„Tatort“-Schauspieler Jean-Luc Bubert aus Lüdenscheid und die Corona-Krise
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Ignoriert und auf Eis gelegt - dieser Mann redet Klartext

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Der Schauspieler Jean-Luc Bubert vor dem Lüdenscheider Kulturhaus. © Othlinghaus

„Kunst- und Kultur wurden schon beim ersten Corona-Lockdown einfach ignoriert – Kulturprojekte und Veranstaltungen wurden als erste auf Eis gelegt und als letzte wieder hochgefahren“, sagt der in Lüdenscheid geborene Schauspieler Jean-Luc Bubert, der seit eineinhalb Jahren in Berlin lebt. Er besucht derzeit in Lüdenscheid für einige Wochen seine Familie.

Lüdenscheid - Bubert ist in zahlreichen bekannten Reihen wie dem „Tatort“, dem „Friesland-Krimi“, „Die Chefin“ oder „Marie Brand“ regelmäßig in prägnanten Rollen zu sehen und ist unter anderem durch seine Zusammenarbeit mit dem innovativen Film- und TV-Regisseur Jan Bonny bekannt. „Nie wurde im Laufe der Geschichte in ähnlichen Situationen, wie wir sie heute erleben, etwas durch Regeln, Gesetze oder Einschränkungen der Freiheit besiegt“, meint Bubert mit Blick auf die Pest und ähnliche Pandemien, wie sie die Geschichte schon oft erlebt hat. „Oft wurden die schweren Zeiten dagegen durch Mut überwunden, doch der wird uns Künstlern und Kulturschaffenden derzeit nicht zugetraut.“

Viel interessanter als die Frage, wann der nächste BMW vom Band läuft, sei die Diskussion, wie die Menschen mit ihrer Sprache, mit Gefühlen und Emotionen umgehen. „Das, was wir als Künstler machen, nämlich Geschichten erzählen, das können wir im Moment als Theater- und Filmschaffende nicht mehr oder nur noch in sehr eingeschränkter Form. Dabei haben auch wir Rechnungen zu bezahlen und Familien zu ernähren.“

Die prekäre Situation, in der sich Kulturschaffende derzeit befinden, werde jedoch von vielen Seiten derzeit nur belächelt und als nicht so relevant empfunden. „Immer mehr Menschen befinden sich, so mein Eindruck, in einer Art Geister- oder Zombie-Zustand, in dem sie nicht mehr aufnahmefähig sind für die Geschichten, die wir erzählen, nicht mehr ‘glauben’ wollen und stattdessen aggressiv werden.“

Obwohl Jean-Luc Bubert seit Mai wieder dreht, fühlt er nicht nur mit jenen Kollegen mit, die nach wie vor keine Jobs haben und deren Rücklagen aufgebraucht sind, sondern stellt eben auch im Zwischenmenschlichen eine zunehmend negative Veränderung seiner Mitmenschen fest: „Ich habe das Gefühl, dass viele inzwischen nur noch von Angst gesteuert sind, der Kontakt und die Kommunikation untereinander findet zunehmend nicht mehr oder nur noch auf aggressive Weise statt.“ Und weiter: „Manche Menschen ‘haushitlern’ im Moment, wie ich immer wieder gerne sage, und wollen andere zu einem bestimmten Verhalten erziehen.“

Jean-Luc Bubert hat sich fest vorgenommen, sich nicht von der zunehmend schlechten Laune anstecken zu lassen, und ist davon überzeugt, dass die Krise viel eher dazu genutzt werden sollte, zusammenzuhalten und auf optimistische Weise kreative Wege zu finden, die Pandemie zu meistern. Gerne zitiert er in diesem Zusammenhang den wohl beliebtesten Ausspruch des Reformators Martin Luther: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“ Er appelliert an die politisch Verantwortlichen, kreativer und weniger destruktiv mit der Situation umzugehen. „Man sollte eben nicht nur alles herunterfahren, sondern überlegen, wie Kultur auch in Corona-Zeiten möglich gemacht werden kann, um den Kreativen zu helfen und für die Menschen den Konsum von Kultur weiterhin möglich zu machen.“

Dabei distanziert sich der Schauspieler ausdrücklich von den Demonstrationen der Querdenker-Bewegung in Berlin. „Da habe ich tatsächlich mal vorbeigeschaut, um mir einen direkten Eindruck zu verschaffen – diese Leute sind meiner Ansicht nach eine Gefahr für die Gesellschaft und praktizieren organisierte Volksverdummung.“ Außerdem handele es sich nach seinem Eindruck dabei größtenteils um Zugereiste und kaum um Berliner, von denen aus seiner Sicht nur relativ wenige dort mitmarschieren. Gleichwohl gebe es in Berlin viele Besitzer kleiner Clubs oder Gastronomiebetriebe, die von einer Woche auf die andere ihr Geld verdienen und keine Rücklagen hätten bilden können. „Die kämpfen schon lange um ihre Existenz oder haben diesen Kampf bereits verloren“, bedauert der Schauspieler.

Ganz allgemein hat Jean-Luc Bubert aufgrund seiner bisherigen Arbeit unter Corona-Bedingungen oft das Gefühl, dass es Verantwortlichen nicht in erster Linie um die Gesundheit ihrer Mitmenschen geht. Viele Politiker würden über Dinge entscheiden, die sie gar nicht selbst betreffen und die sie deshalb auch nicht wirklich beurteilen könnten. Aber auch in seinem Job erlebe er tagtäglich, dass es Verantwortlichen angesichts der Pandemie nicht immer nur um die Gesundheit der Mitmenschen, sondern um ganz eigennützige, nämlich versicherungstechnische Überlegungen gehe. „Da fährst du zum Set und kriegst für die Hinfahrt ein Erster-Klasse-Ticket finanziert, damit du isolierter sitzt und dich nicht ansteckst“, erklärt Bubert. „Wenn du aber abends deinen nach einem Tag abgeschlossenen Dreh hinter dich gebracht hast und alles erledigt ist, bekommst du für die Rückfahrt nur ein Zweiter-Klasse-Ticket bezahlt. Das heißt konkret: Auf der Hinfahrt sollst du dich nicht anstecken, damit du niemanden am Set infizierst, aber wenn du nach Hause fährst, ist deine Arbeit dort ja getan, dann ist deine eigene Gesundheit nicht mehr so wichtig und versicherungstechnisch für die Produktion nicht mehr relevant.“

Seit Mai dreht Jean-Luc Bubert wieder Filme und spielt darüber hinaus Theater, derzeit in Köln im freien Theater „Der Keller“, als Ensemble-Mitglied im Tanz-Performance-Schauspiel „Fight Club“.

Auch filmisch können sich die Fans von Jean-Luc Bubert wieder auf einige Highlights freuen. So übernahm der gebürtige Lüdenscheider eine Episodenrolle im Tatort „Brennen sollst du!“ mit den beiden Kölner Ermittlern Dietmar Bär (Kriminalhauptkommissar Freddy Schenk) und Klaus J. Behrendt (Kriminalhauptkommissar Max Ballauf). Ferner können sich Fans des Lüdenscheiders auf den Film „Das Quartett“ unter der Regie von Jan Bonny freuen, eine Geschichte mit vier Darstellern, die auf dem gleichnamigen Roman von Heiner Müller basiert, der sich hierfür wiederum den mit Glenn Close und John Malkovich verfilmten Briefroman „Gefährliche Liebschaften“ von Choderlos de Laclos als Vorlage ausgewählt hat. Dies sind jedoch nur zwei von mehreren Projekten, die mit Jean-Luc Bubert in der nächsten Zeit zu sehen sein werden.

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