In den besten Jahren

Deutschland 2011 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
Heinz17herne
Ausflug ins Grüne: Idylle mit Badesee und Birkenwäldchen. Am anderen Morgen wird der junge Familienvater Anton Welves (Matthias Koeberlin) zum Dienst abgeholt: Der Polizist wird ein letztes Mal hinauf zum Fenster winken, an dem Gattin Erika (Eva Krautwig) und Tochter Jenny zusehen, wie er zum Kollegen Matthias (Tom Viehöfer) in den Dienst-BMW steigt. Wenige Stunden später ist er tot, erschossen bei einer routinemäßigen Fahrzeugkontrolle durch einen RAF-Terroristen. „Polizistenmörder gefasst“ lautet anderntags die wenig tröstliche Zeitungs-Schlagzeile.

Das liegt exakt 41 Jahre zurück. Erika, die „kleine Beamtenwitwe“, sieht sich nach so langer Zeit wieder mit den Ereignissen der 1970er Jahre konfrontiert – durch Fragen des Journalisten Max Beiler, der sich sichtlich Mühe gibt, so behutsam wie möglich vorzugehen. Dennoch brechen plötzlich alte Wunden wieder auf, die nach langjähriger psychiatrischer Behandlung vernarbt schienen. „Was würden Sie machen“, fragt der Zeitungsmann, „wenn der Mörder Ihres Mannes noch leben würde?“

Bei Erika kochen die Emotionen wieder hoch: Hans Peter Schulz, der Mörder ihres Gatten, ist damals freigesprochen worden. Weil er sich der Justiz als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und Antons Kollege Matthias, der als Fahrer des Polizeiwagens unverletzt blieb, zugunsten des Mörders ausgesagt hat. Erika wird nervös, aufbrausend, selbst eine Märchenaufführung ihrer Enkelkinder verlangt ihr zu viel Konzentration ab.

Tochter Jenny, die ihre Mutter seit vielen Jahren beherbergt, steht das Entsetzen ins Gesicht geschrieben: Ihr Mann kann die drei Buchstaben „RAF“ nicht mehr hören und auch sie selbst hat zu viel durchgemacht seit frühester Kindheit, um nun wieder täglich mit der Vergangenheit konfrontiert werden zu wollen. Bevor alles aus dem Ruder läuft, besorgt sie ihrer Mutter eine neue Wohnung.

Erika geht inzwischen ihre eigenen Wege. Mit dem Notizbuch des Journalisten, das dieser bei ihr vergessen hat, kommt sie an die Adressen von Matthias Brühl und des Juristen Friedrich Gehlmann, für den der „Fall Schulz“ als damaliger Assessor bei der Bundesanwaltschaft sein erstes großes Verfahren gewesen ist. Ersterer ist selbst psychisch ein Wrack, haust in einem aufgelassenen Hallenbad und handelt mit gebrauchten Elektrogeräten. Letzterer bekennt seine Scham über den staatlich initiierten Freispruch des Mörders, rät Erika „zum Verzeihen und zum Vergessen, auch wenn das eine Zumutung ist“.

Mit Hilfe des netten, verwitweten Nachbarn Karl Wenzelburger versucht Erika erste Schritte in ein eigenständiges, von der Familie ihrer Tochter unabhängiges Leben. Sie nimmt erste Fahrstunden, erleidet aber immer wieder Rückschläge. Sodass sie zusammen mit Karl nach Holland fährt, um die dort lebende Mutter des Terroristen, Gertrud Schulz, ausfindig zu machen. „41 Jahre sind eine lange Zeit“, versucht Karl, als er hinter das Geheimnis dieses „Ausflugs“ gekommen ist, zu beschwichtigen.

Doch erst die kurze, für beide sehr aufwühlende Begegnung zwischen einer zunächst konsternierten Erika und einer entwaffnend offenen, ehrlichen und darob wie befreit wirkenden Gertrud S., wie sich die inzwischen im Altersheim lebende gebrochene und todkranke Frau nennt, setzt ein kleines Hoffnungszeichen: Erika hat erfahren, dass Hans Peter Schulz 1997 bei einem Autounfall gestorben ist und hier in Holland anonym begraben liegt. Nun könnte auch sie die als traumatisch empfundene Vergangenheit endlich begraben – mit dem verständnisvollen Karl an ihrer Seite...

„In den besten Jahren“, eine TV-Produktion von Cine Centrum Berlin im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks Köln, die bei der Premiere Anfang Dezember 2011 im Babylon-Kino am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin problemlos den Leinwand-Test bestand, besticht zunächst durch seine Story: Hartmut Schoen beleuchtet den RAF-Terrorismus aus der Sicht indirekt Betroffener, der Angehörigen von Tätern und Opfern. Ihr Leid hält sie und ihre Angehörigen auch noch nach vier Jahrzehnten gefangen. Immerhin deutet sich ein kleines Licht der Hoffnung am Horizont an – für Erika und ihre Tochter Jenny, welche ihr ganzes Leben lang eifersüchtig gewesen ist auf die verklärende Liebe ihrer Mutter zum ermordeten Vater, aber auch für Gertrud.

In ebensolchem Maße profitiert der Film von der bis in kleinste Episodenrollen grandiosen Besetzung – mit einer in ihrer schonungslosen Selbstverleugnung überragenden Senta Berger, mit einer zwischen allen Stühlen scheiternden Christina Große, die nach verlorener Kindheit nun auch ihre eigene Familie zu verlieren droht, und mit einem einmal mehr wundervoll lakonischen Matthias Brandt als (freilich nicht so ganz) uneigennützigem Freund und Helfer. Beim 2. Deutschen Schauspielerpreis 2013 wurde Ellen Schwiers in der Kategorie „Starker Auftritt“ ausgezeichnet.

Pitt Herrmann

Credits

Drehbuch

Darsteller

Produzent

Alle Credits

Drehbuch

Darsteller

Produzent

Dreharbeiten

    • 01.03.2011 - 31.03.2011: Köln und Umgebung
Länge:
88 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 14.12.2011, ARD

Titel

  • Originaltitel (DE) In den besten Jahren

Fassungen

Original

Länge:
88 min
Bild/Ton:
Farbe, Ton
Aufführung:

TV-Erstsendung (DE): 14.12.2011, ARD

Auszeichnungen

Deutscher Schauspielerpreis 2013
  • Deutscher Schauspielerpreis, Starker Auftritt