Fesselnder Blick, markante Stimme: Jeremy Irons wird 75

Fesselnder Blick, markante Stimme: Jeremy Irons wird 75

Er spielte vielschichtige Charaktere, Hollywood-Bösewichte und lieh einem berühmten Disney-Löwen seine Stimme. Mit 75 Jahren bleibt Jeremy Irons aktiv vor de...

ARCHIV - Jeremy Irons bleibt auch mit 75 Jahren beruflich aktiv.  dpa
ARCHIV - Jeremy Irons bleibt auch mit 75 Jahren beruflich aktiv. dpaBritta Pedersen/dpa-Zentralbild/

London-Sein Blick ist häufig ernst, manchmal durchdringend und immer faszinierend. Seine Stimme ist so markant und unverwechselbar, dass sie allein schon ausreicht, um das Publikum in den Bann zu ziehen. Jeremy Irons zählt seit Jahrzehnten zu den renommiertesten britischen Charakter-Darstellern am Theater und in Hollywood. Am 19. September wird der Oscar-, Golden-Globe- und Tony-Gewinner 75 Jahre alt.

In seiner langen Karriere hat er unzählige Rollen verkörpert, von Shakespeares Charakteren bis hin zu modernen Antihelden. Umso überraschende diese Aussage: „Ich habe die Schauspielerei noch nie geliebt“, bekannte Irons im Interview des „Telegraph“. „Ich mag es, Charaktere zu erschaffen und auszuarbeiten. Ich mag den kreativen Aspekt mehr als das Darstellende.“

Die Romanverfilmung „Die Affäre der Sunny von B.“ von 1990 brachte ihm den Oscar als Bester Hauptdarsteller ein. Weitere berühmte Filme von ihm sind der Actionthriller „Stirb langsam - Jetzt erst recht“ (1995), in dem er sich als Schurke Simon Gruber mit Bruce Willis anlegt, und das Historien-Epos „Die Mission“ (1986), in dem er einen Jesuitenpriester in Südamerika spielt.

Die dunklen Seiten von Menschen

Irons hat ein besonderes Talent, vielschichtige Charaktere zu spielen, die moralisch ambivalent sind. „Man kann nur dann eine überzeugende Rolle spielen, wenn man auch die dunklen Seiten der menschlichen Natur versteht“, sagte er dem „Guardian“. In der Originalfassung des Disney-Zeichentrick-Klassikers „König der Löwen“ (1994) spricht Irons den hinterhältigen Bösewicht Scar, eine Rolle wie geschaffen für den Mann mit der tiefen Stimme.

Sein Weg zur professionellen Schauspielerei begann in Bristol. Dort studierte Jeremy John Irons, der 1948 auf der Isle of Wight geboren wurde, an der Bristol Old Vic Theatre School. Während des Studiums und auch danach noch verdiente er sich etwas Geld als Straßenmusiker. Zuvor hatte er in einer Schülerband Schlagzeug und Mundharmonika gespielt. Ab den 1970er Jahren stand er regelmäßig als Schauspieler in London auf der Bühne. Zudem wirkte er in TV-Produktionen mit.

Ein Meilenstein für Jeremy Irons war 1981 die Fernsehserie „Wiedersehen mit Brideshead“ nach dem Roman von Evelyn Waugh. Für seine Darstellung des Charles Ryder erhielt er seine erste Golden-Globe-Nominierung. Das führte Anfang der 80er Jahre zu Engagements in Kinofilmen wie „Die Geliebte des französischen Leutnants“ oder „Schwarzarbeit“.

Seine Rollen in „Die Mission“, der die Goldene Palme in Cannes gewann, oder David Cronenbergs Horrorfilm „Die Unzertrennlichen“ (1988), in dem Irons Zwillingsbrüder darstellte, machten ihn einem immer größeren Publikum bekannt. Er spielte Franz Kafka in Steven Soderberghs Thriller „Kafka“, der 1991 an den Kinokassen enttäuschte, im Nachhinein aber Kultstatus erlangte. Umstritten und doch auf eine gewisse Art faszinierend war seine Interpretation von Humbert Humbert in der 1997er-Verfilmung von „Lolita“.

