragen. Aufgrund meines privaten Coming-outs mit 17 Jahren konnte ich immer ein recht freies Leben führen. Auch im Job habe ich Kollegen davon erzählt. Seitdem ich öffentlich sage, dass ich schwul bin, kann ich dennoch ganz anders damit umgehen. Ich kann zum Beispiel auch mal vor laufender Kamera einem Mann ein Kompliment machen oder meine sexuelle Orientierung in die Moderation mit einfließen lassen und damit inklusiver agieren, weil ich die Menschen miteinbeziehe, die sich im TV sonst nicht repräsentiert fühlen.

Jochen Schropp und Ehemann Norman wohnen getrennt: "Ein Kollege war sehr überrascht darüber"

Fällt es dir heute dennoch schwer, dich von gesellschaftlichen Normen und Erwartungshaltungen freizumachen?
Ja und nein. Was meine Lebensführung angeht, kann ich mich zum Beispiel sehr gut freimachen. Heute Morgen hatte ich die Situation, dass ein Kollege sehr überrascht darüber war, dass ich nicht mit meinem Mann zusammenwohne.

Wir leben unweit voneinander entfernt und verbringen viel Zeit miteinander, haben aber jeder einen Rückzugsort. Das ist nichts, wofür ich mich rechtfertigen muss.

Ich habe gelernt, zu sagen, wenn mir etwas nicht passt und zu mir zu stehen, was in vielen Situationen sehr hilft.

Seit Juni 2017 dürfen schwule und lesbische Paare in Deutschland zwar heiraten, werden aber bei der Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen gar nicht bedacht. Wo siehst du in Sachen LGBTIQ+ rechtlichen Nachholbedarf?
Das Blutspende-Gesetz finde ich immer noch sehr diskriminierend. Ein heterosexueller Mensch wird nicht nach wechselnden Geschlechtspartnern gefragt, im Gegensatz zu queeren Leuten. Auch beim Thema Kinderwunsch sehe ich großen Nachholbedarf. Personen, die sich ein Kind wünschen, egal ob schwul, lesbisch oder hetero, sollten unterstützt werden. Es ist unfair, dass da unterschieden wird.

Gala

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