6.09.1946: Die Byrnes-Rede: „Speech of Hope“
 

Die „Rede der Hoffnung“

Die Stuttgarter „Speech of Hope“ des US-Außenministers James F. Byrnes am 6. September 1946

Am 6. September 1946 hielt der US-amerikanische Außenminister James F. Byrnes in Stuttgart eine aufsehenerregende Rede, die das Verhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern entscheidend beeinflussen sollte. Diese bis heute unvergessene „Speech of Hope“ („Rede der Hoffnung“) leitete die Aussöhnung und die enge Freundschaft zwischen beiden Völkern ein.

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Warum war die „Rede der Hoffnung“ so wichtig?

„Das amerikanische Volk wünscht, dem deutschen Volk die Regierung Deutschlands zurückzugeben." Mit diesen eindringlichen Worten beendete der US-amerikanische Außenminister James Francis Byrnes (1879–1972) am 6. September 1946 im Stuttgarter Großen Haus seine Rede der Hoffnung („Speech of Hope“). Sie markierte einen Wendepunkt in den deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Die Rede von James F. Byrnes war vehementer Ausdruck der Neuorientierung der amerikanischen Deutschlandpolitik. Erstmals seit Kriegsende hörten die Deutschen ermutigende Worte, untermauert durch das in der Rede immer wiederkehrende Wort „Hoffnung“. An die Stelle der anfänglich feindseligen Behandlung des deutschen Volkes sei, so Byrnes, eine wachsende Hilfs- und Verständigungsbereitschaft getreten. Ferner sollte dem deutschen Volk „innerhalb ganz Deutschlands die Hauptverantwortung für die Behandlung seiner eigenen Angelegenheiten bei geeigneten Sicherungen übertragen werden“.

Kurzum: Die aufsehenerregende Rede ebnete den Deutschen den Weg in eine teilweise Selbstständigkeit und in die westliche Staaten- und Wertegemeinschaft. Vierzig Jahre aber sollte es noch dauern, bis Deutschland wiedervereint war. Die Rede des US-Außenministers hatte weltpolitische Bedeutung, aber gleichermaßen auch Auswirkungen auf die konkrete Situation vor Ort, denn geradezu wie in einem Brennglas bündelten sich auch im deutschen Südwesten die Probleme der Nachkriegszeit.

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In welchem historischen Kontext stand die Rede?

Erste Konflikte mit der Sowjetunion

Um die Rede von James F. Byrnes in ihrer Bedeutung einordnen zu können, gilt es einen Blick auf die bisherige Politik der alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zu werfen: Die Verhandlungen zwischen den Westalliierten USA, Großbritannien und Frankreich mit der Sowjetunion waren zunehmend von Schwierigkeiten geprägt. Die sowjetische Besatzungszone war schon früh von den anderen Zonen isoliert worden. Zunehmend wurde die Gefahr mehr im kommunistischen Russland als in einem möglichen wiedererstarkendem Deutschland gesehen. Der amerikanische Präsident Harry S. Truman verlor zunehmend die Geduld gegenüber der Sowjetunion und bezog auch in der Deutschlandfrage eine klare antikommunistische Position, während Außenminister Byrnes noch zögerte. Anfang 1946 war auch für die britischen Alliierten eine mögliche Teilung Deutschlands nicht mehr abwegig.1

 

Die Bildung einer Bizone

Die Politik der Besatzungsmächte in ihren Zonen unterschieden sich deutlich voneinander: Frankreich versuchte in seiner Zone eine Politik der vollkommenen Entmächtigung durchzuführen, damit der Nachbar Deutschland auf keinen Fall wieder erstarken konnte.

Die Sowjetunion hatte dagegen früher als die anderen Alliierten begonnen, eine tiefgreifende gesellschaftspolitische Umwälzung nach den Vorstellungen ihrer eigenen Ideologie vorzunehmen. Zusätzlich führte sie eine konsequente Reparationspolitik in Form einer strengen Demontagepolitik in ihrer Besatzungszone durch. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis es vor allem mit den britischen und amerikanischen Alliierten zum Eklat kommen würde.

Nachdem sich die westlichen Alliierten auf der Pariser Außenministerkonferenz im Juli 1946 mit der Sowjetunion über eine gemeinsame künftige Wirtschaftspolitik nicht einigen konnten, wurden die ersten Konsequenzen gezogen: Lucius D. Clay, Militärgouverneur in Deutschland, legte die Idee einer wirtschaftlichen Vereinigung der amerikanischen und britischen Besatzungszone zur sogenannten Bizone vor. Auch Außenminister Byrnes bot am 11. Juli 1946 eine Zusammenarbeit mit anderen Besatzungszonen an, um eine wirtschaftliche Einheit zu schaffen. Das Angebot schloss die französische und sowjetische Zone mit ein.

 

Wirtschaftliche Einheit – Voraussetzung die künftige Gestaltung Deutschlands

Am 6. September 1946 kündigte James F. Byrnes in seiner Rede im Staatstheater in Stuttgart schließlich den Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Besatzungszone zur Bizone zum 1. Januar 1947 an. Die wirtschaftliche Einheit war wichtig, um die wirtschaftliche Not in Deutschland zu lindern.  

Für die Zukunft Deutschlands weitaus bedeutsamer war die Ankündigung, eine vorläufige deutsche Regierung bilden zu lassen.

Dadurch konnte Deutschland darauf hoffen, eines Tages wieder in den Kreis der westlichen Staatengemeinschaft aufgenommen zu werden.

Hintergrund: Die Situation im Südwesten

Man muss sich die Lage in diesen Spätsommerwochen 1946 vor Augen führen, um die „Rede der Hoffnung“ in ihrer Bedeutung einordnen zu können. Die südwestdeutsche Bevölkerung lebte in der Zusammenbruchsgesellschaft der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die alltäglichen Sorgen um vermisste Angehörige, um Nahrung, Wohnung und Kleidung hielten die Menschen in Atem. Allein zwischen Februar und Oktober 1946 trafen in Württemberg-Baden über 400.000 Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten ein, die untergebracht werden mussten und die auch den Einheimischen die ganze Tragweite der Kriegsniederlage und der Vertreibung drastisch vor Augen führten. Als Byrnes in seiner Rede darlegte, Deutschland solle kein Armenhaus sein, sondern sich zukünftig wirtschaftlich selbst erhalten können, wussten die Zeitgenossen noch nicht, dass mit dem Hungerwinter 1946/47 einer der härtesten Winter des Jahrhunderts bevorstand. Aber ein Hoffnungsschimmer in desolater Situation war die Rede allemal.

Die „große“ Politik der unmittelbaren Nachkriegszeit zeigte sich gerade auch vor Ort. Während in Nürnberg im September 1946 das Internationale Tribunal über die Bestrafung der noch lebenden ranghöchsten Nationalsozialisten beriet, kam vor allem in der US-amerikanischen Besatzungszone die Entnazifizierung der „kleinen Leute“ in Gang. Die Verbitterung über die bürokratische und schematische „politische Entlausung“ drohte rasch in eine Belastung für die neu entstehende Demokratie umzukippen. Die Verdrängung der NS-Gräueltaten und eine kollektive Amnesie dominierte die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer jüngsten Vergangenheit.

Hinzu kam die wirtschaftlich wie historisch-kulturell völlig sinnlose Teilung des Südwestens in die drei alliierten Kunstprodukte Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und (Süd-)Baden, die als besondere Belastung empfunden wurde. Als Byrnes in seiner Rede die Frage der Wirtschaftseinheit Deutschlands oder zumindest die Einheit von zwei oder drei der alliierten Besatzungszonen ansprach, stand auch hier bei den Hörern und Lesern der vielbeachteten, im Rundfunk und durch Abdrucke verbreiteten Rede die Hoffnung im Mittelpunkt. Auch wenn es noch einige Jahre bis zur Gründung der halbsouveränen Bundesrepublik und bis zum Wirtschaftswunder dauern sollte – die Rede des US-Außenministers gab dem Optimismus eine greifbare Grundlage.

Hintergrund: Der weltpolitische Kontext

Stuttgart war als Ort der weltpolitisch bedeutenden Byrnes-Rede keinesfalls beabsichtig gewesen. Vielmehr ist es dem Drängen des Militärgouverneurs der amerikanischen Besatzungszone, General Lucius D. Clay (1897–1978), zu verdanken, dass Byrnes nicht, wie ursprünglich vorgesehen, im Hochsommer 1946 in Paris vor dem Rat der Außenminister der alliierten Mächte auftrat, sondern dort, wo der Länderrat der US-amerikanischen Zone seinen Sitz hatte, in Stuttgart also.

Wie aber ist die Rede weltpolitisch einzuordnen? Ein Rückblick mag die Situation verdeutlichen: Auf der Konferenz von Potsdam im Sommer 1945 hatten sich die Siegermächte auf die weitere Behandlung Deutschlands geeinigt. Die endgültige Festlegung der Zonengrenzen und die Errichtung des Alliierten Kontrollrates für Deutschland in Berlin – die Schaffung eines gemeinsamen Lenkungsinstrumentes also, das aber einstimmig zu entscheiden hatte – sollten die Mittel zur einheitlichen Verwaltung Deutschlands sein. Eine definitive Teilung Deutschlands gehörte nicht zum Programm der Sieger. Die deutsche Wirtschaft, ausgenommen die Landwirtschaft, sollte auf einem möglichst geringen Niveau gehalten werden, auch wenn der US-Militärregierung rasch klargeworden war, dass die Agrarbasis viel zu schmal war, um den Deutschen ein Existenzminimum zu sichern. Zwar legten die US-Amerikaner Wert auf freie Meinungsäußerung, aber im ersten Besatzungsjahr hatten sie doch auch die Deutschen spüren lassen, welche weitreichenden Absichten mit der Besatzung verbunden waren: Entmilitarisierung, Entnazifizierung, Bestrafung der Schuldigen am Weltkrieg und an den NS-Gräueltaten, Wiedergutmachung und Demokratisierung durch „Umerziehung“ („Re-education").

Erst im Laufe des Jahres 1946 bewog die Uneinigkeit der Siegermächte die USA zu einer allmählichen Kurskorrektur in der deutschen Frage. Der Ost-West-Konflikt, der in zwei Jahren mit der Blockade Berlins seinen vorläufigen Höhepunkt auf deutschem Boden finden sollte, warf bereits seine Schatten voraus. Die wirtschaftlichen Probleme verschärften den Gegensatz zwischen den Großmächten USA und UdSSR. So hatte der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow auf der Pariser Konferenz der Außenminister im Sommer 1946 zwar ein vereintes Deutschland unter einer Viermächtekontrolle angeboten, gleichzeitig aber auf immensen Reparationszahlungen aus den westlichen Besatzungszonen an die Sowjetunion beharrt. Die Franzosen wiederum hatten gefordert, das Ruhrgebiet einer internationalen Kontrolle zu unterwerfen. So war die erklärte Absicht des Potsdamer Abkommens, Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu behandeln, nicht zu verwirklichen. Das Scheitern der Pariser Konferenz machte deutlich, dass an eine gemeinsame Politik aller vier alliierten Mächte nicht mehr zu denken war. Die rücksichtslose Ausschaltung aller nichtkommunistischen Kräfte in den Ländern der sowjetischen Besatzungszone trug noch dazu bei, einen Keil zwischen die Alliierten zu treiben. Schon im März 1946 hatte Winston Churchill in Fulton, Missouri, erstmals öffentlich vom „Eisernen Vorhang“ gesprochen, um die Machtsicherungstechniken der Sowjetunion zu beschreiben.

Die Rede von James F. Byrnes, die auf einem Entwurf von General Clay basierte, war die Antwort der Vereinigten Staaten auf das Scheitern der Pariser Außenministerkonferenz. Jetzt sollten von amerikanischer Seite aus in der deutschen Frage die Karten auf den Tisch gelegt werden. Die Rede markierte den Wandel in der amerikanischen Deutschlandpolitik und signalisierte zugleich, dass sich die Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone offenbar bereits außerhalb des Blickfeldes der westlichen Alliierten befanden. Byrnes kündigte die Vereinigung der britischen mit der US-amerikanischen Besatzungszone an, die am 2. Dezember 1946 dann in New York mit der Unterzeichnung des Fusionsabkommens ihren formalen Abschluss fand. Außerdem sollten deutsche Zentralbehörden in der „Bizone“ fortan die politische Verantwortung tragen.

Seine Kritik an den Vorstößen Frankreichs und der Sowjetunion gegen die Beschlüsse von Potsdam verband Byrnes mit der Absichtserklärung, dass die amerikanischen Truppen für die Dauer des Wiederaufbaus Deutschlands auf dem Kontinent bleiben würden – anders als nach dem Ersten Weltkrieg also. In aller Deutlichkeit sprach er sich weiterhin dafür aus, dass Deutschland keine „Schachfigur“ oder gar ein Teilnehmer in einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West sein solle.

Die Würfel waren gefallen, die Rede wurde als sensationell empfunden – die Bildung eines Weststaates zeichnete sich ab. Da sich die Alliierten über die Zukunft Deutschlands nicht hatten einigen können, blieb nur die Teilung des Landes übrig. Als im März 1947 die Truman-Doktrin die Gefährlichkeit des Sowjetkommunismus beschwor, in der Folge die Eindämmungspolitik („containment“) der USA gegenüber der Sowjetunion begann und wenig später der Marshall-Plan mit wirtschaftlichen Mitteln die Freiheit in Deutschland und Europa verteidigen sollte, war der Weg in die Konfrontation des Kalten Kriegs beschritten.

Anmerkungen

1) Görtemaker, Manfred: Kleine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 2002, S. 28.

2) „USA für Frieden und Freiheit Deutschlands“, in: Rhein-Neckar-Zeitung, Jg. 2, Nr. 91, 07.09.1946, S. 1. 

3) „Die Weltpresse zur Byrnesrede“, in: Rhein-Neckar-Zeitung, Jg. 2, Nummer 92, 10.09.1946, S. 1.

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Die Rede der Hoffnung

(deutsche Übersetzung)

„Ich bin nach Deutschland gekommen, um mich an Ort und Stelle über die mit dem Wiederaufbau Deutschlands verbundenen Probleme zu orientieren und die Ansichten der Regierung der Vereinigten Staaten über einige der vor uns liegenden Probleme mit unseren Vertretern in Deutschland zu besprechen. Wir Amerikaner haben diesen Problemen beträchtliche Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet, weil von ihrer erfolgreichen Lösung nicht nur das künftige Wohlergehen Deutschlands, sondern auch das Europas abhängt.1

Wir haben wohl oder übel lernen müssen, daß wir alle in einer Welt leben, von der wir uns nicht isolieren können2: Wir haben gelernt, daß Frieden und Wohlergehen unteilbar sind und daß Frieden und Wohlergehen in unserem Land nicht auf Kosten des Friedens und Wohlergehens eines anderen Volkes erkauft werden können.


Ich hoffe, daß das deutsche Volk nie wieder den Fehler machen wird, zu glauben, daß das amerikanische Volk, gerade weil es den Frieden liebt, in der Hoffnung auf Frieden abseits stehen wird, wenn irgendeine Nation Gewalt anwendet oder mit Gewalt droht, um die Herrschaft über andere Völker oder Regierungen zu erlangen.

Im Jahre 1917 wurden die Vereinigten Staaten zur Teilnahme am ersten Weltkrieg gezwungen. Nach diesem Krieg weigerten wir uns, dem Völkerbund beizutreten.3 Wir glaubten, uns den europäischen Kriegen fernhalten zu können und verloren das Interesse an europäischen Angelegenheiten. Dies schützte uns aber nicht davor, zum Eintritt in den Zweiten Weltkrieg gezwungen zu werden. Wir wollen jenen Fehler nicht wiederholen. Wir sind entschlossen, uns weiter für die Angelegenheiten Europas und der Welt zu interessieren. Wir haben zur Organisation der Vereinten Nationen beigetragen4 und glauben, daß dadurch Angreifernationen davon abgehalten werden, Kriege anzufangen. Weil wir das glauben, wollen wir die Vereinten Nationen mit unserer ganzen Macht und allen unseren Hilfsquellen unterstützen.


