Neues Buch von Jens Spahn: Jetzt profitiert er von Habecks Fehlern
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Neues Buch von Jens Spahn: Jetzt profitiert er von Habecks Fehlern


Der Corona-Minister bittet um Verzeihung

  • Annika Leister
Von Annika Leister

Aktualisiert am 23.09.2022Lesedauer: 4 Min.
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Jens Spahn: Der Ex-Gesundheitsminister hat mit Unterstützung von zwei Journalisten ein Buch geschrieben.Vergrößern des Bildes
Jens Spahn: Der Ex-Gesundheitsminister hat mit Unterstützung von zwei Journalisten ein Buch geschrieben. (Quelle: IMAGO/Frederic Kern)

Jens Spahn stellt sein Buch über die Corona-Krise vor – und muss sich harter Kritik stellen. Dabei zeigt sich auch, wie sehr sich sein Job verändert hat.

Jens Spahn ist an diesem Abend zu vielen Erklärungen bereit, aber nur zu wenig Zugeständnissen. Doch einen Fehler während der Pandemie räumt der Ex-Gesundheitsminister unumwunden ein: Bei Familien und Kindern, da wolle er sich entschuldigen, sagt er ernst und blickt ins Publikum.

Was die Pandemie und die im Kampf gegen das Virus ergriffenen Maßnahmen mit Familien und Kindern gemacht habe, das habe die Politik zu wenig gesehen und bedacht. "Das war zu lange zu wenig, da müssen wir um Verzeihung bitten", sagt der CDU-Politiker.

Der ehemalige Gesundheitsminister hat ein Buch über seine Zeit als wichtigster Manager der Corona-Pandemie geschrieben. Der Titel des mehr als 200 Seiten umfassenden Werks ist der wohl umstrittenste Satz, den Spahn in seiner Zeit als Gesundheitsminister geäußert hat: "Wir werden einander viel verzeihen müssen". (Auszüge aus dem Buch lesen Sie hier.)

Für viele war der Satz eine Provokation. Nicht nur Gegner der Maßnahmen brachte er damit gegen sich auf. Früh habe er sich so einen Blankoscheck für alle Regierungsfehler ausgestellt, so die Kritik.

Spahn muss sich kritischen Fragen stellen

Bei der Buchvorstellung im Bertelsmann-Verlagshaus in Berlin am Mittwochabend ist der Titel eine willkommene Vorlage für Moderatorin Miriam Hollstein, Chefreporterin im Hauptstadtbüro von t-online. Sie konfrontiert den 42-jährigen Spahn mit Fehleinschätzungen und -tritten aus seiner Amtszeit. Der Abend wird so keine Wohlfühlveranstaltung, sondern fast schon eine Abrechnung mit dem Coronaminister – kurzweilig und informativ.

Spahn ist darauf vorbereitet, er kennt die Medien gut. Zwei Jahre lang stand er im Fokus der Öffentlichkeit – und seine Arbeit so hart in der Kritik wie bei keinem Minister im letzten Merkel-Kabinett. Den provokanten Buchtitel wählte er auch deshalb aus, weil klar ist: Er hält das aus.

Maskenkäufe zu völlig überteuerten Preisen? Spahn antwortet gefasst: Es habe Mangel geherrscht, hohe Preise seien nicht wirklich vermeidbar gewesen.

Prognosen, die sich in kurzer Zeit als völlig falsch erwiesen? "Ich könnte jeden Satz anfangen mit: Mit dem Wissen von damals ...", sagt Spahn.

"Ich habe niemanden getroffen, der daran Freude hätte"

Und mit dem Wissen von heute, sind da die Freiheitseinschränkungen zu hart ausgefallen? "Da bleibe ich dabei: Wir haben eine gute Balance gefunden", sagt Spahn. Und fügt hinzu, er höre oft den Vorwurf: Ihr habt ja Freude an dieser Macht, das ganze Land lahmzulegen. Kurz wirkt er ungehalten, zum ersten Mal. "Ich habe niemanden getroffen in diesen zwei Jahren, der daran Freude hätte."

Mangelnde Information für die Bürger? "Du erklärst Sachen dreimal, aber niemals auf dieselbe Art – und jedes Mal löst es eine Tickermeldung aus", erklärt Spahn. Er habe seine Lehre daraus gezogen: "Nicht alles bedienen, was sich medial so anbietet."

Eine zu harte Gangart gegen Ungeimpfte? "Das würde ich für mich persönlich nicht sagen", sagt Spahn. Später wird er darauf verweisen, dass er sich stets gegen eine Impfpflicht ausgesprochen habe. Wenn eine Gesellschaft unter Druck stehe, sei das eine Maßnahme, die rasch "aus Spannung Spaltung" werden lasse.

Spahn ist jetzt Fehler-Profiteur, sein neuer Gegner: Robert Habeck

Sein Nachfolger im Amt des Gesundheitsministers, Karl Lauterbach, hält es im Umgang mit Medien wie Ungeimpften anders. Spahn, der nun in der Opposition sitzt, ist mit Kritik an dem SPD-Politiker zurückhaltend. Man ticke sehr unterschiedlich, arbeite aber schon seit vielen Jahren in der Gesundheitspolitik verlässlich zusammen, so Spahn. Er klingt aufrichtig, als er sagt: "Ich wünsche ihm wirklich alles Gute."

Das aber dürfte ihm auch leichtfallen. Denn Corona ist aus dem Fokus gerückt. Die neue Krise, die alle Leben berührt, ist die Energiekrise, ausgelöst vom Ukraine-Krieg. Statt Maskenpflicht und Mindestabstand sind die Reizwörter jetzt Gasumlage und Waschlappen.

Und Spahn, frisch raus aus dem Amt des Gesundheitsministers, ist für die Unionsfraktion im Bundestag nun auch für diese neue Krise zuständig – als stellvertretender Vorsitzender mit Blick auf die Energie. Jetzt ist er in der Rolle des Treibers, Kritikers, Fehler-Profiteurs. Nur heißt sein politischer Gegner statt Lauterbach jetzt Robert Habeck, der prominente Wirtschaftsminister der Grünen.

Widersteht Spahn der Versuchung?

Der ehemalige Corona-Krisenminister und der neue Energie-Maßnahmenkritiker stehen im Konflikt miteinander, das spürt man an diesem Abend deutlich. Denn Spahns große Kritik an der Politik, der er in seinem Buch ein ganzes Kapitel widmet, betrifft jene Entwicklung in der Krise, als befeuert von Wahlen aus Pandemie- plötzlich Parteipolitik wurde.

Auf der einen Seite beklagt Spahn, der Corona-Krisenmanager, das Ende für die parteiübergreifende Einigkeit im Kampf gegen das Virus und auch daraus folgende zunehmende Härte im gesellschaftlichen Diskurs. Auf der anderen betont Spahn, der Energiepolitiker: "Oppositionsarbeit in der Krise kann nicht bedeuten: bedingungslose Gefolgschaft."

Ob er nicht gerade erst hart gegen Habeck ausgeteilt habe? So hart, dass mancher es populistisch nennen würde? Die Balance zu halten, sei nicht einfach, sagt Spahn. "Jeder kann immer nur nach bestem Wissen und Gewissen handeln."

Am Ende des Abends steht so vor allem die Erkenntnis: Krisenpolitik bleibt in Regierung wie Opposition kompliziert, der Drang zur Attacke bis in die Destruktivität hinein stark. Ob Jens Spahn ihm auf Dauer wird widerstehen können, muss sich noch zeigen.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen bei der Buchvorstellung in Berlin am 21. September
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