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Prophylaxe 28.02.2011

Implantat und regelmäßige Prophylaxe - ein Erfolgsteam

Implantat und regelmäßige Prophylaxe - ein Erfolgsteam

Die Implantologie stellt heute den größten Wachstumsbereich der Zahnheilkunde dar. Jedes Jahr steigen die Rekordzahlen aufs Neue. Die Anzahl der bundesweit gesetzten Implantate kletterte von 2004 auf 2005 um 10 Prozent auf rund 554.000. 2006 waren es weitere 16 Prozent Steigerung auf über 643.000 Stück. Die Tendenz ist weiter positiv.

Unser Ziel und der Anspruch der Patienten, diese hochwertigen Versorgungen lange zu erhalten, kann nur mit entsprechend ausgeklügelten Prophylaxekonzepten erreicht werden. Erfolg steht und fällt mit der konsequenten Pflege! Das gesamte zahnärztliche Team ist in der Pflicht, mit all seinem Können und Wissen dem Implantatpatienten zur Seite zu stehen.


Historisches

Der Wunsch, fehlende Zähne zu ersetzen, ist kein Phänomen der Neuzeit. Bereits 2.000 Jahre vor Christus wurden die ersten Implantatversuche unternommen. Später wurde mit den verschiedensten Materialien, wie zum Beispiel Kautschuk, Elfenbein, Porzellan oder Gold experimentiert. 1913 beschrieb Greenfield erstmals seine käfigartigen Implantate. 1939 wurde das erste Implantat in Form eines Gewindes ähnlich einer Holzschraube aus Chrom-Kobalt-Molybdän-Legierung verwendet. Darauf folgten nadelartige Implantate und Blattimplantate von Linkow.

Den wohl größten Einfluss auf die Weiterentwicklung von Implantaten hat Anfang der 60er-Jahre die Arbeitsgruppe um Brånemark mit ihren Zylinderschrauben aus Titan als Basiselement genommen. Diese Arbeitsgruppe wies mit ihren gedeckten und entlastet einheilenden Schraubenimplantaten einen unmittelbaren Knochen-Implantat-Übergang nach. Der Begriff „Osseointegration“ entstand. Ebenso spricht man von „enossal“ eingebrachten Implantaten.

Die heutigen Implantate bestehen vorwiegend aus Titan, ein Metall, das als biologisch träge gilt und somit Fremdkörperreaktionen nahezu ausschließt. Vielversprechend sind die nunmehr immer häufiger gesetzten, vollkeramischen Implantattypen aus der Hochleistungskeramik „Zirkonoxid“. Hier sind theoretisch keine Körperabwehrreaktionen zu erwarten. Der wichtigste Faktor für eine optimale Knochenanlagerung ist die Oberflächenbeschaffenheit des Implantates. Meist wird eine Mikrorauigkeit auf dem Titan durch Bestrahlen mit Aluminiumoxid, Ätzung oder Thermoätzung bewirkt.

Die Vielfalt der heutigen Implantatsysteme macht es nicht leicht, sich zu entscheiden und sie adäquat zu reinigen. Gibt man einer Internet-Suchmaschine den Begriff „Zahnimplantat-Hersteller“ oder „Implantatsysteme“ ein, erscheinen seitenlange Produktregister. 1982 wurde die Implantologie als wissenschaftliche Therapie offiziell von der DGZMK anerkannt. Dies führte in Deutschland zu einer weiten Verbreitung. Zunächst wurden hauptsächlich die Stabilisierung von Prothesen in zahnlosen Kiefern und die Vermeidung von Prothesen bei zum Beispiel Freiendsituationen versorgt. Heute wird gerade in ästhetisch anspruchsvollen Gebieten – zum Beispiel Einzelimplantate im Frontzahngebiet oder Schaltlücken – routiniert und erfolgreich implantiert.


Voraussetzungen

Die Entscheidung für eine Implantatversorgung kann mit drei wesentlichen Argumenten gestützt werden:

  1. Erhaltung oder Regeneration eines ausreichend, knöchernen und weichgeweblichen Lagers
  2. Präventive Erhaltung von Zahnhartsubstanz
  3. Verbesserung der Kaufunktion.