Das amerikanische Volk will den Frieden. Es hat schon seit langem nicht mehr von einem strengen oder milden Frieden für Deutschland gesprochen. Darauf kam es auch niemals wirklich an. Was wir wollen, ist ein dauerhafter Friede.

Wir werden uns gegen zu harte und von Rachsucht diktierte Maßnahmen wenden, die einem wirklichen Frieden im Wege stehen.

Wir werden uns zu milden Maßnahmen widersetzen, welche zum Bruch des Friedens einladen.


Als die Vereinigten Staaten in Potsdam5 der Entwaffnung und Entmilitarisierung Deutschlands zustimmten und als sie vorschlugen, dafür zu sorgen, daß Deutschland für die Dauer einer Generation entwaffnet und entmilitarisiert bleibt, waren sie sich auf der ihnen und ihren Hauptverbündeten ruhenden Verantwortung für die Aufrechterhaltung und gesetzmäßigen Durchführung des Friedens wohl bewußt.

Die Befreiung vom Militarismus wird dem deutschen Volke Gelegenheit geben, seine großen Kräfte und Fähigkeiten den Werken des Friedens zuzuwenden.6 Es braucht sie nur zu ergreifen. Sie gibt ihm die Gelegenheit, sich der Achtung und Freundschaft friedliebender Völker würdig zu erweisen und eines Tages einen ehrenvollen Platz unter den Mitgliedern der Vereinten Nationen einzunehmen. Es liegt weder im Interesse des deutschen Volkes, noch im Interesse des Weltfriedens, daß Deutschland eine Schachfigur oder ein Teilnehmer in einem militärischen Machtkampf zwischen dem Osten und dem Westen wird.

Zweimal in einer Generation haben der deutsche Militarismus und der Nazismus die Gebiete von Deutschlands Nachbarn verwüstet. Es ist nur recht und billig, daß Deutschland sein Teil dazu beitragen soll, diese Verwüstungen wieder gutzumachen.

Die meisten Opfer der Naziaggression waren vor dem Krieg weniger begütert als Deutschland. Deutschland darf nicht erwarten, daß diese Opfer ohne fremde Hilfe die Hauptkosten dieser Naziüberfälle tragen sollen. Die Vereinigten Staaten sind daher bereit, die in den Potsdamer Beschlüssen über die Entmilitarisierung und die Reparationen niedergelegten Grundsätze in vollem Umfange durchzuführen.7 Wenn Deutschland jedoch nicht in der in den Potsdamer Beschlüssen vorgesehenen und geforderten Weise als wirtschaftliche Einheit verwaltet wird, müßten an dem von der Alliierten Kontrollkommission8 genehmigten Industrieniveau Änderungen vorgenommen werden.


Die Grundlage der Potsdamer Beschlüsse war, daß im Rahmen eines kombinierten Entmilitarisierungs- und Reparationsprogramms Deutschlands Kriegspotential durch Ausschaltung und Demontage seiner Kriegsindustrie und durch Verminderung und Beseitigung schwerindustrieller Anlagen herabgesetzt werden sollte. Es war vorgesehen, dies soweit durchzuführen, daß Deutschland ein Industriepotential belassen bliebe, welches ihm die Aufrechterhaltung eines durchschnittlichen europäischen Lebensstandards ohne die Hilfe anderer Länder ermöglicht.

Die auf diese Weise zu entfernenden Fabriken sollten als Reparationen an die Alliierten abgeliefert werden. Die aus der russischen Zone zu entfernenden Fabriken sollten der Sowjetunion und Polen zufallen, während die aus den westlichen Zonen zu entfernenden Fabriken teilweise der Sowjetunion, in der Hauptsache jedoch den westlichen Alliierten zufallen sollten. Ferner wurde eine Aufteilung des deutschen Vermögens im Ausland unter den Alliierten vorgesehen.

Nach langen Verhandlungen einigten sich die Alliierten über den Stand, auf den die hauptsächlichsten deutschen Industrien zwecks Durchführung der Potsdamer Beschlüsse herabgesetzt werden sollten. Auf diesen Stand einigte man sich in der Annahme, daß Deutschlands einheimische Hilfsquellen für eine auf gerechter Grundlage erfolgende Verteilung an alle Deutschen in Deutschland zur Verfügung stehen sollten, und daß die für den Verbrauch in Deutschland nicht benötigten Erzeugnisse der Ausfuhr zur Verfügung stehen sollten, um damit die erforderliche Einfuhr zu bezahlen.

Bei Festsetzung des zulässigen Standes der Industrie wurden keinerlei Reparationsleistungen aus der laufenden Produktion vorgesehen. Aus der laufenden Produktion erfolgende Reparationsleistungen würden mit dem nach den Potsdamer Beschlüssen festgesetzten Stand der Industrie völlig unvereinbar sein. Offensichtlich hätte ein höherer Stand der Industrie festgesetzt werden müssen, wenn Reparationen aus der laufenden Produktion beabsichtigt gewesen wären. Der Stand der Industrie, wie er festgesetzt worden ist, reicht nur aus, das deutsche Volk in die Lage zu versetzen, sich selbst zu versorgen und einen Lebensstandard aufrecht zu erhalten, der den durchschnittlichen Lebensverhältnissen in Europa annähernd gleichkommt. Dieser Grundsatz bedeutet erhebliche Härten für das deutsche Volk, aber er verlangt von ihm lediglich, die Härten zu teilen, die der Angriff der Nazis dem Durchschnittseuropäer auferlegt hat.

Dem deutschen Volk wurde jedoch nicht die Möglichkeit genommen, sein Los im Lauf der Jahre durch harte Arbeit zu verbessern. Eine industrielle Entwicklung und industrieller Fortschritt wurden ihm nicht verweigert. Gleich den Völkern anderer verwüsteter Länder sollte das deutsche Volk den Wiederanfang mit einer Friedenswirtschaft machen, die nicht imstande ist, ihm mehr als den durchschnittlichen europäischen Lebensstandard zu gewähren. Dabei sollte ihm nicht das Recht verwehrt bleiben, mögliche, auf Grund harter Arbeit und einfacher Lebensweise erworbene Ersparnisse für den Aufbau einer Industrie zu verwenden, die friedlichen Zwecken dient. Dieses war der Grundsatz der Reparationen, wie Präsident Truman ihm in Potsdam zugestimmt hat. Die Vereinigten Staaten werden nicht ihre Zustimmung geben, daß Deutschland größere Reparationen leisten muß, als in den Potsdamer Beschlüssen vorgesehen wurde.


[Wirtschaft]

Die Durchführung der Potsdamer Beschlüsse ist jedoch dadurch behindert worden, daß der Alliierte Kontrollrat nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um es der deutschen Wirtschaft zu ermöglichen, als Wirtschaftseinheit zu arbeiten. Die notwendigen deutschen Zentralverwaltungskörper sind nicht geschaffen worden, obgleich die Potsdamer Beschlüsse sie ausdrücklich verlangten.

Die gerechte Verteilung der lebenswichtigen Güter zwischen den einzelnen Zonen mit dem Ziel, eine ausgeglichene Wirtschaft in ganz Deutschland herbeizuführen, und den Einfuhrbedarf zu verringern, ist nicht in die Wege geleitet worden, obgleich die Potsdamer Beschlüsse auch dies ausdrücklich verlangten. Die Vorbereitung einer ausgeglichenen Wirtschaft in ganz Deutschland zur Beschaffung der für die Bezahlung genehmigten Einfuhr erforderlichen Mittel ist nicht erfolgt, obgleich auch dies die Potsdamer Beschlüsse ausdrücklich verlangen.

Die Vereinigten Staaten sind der festen Überzeugung, daß Deutschland als Wirtschaftseinheit verwaltet werden muß, und daß die Zonenschranken, soweit sie das Wirtschaftsleben und die wirtschaftliche Betätigung in Deutschland betreffen, vollständig fallen müssen. Die jetzigen Verhältnisse in Deutschland machen es unmöglich, den Stand der industriellen Erzeugung zu erreichen, auf den sich die Besatzungsmächte als absolutes Mindestmaß einer deutschen Friedenswirtschaft geeinigt hatten. Es ist klar, daß wir, wenn die Industrie auf den vereinbarten Stand gebracht werden soll, nicht weiterhin den freien Austausch von Waren, Personen und Ideen innerhalb Deutschlands einschränken können. Die Schranken zwischen den vier Zonen Deutschlands sind weit schwieriger zu überwinden, als die zwischen normalen unabhängigen Staaten. Die Zeit ist gekommen, wo die Zonengrenzen nur als Kennzeichnung der Gebiete angesehen werden sollten, die aus Sicherheitsgründen von den Streitkräften der Besatzungsmächte besetzt gehalten werden, und nicht als eine Kennzeichnung für in sich abgeschlossene wirtschaftliche oder politische Einheiten.

Das war der Gang der Entwicklung, wie er in den Potsdamer Beschlüssen vorgesehen war, und das ist auch der Gang der Entwicklung, den die amerikanische Regierung mit ihrer ganzen Autorität verfolgen wird. Sie hat offiziell ihre Absicht ausgedrückt, die Wirtschaft ihrer eigenen Zone mit einer oder mit allen anderen zu vereinigen, die hierzu bereit sind. Bis jetzt hat sich nur die britische Regierung bereit erklärt, mit ihrer Zone daran teilzunehmen. Wir begrüßen diese Zusammenarbeit aufs wärmste. Selbstverständlich soll diese Vereinigungspolitik nicht jene Regierungen ausschließen, die heute noch nicht zum Beitritt bereit sind, die Vereinigung steht ihnen zu jeder Zeit frei.9

Wir treten für die wirtschaftliche Vereinigung Deutschlands ein.

Wenn eine völlige Vereinigung nicht erreicht werden kann, werden wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um eine größtmögliche Vereinigung zu sichern.

So wichtig auch die wirtschaftliche Vereinigung für die Gesundung Deutschlands und Europas ist, so muß das deutsche Volk doch einsehen, daß der Hauptgrund seiner Leiden und Entbehrungen der Krieg ist, den die Nazidiktatur über die Welt gebracht hat. Aber gerade, weil Leiden und Entbehrungen in Deutschland unvermeidlich sind, lehnt die amerikanische Regierung die Verantwortung für ein unnötiges Anwachsen der deutschen Not ab, die dadurch verursacht wird, daß es dem Alliierten Kontrollrat nicht gelingt, sich darüber zu einigen, dem deutschen Volk Gelegenheit zu geben, einige seiner dringenden wirtschaftlichen Probleme selbst zu lösen: In vielen lebenswichtigen Fragen wird Deutschland weder vom Kontrollrat regiert, noch gestattet ihm dieser, sich selbst zu regieren.

Für einen erfolgreichen Wiederaufbau Deutschlands ist eine gemeinsame Finanzpolitik wesentlich. Eine unkontrollierbare Inflation, begleitet von einer wirtschaftlichen Lähmung, ist fast mit Sicherheit zu erwarten, wenn keine gemeinsame Finanzpolitik zur Steuerung der Inflation besteht. Ein Programm drastischer Haushaltsreformen ist dringend erforderlich, um den Währungsumlauf und die Geldforderungen zurückzuschrauben, die Schuldenlast zu revidieren und Deutschlands Finanzen auf eine gesunde Grundlage zu stellen.

Die Vereinigten Staaten haben große Anstrengungen gemacht, um ein solches Programm zu verwirklichen, wenn aber eine verheerende Inflation verhindert werden soll, müssen völlig aufeinander abgestimmte Maßnahmen beschlossen und in allen Zonen einheitlich angewandt werden. Um ein Programm dieser Art wirksam durchzuführen, ist eine zentrale Finanzbehörde offensichtlich notwendig.


Es ist auch notwendig, daß ein Verkehrs-, Nachrichten- und Postwesen in ganz Deutschland ohne Rücksicht auf Zonenschranken eingeführt wird. Der sich auf ganz Deutschland erstreckende Aufbau dieser öffentlichen Einrichtungen war in den Potsdamer Beschlüssen beabsichtigt. Zwölf Monate sind vergangen, und nichts ist geschehen.

Deutschland benötigt die ganzen Nahrungsmittel, die es erzeugen kann. Vor dem Kriege konnte es nicht genug Nahrungsmittel für seine Bevölkerung erzeugen. Das Gebiet Deutschlands ist verkleinert worden. Die Bevölkerung Schlesiens zum Beispiel ist in ein verkleinertes Deutschland zurückgedrängt worden. Besatzungsarmeen und Zwangsverschleppte erhöhen den Bedarf, während der Mangel an landwirtschaftlichen Maschinen und Düngemitteln die Versorgungsmöglichkeit herabsetzt.10 Um die größtmögliche Erzeugung und die zweckmäßigste Verwendung und Verteilung der Nahrungsmittel, die erzeugt werden können, sicherzustellen, müßte eine zentrale Verwaltungsstelle für Landwirtschaft geschaffen werden und unverzüglich mit der Arbeit beginnen.

Ebenso ist die Schaffung einer zentralen deutschen Verwaltungsstelle für Industrie und Außenhandel dringend notwendig. Deutschland muß bereit sein, seine Kohle und seinen Stahl mit den befreiten Ländern Europas zu teilen, die von diesen Lieferungen abhängig sind. Deutschland muß andererseits in die Lage versetzt werden, seine Fähigkeiten und Kräfte der Steigerung seiner industriellen Produktion dienstbar zu machen und für die zweckmäßigste Verwendung seiner Rohstoffe Sorge tragen zu können.

Deutschland muß die Möglichkeit haben, Waren auszuführen, um dadurch so viel einführen zu können, daß es sich wirtschaftlich selbst erhalten kann. Deutschland ist ein Teil Europas. Die Gesundung in Europa und besonders in den Nachbarstaaten Deutschlands wird nur langsam voranschreiten, wenn Deutschland mit seinen großen Bodenschätzen an Eisen und Kohle in ein Armenhaus verwandelt wird.


[Regierung]

Nachdem die rücksichtslose Nazidiktatur zur bedingungslosen Kapitulation11 gezwungen worden war, gab es keine deutsche Regierung, mit der die Alliierten hätten verhandeln können. Die Alliierten mußten vorübergehend die Aufgaben des zertrümmerten deutschen Staates übernehmen, da sich die Nazidiktatur jeder wahren Rechenschaft dem deutschen Volke gegenüber enthoben hatte. Die Alliierten konnten die Führer und Günstlinge des Nazismus nicht in Schlüsselstellungen belassen, in denen sie ihren Einfluß wieder geltend gemacht hätten. Sie mußten gehen.

Es war jedoch niemals die Absicht der amerikanischen Regierung, dem deutschen Volk das Recht zu versagen, seine eigenen inneren Angelegenheiten wahrzunehmen, sobald es in der Lage sein würde, dies auf demokratische Art und unter aufrichtiger Achtung der Menschenrechte und grundsätzlichen Freiheiten zu tun.

Die nur wenige Monate nach der Kapitulation gefaßten Potsdamer Beschlüsse verpflichteten die Besatzungsmächte, die örtliche Selbstverwaltung wieder herzustellen und die Grundsätze einer gewählten Volksvertretung in den Verwaltungen der Bezirke, Provinzen und Länder einzuführen, und zwar so bald, wie es mit der militärischen Sicherheit und den Zwecken der militärischen Besetzung vereinbar ist.

Der Hauptzweck der militärischen Besetzung war und ist, Deutschland zu entmilitarisieren und entnazifizieren, nicht aber den Bestrebungen des deutschen Volkes hinsichtlich einer Wiederaufnahme seiner Friedenswirtschaft künstliche Schranken zu setzen.

Die Nazikriegsverbrecher sollten für die Leiden, die sie über die Welt gebracht haben, bestraft werden.12 Die in den Potsdamer Beschlüssen enthaltenen Grundsätze für die Reparationen und die industrielle Abrüstung sollten durchgeführt werden. Die Ziele der Besetzung sahen jedoch weder eine lang anhaltende ausländische Diktatur über die deutsche Friedenswirtschaft, noch eine lang anhaltende ausländische Diktatur über Deutschlands innerpolitisches Leben vor. Die Potsdamer Beschlüsse verpflichteten die Besatzungsmächte ausdrücklich, den Aufbau einer politischen Demokratie von Grund auf zu beginnen.

