Jördis Triebel

Die Chemie zwischen uns und dem Schwein hat nie gestimmt.

Jördis Triebel über ihren ersten Kinofilm „Emmas Glück“, tierische Kollegen und das Glücklichsein

Jördis Triebel

© Pandora Film

Jördis, Du hast eine klassische Theaterausbildung absolviert und bist auch hauptsächlich auf der Theaterbühne zu sehen. „Emmas Glück“ ist nun dein erster Kinofilm – wie bist du damit klar gekommen? Inwiefern fiel dir der Übergang von Theater zu Film schwer?
Triebel: Das unterscheidet sich ja radikal, Theater und Film. Das war natürlich eine Umstellung für mich. Ich hatte aber das große Glück, dass ich mit Jürgen Vogel zusammen drehen durfte, der mir da sehr geholfen hat und mich eingeführt, und mir alle Fragen, die ich hatte, beantwortet hat.

Welche Fragen waren das zum Beispiel?
Triebel: Naja, zum Beispiel wie man sich vor der Kamera bewegt, dass man eher kleiner spielt als am Theater. Oder dass man Dinge, Emotionen über andere Sachen erzählen kann, als über die Sprache zum Beispiel – sondern einfach über einen kleinen Blick oder über eine Atmosphäre. Das musste ich halt erst einmal lernen. Im Theater ist alles etwas größer, es muss bis in die letzte Reihe sichtbar sein, damit die Zuschauer auch der Geschichte und den Stationen der Figur folgen können.

Auf Film und Fernsehen bzw. die Arbeit vor der Kamera wird man an der Ernst-Busch– Schauspielschule überhaupt nicht vorbereitet?
Triebel: Nein. In Potsdam gibt es eine Schauspielschule, die macht beides, Theater und Film. Aber Busch ist pures Handwerk und auf Theater orientiert. Da ich aber schon vor meiner Schauspielausbildung eine kleine Fernsehrolle hatte, bin ich hier nicht auf völliges Neuland gestoßen. Für mich war es natürlich super, dass ich diese Chance hatte, schon vorher einiges mitzubekommen. Dennoch waren diese 5 Drehtage für Wolffs Revier nicht mit einem Filmdreh zu vergleichen. Die Arbeit unterschied sich halt sehr, vor allem auch darin, dass wir für den Kinofilm wesentlich mehr Zeit hatten.

Wie lange haben die Dreharbeiten für Emmas Glück gedauert und habt ihr/das Team die ganze Zeit zusammen auf dem Hof verbracht?
Triebel: Wir hatten insgesamt 35 Drehtage, doch zu diesen Tagen kommt noch die Vorbereitungszeit dazu. In der Phase lernt man sich kennen und man hat die ersten gemeinsamen Proben Während des Drehs haben wir dann fast alle zusammen in der Nähe des Hofes im Hotel gewohnt, nur ein paar sind am Wochenende nach Köln gependelt.. Aber eigentlich waren wir die ganze Zeit zusammen.

Wie bist du an die Rolle gekommen? Was hat dich an der Figur Emma angesprochen bzw. was hat man in dir gesehen, dass man dir die Rolle gegeben hat?
Triebel: Ich wurde über meine Schauspielagentur zu einem Casting eingeladen. Dann hat mir die Casting-Agentur das Buch „Emmas Glück“ zugeschickt. Und als ich dieses dann gelesen hatte, habe mich sofort in diese Emma verliebt, ich fand sie so facettenreich, vielschichtig, dass ich sofort gewusst habe, ich will das machen. Und ich hoffte natürlich, dass die anderen das auch so sehen. Und Gott sei dank war das dann auch so. Aber eigentlich war es schon ein Glücksfall. Um ehrlich zu sein, hätte ich nie damit gerechnet. Weil man ja meistens nicht so vorgeht, dass man einem kompletten Neuling und Unbekannten eine solche Kinohauptrolle anbietet, und dazu noch mit einem solchen bekannten deutschen Kollegen an der Seite. Es ist schon wie ein Sechser im Lotto. Ich bin total dankbar.

