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Das Geheimnis um den "Schatz vom Attersee"

Deutschlands Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn kaufte mit seinem Mann eine Millionenvilla. Wie wurde sie finanziert?

Der ehemalige deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn wohnt mit seinem Ehemann Daniel Funke feudal.
Der ehemalige deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn wohnt mit seinem Ehemann Daniel Funke feudal.

Von Berlin-Mitte, wo das Regierungsviertel liegt, sind es knapp 15 Kilometer nach Dahlem. Vom Bundesgesundheitsministerium an den österreichischen Attersee indes, exakt nach Nußdorf, sind es dann schon gut 700. Im Ministerium ist Jens Spahn, CDU, im Jahr 2020 der Boss gewesen. In Dahlem, einem der vornehmsten und teuersten Viertel der deutschen Hauptstadt, hat er sich damals, mitten in der ersten Hochphase der Pandemie, gemeinsam mit seinem Ehemann Daniel Funke ein Haus gekauft. Genauer: eine Villa.

Und weil sich von Anfang an die Berliner Medien fragten, wie ein deutscher Minister ein solches Domizil bezahlen kann, ließ sich bald im Polit-Magazin "Spiegel" nachlesen, dass es 1922 gebaut wurde und der Makler in seiner Offerte nicht nur von den 285 Quadratmetern Wohnfläche mit Wintergarten und Atelierzimmer schwärmte, sondern auch von den gut 1300 Quadratmetern Grund mit "einem traumhaften Garten". Dass nicht nur der "Spiegel", sondern auch die Wochenzeitung "Die Zeit" und die Berliner Tageszeitung "Tagesspiegel" außerdem den Kaufpreis von 4,35 Millionen Euro veröffentlichten, wollte Spahn verbieten lassen - es wurde ihm aber vom Oberlandesgericht Hannover beschieden, "als einer der profiliertesten deutschen Politiker" müsse er das hinnehmen.

Erbschaft oder nicht?

In der Folge wurde auch bekannt, wie Spahn und Funke ihre Villa finanziert haben: Laut Grundbuchakt übernahm die Sparkasse Westmünsterland, Hausbank des Ministers, eine Grundschuld von 1,75 Millionen Euro; Spahn, gelernter Bankkaufmann, war dort lange im Verwaltungsrat. 313.000 Euro sicherte die Provinzial Nordwest Lebensversicherung ab. Die dann noch fehlenden gut zwei Millionen, so berichten am Wochenende übereinstimmend "Spiegel" und "Zeit", wollten Spahn und Funke, einst Journalist, inzwischen Chef des Berliner Büros des Burda-Verlags, der unter anderem "Bunte" und "Focus" herausgibt, über die Raiffeisenbank Attersee-Süd in Oberösterreich finanzieren. Schon im Mai 2021 hatte die "Zeit" gemeldet, dort werde "eine Erbschaft Funkes verwaltet"; Erblasser sei Funkes 2019 gestorbener Vater Thomas. Die Info stamme aus dem Umfeld des Ministers, Funke und Spahn hätten das nie dementiert.

Jetzt aber berichtet der "Spiegel" unter der Schlagzeile "Der Schatz vom Attersee", die Erbschaft sei ein "Märchen". Und die "Zeit" betont unter dem Titel "Die Millionenfrage", die Erbschaftserzählung "passt nicht zu dem, was tatsächlich geschehen ist". Der "Spiegel" beschreibt seine Recherchen im Umfeld von Funkes verstorbenem Vater, der Realschullehrer in Baden-Württemberg war. Und zitiert Bekannte von Funke senior, die versichern, dieser habe kein Vermögen gehabt und mit Österreich "null Komma nix am Hut".
Ein Sprecher Spahns habe dazu dem "Spiegel" erklärt: "Dass Herr Funke senior nicht vermögend war und nie in Österreich gelebt hat, ist dem Ehepaar Funke/Spahn bekannt." Die "Zeit" erfuhr: "Die Darstellung, dass bei der Raiffeisenbank Attersee-Süd in Österreich eine Erbschaft verwaltet würde, ist nicht zutreffend. Wie es zu dieser Darstellung kam, kann Herr Spahn nicht nachvollziehen."

"Politisch unklug, unsensibel"

Der "Spiegel" bot Spahn und Funke an, doch ihre Belege vorzulegen; sie hätten beide abgelehnt. Auch die "Zeit" schreibt, das Ehepaar wolle sich nicht äußern zum Geld am Attersee. Und auch nicht dazu, warum sie die fehlenden zwei Millionen Euro für die Villa erst von der dortigen Raiffeisenbank leihen und eine entsprechende Grundschuld eintragen lassen wollten - nur um den Antrag von ihrer Notarin nach drei Tagen zurücknehmen zu lassen und die Eintragung von 2,5 Millionen zugunsten der Sparkasse Westmünsterland zu veranlassen.
Im Umfeld des Paares, schreibt die "Zeit", werde von einem Depot erzählt, das Funke bei der Bank am Attersee hatte. Die Wertpapiere darin seien über die Jahre "deutlich im Wert gestiegen". 2020 habe Funke die Papiere zur Sparkasse Westmünsterland verschoben und das Depot aufgelöst. Spahns Sprecher bestreitet, dass die Geldaufnahme in Österreich gestoppt wurde, weil drei Tage zuvor im Onlinemagazin "Business Insider" der erste Bericht über den Kauf der Villa erschien. Österreich galt wegen seines früheren strengen Bankgeheimnisses deutschen Fahndern lange als Paradies für Steuerhinterzieher.
In seinem Buch über seine Ministerjahre in der Pandemie - Titel: "Wir werden einander viel verzeihen müssen" -, das kürzlich erschien, nennt Spahn den Zeitpunkt des Kaufs "politisch unklug, unsensibel". Insgesamt aber bereue er ihn nicht. Und sein Sprecher teilt der "Zeit" mit, das Ehepaar habe die Villa inzwischen bezogen - und fühle sich dort wohl.

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