Die Potsdamer Beschlüsse sahen nicht vor, daß Deutschland niemals eine zentrale Regierung haben sollte. Sie bestimmten lediglich, daß es einstweilen noch keine zentrale deutsche Regierung geben sollte. Dies war nur so zu verstehen, daß keine deutsche Regierung gebildet werden sollte, ehe eine gewisse Form von Demokratie in Deutschland Wurzel gefaßt und sich ein örtliches Verantwortungsbewußtsein entwickelt hätte.

Die Potsdamer Beschlüsse bestimmten in weiser Voraussicht, daß die Verwaltung der deutschen Angelegenheiten auf eine Dezentralisierung der politischen Struktur und auf die Entwicklung örtlichen Verantwortungsbewußtseins gerichtet sein sollte. Dies sollte nicht die Weiterentwicklung zu einer zentralen Regierung verhindern, welche die erforderlichen Machtbefugnisse besitzt, um Angelegenheiten zu behandeln, die einheitlich für ganz Deutschland geregelt werden müssen. Dagegen bestand die Absicht, die Bildung einer stark zentralen Regierung zu verhindern, welche das deutsche Volk beherrschen würde, ohne seinem demokratischen Willen zu entsprechen.

Die amerikanische Regierung steht auf dem Standpunkt, daß jetzt dem deutschen Volk innerhalb ganz Deutschlands die Hauptverantwortung für die Behandlung seiner eigenen Angelegenheit bei geeigneten Sicherungen übertragen werden sollte.


[Ausblick]

Seit dem Ende der Feindseligkeiten ist mehr als ein Jahr vergangen. Die Millionen deutscher Menschen sollten nicht gezwungen werden, in Ungewißheit über ihr Schicksal zu leben. Die amerikanische Regierung ist der Ansicht, daß die Alliierten dem deutschen Volk unverzüglich die wesentlichen Friedensbedingungen klarmachen sollten, deren Annahme und Befolgung sie vom deutschen Volk erwarten. Wir sind der Ansicht, daß dem deutschen Volk Erlaubnis und Unterstützung gewährt werden sollten, die notwendigen Vorbereitungen für eine demokratische deutsche Regierung zu treffen, die in der Lage ist, diese Bedingungen anzunehmen und zu befolgen.

Die denkenden Menschen der Welt werden von jetzt ab die Tätigkeit der Alliierten in Deutschland nicht nach ihren Versprechungen, sondern nach ihren Leistungen beurteilen. Die amerikanische Regierung hat die für die Entnazifizierung und Entmilitarisierung Deutschlands erforderlichen Maßnahmen unterstützt und wird dies weiterhin tun. Sie glaubt jedoch nicht, daß große Heere ausländischer Soldaten oder ausländischer Bürokraten, wie gut ihre Ansichten und Disziplin auch sein mögen, auf die Dauer die zuverlässigsten Beschützer der Demokratie eines anderen Landes sind.

Alles, was die alliierten Regierungen tun können und tun sollten, ist Richtlinien festzusetzen, nach denen sich die deutsche Demokratie selbst regieren kann. Die Zahl der alliierten Besatzungskräfte sollte so beschränkt werden, daß sie genügt, um die Befolgung dieser Richtlinien zu sichern.


Die Frage für uns ist, welche Kräfte notwendig sind, um die Sicherheit zu schaffen, daß Deutschland nicht wieder wie nach dem ersten Weltkrieg aufrüstet. Unser Vorschlag, einen Vertrag mit den Großmächten zu schließen, um ihn für 25 oder sogar 40 Jahre beizubehalten, hätte eine kleinere Besatzungsarmee möglich gemacht. Zu seiner Durchführung könnten wir uns besser auf ausgebildete Überwachungsbeamte, als auf die Infanterie verlassen. Wenn zum Beispiel eine Automobilfabrik den Vertrag verletzt und ihre Anlagen auf die Herstellung von Kriegsmaterial umstellt, würden die Überwachungsbeamten dies dem alliierten Kontrollrat melden und dieser würde die deutsche Regierung auffordern, die Herstellung zu unterbinden und den Schuldigen zu bestrafen. Leistet die deutsche Regierung der Aufforderung nicht Folge, würden die alliierten Nationen Schritte unternehmen, die Befolgung durch die deutsche Regierung zu erzwingen. Unser Vorschlag für dieses Abkommen wurde nicht angenommen.13

Sicherungsstreitkräfte werden unglücklicherweise wahrscheinlich noch lange Zeit in Deutschland bleiben müssen. Man darf mich nicht mißverstehen. Wir wollen uns unseren Verpflichtungen nicht entziehen. Wir ziehen uns nicht zurück. Wir bleiben hier und werden unseren Anteil an der Last auf uns nehmen. Solange die Anwesenheit von Besatzungskräften in Deutschland notwendig ist, wird die Armee der Vereinigten Staaten einen Teil dieser Besetzungsmacht bilden.14


Die Vereinigten Staaten treten für die baldige Bildung einer vorläufigen deutschen Regierung ein. Fortschritte in der Entwicklung der örtlichen Selbstverwaltung und der Landesselbstverwaltungen sind in der amerikanischen Zone Deutschlands erzielt worden, und die amerikanische Regierung glaubt, daß ein ähnlicher Fortschritt in allen Zonen möglich ist.

Die amerikanische Regierung steht auf dem Standpunkt, daß die vorläufige Regierung nicht von anderen Regierungen ausgesucht werden soll, sondern daß sie aus einem deutschen Nationalrat bestehen soll, der sich aus den nach demokratischen Prinzipien verantwortlichen Ministerpräsidenten oder anderen leitenden Beamten der verschiedenen Länder zusammensetzt, die in jeder der vier Zonen gebildet worden sind. Unter Vorbehalt der Befugnisse des Alliierten Kontrollrats soll der deutsche Nationalrat für die sachgemäße Erfüllung der Aufgaben der zentralen Verwaltungsbehörden verantwortlich sein, die ihrerseits angemessene Machtbefugnisse besitzen sollen, um die Verwaltung Deutschlands als einer Einheit, wie sie in den Potsdamer Beschlüssen geplant war, zu sichern.

Der deutsche Nationalrat sollte auch mit der Vorbereitung des Entwurfes einer Bundesverfassung für Deutschland beauftragt werden, die unter anderem den demokratischen Charakter des neuen Deutschlands, die Menschenrechte, und die grundsätzlichen Freiheiten aller seiner Einwohner sichern soll. Nach grundsätzlicher Genehmigung durch den Alliierten Kontrollrat wäre die vorgeschlagene Verfassung einer gewählten Versammlung zur endgültigen Formulierung vorzulegen und sodann dem deutschen Volk zur Ratifizierung zu unterbreiten.

Während wir darauf bestehen werden, daß Deutschland die Grundsätze des Friedens, der gutnachbarlichen Beziehungen und der Menschlichkeit befolgt, wollen wir nicht, daß es der Vasall irgendeiner Macht oder irgendwelcher Mächte wird oder unter einer in- oder ausländischen Diktatur lebt. Das amerikanische Volk hofft, ein friedliches und demokratisches Deutschland zu sehen, das seine Freiheit und Unabhängigkeit erlangt und behält.


[Grenzen]

Nun ist es auch Zeit, die Grenzen des neuen Deutschlands festzusetzen. Österreich ist bereits als freies und unabhängiges Land anerkannt worden.15 Seine zeitweilige und erzwungene Vereinigung mit Deutschland war für beide Länder kein glücklicher Zustand, und die Vereinigten Staaten sind überzeugt, daß es im Interesse beider Länder und des Friedens für Europa liegt, wenn jedes seinen eigenen Weg geht.

In Potsdam wurden, vorbehaltlich einer endgültigen Entscheidung durch die Friedenskonferenz, bestimmte Gebiete, die einen Teil Deutschlands bildeten, vorläufig der Sowjetunion und Polen zugewiesen. Damals waren diese Gebiete von der Sowjetarmee und von der polnischen Armee besetzt. Es wurde uns gesagt, daß die Deutschen aus diesen Gebieten in großer Zahl flüchteten und daß es im Hinblick auf die durch den Krieg hervorgerufenen Gefühle tatsächlich schwierig sein würde, das wirtschaftliche Leben dieser Gebiete wieder in Gang zu bringen, wenn diese nicht als integrale Bestandteile der Sowjetunion beziehungsweise Polens verwaltet würden.

Die Staatsoberhäupter erklärten sich damit einverstanden, bei den Friedensregelungen den Vorschlag der Sowjetregierung hinsichtlich der endgültigen Übertragung der Stadt Königsberg und des anliegenden Gebietes an die Sowjetunion zu unterstützen. Sofern die sowjetische Regierung ihre Auffassung diesbezüglich nicht ändert, werden wir an diesem Abkommen festhalten.

Was Schlesien und andere ostdeutsche Gebiete anbetrifft, so fand die zu Verwaltungszwecken erfolgte Übergabe dieses Gebietes durch Rußland an Polen vor der Potsdamer Zusammenkunft statt. Die Staatsoberhäupter stimmten zu, daß Schlesien und andere ostdeutsche Gebiete bis zur endgültigen Festlegung der polnischen Westgrenze durch den polnischen Staat verwaltet und zu diesem Zwecke nicht als Teil der russischen Besatzungszone in Deutschland angesehen werden sollten. Wie aus dem Protokoll der Potsdamer Konferenz hervorgeht, einigten sich die Staatsoberhäupter jedoch nicht dahingehend, die Abtretung eines bestimmten Gebietes zu unterstützen.

Rußland und Polen haben schwer durch Hitlers einfallende Armeen gelitten. Durch das Abkommen von Jalta hat Polen an Rußland das Gebiet östlich der Curzon-Linie16 abgetreten. Polen hat dafür eine Revision seiner nördlichen und westlichen Grenzen verlangt. Die Vereinigten Staaten werden eine Revision dieser Grenzen zugunsten Polens unterstützen. Der Umfang des an Polen abzutretenden Gebietes kann jedoch erst entschieden werden, wenn das endgültige Abkommen darüber getroffen ist.

Die Vereinigten Staaten finden, daß sie Frankreich, in welches Deutschland innerhalb von 70 Jahren dreimal eingefallen ist, seinen Anspruch auf das Saargebiet,17 dessen Wirtschaft mit Frankreich eng verbunden ist, nicht verweigern können. Natürlich müßte Frankreich, wenn ihm das Saargebiet eingegliedert wird, seine Reparationsansprüche an Deutschland entsprechend ändern.

Von diesen Veränderungen abgesehen, werden die Vereinigten Staaten keine Eingriffe in unbestritten deutsches Gebiet oder eine Aufteilung Deutschlands, die nicht dem echten Willen der Bevölkerung entspricht, unterstützen.

Soweit den Vereinigten Staaten bekannt ist, wünscht die Bevölkerung des Ruhrgebiets und des Rheinlandes, mit dem übrigen Deutschland vereinigt zu bleiben, und die Vereinigten Staaten werden sich diesem Wunsch nicht widersetzen.18 Obgleich die Ruhrbevölkerung dem Nazieinfluß als letzte erlegen war, ist es Tatsache, daß die Nazis ohne alle Hilfsmittel des Ruhrgebietes niemals hätten die Welt bedrohen können. Nie wieder dürfen diese Hilfsmittel für Zerstörungszwecke benutzt werden. Sie müssen für den Wiederaufbau eines freien und friedlichen Deutschlands und eines freien und friedlichen Europas Verwendung finden. Die Vereinigten Staaten werden für solche Kontrollmaßnahmen für ganz Deutschland, einschließlich des Ruhrgebietes und des Rheinlandes, eintreten, die aus Sicherheitsgründen erforderlich sind. Sie werden helfen, diese Maßnahmen durchzusetzen. Sie werden jedoch nicht für solche Maßnahmen eintreten, die Ruhrgebiet und Rheinland – unmittelbar oder mittelbar – einer politischen Beherrschung oder politischen Manipulation seitens ausländischer Mächte unterwerfen.


Das deutsche Volk empfindet heute die verheerenden Folgen des Krieges, den Hitler und seine Günstlinge über die Welt gebracht haben. Andere Völker bekamen diese verheerenden Folgen lange vor dem deutschen Volk zu spüren. Das deutsche Volk muß einsehen, daß es Hitler und seine Günstlinge waren, die unschuldige Männer, Frauen und Kinder quälten und ausrotteten und die versuchten, mit den deutschen Waffen die Welt zu beherrschen und zu erniedrigen. Es waren die gesammelten zornentbrannten Kräfte der Menschheit, die sich den Weg nach Deutschland hinein erkämpfen mußten, um der Welt die Hoffnung auf Freiheit und Frieden zu geben.

Das amerikanische Volk, das für die Freiheit gekämpft hat, hat nicht den Wunsch, das deutsche Volk zu versklaven. Die Freiheit, an welche die Amerikaner glauben und für die sie kämpfen, ist eine Freiheit, an der alle teilhaben sollen, die gewillt sind, die Freiheit anderer zu achten. Die Vereinigten Staaten haben fast alle in ihrem Lande befindlichen Kriegsgefangenen nach Deutschland zurückgeschickt. Wir unternehmen unverzüglich Schritte, um die in anderen Teilen der Welt in unserer Hand befindlichen deutschen Kriegsgefangenen baldigst zurückzusenden.

Die Vereinigten Staaten können Deutschland die Leiden nicht abnehmen, die ihm der von seinen Führern angefangene Krieg zugefügt hat. Aber die Vereinigten Staaten haben nicht den Wunsch, diese Leiden zu vermehren oder dem deutschen Volk die Gelegenheit zu verweigern, sich aus diesen Nöten herauszuarbeiten, solange es menschliche Freiheit achtet und vom Wege des Friedens nicht abweicht.

Das amerikanische Volk wünscht, dem deutschen Volk die Regierung Deutschlands zurückzugeben. Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt."

Anmerkungen

1) Quellen: Als amerikanische Fassung gilt der vom State Departement veröffentlichte Text. Vgl.: Byrnes Papers in the Library of Clemson University, South Carolina; James F. Byrnes and The Origins of the Cold War, ed. by Kendrick A. Clements. Deutsche Fassungen: Stuttgarter Zeitung, 7. September 1946; Europa-Archiv, Dezember 1946; diese Rede wurde in Deutschland unter der populären Bezeichnung „Rede der Hoffnung“ bekannt.

Vgl. die Textpassagen unten S. I „ich hoffe, daß das deutsche Volk“; S. IX „das amerikanische Volk hofft“ und S. XI „der Welt die Hoffnung auf Freiheit und Frieden geben“.

2) Nach dem Ersten Weltkrieg praktizierten die USA eine Politik der Isolation, indem sie sich aus der europäischen Nachkriegspolitik weitgehend zurückzogen.

3) Der Völkerbund (1920–1946) wurde auf Vorschlag des US-Präsidenten Thomas Woodrow Wilson gegründet. Die USA traten dem Völkerbund jedoch nicht bei.

4) Die UNO war - auf die Initiative des US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt hin - am 26. Juni 1945 in San Francisco gegründet worden mit dem Ziel, nach dem Scheitern des Völkerbundes und der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges international Frieden und Sicherheit zu garantieren. Am 24. Oktober 1945 trat die Charta der Vereinten Nationen (am „Tag der Vereinten Nationen“) in Kraft.

5) Die Potsdamer Konferenz tagte vom 17. Juli bis 2. August 1945. Die drei Kriegsverbündeten (US-Präsident Harry S. Truman, 1884–1972, Josef W. Stalin, 1879–1953, UK-Premierminister Winston L. Churchill (1874–1965, der nach den britischen Wahlen von Clement R. Attlee, 1883–1967 abgelöst wurde) einigten sich auf vier Besatzungszonen (der USA, Großbritanniens, der UdSSR und Frankreichs) für Nachkriegsdeutschland sowie auf eine umfassende Neuordnung der deutschen Wirtschaft und der deutschen Verwaltungseinrichtungen.

