1937 bereiste der US-amerikanische Dokumentarfilmer Julien H. Bryan Deutschland, um hinter die Fassade der nationalsozialistischen Diktatur zu blicken. Zwar erlaubten die Behörden dem Filmemacher nur den Dreh an ausgewählten Orten. Dennoch gelang es Bryan, einige den Nazis unbequeme Szenen zu drehen. Fast das gesamte 35-mm-Filmmaterial, das Bryan damals gedreht hat, ist erhalten geblieben. Regisseur Michael Kloft hat diese einzigartigen Filmdokumente neu ausgewertet und zu einem faszinierenden Dokumentarfilm montiert.
1937 bereiste der US-amerikanische Dokumentarfilmer Julien H. Bryan Deutschland, um hinter die Fassade der nationalsozialistischen Diktatur zu blicken. Zwar erlaubten die Behörden dem Filmemacher nur den Dreh an ausgewählten Orten. Dennoch gelang es Bryan, einige den Nazis unbequeme Szenen zu drehen. Fast das gesamte 35-mm-Filmmaterial, das Bryan damals gedreht hat, ist erhalten geblieben. Regisseur Michael Kloft hat diese einzigartigen Filmdokumente neu ausgewertet und zu einem faszinierenden Dokumentarfilm montiert.
Stab und Besetzung
Regie | Michael Kloft |
1937 war die nationalsozialistische Diktatur nach innen gefestigt. Ihre Gegner hatten die Nazis erschlagen oder mundtot gemacht, sie in Konzentrationslager oder Gefängnissen weggesperrt oder in die Emigration getrieben. Die Wirtschaft erholte sich von der Weltwirtschaftskrise, das demokratische Ausland in Europa und Übersee begann sich mit dem "Dritten Reich" zu arrangieren. Viele kritische Geister waren sich jedoch sicher, dass der schöne Schein, den die Nazis nach außen errichtet hatten, nur notdürftig den mörderischen Rassenwahn des Hitler-Regimes und seinen Militarismus kaschieren sollte. Zu diesen Menschen zählte auch der US-amerikanische Dokumentarfilmer Julien H. Bryan, dem die nationalsozialistischen Behörden im Sommer 1937 überraschend eine Drehgenehmigung gewährt hatten.
Bryan begab sich im September und Oktober 1937 nach Deutschland, um mit seiner Kamera hinter die Kulissen der Diktatur zu blicken. Bryans Ziel: Seinen Landsleuten die Wahrheit über die Diktatur vor Augen zu führen, die sich der Welt kurz zuvor bei den Olympischen Spielen 1936 als scheinbar friedliebendes und weltoffenes Land präsentiert hatte. In Deutschland durfte der Filmemacher zwar nur an genehmigten Schauplätzen filmen, dennoch gelang es ihm, auch den Machthabern unbequeme Szenen zu drehen.
Regisseur Michael Kloft hat diese einzigartigen Filmdokumente ausgewertet und daraus einen faszinierenden Dokumentarfilm montiert. Ergänzt werden Bryans historische Bilddokumente durch die Erläuterungen des Filmemachers aus dem Jahr 1938, die der Schauspieler Matthias Brandt für den Dokumentarfilm neu eingesprochen hat sowie von Statements zeitgenössischer Beobachter wie W. E. B. Du Bois. Dabei entsteht ein beklemmend authentisches Panorama Deutschlands im Jahr 1937, das im Gegensatz zum Gros der dokumentarischen Filme über das nationalsozialistische Deutschland nicht auf die Propagandaaufnahmen der Nazis zurückgreift, sondern alternatives Bildmaterial nutzt.
Nur wenige Minuten des von Julien Bryan damals außer Landes geschmuggelten Materials wurden 1938 in der einflussreichen US-Wochenschau "Inside Nazi Germany" eingesetzt. Das gesamte Filmmaterial blieb jedoch bis heute erhalten. Für den Dokumentarfilm "Innenansichten Deutschland 1937", der als Koproduktion mit dem Bayerischen Rundfunk entstand, wurden die erhaltenen 35-mm-Rollen sorgfältig neu abgetastet. Irmin Schmidt, der Gründer der Kölner Rockband "Can", war für die Filmmusik verantwortlich.
Nur wenige Minuten des von Julien Bryan außer Landes geschmuggelten Materials wurden 1938 in einer Wochenschau der amerikanischen Gesellschaft "March of Time" verarbeitet - als Anklage gegen das Hitler-Regime. Aber fast alle der in Schwarz-Weiß gedrehten originalen 35-mm-Rollen sind erhalten geblieben und wurden für diese Produktion in High Definition abgetastet.
Julien Bryan hat seine Aufnahmen 1938 während einer Vortragsreise an der Columbia Universität in New York City gezeigt. Seine Ausführungen wurden damals mitgeschrieben, Zitate aus dem Text liest der Schauspieler Matthias Brandt. Cutterin Monika Finneisen hat die Szenen aus Nazideutschland zu einem bedrückenden Panorama montiert.
Irmin Schmidt, der legendäre Gründer der Kölner Rockband "Can", ist ein Altmeister der deutschen Filmmusik. Nun hat er nach mehr als 40 Jahren erstmals wieder einen Dokumentarfilm vertont. Für seinen düsteren und vielschichtigen Sound hat der 1937 in Berlin geborene Komponist sich von dem Lied "Es ist ein Schnitter, heißt der Tod" aus dem Dreißigjährigen Krieg inspirieren lassen. Tatsächlich lasten auf Julien Bryans bisweilen harmlos erscheinenden Bildern aus Deutschland die düsteren Vorboten des Zweiten Weltkriegs mit seinen über 60 Millionen Toten. So wird der Sensenmann, der gleich zu Beginn der filmischen Reise ins Dritte Reich das Gras an der neuen Autobahn mäht, zum unfreiwilligen Symbol des Grauens, das die Deutschen über die Welt bringen werden.
programm.ARD.de © rbb | ARD Play-Out-Center || 14.01.2023