Im Film lebt Emma allein auf ihrem Hof, sie selbst behauptet aber, sie wäre ja gar nicht allein, denn sie habe ja ihre Tiere. Die Arbeit mit Tieren ist bekannter Weise nicht einfach. Wie hast du dich deinen tierischen Kollegen genähert? Wie bereitet man sich auf eine solche Arbeit vor?
Triebel: Die Tiere, die am Set eingesetzt werden, sind natürlich trainiert. Obwohl Schweine nie zu Kuscheltieren werden, selbst wenn sie trainiert sind. Zur Vorbereitung habe ich ein dreiwöchiges Praktikum auf einem Bauernhof gemacht und richtig mitgearbeitet: Ställe ausmisten, Tiere füttern, aber auch zum Schlachter fahren, auf dem Feld mitarbeiten, Traktor fahren und wie man Wurst macht und so weiter – ich habe mir eben alles angekuckt, weil ich mir ein Bild machen wollte von dem Leben, das die Filmrolle Emma führt und von dieser schweren körperlichen Arbeit, die sie zu verrichten hat.

Trotzdem stellt man es sich schwierig vor, dass gerade bei solchen sensiblen Szenen wie der Schlachtung die „Zusammenarbeit“ mit dem Schwein stimmt. Wie oft muss man da wiederholen, bis das Schwein wirklich die ganze Zeit ruhig liegen bleibt und man sagen kann, die Szene ist im Kasten?
Triebel: Die Chemie zwischen uns und dem Schwein hat nie gestimmt, weil das Schwein immer das gemacht hat, was es selber wollte. Wenn es sich hingelegt hat, dann hat sich nicht hingelegt, weil die Szene jetzt dran war, sondern weil es einfach müde war. Und manchmal hat man eben 4 Stunden warten müssen, bis das Schwein Lust hatte, sich da eben hinzulegen. Also es war manchmal schon sehr spannend. (lacht) Es hat einem etwas Bodenständiges, Ruhiges gegeben, weil nicht nach Zeit gearbeitet werden konnte mit den Tieren und das war eigentlich auch das Schöne. Aber bei den Schlachtszenen mit dem Schwein war mir ja klar, dass ich jetzt nicht das Schwein umbringe und dass das geschlachtete Schwein ein Dummie ist. Einfach war es deshalb trotzdem nicht, denn wenn ich das Messer angesetzt hatte – was natürlich kein echtes Messer war – und dann irgendwie das falsche Blut rausgepumpt wurde, dann fand das das Schwein manchmal gar nicht toll, was ich da an seinem Hals gemacht habe. Wir mussten alle einfach die Nerven behalten, ruhig bleiben und dann wieder aufs Neue: das Stroh wieder neu machen, das ganze Blut säubern, das Schwein wieder sauber machen. (lacht) Aber es war toll. Mit Tieren zu drehen macht eben auch so viel Spaß, weil es so unberechenbar ist, weil es eben nicht nach Plan geht und viele lustige Sachen passieren, auch unvorhergesehen.

Der Film heißt „Emmas Glück“ – was ist für dich Glück?
Triebel: Oh Gott. Kann das jemals jemand beantworten? Ist das nicht eher eine philosophische Frage?

Wann ist Emma im Film am glücklichsten?
Triebel: (lange Pause) Sieht man das nicht? (lacht) Emmas Glück ist hart erkämpft, es fällt nicht vom Himmel. Klar, es ist eine märchenhafte Geschichte, aber es ist ja kein einfaches Glück, und plötzlich ist es da. Es hat auch mit Kämpfen zu tun. Es ist auch, aus seiner eigenen Welt herauszugehen. Damit hat es zu tun. Und da sie das tut, begegnet ihr halt das Glück.

Kannst du alle ihre Handlungen nachvollziehen?
Triebel: Ja. Sonst hätte ich es nicht spielen können.

Also, du musst es nachvollziehen können, um es spielen zu können?
Triebel: Ja.

Konntest du auch nachvollziehen, dass sie nach dem Autounfall auf ihrem Bauernhof den verletzten und bewusstlosen Max (Jürgen Vogel) nicht nur in ihr Bett schleppt, sondern auch komplett auszieht, obwohl er sich nicht wehren kann?
Triebel: Ja. Emma hat damit keine Schwierigkeiten, sie will ihn sich angucken. Schauen, wie alles aussieht, also damit hat sie wohl die wenigsten Probleme oder gar Schamgefühle. Der Körper ist für sie das natürlichste Element. Dass er sich nicht wehren kann ist für Emma kein Eindringen in die Intimsphäre. Das ist ja auch das große Glück der ersten Begegnung, dass sie sich ihm in ihrer Weise nähern kann, und zwar ohne Worte, sondern durch ihre Art – diese vielleicht auch tierische Art und Weise, die sie eben auch hat.
Erst später im Film tauchen ja die Probleme auf, durch die sie merkt, sie muss sich jetzt überlegter dazu verhalten. Zunächst einmal sieht sie nur das Geld, das sie in diesem Unfallwagen gefunden hat und mit dem sie, was ihre Schulden angeht, aus dem Schneider ist; und sie sieht den Mann, der ihr gefällt. Sie denkt nicht darüber nach. Sie lebt ihr Leben und sie weiß nicht, was da draußen, außerhalb ihres Hofes, passiert, und da fällt plötzlich was vom Himmel und das ist dann ihrs.