6) Ein Beispiel für diese Politik war das am 5.3.1946 erlassene „Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus in der US-Zone“, in: Gesetz der Militärregierung und des Kontrollrats, I/1, 7 (III).

7) Die bereits in Jalta vereinbarten Reparationszahlungen Deutschlands wurden im Potsdamer Abkommen näher modifiziert. In diesem Punkt hatten sich Unterschiede zwischen den USA auf der einen Seite und Frankreich und der Sowjetunion auf der anderen Seite entwickelt. Die Sowjetunion und Frankreich versuchten 1946 wiederholt, die Reparationszahlungen zu ihren Gunsten zu verändern.

8) Der am 5. Juni 1945 gebildete Alliierte Kontrollrat, dem am 8. August 1945 gebildeten obersten Regierungsorgan der Besatzungsmächte für Deutschland (F, GB, UdSSR, USA), etablierte sich am 30. August 1945 in Berlin.

9) Der Zusammenschluss der amerikanischen und britischen Besatzungszone zum „Vereinigten Wirtschaftsgebiet“, der sogenannten Bizone, erfolgte am 1. Januar 1947. Durch den Beitritt der französischen Besatzungszone zur Bizone am 8. April 1949 entstand die Trizone, die nun die drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands umfasste.

10) Die sowjetischen und französischen Truppen lebten aus ihrer jeweiligen Zone, weil ihr eigener dürftiger Nachschub nicht ausreichte. Die Sowjets rechtfertigten dies als eine Art von Reparationen, aber sie waren auch selber in einer akuten Notsituation und konnten keine Armee im Ausland unterhalten. Die Franzosen nannten ähnliche Gründe, um große Materialmengen aus ihrer Zone zu entnehmen und ihre Besatzungsarmee einschließlich ihrer Angehörigen in Deutschland zu versorgen.

11) Die Forderung zur bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches wurde erstmals auf der Konferenz von Casablanca (14.–26.1. 1943) erhoben, danach auf den Konferenzen von Teheran (28.11.–1.12. 1943) und Jalta (4.–11.2. 1945) bestätigt.

12) Zum Zeitpunkt der Byrnes-Rede beriet das Internationale Militärtribunal (IMT) in Nürnberg im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher die Urteile.

13) Byrnes meinte damit das Scheitern seines Vorschlags für einen „Treaty for Desarmament and Demilitarization of Germany“ während der Pariser Außenministerkonferenz im April 1946. Die Vorstellung von Byrnes wurde von den Sowjets abgelehnt, in der Hoffnung, ein längeres Engagement der USA zu verhindern.

Vgl. Hermann Graml: Die Alliierten und die Teilung Deutschlands, Konflikte und Entscheidungen 1941–1948, 1985, S. 150–158

14) General Clay hielt diese Texptpassage für die wichtigste Festellung der Rede.

15) Nach der Besatzungsherrschaft der vier alliierten Siegermächte vom April 1945 bis zum Januar 1946 wurde Österreich am 7. Januar 1946 eine eigene Republik innerhalb seiner Grenzen von 1937 (sog. Zweite Republik Österreich). Österreich blieb jedoch bis zum Abschluss des Staatsvertrags vom 15. Mai 1955 in vier Besatzungszonen eingeteilt mit seiner ebenfalls in Sektoren aufgeteilten Hauptstadt Wien. Die österreichische Neutralität wurde im Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 festgeschrieben.

16) Hier wird auf die Konferenz von Jalta vom 4.–11. Februar 1945 Bezug genommen: Die polnische Westgrenze sollte in einem späteren Friedensvertrag festgelegt werden, die Curzon-Linie setzte Stalin in Jalta als polnische Ostgrenze durch. Sie wurde erstmals im Dezember 1919 als polnische Grenze zur Sowjetunion nach dem Ersten Weltkrieg vom britischen Außenminister Lord George N. Curzon (1859–1925) vorgeschlagen und von Polen nicht akzeptiert. Nach dem polnisch-sowjetischen Krieg erfolgte die tatsächliche Grenzziehung auf der Friedenskonferenz von Riga am 18. März 1921; sie verlief wesentlich weiter ostwärts. Die Curzon-Linie diente dann auch der neuen polnisch-sowjetischen Grenze, die durch den Hitler-Stalin-Pakt vom 23. August 1939 festgelegt wurde, zur Orientierung.

17) Die Saar-Frage wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst durch einen Sonderstatus des Saarlandes (wirtschaftlicher Anschluss an Frankreich) geregelt.

18) Diese Bemerkung richtete sich primär an Frankreich, dessen Politik beabsichtigte, die linksrheinischen Gebiete von Deutschland abzutrennen und das Ruhrgebiet zu internationalisieren.

Englische Originalfassung der „Speech of Hope“

Speech by J. F. Byrnes, United States Secretary of State Restatement of Policy on Germany, Stuttgart, September 6th 1946

 

I have come to Germany to learn at first hand the problems involved in the reconstruction of Germany and to discuss with our representatives the views of the United States Government as to some of the problems confronting us.

 

We in the United States have given considerable time and attention to these problems because upon their proper solution will depend not only the future well-being of Germany, but the future well-being of Europe.

 

We have learned, whether we like it or not, that we live in one world, from which world we cannot isolate ourselves. We have learned that peace and well-being are indivisible and that our peace and well-being cannot be purchased at the price of peace or the well-being of any other country.

I hope that the German people will never again make the mistake of believing that because the American people are peace-loving, they will sit back hoping for peace if any nation uses force or the threat of force to acquire dominion over other peoples and other governments.

In 1917 the United States was forced into the first World War. After that war we refused to join the League of Nations. We thought we could stay out of Europe's wars, and we lost interest in the affairs of Europe. That did not keep us from being forced into a second world war.

We will not again make that mistake. We intend to continue our interest in the affairs of Europe and of the world. We have helped to organize the United Nations. We believe it will stop aggressor nations from starting wars. Because we believe it, we intend to support the United Nations organization with all the power and resources we possess.

The American people want peace. They have long since ceased to talk of a hard or a soft peace for Germany. This never has been the real issue. What we want is a lasting peace. We will oppose soft measures which invite the breaking of the peace.

In agreeing at Potsdam that Germany should be disarmed and demilitarized and in proposing that the four major powers should by treaty jointly undertake to see that Germany is kept disarmed and demilitarized for a generation, the United States is not unmindful of the responsibility resting upon it and its major Allies to maintain and enforce peace under the law.

Freedom from militarism will give the German people the opportunity, if they will but seize it, to apply their great energies and abilities to the works of peace. It will give them the opportunity to show themselves worthy of the respect and friendship of peace-loving nations, and in time, to take an honorable place among members of the United Nations.

It is not in the interest of the German people or in the interest of world peace that Germany should become a pawn or a partner in a military struggle for power between the East and the West.

German militarism and Nazism have devastated twice in our generation the lands of German neighbors. It is fair and just that Germany should do her part to repair that devastation. Most of the victims of Nazi aggression were before the war less well off than Germany. They should not be expected by Germany to bear, unaided, the major costs of Nazi aggression.

The United States, therefore, is prepared to carry out fully the principles outlined in the Potsdam Agreement on demilitarization and reparations. However, there should be changes in the levels of industry agreed upon by the Allied Control Commission if Germany is not to be administered as an economic unit as the Potsdam Agreement contemplates and requires.

The basis of the Potsdam Agreement was that, as part of a combined program of demilitarization and reparations, Germany's war potential should be reduced by elimination and removal of her war industries and the reduction and removal of heavy industrial plants. It was contemplated this should be done to the point that Germany would be left with levels of industry capable of maintaining in Germany average European living standards without assistance from other countries.

The plants so to be removed were to be delivered as reparations to the Allies. The plants to be removed from the Soviet zone would go to the Soviet Union and Poland and the plants to be removed from the western zones would go in part to the Soviet Union but in the main to the western Allies. Provision was also made for the distribution of Germany's foreign assets among the Allies.

After considerable discussion the Allies agreed upon levels to which the principal German industries should be reduced to carry out the Potsdam Agreement. These levels were agreed to upon the assumption that the indigenous resources of Germany were to be available for distribution on an equitable basis for all of the Germans in Germany and that products not necessary for use in Germany would be available for export in order to pay for necessary imports.

In fixing the levels of industry, no allowance was made for reparations from current production. Reparations from current production would be wholly incompatible with the levels of industry now established under the Potsdam Agreement.

Obviously, higher levels of industry would have had to be fixed if reparations from current production were contemplated. The levels of industry fixed are only sufficient to enable the German people to become self-supporting and to maintain living standards approximating the average European living conditions.

That principle involved serious hardships for the German people, but it only requires them to share the hardships which Nazi aggression imposed on the average European.

The German people were not denied, however, the possibility of improving their lot by hard work over the years. Industrial growth and progress were not denied them. Being obliged to start again like the people of other devastated countries, with a peacetime economy not able to provide them more than the average European standard, the German people were not to be denied to use such savings as they might be able to accumulate by hard work and frugal living to build up their industries for peaceful purposes.

That was the principle of reparations to which President Truman agreed at Potsdam. And the United States will not agree to the taking from Germany of greater reparations than was provided by the Potsdam Agreement.

The carrying out of the Potsdam Agreement has, however, been obstructed by the failure of the Allied Control Council to take the necessary steps to enable the German economy to function as an economic unit. Essential central German administrative departments have not been established, although they are expressly required by the Potsdam Agreement.

The equitable distribution of essential commodities between the several zones so as to produce a balanced economy throughout Germany and reduce the need for imports has not been arranged, although that, too, is expressly required by the Potsdam Agreement.

The working out of a balanced economy throughout Germany to provide the necessary means to pay for approved imports has not been accomplished, although that too is expressly required by the Potsdam Agreement.

The United States is firmly of the belief that Germany should be administered as an economic unit and that zonal barriers should be completely obliterated so far as the economic life and activity in Germany are concerned.

The conditions which now exist in Germany make it impossible for industrial production to reach the levels which the occupying powers agreed were essential for a minimum German peacetime economy. Obviously, if the agreed levels of industry are to be reached, we cannot continue to restrict the free exchange of commodities, persons, and ideas throughout Germany. The barriers between the four zones of Germany are far more difficult to surmount than those between normal independent states.

The time has come when the zonal boundaries should be regarded as defining only the areas to be occupied for security purposes by the armed forces of the occupying powers and not as self-contained economic or political units.

That was the course of development envisaged by the Potsdam Agreement, and that is the course of development which the American Government intends to follow to the full limit of its authority. It has formally announced that it is its intention to unify the economy of its own zone with any or all of the other zones willing to participate in the unification.

So far only the British Government has agreed to let its zone participate. We deeply appreciate their cooperation. Of course, this policy of unification is not intended to exclude the governments not now willing to join. The unification will be open to them at any time they wish to join.

We favor the economic unification of Germany. If complete unification cannot be secured, we shall do everything in our power to secure the maximum possible unification.

Important as economic unification is for the recovery of Germany and of Europe, the German people must recognize that the basic cause of their suffering and distress is the war which the Nazi dictatorship brought upon the world.

But just because suffering and distress in Germany are inevitable, the American Government is unwilling to accept responsibility for the needless aggravation of economic distress that is caused by the failure of the Allied Control Council to agree to give the German people a chance to solve some of their most urgent economic problems.

So far as many vital questions are concerned, the Control Council is neither governing Germany nor allowing Germany to govern itself.

A common financial policy is essential for the successful rehabilitation of Germany. Runaway inflation accompanied by economic paralysis is almost certain to develop unless there is a common financial policy directed to the control of inflation. A program of drastic fiscal reform to reduce currency and monetary claims, to revise the debt structure, and to place Germany on a sound financial basis is urgently required.

The United States has worked hard to develop such a program, but fully coordinated measures must be accepted and applied uniformly to all zones if ruinous inflation is to be prevented. A central agency of finance is obviously necessary to carry out any such program effectively.

It is also essential that transportation, communications, and postal services should be organized throughout Germany without regard to zonal barriers. The nationwide organization of these public services was contemplated by the Potsdam Agreement. Twelve months have passed and nothing has been done.

Germany needs all the food she can produce. Before the war she could not produce enough food for her population. The area of Germany has been reduced. The population in Silesia, for instance, has been forced back into a restricted Germany. Armies of occupation and displaced persons increase demands while the lack of farm machinery and fertilizer reduces supplies. To secure the greatest possible production of food and the most effective use and distribution of the food that can be produced, a central administrative department for agriculture should be set up and allowed to function without delay.

Similarly, there is urgent need for the setting up of a central German administrative agency for industry and foreign trade. While Germany must be prepared to share her coal and steel with the liberated countries of Europe dependent upon these supplies, Germany must be enabled to use her skills and her energies to increase her industrial production and to organize the most effective use of her raw materials.

Germany must be given a chance to export goods in order to import enough to make her economy self-sustaining. Germany is a part of Europe and recovery in Europe, and particularly in the states adjoining Germany, will be slow indeed if Germany with her great resources of iron and coal is turned into a poorhouse.

When the ruthless Nazi dictatorship was forced to surrender unconditionally, there was no German government with which the Allies could deal. The Allies had temporarily to take over the responsibilities of the shattered German state, which the Nazi dictatorship had cut off from any genuine accountability to the German people. The Allies could not leave the leaders or minions of Nazism in key positions, ready to reassert their evil influence at first opportunity. They had to go.

But it never was the intention of the American Government to deny to the German people the right to manage their own internal affairs as soon as they were able to do so in a democratic way, with genuine respect for human rights and fundamental freedoms.

The Potsdam Agreement, concluded only a few months after the surrender, bound the occupying powers to restore local self-government and to introduce elective and representative principles into the regional, provincial, and state administration as rapidly as was consistent with military security and the purposes of the military occupation.

The principal purposes of the military occupation were and are to demilitarize and de-Nazify Germany but not raise artificial barriers to the efforts of the German people to resume their peacetime economic life.

The Nazi war criminals were to be punished for the suffering they brought to the world. The policy of reparations and industrial disarmament prescribed in the Potsdam Agreement was to be carried out. But the purpose of the occupation did not contemplate a prolonged foreign dictatorship of Germany's internal political life. The Potsdam Agreement expressly bound the occupying powers to start building a political democracy from the ground up.

The Potsdam Agreement did not provide that there should never be a central German government. It merely provided that for the time being there should be no central German government. Certainly this only meant that no central government should be established until some sort of democracy was rooted in the soul of Germany and some sense of local responsibility developed.

The Potsdam Agreement wisely provided that administration of the affairs of Germany should be directed toward decentralization of the political structure and the development of local responsibility. This was not intended to prevent progress toward a central government with the powers necessary to deal with matters which would be dealt with on a nation-wide basis. But it was intended to prevent establishment of a strong central government dominating the German people instead of being responsible to their democratic will.

It is the view of the American Government that the German people throughout Germany, under proper safeguards, should now be given the primary responsibility for the running of their own affairs.

More than a year has passed since hostilities ceased. The millions of German people should not be forced to live in doubt as to their fate. It is the view of the American Government that the Allies should, without delay, make clear to the German people the essential terms of the peace settlement which they expect the German people to accept and observe. It is our view that the German people should now be permitted and helped to make the necessary preparations for setting up a democratic German government which can accept and observe these terms.

From now on thoughtful people of the world will judge Allied action in Germany not by Allied promises but by Allied performances. The American Government has supported and will continue to support the necessary measures to de-Nazify and demilitarize Germany, but it does not follow that large armies of foreign soldiers or alien bureaucrats, however well motivated and disciplined, are in the long run the most reliable guardians of another country's democracy.

All that the Allied governments can and should do is to lay down the rules under which German democracy can govern itself. The Allied occupation forces should be limited to the number sufficient to see that these rules are obeyed.

But the question for us will be: What force is needed to make certain that Germany does not rearm as it did after the first World War? Our proposal for a treaty with the major powers to enforce for 25 or even 40 years the demilitarization plan finally agreed upon in the peace settlement would have made possible a smaller army of occupation. For enforcement we could rely more upon a force of trained inspectors and less upon infantry.