Nicht immer traf Jeremy Irons die besten Entscheidungen bei der Rollenauswahl. So wirkte er 2000 im Kassenflop „Dungeons & Dragons“ mit, wobei er in der missglückten Videospiel-Verfilmung noch der Lichtblick war. „Ab und zu muss man mal ein Risiko eingehen“, sagte er später dem „Guardian“. Er habe versucht, der Rolle als böser Zauberer etwas Tiefe zu geben, „so wie Alec Guinness in "Star Wars"“. Später räumte Irons ein, dass vor allem die Bezahlung ausschlaggebend gewesen sei. Seiner Karriere schadete es nicht.

„Manche haben mehr Glück als andere, manche haben mehr Talent und manche haben mehr Gelegenheiten“, befand Irons, der nach eigener Aussage viel Glück hatte, im Interview des „Telegraph“ über das Filmgeschäft. „Jedem jungen Menschen würde ich sagen: Das Leben ist nicht fair und unsere Branche ist definitiv nicht fair. Aber so ist es nunmal, damit müssen wir uns abfinden.“

An Angeboten für ihn mangelte es offensichtlich nie. Zuletzt war er als Rodolfo Gucci in „House Of Gucci“ und im Comic-Spektakel „The Flash“ als Batmans bzw. Bruce Waynes Butler Alfred Pennyworth zu sehen, eine Rolle, die er zuvor schon in den Filmen „Justice League“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“ gespielt hatte.

Immer wieder kehrte er auch auf die Theaterbühne zurück, um einige der anspruchsvollsten Rollen in der Dramenliteratur anzunehmen, von Macbeth bis zu Harold Pinters Charakteren. Als Hauptdarsteller in Tom Stoppards „The Real Thing“ („Das einzig Wahre“) wurde er 1984 mit dem Tony Award ausgezeichnet. Erst vor wenigen Wochen war Irons, der am Londoner West End und am New Yorker Broadway sein Publikum faszinierte, in Südengland in einer kleineren Produktion von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ zu sehen.

Eine Stimme für Disneyland

Aufgrund seiner besonderen Stimme sprach er Audiobücher und Gedichte ein. In Attraktionen und Fahrgeschäften der Disneyland-Parks ist ebenfalls seine Stimme zu hören. Die Tonaufnahme von „The Real Thing“ mit Irons in der Hauptrolle war 1985 für einen Grammy in der Kategorie „Bestes Spoken-Word-Album“ nominiert.

Auch im Musikgeschäft war der Brite, der in den 70er Jahren in der Kindersendung „Play Away“ und auch in „König der Löwen“ sang, häufiger aktiv. So sang er zum Beispiel auf dem Benefiz-Album „Unexpected Dreams - Songs From The Stars“ von 2006 Bob Dylans „Make You Feel My Love“.

Privat ist er seit 1978 in zweiter Ehe mit der irischen Schauspielerin Sinéad Cusack verheiratet. Das Paar hat zwei Söhne, Sam und Max, die beide schon für Filme an der Seite ihres Vaters vor der Kamera gestanden haben. Irons besitzt ein altes Schloss, das er renovieren ließ, und ein Anwesen in Irland sowie mehrere Häuser in England, darunter in London.

Im Laufe seiner Karriere hat sich Jeremy Irons oft zu sozialen und politischen Themen geäußert. Anders als für seine Theaterrollen bekam er dafür nicht immer von allen Seiten Applaus. Doch das störte den versierten Schauspieler offenbar gar nicht. Im Gegenteil. „Ein Künstler sollte provozieren, sollte die Menschen zum Nachdenken anregen“, findet Irons. „Das ist, was Kunst tun sollte, und das ist, was ich hoffe, mit meiner Arbeit zu tun.“