Der Film lebt ja praktisch von dieser ungewöhnlichen Art Emmas mit dem Leben umzugehen, so wie du es eben auch beschrieben hast. Ihr Glück enthält aber auch eine gewisse Tragik, denn ihr geliebter Max ist sterbenskrank. Sie kann genießen und hinterher nichts bereuen. Gehst du auch so durchs Leben, strebst du das an?
Triebel: Am Ende des Buches habe ich so geheult… Was ist das für eine tolle Frau! Was hat die für eine Stärke und für einen Mut, so etwas tun zu können. Und zu wissen, dass man jemanden so sehr liebt und wieviel Glück er einem gegeben hat und ihn trotzdem gehen zu lassen. Ich bekomme noch immer Gänsehaut, wenn ich daran denke. Das ist wunderschön. Ich glaube auch, dass im Leben das Glück immer mit einer gewissen Tragik verbunden ist.

Im Zusammenhang mit der Schweinschlachtung und dem Ausnehmen der Gedärme etc. kam mir die Frage, ob du wohl Vegetarierin bist?
Triebel: Nein, ich bin keine Vegetarierin. Und ich habe mich durch die Vorbereitung langsam daran gewöhnt, auch an den Geruch. Hier hat mir eigentlich die direkte Art von Emma total geholfen, das gehört für sie dann einfach dazu.

Die Dreharbeiten sind nun schon über ein Jahr her. Wie kommst du, besonders da es ja deine erste Kinorolle ist, mit dieser Übergangszeit klar? Du musstest ja nun so lange auf Feedback warten.
Triebel: Ja, das ist fies. Man wartet sehr lange bis der Film fertig ist, eigentlich sollte Emmas Glück auch schon viel früher fertig sein, am Ende hat es aber ein ganzes Jahr gedauert. Natürlich sitze ich da auf heißen Kohlen. Das war furchtbar. Man hat irgendwie das Gefühl, man hat nicht abgeschlossen. Es ist so als ob man eine neues Kleid hat und man darf es nicht anziehen. (lacht)

Was hast du denn seit den Dreharbeiten gemacht, wie geht’s für dich weiter?
Triebel: Ich drehe jetzt eine Krimiserie fürs ZDF. Was neu daran ist, dass es junge mutige und eigentlich Kinoregisseure sind, mit denen ich arbeite. Und dass wir mit Handkameras arbeiten; auch dass alles sehr, sehr schnell, sehr impulsiv, sehr hart, zum Teil auch sehr brutal gedreht wird. Die Bücher sind auch toll und manchmal echt am Abgrund, keine leichte Unterhaltung. Es geht zum Beispiel um Korruption innerhalb der Polizei und andere Themen, bei denen man schon etwas Mut braucht, um sie anzusprechen.

Du bist ja zurück nach Berlin gekommen, in deine Heimat, spielt das für dich eine große Rolle? War das für dich wichtig?
Triebel: Ja. Das ist schön. Ich liebe Berlin total, die Jahre, die ich jetzt weg war, haben mir auch gut getan, um eine gewissen Abstand zu kriegen. Es wird sicher nicht meine letzte Station sein, ich werde hier sicherlich keine Wurzeln schlagen. Aber jetzt im Moment ist es schön, einfach wieder in Berlin zu sein, viele Leute wiederzusehen, die ich lange nicht gesehen habe und auch hier arbeiten zu können. So lerne ich die Stadt noch einmal auf eine ganz andere Art kennen. Wir drehen ja viel in Kreuzberg und draußen in Spandau, und ich entdecke so viele neue Ecken, die ich vorher noch nie gesehen habe.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Triebel: Also wenn das Leben ein Comic wäre… dann wäre ich die Hexe. Aber es muss eine lustige Hexe sein, und sie muss einen Besen zum Fliegen haben.
In Bezug auf den Film „Emmas Glück“ denke ich eher an Pippi Langstrumpf. Ich meine, da wohnt eine junge Frau allein in ihrem Haus, verteidigt es bis zum Letzten, ist anarchistisch, lässt sich von niemandem reinreden – ja, natürlich, das enthält auf jeden Fall Elemente einer Pippi Langstrumpf. Als Kind wollte ich immer Pippi Langstrumpf sein – auch wenn das jetzt keine Comic-Figur ist.

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