For instance, if an automobile factory, in violation of the treaty, converted its machinery to the production of weapons of war, inspectors would report it to the Allied Control Council. They would call upon the German Government to stop the production and punish the offender. If the German Government failed to comply then the Allied nations would take steps to enforce compliance by the German Government. Unfortunately our proposal for the treaty was not agreed to.

Security forces will probably have to remain in Germany for a long period. I want no misunderstanding. We will not shirk our duty. We are not withdrawing. We are staying here. As long as there is an occupation army in Germany, the American armed forces will be part of that occupation army.

The United States favors the early establishment of a provisional German government for Germany. Progress has been made in the American zone in developing local and state self-government in Germany, and the American Government believes similar progress is possible in all zones.

It is the view of the American Government that the provisional government should not be hand-picked by other governments, but should be a German national council composed of democratically responsible minister presidents or other chief officials of the several states or provinces which have been established in each of the four zones.

Subject to the reserved authority of the Allied Control Council, the German National Council should be responsible for the proper functioning of central administrative agencies. Those agencies should have adequate power to assure the administration of Germany as an economic unit, as was contemplated by the Potsdam Agreement.

The German National Council should also be charged with the preparation of a draft of a federal constitution for Germany which, among other things, should insure the democratic character of the new Germany and the human rights and fundamental freedoms of all its inhabitants.

After approval in principle by the Allied Control Council, the proposed constitution should be submitted to an elected convention for final drafting and then submitted to the German people for ratification.

While we shall insist that Germany observe the principles of peace, good-neighborliness, and humanity, we do not want Germany to become the satellite of any power or powers or to live under a dictatorship, foreign or domestic. The American people hope to see peaceful, democratic Germans become and remain free and independent.

Austria has already been recognized as a free and independent country. Her temporary and forced union with Germany was not a happy event for either country, and the United States is convinced that it is in the interest of both countries and the peace of Europe that they should pursue their separate ways.

At Potsdam specific areas which were part of Germany were provisionally assigned to the Soviet Union and to Poland, subject to the final decisions of the Peace Conference. At that time these areas were being held by the Soviet and Polish armies. We were told that Germans in large numbers were fleeing from these areas and that it would in fact, because of the feelings aroused by the war, be difficult to reorganize the economic life of these areas if they were not administered as integral parts in the one case of the Soviet Union and in the other case of Poland.

The heads of government agreed to support at the peace settlement the proposal of the Soviet Government concerning the ultimate transfer to the Soviet Union of the city of Königsberg and the area adjacent to it. Unless the Soviet Government changes its views on the subject we will certainly stand by our agreement.

With regard to Silesia and other eastern German areas, the assignment of this territory to Poland by Russia for administrative purposes had taken place before the Potsdam meeting. The heads of government agreed that, pending the final determination of Poland's western frontier, Silesia and other eastern German areas should be under the administration of the Polish state and for such purposes should not be considered as a part of the Soviet zone of occupation in Germany. However, as the Protocol of the Potsdam Conference makes clear, the heads of government did not agree to support at the peace settlement the cession of this particular area.

The Soviets and the Poles suffered greatly at the hands of Hitler's invading armies. As a result of the agreement at Yalta, Poland ceded to the Soviet Union territory east of the Curzon Line. Because of this, Poland asked for revision of her northern and western frontiers. The United States will support revision of these frontiers in Poland's favor. However, the extent of the area to be ceded to Poland must be determined when the final settlement is agreed upon.

The United States does not feel that it can deny to France, which has been invaded three times by Germany in 70 years, its claim to the Saar territory, whose economy has long been closely linked with France. Of course, if the Saar territory is integrated with France she should readjust her reparation claims against Germany.

Except as here indicated, the United States will not support any encroachment on territory which is indisputably German or any division of Germany which is not genuinely desired by the people concerned. So far as the United States is aware the people of the Ruhr and the Rhineland desire to remain united with the rest of Germany. And the United States is not going to oppose their desire.

While the people of the Ruhr were the last to succumb to Nazism, without the resources of the Ruhr Nazism could never have threatened the world. Never again must those resources be used for destructive purposes. They must be used to rebuild a free, peaceful Germany and a free, peaceful Europe.

The United States will favor such control over the whole of Germany, including the Ruhr and the Rhineland, as may be necessary for security purposes. It will help to enforce those controls. But it will not favor any controls that would subject the Ruhr and the Rhineland to political domination or manipulation of outside powers.

The German people are now feeling the devastating effects of the war which Hitler and his minions brought upon the world. Other people felt those devastating effects long before they were brought home to the German people.

The German people must realize that it was Hitler and his minions who tortured and exterminated innocent men, women, and children and sought with German arms to dominate and degrade the world. It was the massed, angered forces of humanity which had to fight their way into Germany to give the world the hope of freedom and peace.

The American people who fought for freedom have no desire to enslave the German people. The freedom Americans believe in and fought for is a freedom which must be shared with all willing to respect the freedom of others.

The United States has returned to Germany practically all prisoners of war that were in the United States. We are taking prompt steps to return German prisoners of war in our custody in other parts of the world.

The United States cannot relieve Germany from the hardships inflicted upon her by the war her leaders started. But the United States has no desire to increase those hardships or to deny the German people an opportunity to work their way out of those hardships so long as they respect human freedom and cling to the paths of peace.

The American people want to return the government of Germany to the German people. The American people want to help the German people to win their way back to an honorable place among the free and peace-loving nations of the world.


Quelle

U.S. Embassy in Berlin, Germany

Originalrede

Hintergrund zur Rede

Der Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone, General Lucius D. Clay (1897–1978), drängte Byrnes, seine Rede in Stuttgart zu halten.

Byrnes wollte ursprünglich in Paris sprechen, wo der Rat der Außenminister der alliierten Mächte von April bis Juni 1946 tagte. Außenminister Byrnes, der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw M. Molotow (1890–1986), der britische Außenminister Ernest Bevin (1881–1951) und der französische Außenminister Georges Bidault (1899–1983) nahmen daran teil. Molotow hatte auf der Pariser Konferenz am 10. Juli 1946 ein vereintes Deutschland angeboten. Die Rede von Byrnes wurde seitens der USA als eine Antwort auf diesen Vorschlag Molotows für notwendig erachtet. Byrnes erteilte General Clay den Auftrag, den Entwurf einer Konzeption für die US-Politik in Deutschland abzufassen. General Clays Entwurf wurde auf den 19. Juli 1946 datiert und bildete die Grundlage von Byrnes „Rede der Hoffnung“.

General Clay amtierte seit 1945 als Stellvertreter des US-Oberkommandierenden für Europa und Deutschland, General Dwight D. Eisenhower. Er folgte dessen Nachfolger General Joseph McNarney zwischen 1947 und 1949 als US-Oberkommandierender in Europa und Militärgouverneur in deramerikanischen Besatzungszone Deutschlands nach und betätigte sich als Mitinitiator und Organisator der Luftbrücke während der BerIiner Blockade. 1961/1962 war er als persönlicher Beauftragter Präsident Kennedys in der Berlin-Frage eingebunden.

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Reaktionen auf die Rede

Erklärung der drei Ministerpräsidenten der amerikanischen Besatzungszone auf die Rede

Vier Tage später, am 10. September 1946, reagierten die drei Ministerpräsidenten der amerikanischen Besatzungszone Karl Geiler (Hessen), Wilhelm Hoegner (Bayern) und Reinhold Maier (Württemberg-Baden) mit einer Erklärung:

„Was er in dieser Rede (...) ausgeführt hat, hat uns neuen Mut und neuen Antrieb für die schwierige und verantwortungsvolle Aufbauarbeit gegeben, in der wir stehen.“

Medienberichte

Die Reaktionen in der amerikanischen und britischen Besatzungszone waren überschwänglich. Ehrfurchtsvoll schrieb ein Journalist der Rhein-Neckar-Zeitung am 7. September 1946: „Die Männer dieses Volkes [die Amerikaner, Anm. d. Redaktion] bestimmen heute über unser zerbrochenes Dasein, und sie sehen in dieser Arbeit die Aufgabe, nicht nur uns, sondern der Welt zu einem Frieden zu verhelfen, der auf festerem Grund gebaut sein soll. Was die Rede im einzelnen verkündete, gibt uns – eineinhalb Jahre nach unserer beispiellosen Hitlerniederlage – allen Grund, in Ehrfurcht und Vertrauen innezuhalten. Die Rede schenkt uns Hoffnung zu neuem Leben.“2

Die Weltpresse reagierte sehr unterschiedlich auf die Rede: Während amerikanische Medien dem Inhalt der Rede voll zustimmten, enthielten sich die russischen Zeitungen jeglichen Kommentars und sprachen nur die für Russland wichtigen territorialen Bestimmungen an. Die französische Presse übte starke Kritik. Die „Front National“ schrieb: „Byrnes Erklärung – eine Bedrohung unserer Sicherheit“, die „L'Humanité“ kommentierte zynisch: „Wenn man Byrnes hört, fragt man sich, wer den Krieg verloren hat.“3

Doch die französische Position sollte sich bald mäßigen, nachdem die französische Zone am 8. April 1949 der Bizone beigetreten war, die damit zur Trizone wurde. Diese beiden Modelle waren die direkten Vorläufer zur Bildung der Bundesrepublik Deutschland.


 

Pressespiegel

Stuttgarter Zeitung vom 11. September 1946, Titelseite

Die Stellungnahme der Parteiführer

Die „Stuttgarter Zeitung“ hat die Vorsitzenden der politschen  Parteien in Württemberg-Baden aufgefordert, sich zu der Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes zu äußern. Wir veröffentlichen nachstehend ihre Antworten.


Joseph Andre (CDU):

„Die Rede ist eine große Tat. Deutschland und die Welt hat jetzt die Stellungnahme Amerikas als führender Nation zur Friedensfrage kennen gelernt. Die Rede selbst ist offen, klar und wahr, sie hat überzeugend und befreiend gewirkt. Das deutsche Volk sieht wieder eine Zukunft. Der Rede kommt um deswillen hohe politische Bedeutung zu, weil sie ja nicht nur an das deutsche Volk, sondern an alle Besatzungsmächte und die ganze Welt gerichtet worden ist, indem sie den Geist aufweist, nach dem ein wirklicher Friede zustande kommen kann und soll. [...]“


Fritz Ulrich (SPD):

„Die Rede hat hat Klarheit gebracht nach vielen Richtungen. Die für uns wichtigste Feststellung des Ministers ist die, daß in Potsdam getroffene Vereinbarungen, wonach im ganzen besetzten Deutschland eine ausgeglichene Wirtschaft herbeigeführt werden sollte, nicht durchgeführt worden ist. Die östliche Besatzungsmacht läßt die Bevölkerung der westlichen Zonen nicht teilnehmen an den Bodenerträgnissen der weiten Agrargebiete. Wir entnahmen der Rede weiter, daß die künftigen deutschen Grenzen noch sehr umstritten sind. Schmerzlich für uns ist die Bereitschaft der Vereinigten Staaten, der Abtrennung des Saargebietes zuzustimmen. [...]“


Dr. Wolfgang Haußmann (DVP):

„Das bedeutsame an der Stuttgarter Rede des verantwortlichen Leiters der amerikanischen Außenpolitik ist wohl die klar ausgesprochene Erkenntnis, daß wir alle, Sieger und Besiegte, unlöslich auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden sind, und daß die Welt es sich einfach nicht leisten kann, Deutschland im Elend versinken zu lassen. Ein deutsches Chaos würde unweigerlich ganz Europa in seinen Strudel ziehen und die größte Gefahr für den Frieden der Welt bedeuten. [...]“


Albert Buchmann (KPD):

„Um so wichtiger ist es einzuschätzen, wenn Außenminister Byrnes in einer Rede in Stuttgart sich mit programmatischen Erklärungen an das deutsche Volk wandte. Wenn auch in dieser Rede die Spannungen hindurchklangen, die in der Pariser Konferenz zum Ausdruck kommen, so war doch gleichzeitig ersichtlich, daß die fortschrittlich demokratischen Kräfte im Ringen gegen die rückschrittlichen Kräfte der Welt sich durchsetzen dürften – das ist entscheidend! [...]“

Stuttgarter Zeitung vom 7. September 1946, Titelseite

Klare Sprache

von Karl Ackermann


Die Überraschung über den unvermutet raschen Besuch des Außenministers der Vereinigetn Staaten in Stuttgart ist der noch größeren Überraschung über seinen eindeutigen und zupackend formulierten Vortrag gewichen. Die Worte, die Außenminister James F. Byrnes in Anwesenheit der höchsten Spitzen der amerikanischen Besatzungsmacht und der deutschen Behörden der amerikanischen Zone sprach, waren nicht so sehr ein allgemeiner Stand der deutschen Besatzungspolitik, als vielmehr ein klar umrissenes Programm der Absichten der amerikanischen Regierung in bezug auf Deutschland.

Dieses Programm erhält seine besondere Bedeutung auf dem Hintergrund der Pariser Konferenz, der Minister Byrnes noch Anfang der Woche beiwohnte, und auf der die Frage Deutschland das unausgesprochene Thema sämtlicher Debatten und Kontroversen und zwischen den Vertretern der Vereinten Nationen war. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Proklamation des amerikanischen Außenministers in einem ursächlichen Zusammenhang mit der plötzlichen Abreise des Sowjet-Außenministers Molotow am 31. August stand, waren doch diese beiden Politiker mehrmals als die beiden Gegenpole im Ringen um das Schicksal Deutschlands und Europas in Erscheinung getreten. Man erwartet daher allgemein, daß zu den Stuttgarter Thesen von Byrnes der sowjet-russische Außenminister Stellung nehmen wird. [...]

Byrnes, als maßgeblicher Ratgeber der großen historischen Konferenzen der letzten Jahre und damit einer der unmittelbaren Paten des Potsdamer Abkommens, bekräftigte daher in seiner Rede, daß die Lebensfähigkeit Deutschlands die unabdingbare Grundlage der gegenseitigen Verständigung unter den drei großen Partnern gewesen sei. Infolgedessen könne die Lebensfähigkeit nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß man dem deutschen Volke unmögliche Härten aufbürde, es könne lediglich von ihm verlangt werden, die Härten zu teilen, die die Nazi-Aggression dem Durchschnitts-Europäer auferlege. Es war für uns als Deutsche außerordentlich erfreulich zu hören, daß uns die Möglichkeit nicht genommen sein sollte unser Los zu verbessern, und daß uns auch die industrielle Entwicklung und der industrielle Fortschritt nicht verweigert werde. [...]

Was aber für uns über alle Maßen bedeutsam ist, und in diesem Sinne diese Rede zu einem historischen Dokumentersten Ranges stempelt, das ist die Feststellung, daß es jetzt an der Zeit sei, Deutschland die Hauptverantwortung für die Behandlung seiner eigenen Angelegenheiten zu übertragen, und daß man dem deutschen Volke unverzüglich die wesentlichen Freidenbedingungen klar machen sollte. [...]

Stuttgarter Zeitung vom 7. September 1946, S. 3

Eine hitzige Diskussion wird in der Stuttgarter Zeitung zum Thema Gebietsabtretungen geführt.


Die Ministerpräsidenten der US-Zone zur Byrnes-Rede

Eine lebhafte Aussprache mit Pressevertretern über die deutschen Schicksalsfragen:

[...] Dann wurde die Stellung zur Saarfrage und zu seiner Volksabstimmung Auskunft erbeten.

Dr. Rheinhold Maier[Ministerpräsident von Württemberg-Baden, Anm. d. Redaktion]:
Mit einer Volksabstimmung bin ich nicht einverstanden. Partielle Abstimmungen ergeben kein deutliches Bild, wenn örtliche egoistische Interessen überwiegen.

Frage: Fürchten Sie einen ungünstige Abstimmung?

Antwort: 1934 hat eine schärftstens kontrollierte Abstimmung ein für Deutschland sehr günstiges Ergebnis gehabt.