Implantatgetragene prothetische Versorgungen gelten als klinisch vorhersehbar. Die Einheilchancen eines Implantates stehen bei über 90 Prozent. Die Haltbarkeit eines optimal versorgten Implantates liegt bei guter Pflege und regelmäßiger zahnärztlicher Kontrolle bei 10–20 Jahren. Langzeitstudien belegen eine über 90-prozentige Erfolgsquote nach über zehn Jahren. Eine konsequente Materialweiterentwicklung und Forschung eröffnet der Zahnmedizin zukünftig weitere ungeahnte Versorgungsmöglichkeiten.


Prophylaxe-Strategien


Es gilt grundsätzlich, den potenziellen Implantatpatienten sorgfältig darüber aufzuklären, dass nur dann implantiert wird, wenn dessen Mundhöhle erstens konstant häuslich und professionell gepflegt ist und zweitens erforderliche konservierende, endodontische oder parodontologische Therapien erfolgreich abgeschlossen sind.

Kein Patient sollte ohne vorherige Prophylaxe und Optimierung der oralen Situation zur Implantation zugelassen werden. In den meisten Fällen führten gerade die oralen Unzulänglichkeiten zum Zahnverlust. In Tabelle 1 sind die Indikationseinschränkungen aufgeführt. Nachfolgend wird aufgezeigt, wie der Ablauf einer optimal durchgeführten Prophylaxe-Strategie aussehen kann.



Tabelle 1


Initialsitzung 1

Die Initialsitzung 1 umfasst neben der Erhebung von Plaque und Blutungs-Indizes (BOP: bleeding on probing) die eingehende Motivation und Instruktion. Insbesondere eine geeignete Putztechnik und Interdentalraumhygiene wird gezeigt und geübt. Ideal ist es, wenn dem Patienten die entsprechenden Hilfsmittel mitgegeben werden. Es folgt in gleicher Sitzung eine professionelle Zahnreinigung mit maschineller und manueller Belagsentfernung (Grob-/ und Feindepuration), eventuell auf zwei Sitzungen verteilt, wenn der Befund entsprechend ist. Außerdem gehört eine gründliche Feinpolitur, Zungengrundreinigung und als begleitende Therapie eine Fluoridierung (z.B. Fluor Protector, Ivoclar Vivadent) und/oder eine zuverlässige keimzahlreduzierende Maßnahme mit Lack (Cervitec Plus, Ivoclar Vivadent) dazu. Beim Zeitaufwand kann von ca. einer bis anderthalb Stunden ausgegangen werden.

Initialsitzung 2
Die Initialsitzung 2 nach ca. 14 Tagen beinhaltet eine erneute Erhebung der Plaque- und Blutungs-Indizes zur Erfolgskontrolle. Entsprechend der ermittelten Werte wird remotiviert und instruiert. Bitte nicht vergessen: Jeder kleine Erfolg wird gelobt! Eventuell folgt die Feindepuration, in jedem Fall ein Deplaquing und Feinpolitur sowie Refluoridierung oder Keimzahlreduktion. Hier wird nun die Entscheidung getroffen, ob sich der Patient erneut in einer Initialsitzung 3 vorstellen muss. Dies ist abhängig von der Höhe der Indizes. Für API (Approximal-Plaque-Index) und BOP gelten Werte unter 10 als optimal. Erfüllt der Patient die Kriterien, kann der Implantationstermin festgelegt werden. Der Zeitaufwand für diese Sitzung beträgt ca. eine Stunde. 14 Tage vor dem OP-Termin wird der Patient für eine kurze Kontrolle (ca. eine halbe Stunde) bestellt. Das besondere Augenmerk gilt der Gingiva und deren Zustand. Sollte eine Gingivitis vorliegen, besteht die Möglichkeit der Ausheilung bis zum OP-Termin. Eine erneute Instruktion, Motivation und Reinigung kann erfolgen. Der weitere Grund für diese Sitzung ist die Vorbereitung und Aufklärung über die Full Mouth Disinfection. Der komplette Vorgang wird mit dem Patienten durchgeführt und eine Anleitung mit Rezept über die CHX-Präparate mitgegeben.