Frage: Glauben Sie an eine günstige Abstimmung für Deutschland? (Frage eines französischen Korrespondenten.)

Antwort: Das können wir erst nach der Abstimmung wissen.


Dr. Wilhelm Högner [Ministerpräsident von Bayern, Anm. d. Redaktion]:
Wir sind der Meinung, daß Frankreich Sicherheit nicht nur durch Gebietsabtretungen, sondern durch ein freies demokratisches und nicht zentralistisches Deutschland gewinnen wird.

Frage: Sie sind also gegen die Abtretung der Saar?

Antwort: Ich glaube nicht an friedliche Beziehungen zwischen den Völkern durch Abtretung von Gebieten mit einer anderen Bevölkerung als der des die Abtretung erzwingenden Landes.


Frage: Wie ist die Stellung der Ministerpräsidenten zur Abtretung im Osten?

Dr. Geiler [Ministerpräsident von Hessen, Anm. d. Redaktion]:
Ich möchte zunächst zu Högners Erklärung meine hundertprozentige Zustimmung geben, daß Grenzfragen in keiner Weise im Osten durch die vorläufige polnische Verwaltung entschieden sind. Deutschland kann nicht leben, wenn im Osten erhebliche Ampuationen erfolgen. Die alte Reichsgrenze sollte wieder hergestellt werden.

Dr. Maier schloß sich dieser Erklärung an.

Frage: Wird eine deutsche Zentralregierung den Entscheidungen der Friedenskonferenz zustimmen, wenn im Osten und im Westen beträchtliche Gebiete abzutreten sind?

Dr. Geiler: Ich bin kein Prophet. [...]

Frankfurter Rundschau vom 10. September 1946, S. 2

Was wird aus Deutschland?

von Emil Carlebach


Die Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes,­­­­­­ in der er die Einstellung seiner Regierung gegenüber der zukünftigen Entwicklung Deutschlands darlegte, ist von besonderer Bedeutung. Über Deutschlands Geschick wird in den Hauptstädten der siegreichen Großmächte entschieden; fünf Staaten haben gegenwärtig ihre Truppen auf deutschem Gebiet stehen: Amerika. Großbritannien, Frankreich, Rußland und Polen. Solange es ihnen nicht gelingt, eine einheitliche Haltung anzunehmen, besteht praktisch keine Möglichkeit, die Fülle der Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen, wie wir im Laufe des vergangenen Jahres deutlich erkennen mußten. Der Außenminister der USA hat darum mit Nachdruck die Nichterfüllung der Potsdamer Beschlüsse kritisiert. Die Geschehnisse zeigten aber auch, daß ausschlaggebend für eine Einigung zwischen den Mächten eine Verständigung zwischen der USA und der UdSSR ist, die noch immer dazu führte, daß andere Staaten, die bis dahin vielleicht eine abweichende Stellung eingenommen hatten, sich einem solchen Kompromiß anschlossen. Je klarer und offener dabei die verschiedenen Standpunkte in der Diskussion herausgestellt wurden, um so näher rückte diese Einigung, da alle Partner entschlossen sind, zu einer Verständigung zu kommen. Die Darlegung der amerikanischen Grundsätze durch Außenminister Byrnes – „eine klare Wiederholung” nennt sie die „New York Times“ – ist daher in jedem Falle geeignet, die deutsche Frage ihrer Lösung näherzubringen, auch wenn sie nicht sofort die Schwierigkeiten beseitigt, die im Wege stehen.

Die Friedenskonferenz in Paris hat in scharfen Debatten und in der Behandlung von Verfahrensfragen, die manchem nur zeitraubend und nebensächlich erschienen, bedeutsame Fortschritte erzielt, so daß die Erwartung ausgesprochen wurde, die deutsche Frage könne etwa im November in Angriff genommen werden. Nachdem der sowjetische Außenminister Molotow sich für eine Erörterung der Friedensvorschläge mit Deutschland und Österreich erklärte, dürfen die Vermutungen als berechtigt angesehen werden, die seine Reisen zwischen Paris, Berlin und Moskau mit einer Präzisierung des russischen Standpunktes in Zusammenhang bringen, den er bereits im Juli in zwei ausführlichen Reden in Paris darlegte.

Die Reden von Molotow und Byrnes zeigen eine Übereinstimmung zwischen den USA und der Sowjetunion darüber, daß der künftige Friede mit Deutschland nicht von einem Gefühl der Rache und Vergeltung diktiert werden dürfe. Beide Außenminister setzen sich für eine Revision des Industrieplanes ein, den der Kontrollrat im März dieses Jahres aufstellte und der nach ihrer Meinung die Kapazität der deutschen Industrie auf ein zu geringes Maß begrenzt. Ebenso wünschen sie übereinstimmend die Übergabe der Verwaltung an verantwortliche deutsche Zentralstellen und die Herstellung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands.

In wesentlichen Punkten jedoch bestehen noch Differenzen zwischen dem amerikanischen und dem russischen Standpunkt. Die USA erklärten sich im Juli mit dem Umfang der von der Sowjetunion erhobenen Forderung nicht einverstanden, und in Stuttgart betonte Staatssekretär Byrnes erneut, er könne nicht anerkennen, daß die Sowjets einen Teil der laufenden deutschen Industrieproduktion auf Reparationskonto beziehen. Auch über die künftigen Grenzen Deutschlands wurde bisher keine Einigung erzielt. Byrnes spricht sich für eine Gebietsabtretung an der Westgrenze aus, durch die das Saargebiet an Frankreich fallen soll, ein Vorschlag, dem sich Molotow widersetzt. An der Ostgrenze dagegen wird möglicherweise Amerika den polnischen Revisionsansprüchen nicht so weit entgegenkommen wie die Sowjetunion, die während des letzten Menschenalters zweimal eine deutsche Invasion erlebte. Auch Byrnes ließ keinen Zweifel darüber, daß Teile der ehemals deutschen Gebiete im Osten abgetreten werden sollen, über deren Umfang noch keine Entscheidung gefallen ist. Vielleicht wurde bei dem Zusammentreffen, das vorige Woche zwischen dem polnischen Staatspräsidenten Berut und Rußlands Ministerpräsident Stalin in Minsk stattfand, auch dieses Thema angeschnitten: Die dritte und wohl bedeutsamste Meinungsverschiedenheit bezieht sich auf die Form des künftigen deutschen Staates selbst. Die USA treten für einen weitgehend dezentralisierten Bund der deutschen Länder ein, dessen Ausbau etwa durch den von Byrnes vorgeschlagenen Nationalrat charakterisiert würde. Die UdSSR dagegen hat sich mehrfach gegen eine solche Föderalisierung Deutschlands ausgesprochen, es sei denn, das deutsche Volk fordere selbst einen Umbau des früheren deutschen Staates.

Ein lockeres deutsches Staatsgefüge soll wahrscheinlich, nach Ansicht der amerikanischen Regierung, die Errichtung einer diktatorischen Zentrale in Deutschland unmöglich machen, die erneut die Demokratie unterdrücken könnte, wie dies schon mehrfach in unserer Geschichte geschah. Die Sowjets dagegen befürchten, eine solche Staatsform gebe die Möglichkeit, daß sich in einzelnen deutschen Ländern „Naturschutzgebiete für Kriegsverbrecher und Monopolkapitalisten” entwickeln, wie es die Berliner „Tägliche Rundschau” kürzlich nannte, wodurch auf deutschem Boden erneut der Gegensatz zwischen Ost und West aufreißen könnte, den es zu beseitigen gelte. Sie verlangen daher eine weitergehende Demokratisierung auf politischem und wirtschaftlichem Gebiet und halten offensichtlich – bei Durchführung solcher Maßnahmen – einen starken deutschen Einheitsstaat für vorteilhafter, da er eine weitere Garantie gegen die Aufspaltung Mitteleuropas in eine östliche und westliche Hälfte sein könnte.

Dieses Verhältnis zwischen Ost und West ist ausschlaggebend für die künftige Stellung Deutschlands. Reparationsfragen können geregelt werden, wie sich gerade jetzt am Beispiel Italiens gezeigt hat, und Grenzprobleme spielen nur so lange eine Rolle, wie die einzelnen Alliierten es für notwendig erachten, den Wünschen befreundeter Staaten entgegenzukommen, um ihre Sicherheit zu verstärken, die sie bedroht glauben. Ob Schlesien polnisch werden soll oder ob die Saar tatsächlich an Frankreich fällt – die Entscheidung trifft uns gleich schmerzlich als Folge des wahnsinnigen deutschen Militarismus. Um so klarer aber zeigt es sich, dass eine Wiederaufblühen Deutschlands nur möglich ist bei einer Festigung der Zusammenarbeit zwischen den großen Alliierten.

„Es liegt weder im Interesse des deutschen Volkes noch im Interesse des Weltfriedens, daß Deutschland eine Schachfigur oder ein Teilnehmer in einem militärischen Machtkampf zwischen dem Osten und dem Westen wird”; diese Worte, die Amerikas Außenminister vor alliierten und deutschen Vertretern in Stuttgart gesprochen hat, bringen die Erkenntnisse der Ueeberlebenden zweier Weltkriege unmißverständlich zum Ausdruck.

Die Welt vom 10. September 1946, Titelseite

Weltwiderhall der Byrnes-Rede

Erklärungen aus den Hauptstädten – Neue Grundlage für Deutschland
Hamburg, 9. September


Die Stuttgarter Rede Außenminister Byrnes' hat einen weltweiten Widerhall gefunden, der von Zustimmung in England und Amerika bis zur schärfsten Ablehnung in Polen und der Tschechoslowakei reicht. Die drei Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone erklärten, sie erblickten In der Rede eine neue Grundlage für die Zukunft Deutschlands.

Ein Sprecher der britischen Regierung erklärte am Freitag, daß Großbritannien im allgemeinen den Ausführungen Byrnes' zustimmen könne, besonders seinen Empfehlungen einer wirtschaftlichen Verschmelzung aller Besatzungszonen. Er betonte jedoch, daß die Rede Byrnes' keine gemeinsame Erklärung darstelle und daß sie nicht in allen Punkten dem britischen Standpunkt entspreche.

Die „Times” bezeichnet die Byrnes-Rede als „vielleicht bedeutsamste Einzelerklärung über die alliierte Politik gegenüber Deutschland seit dem Potsdamer Abkommen”. Zur Frage der deutschen Ostgebiete schreibt die „Times“: „In Potsdam haben sich alle drei Mächte dahingehend geeinigt, daß die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens erst nach einem Friedensschluß erfolgen könne. Nun teilte Byrnes mit, daß die Regierung der Vereinigten Staaten sicherlich eine Revision der alten Grenze zugunsten Polens befürworte, damit aber nicht notwendigerweise die Oder-Neiße-Linie unterstütze.

„In dieser Hinsicht”, fährt die „Times” fort, „hat sich die amerikanische Politik festgelegt. Bevor eine Entscheidung fällt, sollten sich kluge und weitsichtige Polen überlegen, ob den Interessen ihres Landes nicht am besten gedient wäre, wenn sie unter allgemeiner Zustimmung einen Teil des früheren deutschen Gebietes aufgäben, das sie jetzt verwalten, und ob Polen überhaupt in der Lage ist, den Reichtum und die Produktivität der weiten Ackerbaugebiete zu bewahren, die es von Deutschland erhalten hat.”

Der „Daily Herald” schreibt, man müsse in der Rede Byrnes' den Versuch sehen, die Sackgasse zu überwinden, in der sich die Besatzungsmächte befänden.

Polen lehnt ab

Die polnische Reaktion auf die geforderte Revision der deutsch-polnischen Grenze ist ablehnend. 2000 Personen demonstrierten vor der amerikanischen Botschaft. Der stellvertretende Präsident Gomulka erklärte auf einer Massenversammlung: „Polen Ist berechtigt, von den westlichen Alliierten eine ständige Unterstützung der neuen polnischen Grenzen entlang der Oder und Neiße zu verlangen.” Das polnische Regierungsorgan „Zyczie Warzawy” schreibt: „Die Rede Byrnes' ist dem polnischen Volk feindlich und dem Weltfrieden abträglich. Das polnische Volk nimmt sie ruhig in dem Bewußtsein auf, daß sich nichts ändert und daß die sowjetischen Truppen westlich der Oder ebenso denken wie wir.“

Die sowjetische Presse veröffentlicht einen summarischen TASS-Bericht. Vor allem wird diejenige Stelle in der Rede Byrnes gebracht, in der der amerikanische Außenminister erklärte, daß die amerikanischen Truppen an der Besetzung teilnehmen würden, solange diese Besetzung überhaupt dauere. Unterstrichen wird ferner die Bereitschaft der USA, Königsberg an die Sowjetunion abzutreten.

USA einverstanden

Die meisten amerikanischen Blätter stimmen der von Byrnes vertretenen Politik nachdrücklich zu. Einiger Skeptizismus macht sich nur darüber geltend, ob die aufgestellten Ziele erreicht werden können.

Die „New York Times” schreibt: „Die Ausführungen Byrnes stellen einen Appell an das Rußland vom September 1946 dar, sich des Rußlands vom August 1945 zu erinnern. Unsere Haltung gegenüber Deutschland weicht notwendig von der russischen Haltung ab. Aber auch Moskau kann aus unserer Einstellung Vorteil ziehen. Die Alternative zu einem geeinten, produktiven und friedfertigen Deutschland ist ein geteiltes Deutschland, das mehr und mehr von zwei militärischen Systemen aufgesogen würde. Wir schlagen dagegen ein Deutschland vor das auf die Dauer eine Brücke zwischen dem Osten und Westen bildet und nicht ein Niemandsland, in dem gegnerische Schützengräben ein geisterhaftes Dasein führen.”

Starke Kritik in Paris

Die Pariser Presse übt an der Rede des amerikanischen Außenministers starke Kritik. „L'Humanité” schreibt: „Wenn man Byrnes hört, fragt man sich, wer den Krieg verloren hat.” Die „Front National” hält die Erklärung Byrnes' für eine Bedrohung der französischen Sicherheit. Ein Sprecher des französischen Außenministeriums erklärte die Einrichtung einer vorläufigen deutschen Zentralregierung als „vorzeitig und vage”.

Unter den negativen Stimmen der tschechischen Presse heißt es in der „Rudo Pravo“: „Die deutschen Grenzen an der Oder sind auch unsere Grenzen, und dennoch bezeichnete sie Byrnes nur als vorläufig. Die Tschechoslowakei wird sich jetzt mehr denn je an ihre slawischen Verbündeten halten müssen, denn zwei dieser slawischen Staaten sind Nachbarn Deutschlands.“

Deutsche Stimmen
Hamburg, 9. September

Im Anschluß an die Rede von Außenminister Byrnes gaben die drei Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone, Dr. Wilhelm Hoegner, bayrischer Ministerpräsident, Prof. Karl Geiler, Ministerpräsident Großhessens, und Dr. Karl Meier, württembergisch-badischer Ministerpräsident, den alliierten und deutschen Pressevertretern ein Interview.

Die Ministerpräsidenten gaben der Rede Byrnes' ihre volle Zustimmung. Die Erfüllung der Wirtschaftseinheit, die Lösung der Währungsprobleme und die Feststellung der Friedensbedingungen gäben dem politischen Leben Deutschlands eine neue Basis.

Der Plan eines Nationalrates ziele darauf ab, eine oberste Instanz zu bilden, die nicht nur eine verwaltungsmäßige, sondern auch eine politische Verantwortung trage. Später soll an seine Seite ein Volksrat treten, der sich aus Vetretern der Länderparlamente zusammensetzt.

Zu den außenpolitischen Fragen erklärte Ministerpräsident Geiler, daß er gegen eine Abtrennung des Saargebietes sei. In jedem Falle solle eine Abstimmung erfolgen. Ministerpräsident Hoegner glaubt, daß durch Gebietsabtretungen keine politischen Fragen mehr gelöst werden können.

Die Welt vom 6. September 1946, Titelseite

Vor der Rede des amerikanischen Außenministers Byrnes in Stuttgart

Beschlüsse zur Zoneneinheit

Berlin, 5. September


Die Grundsätze für die wirtschaftliche Einheit der amerikanischen und britischen Zone in Deutschland und für die Errichtung von Zweizonen-Komitees zur Durchführung dieser Grundsätze in der Lebensmittelversorgung, der Landwirtschaft, den Finanzen, dem Verkehr und dem Transport, dem Handel und der Industrie wurden von dem Zweierausschuß für die Wirtschaftseinheit in Berlin festgelegt. Diese Tatsache gaben die stellvertretenden Oberbefehlshaber der amerikanischen und britischen Besatzungszone am Donnerstag bekannt.

Das Übereinkommen sieht unter anderem, soweit durchführbar, einen gleichen Lebensstandard, gleiche Lebensmittelrationen und die gemeinsame Ausnutzung von Rohstoffquellen vor, sofern für ihre Verwendung nicht die Zustimmung aller vier Mächte erforderlich ist.

Von beiden Zonen wird eine gemeinsame Import- und Exportpolitik befolgt werden.

Der Länderrat und die Länderregierungen in der amerikanischen und die deutschen Behörden in der britischen Zone werden bestehen bleiben. Sie werden jedoch in Übereinstimmung mit den Anweisungen der zu errichtenden Zweizonen-Verwaltungsbehörden arbeiten. Jede dieser Behörden hat auf ihrem Sektor vollziehende Gewalt.

Um die deutschen Zweizonenbehörden zu überwachen, werden kleine, aus amerikanischen und britischen Offizieren bestehende Zweizonen-Kontrollgruppen errichtet. Der Vorsitz jeder Gruppe wird alle zwei Monate wechseln. Der Stab trägt keine Verantwortung für Politik oder Planungen der deutschen Behörden. Beamte der amerikanischen und britischen Militärregierung in Berlin werden, entsprechend den Vertretern der deutschen Behörden, zu Zweizonen-Ausschüssen zusammentreten, um die Vorschläge der deutschen Behörden zu prüfen. Es sind die gleichen alliierten Beamten, die auf diesen Sektoren im Alliierten Kontrollrat tätig sind. Die stellvertretenden Oberbefehlshaber werden mit Ihren Ratgebern in der gleichen Weise zusammentreten wie der Koordinierungsausschuß. Dies wird unter der Bezeichnung „Zweizonenamt“ geschehen. Es wurde bestimmt, daß die politische Einheit nicht als ein Ziel des gegenwärtigen Obereinkommens anzusehen ist. Den sowjetischen und französischen Behörden wurde mitgeteilt, daß ihr Anschluß an das Abkommen auf gleicher Grundlagen jederzeit begrüßt wird.

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsbehörde wird ihren Sitz in Bad Kissingen haben. Sie wird u. a. Entscheidungen treffen über Beschaffung, Auslieferung, Behandlung und Verteilung von Lebensmitteln ein, über Rationierung und Anlegung von Vorräten für besondere Zwecke. Auch wird sie einen jährlichen Produktionsplan aufstellen.

Die Finanzbehörde wird sich im Raum von Frankfurt am Main befinden. Die Wirtschaftsbehörde (Handel und Industrie), mit dem Sitz in Minden, wird Anordnungen an alle in Frage kommenden Länder und Verwaltungsbehörden ausgeben, die die Grundlagen der allgemeinen deutschen Wirtschaftsgesetze und der Wirtschaftsstrafgesetze betreffen.

Die Transportbehörde wird sich In Bielefeld befinden mit Ausnahme der Seefahrtsbehörde, die in Hamburg untergebracht wird. Es wurde bereits ein Übereinkommen über die Durchführung einer einheitlichen Tarif- und Preispolitik erzielt. Geplant Ist noch eine Verkehrsbehörde, über deren Organisation und Sitz noch nicht entschieden ist.

Zwischenstation Berlin
Berlin, 5. September

Der amerikanische Außenminister Byrnes traf, aus Paris kommend, heute Nachmittag auf dem Flughafen in Berlin-Tempelhof ein. Der Plan der Reise wurde am Dienstagabend vom amerikanischen Außenministerium bekanntgegeben. In seiner Begleitung befanden sich der Präsident des Senats-Komitees für Auswärtige Angelegenheiten, Senator Conally, und Senator Vandenberg, der Vertreter der Republikanischen Partei im Senatskomitee, sowie Byrnes' Gattin.

Die amerikanischen Gäste wurden in Tempelhof vom Oberbefehlshaber der amerikanischen Besatzungsarmee in Deutschland, General Clay, empfangen. Heute Abend werden sie Berlin wieder verlassen, um mit dem Nachtexpreß weiter nach Stuttgart zu reisen. Außenminister Byrnes wird dort am Freitag vor den alliierten Militärgouverneuren in Deutschland sowie den Ministerpräsidenten von Bayern, Großhessen und Württemberg die amerikanische Politik gegenüber Deutschland darlegen

Wie Reuter meldet, wird angenommen, daß Byrnes auch die Notwendigkeit für den Wiederaufbau einer deutschen Industrie, entsprechend dem im Potsdamer Abkommen festgelegten Lebensstandard für Deutschland unterstreichen wird. In amerikanischen Kreisen ist man der Ansicht, daß die Politik der Alliierten in Deutschland an einem entscheidenden Wendepunkt angekommen ist.

Zur Vorgeschichte der Reise des amerikanischen Außenministers nach Stuttgart berichtet der Korrespondent der „Stimme Amerikas“, General Clay habe Byrnes bereits vor seiner Ankunft in Paris im April dieses Jahres gebeten, zu den Vertretern der Besatzungsbehörden zu sprechen.

Seine Beschäftigung mit den deutschen Fragen hat, wie der Korrespondent weiter zum Ausdruck bringt, Byrnes davon überzeugt, daß nunmehr die Zeit gekommen ist, nicht nur die amerikanische Besatzungspolitik Deutschlands In einer Rede klarzustellen, sondern euch die Grundsitze der amerikanischen Politik hinsichtlich der Gesamttrage von Deutschlands Zukunft zu umreißen.

Was die amerikanische Besatzungspolitik anlangt, so hat sich Byrnes bereits gegen eine langfristige Besetzung Deutschlands durch große Truppenmassen, gleichgültig welcher Nation, ausgesprochen. Seine Meinung über die unmittelbaren Probleme der deutschen Zukunft lasse sich etwa folgendermaßen zusammenfassen: Deutschland solle nie wieder die Möglichkeit erhalten, einen neuen Krieg führen zu können. Anderseits jedoch solle Deutschland kräftig genug werden, um sich selbst ohne wirtschaftliche Hilfe von außen erhalten zu können.

Rhein-Neckar-Zeitung vom 7. September 1946, Titelseite

Richtungsweisende Rede Byrnes in Stuttgart

USA für Frieden und Freiheit Deutschlands


Vereinigte Staaten werden sich nicht wieder aus der europäischen Politik zurückziehen – Ein Nationalrat als deutsche Zentralregierung gefordert – USA und die deutschen Grenzen – Kritik an der Durchführung der Potsdamer Beschlüsse

„H.K. Im Staatstheater unserer Landeshauptstadt Stuttgart sprach gestern der Minister des Auswärtigen der Vereinigten Staaten von Amerika, James F. Byrnes, zu den Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht und Vertretern der deutschen Öffentlichkeit.

Die Rede wurde gleichsam in den Mittelpunkt eines Besuchsfestes hingestellt, das der Staatsmann seinen Soldaten und Landsleuten auf deutschem Boden bereitete.

Der prächtige Saal des Staatstheaters war gefüllt von allen Chargen der amerikanischen Armee und den Damen ihrer Gesellschaft. Die Männer aller deutschen Länder und Verwaltungen in der amerikanischen Zone waren anwesend, die Oberbürgermeister der großen Städte, kirchliche Würdenträger, Presse und Film. Unter den zahlreichen Uniformen sah man auch diejenigen der Sowjetmacht.

Die Klänge eines amerikanischen Militärkonzerts steigerten die festliche Spannung, bis auf der mit Blumen farbenprächtig geschmückten und blenden strahlenden Bühne der Staatsmann mit seinem engeren Gefolge erschien.

Zu seiner Begleitung gehörten Herr und Frau Connaly, demokratischer Senator von Texas, Herr und Frau Vandenberg, republikanischer Senator von Michigan, Mr. Ben Cohen, Sekretär des Ministers, Mr. Freeman Mathews, Chef der europäischen Abteilung des Außenministeriums, Mr. Philip Graham, Herausgeber der „Washington Post“, sowie die bekannte Journalistin Mrs. McCormick und ihr Gatte.

Der Minister kam als schlichter und vornehmer Bürger seines Landes, und wie die Amerikaner ihren Umgang mit stolzem Selbstgefühl und ungezwungenem Freimut pflegen, so spürte man bei allen die innere Anhänglichkeit und heimatliche Freude, die dieser Besuch in ihnen erweckte.

Für uns Deutsche aber bedeutete dieser Besuch ein historisches Ereignis. Aus den Worten dieses Mannes sprachen die Ruhe und die Kraft eines mächtigen Volkes, das in weltweitem Land über Arbeit, Fleiß und Reichtum sich zu ganz festen Begriffen von Freiheit und Frieden durchgerungen hat.

Die Männer dieses Volkes bestimmen heute über unser zerbrochenes Dasein, und sie sehen in dieser Arbeit die Aufgabe, nicht nur uns, sondern der Welt zu einem Frieden zu verhelfen, der auf festerem Grund gebaut sein soll.

Was die Rede im einzelnen verkündete, gibt uns – eineinhalb Jahre nach unserer beispiellosen Hitlerniederlage – allen Grund, in Ehrfurcht und Vertrauen innezuhalten.

Die Rede schenkt uns Hoffnung zu neuem Leben.“

Frankfurter Rundschau vom 10. September 1946, Titelseite

Unter dem Eindruck der Byrnes-Rede


Schon bei unserem Eintreffen in Stuttgart in den frühen Morgenstunden war die Erregung zu spüren, die sich der ganzen Stadt nach der Ankündigung der Rede des Außenministers der Vereinigten Staaten bemächtigt hatte. Den Hotels war mitgeteilt worden, daß alle verfügbaren Zimmer für die Gäste aus dem Aus- und Inland freigemacht werden müßten, die Straßen waren beherrscht durch die fremden Autos. Die amerikanische Militärpolizei und die Constabulary trafen die letzten Vorbereitungen für die unvermeidlichen Absperrungen. Im Länderratshaus, der Villa Reitzenstein, wurden die Vorbereitungen für den Empfang nach der Rede getroffen. Die anberaumten Sitzungen wurden zum Teil verlegt, zum Teil erledigten sie nur die dringlichsten Punkte, denn alles brannte darauf, noch einen Sitzplatz im Staatstheater zu erhalten, um an diesem großen Ereignis teilnehmen zu können.

Außenminister Byrnes war am Donnerstag von Paris nach Berlin geflogen, hatte dort mit General Lucius D. Clay Besprechungen geführt und dann in dem ehemaligen „Führersonderzug“ die Reise nach Stuttgart angetreten, wo er 11.17 Uhr vormittags eintraf. Er war von seiner Gattin begleitet, außerdem von den Senatoren Tom Connally und Artthur Vandenberg, beides bekannte Außenpolitiker der zwei großen amerikanischen Parteien, sowie von Benjamin V. Cohen, Berater im Außenministerium, dem Chef der Europa-Abteilung des Außenministeriums, H. Freeman Matthews, und dem Militärgouverneur für Deutschland, General Josef T. McNarney, General Lucius D. Clay und dem Gesandten Robert Murphy.

Wenige Minuten nach Eintreffen des Sonderzuges betraten die drei Ministerpräsidenten der Länder der amerikanischen Zone, die vorher in der Villa Reitzenstein gewartet hatten, den Salonwagen, um bei einem kurzen Frühstück eine Unterredung mit Mister Byrnes zu führen. Diese Unterredung wurde, wie die Ministerpräsidenten aussagten, in dem Geiste der Versöhnlichkeit geführt. Es war den Ministerpräsidenten gestattet, ihre Ansichten zur wirtschaftlichen und politischen Lage Deutschlands zu äußern. Insbesondere drehte sich die Unterhaltung um die Lebensmittellieferungen Amerikas nach Deutschland und die Dankbarkeit Deutschlands für diese Hilfe.

Über 2000 Personen hatten sich in dem großen Haus des württembergischen Staatstheaters versammelt, als Außenminister Byrnes mit seiner Begleitung die mit Blumen geschmückte Bühne betrat. Die Versammlung hatte sich zur Begrüßung erhoben, auch Mister Byrnes mit seiner Begleitung begrüßte stehend die Erschienenen, dann eröffnete General McNarney mit kurzen Begrüßungsworten die Versammlung. Nach ihm ergriff Mister Byrnes das Wort.

Ein Blick in den Zuschauerraum zeigte, dass die deutschen Gäste, die Vertreter der Regierungen, der Parlamente und die deutsche Presse, in den vorderen Reihen untergebracht waren, die übrigen Teile des Parketts und die beiden Ränge füllten Offiziere alliierter Truppenteile und Zivilangehörige der amerikanischen Militärregierung.

Mister Byrnes’ Rede wurde mit größter Aufmerksamkeit angehört, auch von denen, die der englischen Sprache nicht mächtig sind. Es fesselte die einfache und bescheidene Art, mit der dieser Repräsentant eines mächtigen und großen Volkes sich an die deutschen Zuhörer wandte und die Eindringlichkeit, mit der er die Grundsätze der amerikanischen Politik Deutschland gegenüber entwickelte. Als er geendet hatte, erhob sich das ganze Haus wiederum und dankte ihm mit herzlichem Beifall.

Anschließend fand ein Empfang in der Villa Reitzenstein statt. Am späten Nachmittag verließ der Außenminister mit seinem Sonderzug Stuttgart, um sich zu einem kurzen Besuch in München zu begeben.

Hintergrund: Presse und Rundfunk nach Kriegsende

Eines der wichtigsten Felder der „Umerziehung“ („Re-education“) war die Umstrukturierung der Massenmedien. In drei Schritten wurden Presse und Rundfunk zunächst verboten, durch alliierte Organe und Sender ersetzt, um dann in neuen, pluralistischen und demokratischen Strukturen wieder eingerichtet zu werden. 

Am 24. November 1944 erließ General Eisenhower als oberster Befehlshaber der westlichen Alliierten ein Gesetz, das niemandem in den von den Alliierten besetzten Gebieten erlaubte, sich mit dem Einsatz von Medien jeglicher Art zu beschäftigen. Nach der Besetzung beeilten sich die Alliierten, die ehemaligen Reichssender zu übernehmen. Auf diesen Kanälen führten sie ihre eigenen Sendungen durch. Das Informationsmonopol lag in der Hand der Alliierten, die in einem dritten Schritt die Lizenzierungsphase für deutsche Medien einleiteten. Unter alliierter Zensur, die sich jedoch hauptsächlich darauf beschränkte, militante und nationalistische Töne herauszufiltern, wurde es einigen sorgsam ausgesuchten Journalisten wieder erlaubt, sich in Zeitungen zu engagieren und in Rundfunkhäusern tätig zu werden.

Die ersten deutschen Zeitungen wurden von den US-Amerikanern lizenziert. 1946 existierten in der US-amerikanischen Besatzungszone bereits 35 neue Zeitungen. In der französischen Zone wurden von Herbst 1945 bis 1949 gerade einmal 33 zugelassen. Am spätesten begannen die Briten, die ab Anfang 1946 61 Zeitungen lizenzierten.