Tabelle 2


Tag der Implantation und die Zeit danach

Am Tag der Implantation werden eine professionelle Zungengrundreinigung und ein Deplaquing durchgeführt. Der Zeitaufwand umfasst maximal 15 Minuten. Bestens vorbereitet wird der Patient dem Implantologen übergeben. In der Einheilphase kommt der Patient eine Woche nach der OP und zu ein bis zwei kurzen Sitzungen im Verlauf von drei (Unterkiefer) bzw. sechs Monaten (Oberkiefer) zur Prophylaxe in die Praxis. Bei Eingliederung der Suprakonstruktion wird eine ausführliche Pflege-Einweisung – zuerst am Modell und dann im Mund – durchgeführt. Nach etwa einer Woche wird die zahnärztliche Kontrolle der Versorgung mit der Mundhygienekontrolle verbunden. Bei komplizierten Zahnersatz-Versorgungen erfolgt eine weitere Sitzung nach vier Wochen; spätestens jedoch nach drei Monaten. Im Verlauf des ersten Jahres nach der Implantation erfolgt ein regelmäßiges Recall im maximalen Abstand von drei Monaten.

In jeder Prophylaxesitzung werden strenge Plaque- und Blutungskontrollen durchgeführt. Es folgt die Entfernung des Biofilms und eine Politur mit einer Polierpaste mit niedrigem RDA-Wert (Proxyt rosa, IvoclarVivadent). Als abschließende, begleitende Therapie wird der Spalt am Übergang von Suprakonstruktion zum Implantatpfosten zirkulär mit einem Desinfektionslack (Cervitec Plus, Ivoclar Vivadent) abgedeckt. Dieser Spalt ist eine hervorragende Prädilektionsstelle für Plaquebakterien. Der genannte Lack hat eine Depotwirkung von etwa drei Monaten. In dieser Zeit können sich Bakterien nur schwer an der Oberfläche anheften. Eine deutliche Risikominimierung kann hiermit zuverlässig erreicht werden. Die Gefahr des Implantatverlustes im ersten Jahr kann nur durch ein engmaschiges Recall und einer auf hohem Niveau ausgeführten Prophylaxe verhindert werden. Laut Stellungnahme der DGZMK3 kann mit einer vertikalen Minderung des Knochens im ersten Jahr um 0,4–0,5mm/Jahr gerechnet werden. Im zweiten und den darauffolgenden Jahren sollte die marginale Resorption bei nur etwa 0,1–0,2mm/Jahr liegen.


Ursachen von Verlust

In Tabelle 3 sind mögliche Ursachen für Implantatverluste aufgeführt. In rund 56 Prozent der Fälle sind periimplantäre Infektionen die Auslöser. Bei 28 Prozent werden eine unzureichende Nachsorge des/der Implantate durch den Patienten als Grund genannt.9 Nachfolgend wird auf die periimplantären Infektionen eingegangen. Hierzu gehören die Erkennung durch Befundaufnahme, die Einschätzung (Diagnostik) und die Therapiemöglichkeiten.

Die Mukositis ist im Wesentlichen vergleichbar mit der Gingivitis. Entstanden durch Plaqueanlagerungen und entzündlicher Reaktion des Gewebes ist sie bei Entfernung der Ursache reversibel. Die fünf Entzündungszeichen sind mehr oder weniger stark ausgeprägt. Die Gefahr der Ausbildung einer Periimplantitis ist bei persistierender Mukositis und entsprechend ungünstiger Immunabwehr des Körpers um ein Vielfaches höher. Mikrobiologisch gesehen unterscheiden sich Implantate und natürliche Zähne nicht.

Die Periimplantitis ist in Ursache und Verlauf mit einer Parodontitis gleichzusetzen. Allerdings verläuft eine Periimplantitis weitaus dramatischer und direkter, da dem Implantat die Schutzbarriere eines Bindegewebsfaserapparates fehlt. Im Gegensatz zum natürlichen Zahn verlaufen die Bindegewebsfasern parallel zur Implantatoberfläche. Bindegewebe enthält einen hohen Anteil an kollagenen Fasern, die wenig Fibroblasten und eine geringere Anzahl von Blutgefäßen enthält. Somit haben wir hier eine verminderte Immunabwehr. Im Falle einer Infektion im Bereich der befestigten Gingiva um das Implantat ist die Distanz zum Knochen nur gering. Ein progressiver Knochenabbau und damit Verlust der Osseointegration beginnt.