In der US-Zone wurden Lizenzen gezielt an Personen mit unterschiedlicher politischer Ausrichtung vergeben. Als sich 1947 der Beginn des Kalten Krieges abzeichnete, wurden allerdings die Lizenzen für KPD-Mitglieder entzogen. In der sowjetischen Besatzungszone wurden vor allem die Organe der KPD und, 1946, die der SED von der Sowjetischen Militär Administration (SMAD) bevorzugt. Am deutlichsten war die Dominanz der KPD bzw. SED bei der Papierzuteilung. Papierknappheit war auch das größte Problem in den Westzonen. Demzufolge erschienen die Tageszeitungen in der Regel nur zweimal wöchentlich als dünne Ausgaben. Außer der Lizenzpresse gab es noch alliierte Zeitungen. Die beliebteste war „Die neue Zeitung“, die von den US-Amerikanern herausgegeben wurde. Obwohl sie bis zum Sommer 1948 eine Auflagenstärke von 1,2 Millionen Exemplaren hatte, konnte sie die Nachfrage nicht befriedigen.

Da der Rundfunk durch das Monopol der Nationalsozialisten nur zu Propagandazwecken gedient hatte, sollte er nach den Vorstellungen der Westalliierten weder komplett vom Staat abhängig noch komplett in den Händen privater Personen sein. Sie schufen ein öffentlich-rechtliches Radiosystem. In der Britischen Besatzungszone entstand nach dem Vorbild der British Broadcasting Cooperation (BBC) am 1. Januar 1948 der Nordwestdeutsche Rundfunk in Hamburg und Köln. Dies war die erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Deutschlands. Die US-Militärregierung forderte als Bedingung für die Überlassung der Rundfunkanstalten in deutsche Hände die Schaffung von demokratischen Rundfunkgesetzen in den Ländern. Bis 1949 wurde dieses Vorgehen vor allem von deutscher Seite aus angegriffen. Heute kann man sagen, dass dieses Vorgehen ein erfolgreicher Punkt US-amerikanischer Demokratisierungspolitik war.

Im „Haus des Rundfunks“ in der Sowjetzone Berlins entstand unter der Kontrolle der sowjetischen Militärregierung der Berliner Rundfunk. Wenig später folgte im Oktober 1945 der Mitteldeutsche Rundfunk in Leipzig. Verantwortlich war, unter der Zensur der SMAD, die Abteilung für Kulturelle Aufklärung der „Zentralverwaltung für Volksbildung“. Am 12. Oktober 1949 übergab die SMAD alle Sender, die verwaltungstechnisch und ideologisch straff organisiert waren, an die Regierung der neugegründeten DDR.

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Wer war James F. Byrnes?

Konferenzen der Alliierten und „Rede der Hoffnung“

Harry S. Trumann ernannte am 3. Juli 1945 James F. Byrnes  1945 zum Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika. Nachdem Byrnes bereits bei der alliierten Konferenz von Jalta im Februar 1945 teilgenommen hatte, nahm er als Außenminister nun an der Potsdamer Konferenz im Juli/August 1945 und an der Pariser Konferenz der Außenminister von April bis Juli 1946 teil. Er war damit einer der maßgeblichen Architekten der Nachkriegsordnung Europas. Als US-Außenminister war James F. Byrnes auch maßgeblich an der Entscheidung zum Abwurf der ersten Atombombe auf Japan beteiligt.

Mit seiner „Rede der Hoffnung“ am 6. September 1946 in Stuttgart verwarf Byrnes endgültig den Friedensplan des amerikanischen Finanzminsters Henry Morgenthau von 1944, den sogenannten Morgenthau-Plan. Dieser Plan hätte eine völlige Desindustrialisierung Deutschlands und eine vollständige Reduzierung auf ein Agrarland bedeutet.

„Mann des Jahres“

Das „Time Magazine“ kürte James F. Byrnes 1946 zum „Mann des Jahres“, da er nach Meinung der Redaktion in diesem Jahr den größten Einfluss auf die Weltpolitik hatte. 1947 schied Byrnes als Außenminister aus und widmete sich von 1951 bis 1955 als Gouverneur von South Carolina wieder den Interessen seines Heimatsstaates. In seiner Amtszeit als Gouverneur führte Byrnes eine grundlegende Schulreform in South Carolina durch, die vor allem die Schulen von afroamerikanischen Kindern finanziell absichern sollte. Andererseits ließ er die Verfassung seines Bundesstaates ändern, um die Rassentrennung an den Schulen abzusichern. Obwohl der Oberste Gerichtshof der USA im Mai 1954 die Segregationsschulen für nicht verfassungsgemäß erklärte, bestanden sie in South Carolina bis Anfang der 1970er-Jahre fort.

Annerkennung an sein Wirken

Als Anerkennung seines Wirkens sind heute verschiedene Einrichtungen nach ihm benannt, so z. B. die James F. Byrnes Highschool in Spartanburg und das „Byrnes International Center“ an der Universitiy of South Carolina in Columbia. Die Universität lobt Byrnes als den größten Staatsmann aus South Carolina des 20. Jahrhunderts. In Stuttgart ist das Deutsch-Amerikanische Zentrum/James-F.-Byrnes-Institut nach ihm benannt. In der baden-württembergischen Landeshauptstadt ist auch eine Straße nach James F. Byrnes benannt.

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Hintergrund zu James F. Byrnes

Byrnes, der Autodidakt

James Francis Byrnes wurde am 2. Mai 1882 als Sohn irischer Einwanderer in Charleston (South Carolina, USA) geboren. Kurz vor seiner Geburt starb sein Vater, ein einfacher Angestellter, an Tuberkolose.

Im Alter von 14 Jahren musste Byrnes aus finanziellen Gründen die katholische Konfessionsschule verlassen, um in einer Anwaltskanzlei als Gerichtsprotokollant zu arbeiten. Hier und im Selbststudium eignete er sich juristische Kenntnisse an. 1903 schaffte er es, als nicht studierter Jurist eine Zulassung als Anwalt zu bekommen. Nur wenige Jahre später wurde der Autodidakt Byrnes Staatsanwalt in South Carolina. Byrnes, der irisch-katholische Einwanderersohn, trat aus der katholischen Kirche aus und  heiratete Maude Perkins Busch; die Ehe blieb kinderlos.

1911 trat er in die Demokratische Partei ein und wurde kurz darauf ins Repräsentantenhaus des amerikanischen Kongresses gewählt, wo er als Mitglied bis 1925 die Interessen South Carolinas vertrat.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Repräsentantenhaus zog er nach Spartanburg, um dort wieder als Anwalt zu arbeiten. In der von Industrie geprägten Region vertrat er die Interessen der Fabrikarbeiter. Nach einem zweiten Anlauf wurde „Jimmy“ Byrnes, wie ihn seine Freunde nannten, 1930 in den Senat gewählt. Als Senator und als Freund unterstützte er die Politik Franklin D. Roosevelts, ohne jedoch sein Heimat zu vergessen: „I am going to Washington to help the President work for the people of South Carolina and the country.“


New-Deal-Politik und Kriegsjahre

James F. Byrnes war vor allem an der New-Deal-Politik Roosevelts beteiligt, auch wenn er einige Maßnahmen des Katalogs an Wirtschafts- und Sozialreformen als zu radikal empfand. So stimmte er beispielsweise gegen das Mindestlohngesetz, das seiner Meinung nach die Wettbewerbsfähigkeit der Textilindustrie vermindern würde. 1941 wurde er zum Richter des Supreme Court, des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, ernannt. Doch bereits nach einem Jahr trat er von diesem Amt zurück, um Direktor der US-amerikanischen Mobilmachungsbehörde zu werden. In dieser Position hatte Byrnes großen Einfluss auf die amerikanische Wirtschaftspolitik, so dass er scherzhaft „stellvertretender Präsident“ genannt wurde. Unrealistisch war diese Bezeichnung nicht, da Roosevelt ihn tatsächlich als Vizepräsident favorisierte, doch Byrnes war den einflussreichen Gewerkschaften zu konservativ. Statt ihm wurde Harry S. Truman Vizepräsident, der im April 1945 nach nur 82 Tagen Amtszeit dem überraschend verstorbenenen US-Präsident Roosevelt im Amt nachfolgte.


James F. Byrnes in der Nachkriegspolitik

Byrnes war im Konzert der US-amerikanischen Außen- und Deutschlandpolitiker einer derjenigen Vertreter, die lange daran glaubten, dass es zur Lösung der deutschen Frage einer Zusammenarbeit mit der Sowjetunion bedurfte. Er war für eine militärische Besetzung der ehemaligen Achsenmächte, aber er war auch für freie Wahlen in den besetzten Ländern, wie es in Jalta beschlossen worden war. Und er glaubte lange, wohl bis in den Frühsommer 1946 hinein, das Abkommen von Potsdam umsetzen und Deutschland als Einheit von allen vier Besatzungsmächten verwalten zu können. Byrnes war offensichtlich auch lange der Überzeugung, Stalin sei nicht an einer Konfrontation und schon gar nicht an einem Krieg mit den USA interessiert.

Darüber hinaus war Byrnes nach dem Krieg ein Verfechter internationaler Kooperation in Institutionen wie den Vereinten Nationen oder dem Wirtschafts- und Finanzabkommen von Bretton Woods (IWF). Fragen der künftigen Gestaltung der Welt wollte er vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sehen, bei deren Eröffnung er im Januar 1946 in London die US-Delegation anführte.

Aber Byrnes war auch einer der ganz wenigen Politiker in den USA, die vom sogenannten „Manhattan Projekt“, also der Entwicklung der Atombombe, wusste. Er war deshalb auch maßgeblich daran beteiligt, dass Präsident Truman die Entscheidung traf, am 6. August 1945 die erste Atombombe auf Japan abzuwerfen – just vier Tage nach dem Ende der Potsdamer Konferenz, als sich Truman und Byrnes noch auf der Heimreise per Schiff befanden. US-amerikanische Forscher haben das Logbuch dieses Schiffes ausgewertet, in dem es heißt, der Präsident und der Außenminister hätten sich, nachdem sie die Nachricht von der „erfolgreichen“ Zündung der Bombe erhalten hätten, an Bord beim Anschauen von Boxkämpfen vergnügt. Byrnes, der zuvor noch von hochrangigen Wissenschaftlern vor den Folgen des Atombombenabwurfs gewarnt worden war, soll ihnen entgegnet haben, der amerikanische Kongress und die amerikanischen Wähler hätten ein Recht darauf zu sehen, was aus den zwei Milliarden US-Dollar geworden war, die das Atombombenprogramm gekostet habe.

Lebenslauf

 

James F. Byrnes wurde am 2. Mai 1882 in Charleston, South Carolina, als Sohn irischer Einwanderer geboren.

1906: Heirat mit Maude (Busch) Perkins; die Ehe bleibt kinderlos.

Byrnes arbeitete als Gerichtsprotokollant, Rechtsanwalt, später als Staatsanwalt in South Carolina und als Journalist.

 

1911–1925

Mitglied des Repräsentantenhauses der USA als Vertreter für die Demokratische Partei.

 

1925–1930

Byrnes war als niedergelassener Anwalt in Spartanburg, South Carolina, tätig.

 

 

1931–1941

Senator von South Carolina und (inoffizieller) Führer der Demokraten im Senat; Mitglied wichtiger Ausschüsse, vorgeschlagen für die Nominierung zum Vizepräsidenten.

 

1941–1942

Richter am Supreme Court (verantwortlich für zahlreiche wichtige Entscheidungen).

 

1943–1945

Direktor des von Präsident Roosevelt einberufenen „War Mobilization Board“ (Amt für Kriegsmobilisierung).

 

Februar 1945

Teilnahme an der Konferenz von Jalta.

 

12.4.1945

Präsident Truman ernannte Byrnes zum Außenminister der USA.

 

17.7.–2.8.1945

Teilnahme an der Postdamer Konferenz. Byrnes traf sich in den folgenden Monaten mit den Außenministern der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs u. a. in London (September) und Moskau (Dezember) mit dem Ziel, verbindliche Friedensverträge für Nachkriegseuropa auszuhandeln. Er war Chef der US-Delegationen bei der Eröffnung der Vollversammlung der Vereinten Nationen in London (Januar 1946) sowie beim ersten Treffen des UN-Sicherheitsrates in New York (März). Es folgten weitere Außenministertreffen in Paris (Mai–Juli 1946): Kompromissfriedensverträge für Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland. Byrnes war im August 1945 maßgeblich an der Entscheidung beteiligt, die erste Atombome auf Japan abzuwerfen.

 

6.9.1946

Byrnes „Rede der Hoffnung“ in Stuttgart in Anwesenheit der Ministerpräsidenten der US-amerikanischen Besatzungszone.

 

November 1946

Außenministertreffen in New York.

 

Dezember 1946

Abkommen mit Großbritannien zur Errichtung der Bizone.

 

10.1.1947

Rücktritt als Außenminister nach Differenzen mit Präsident Harry S. Truman; Nachfolger wurde George C. Marshall.

 

1947–1959

Arbeit als Partner in einer Anwaltskanzlei.

 

1951–1955

Byrnes war Gouverneur von South Carolina; er trat für die Aufrechterhaltung der Rassentrennung ein. Nach 1955 wendete er sich von der Demokratischen Partei ab, die er als zu liberal empfand. Er blieb zwar Parteimitglied, sympathisiert aber mit den Republikanern und unterstützte bis zu seinem Tod die republikanischen Präsidentschaftsklandidaten.

 

1961

25 Jahre nach seiner „Speech of Hope“ bereist Byrnes die Bundesrepublik Deutschland und zeigte sich beeindruckt vom Wiederaufbau des Landes. In Stuttgart wurde er von Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger empfangen.

 

9.4.1972

Byrnes starb im Alter von 90 Jahren in Columbia, South Carolina

 

James F. Byrnes war Verfasser mehrerer Bücher, darunter ­­­­„Speaking Frankly“ (1947), seine Erinnerungen von der Konferenz von Jalta bis zu seinem Rücktritt als Außenminister, sowie seine Autobiographie „All in one Lifetime" (1958)

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Weiterführende Informationen

Byrnes und die „Speech of Hope“ in Stuttgart

Aufsatz von Prof. Dr. Georg Schild

Auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik. Aus: Baden-württembergische Erinnerungsorte. Der große Band zum 60. Jahrestag der Gründung des Landes Baden-Württemberg am 25. April 1952. Stuttgart 2012.

Byrnes und die "Speech of Hope in Stuttgart"

Literatur

  • Byrnes, James F.: Speaking Frankly, New York 1947.
  • Byrnes, James: All in one Lifetime, New York 1958.
  • Clements, Kendrick A.: James F. Byrnes and the Origins of the Cold War, Durham/USA 1982.
  • Curtis F./Morgan, Jr./Mellen, Edwin: James F. Byrnes, Lucius Clay, and American Policy in Germany, 1945–1947. New York  2003.
  • Messer, Robert L: The End of an Alliance: James F. Byrnes, Roosevelt, Truman, and the Origins of the Cold War, Chapel Hill 1982.
  • Robertson, David: Sly and Able: A Political Biography of James F. Byrnes, New York/London 1994.
  • Landtag Baden-Württemberg (Hrsg.): Byrnes, James F.: Speech of Hope, U.S. Secretary of State James F. Byrnes, 6th September 1946, Stuttgart 1999.
  • Rittmann, Albrecht: 50. Jahrestag „Rede der Hoffnung“: James F. Byrnes, Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, 6. September 1946, Stuttgart 1996.
  • Ward, Patricia Dawson: The Threat of Peace: James F. Byrnes and the Council of Foreign Ministers 1945–1946, Kent/Ohio 1979.

Links

Links zu Byrnes

 


Links zu den Nachkriegsjahren

 

  • Heft „Informationen zur politischen Bildung – Deutschland 1945–1949“ im Onlinearchiv der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb)
    zum Heft der bpb
     
  • Die Nachkriegsjahre 1945–1949 auf den Seiten des Lebendigen Museums Online LeMO
    LeMo Nachkriegsjahre

Weitere Links

 

  • Deutsch-Amerikanisches Zentrum/James-F.-Byrnes-Institut e. V. Stuttgart
    DAZ.org
     
  • Haus der Geschichte Baden-Württemberg
    HDGBW
     
  • Botschaft der USA in Deutschland (Generalkonsulat der USA / Konsularbezirk Frankfurt)
    US-Botschaft
     
  • Bilderdatenbank des Truman Presidential Museum & Library
    Truman Presidential Museum & Library

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