Zur Diagnostik der beiden Erkrankungsformen eignen sich klinische Parameter (Indize), Sondierungstiefenmessung und das Anfertigen von Röntgenbildern. Folgendes Schema veranschaulicht, ab welchem Sondierungs-/Blutungswert welche Therapie eingeleitet werden sollte. Welche der aufgeführten Therapien bei bereits bestehenden Taschen mit Blutung und Knochenverlust eingesetzt werden, hängt von den jeweiligen Möglichkeiten der Praxen ab. In diesem Zusammenhang ist die fotodynamische Therapie mit Softlaser (z.B. mit Periowave, Fa. White cross) besonders hervorzuheben. Mithilfe eines Farbstoffes (Methylenblau) werden die Bakterienzellwände markiert. Das Softlaserlicht trifft auf die markierten Keime. Das Licht führt zur Bildung von freien Sauerstoffradikalen, das die Bakterienzellwände schädigt und zerstört. Diese Behandlung ist für den Patienten völlig nebenwirkungs- und schmerzfrei.



Tabelle 3                                       Abb.1: Prophylaxeset


Besonderheiten

Für Patienten mit Implantaten benötigen wir entsprechende Instrumente wie Parodontalsonde, Scaler und Kürette (Abb1.). Diese sollten aus Kunststoff, Karbon oder Titan bestehen, um die Oberflächen nicht zu beschädigen. Die Vermeidung von Kratzern und Rauigkeiten und somit Prädilektionsstellen für Bakterien muss unter allen Umständen vermieden werden. Parodontalsonden gibt es druckkalibriert (Click probe, KerrHawe). Der definierte Druck von 20g sollte grundsätzlich bei Sondierung am natürlichen Zahn und insbesondere beim Implantat nicht überschritten werden. Auswirkungen bei zu starkem Druck können irreparable Schäden in der Bindegewebsmanschette hinterlassen. Zusätzlich ist beim Sondieren am Implantat darauf zu achten, dass supragingivale Plaque nicht nach subgingival transportiert wird.

Die heutigen Implantatversorgungen machen es uns nicht leicht, sie auf den ersten Blick zu erkennen. Darum ist es zwingend notwendig im Vorfeld den Zahnstatus und Röntgenbilder zu betrachten, damit nicht aus Versehen mit Stahlinstrumenten am Implantat hantiert wird. Bei Verwendung von Pulver-Wasserstrahl-Geräten muss ein geeignetes Pulver eingesetzt werden. Dies ist derzeit nur ein Präparat mit Glycin (Aminosäuren) namens Clinpro Prophy Powder (3M ESPE). Schonende Polituren erreichen wir mit niedrig abrasiven Polierpasten, (z.B. Proxyt rosa, Ivoclar Vivadent) und weichen, anschmiegsamen Gummipolierern.

Der Schwerpunkt in der häuslichen Pflege liegt in der konsequenten Pflege der gesamten Mundhöhle. Hierzu gehört neben einer guten Bürsttechnik, die das Zahnfleisch massiert und die Zähne reinigt, auch die Interdentalraumpflege. Bei Zwischenraumbürstchen sollte auf kunststoffummantelte Drähte geachtet werden. Das Handling mit Spezialflossen kann je nach Indikation ebenso hilfreich eingesetzt werden. Wichtig bei all unseren Bemühungen ist, den Patienten eng mit einzubinden. Er muss sich im Klaren darüber sein, dass der Erfolg und die lange Tragedauer seines Implantates im Wesentlichen davon abhängt, wie er mitarbeitet. Er hat den Löwenanteil!

Die Kunst des zahnärztlichen Teams besteht darin, den Patienten über den Zeitraum von vielen Jahren immer wieder neu zu motivieren, zu begeistern und ihm hilfreich zur Seite zu stehen. Fachliches und praktisches Know-how ist hierfür die notwendige Voraussetzung. Dies kann in speziellen Fortbildungsseminaren (praxisDienste, Heidelberg) erlernt werden. Dem Ziel des langen Erhaltes dieser funktionell und ästhetisch hochwertigen Zahnersatzversorgung kommen wir so ein großes Stück näher.


Autorin: Sabine Reif-Bankmann, Dentalhygienikerin

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