Oberallgäuer im Maximilianeum: Wie ein Gruppenbesuch im Landtag abläuft
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Oberallgäuer im Maximilianeum: Wie ein Gruppenbesuch im Landtag abläuft

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Oberallgäuer zu Besuch im bayerischen Landtag
45 Oberallgäuer blickten kürzlich hinter die Kulissen des Bayerischen Landtags. Da durfte das obligatorische Gruppenfoto nicht fehlen. © Bäucker

Wie geht es hinter den Kulissen des Landtags zu? Das erlebten jetzt hautnah 45 Oberallgäuer mit, die Landtagsvizepräsident Alexander Hold (FW) eingeladen hatte.

Allgäu/München – Sicherheitskontrollen wie am Flughafen, ein launig-erklärender Imagefilm über das Funktionieren der bayerischen Volksvertretung und im hauseigenen Shop das 250-Gramm-Glas „Landtagshonig“ für 5,50 Euro sowie das „Bayernwappen“ (sogar goldfarben) für 3,50 Euro – es fehlt wirklich an nichts, um bei den Besuchern das erwünschte „Wir sind das Volk“-Gefühl zu erzeugen.

Lehrerinnen, ein früherer Soldat, Handwerker, Mittelständler, pensionierte Apotheker haben sich aus dem Oberallgäu nach München aufgemacht – die Besucherschar ist bunt gemischt und altersmäßig eher gesetzt. Klar, welch berufstätiger Mensch hat unter der Woche auch Zeit für einen Besuch im Allerheiligsten der bayerischen Demokratie?

Beinahe andächtig schreiten sie durch die große Halle des 1852 errichteten Maximilianeums (bis heute im Besitz der gleichnamigen Stiftung, die begabten Abiturienten aus Bayern und der Pfalz den Weg zum Studium erleichtert). Sie staunen über die gewaltige Höhe des Raumes und stellen sich kichernd und angeregt plaudernd auf den roten Teppich – das Gruppenfoto ist obligatorisch.

Oberallgäuer im bayerischen Landtag
Rede und Antwort stand der Oberallgäuer Besuchergruppe MdL Bernhard Pohl aus Kaufbeuren. © Bäucker

Dann geht’s hinauf zum Gipfel der Demokratie, ins Ple­num im dritten Stock – je nach Kondition über eine etwas abgewetzte Holztreppe oder im Aufzug. Man muss geduldig auf den Einlass warten, die Besuchergruppen geben sich die Klinken in die Hand. Mit den Allgäuern werden drei Dutzend Menschen aus der Oberpfalz auf die Tribüne gelotst. Applaudieren, Zwischenrufe und Fotos sind nicht erwünscht.

Am Rednerpult im überraschend klein und eng wirkenden Plenarsaal steht ein Abgeordneter der Freien Wähler: ­Dr. Martin Brunnhuber spricht zum „Dringlichkeitsantrag 19/657“, eingebracht von den Grünen. Sie wollen „keinen Rotstift in den Schul-Fächern Musik, Kunst und Werken“.

„Die spielen ja alle nur mit dem Handy!“

Die Allgäuer staunen: Die Abgeordneten-Bänke sind ziemlich voll besetzt, auf der Regierungsbank entdeckt man die Minister Hubert Aiwanger (FW), Ulrike Scharf (CSU) und Christian Bernreiter (CSU). Auch ungewohnt ist das stete Kommen und Gehen im Saal und die große Zahl derjenigen, die auf ihr Handy schauen, Whatsapp-Nachrichten tippen, in Texten und Bildern scrollen oder anscheinend sogar spielen.

„Das ist ja unglaublich, die spielen ja alle nur mit den Handy!“, echauffiert sich in der anschließenden Diskussion mit dem Ostallgäuer Abgeordneten Bernhard Pohl (FW), der für seinen erkrankten Kollegen Alexander Hold eingesprungen ist, ein distinguierter Herr aus Dietmannsried. „Die tun doch gar nichts, hören nicht zu. Einfach respektlos!“, poltert der Besucher weiter. Pohl beruhigt und versucht zu erklären: Dauernd kämen Medienanfragen aufs Handy, Pressetexte seien abzunehmen, Termine abzusprechen. „Wir sind dauernd bei der Arbeit“, versichert der Kaufbeurer.

Ludwig Hartmann sitzt an diesem Tag auf dem Platz von Ilse Aigner (CSU), der Grüne ist einer der Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags. Freundlich aber sehr bestimmt weist er auf abgelaufene Redezeiten hin, erteilt Rednern das Wort und lässt schließlich namentlich abstimmen. Die nächste Überraschung: Das funktioniert reibungslos und zügig. Kein Aufstehen nötig, keine Urnen, keine Zettel. Nur die persönliche Chipkarte in einen Schlitz direkt am Platz stecken, Knopf (Ja/Nein/Enthaltung) drücken und fertig ist das Ergebnis.

Von der Besuchertribüne aus haben die Gäste aus dem fernen Kempten direkte Einblicke in die Lektüre der Volksvertreter, schütteln die Köpfe über verbale Entgleisungen oder sind begeistert, wenn ein Abgeordneter seine Argumente ganz frei ohne Manuskript und trotzdem nachvollziehbar vorträgt.

„Schee war´s“

Nach knapp einer Stunde drängt die nächste Besuchergruppe in den Saal. Die Allgäuer schieben sich – sichtlich beeindruckt – hinaus zum Abschlussgespräch mit Bernhard Pohl. „Altes Schlachtross“ lässt sich der in 16 Jahren Maximilianeum gestählte Politiker gern nennen. Selbstbewusst und eloquent, geduldig und unterhaltsam erklärt der Mann aus Kaufbeuren, warum es Gesetze braucht, wie er unwillige Zeugen im Untersuchungsausschuss zum Reden bringt und wie wichtig es ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen alle Anfeindungen von rechts und links zu verteidigen.

Und zur Freude vieler aus der Kemptener Gruppe verrät er schließlich noch: „Es sieht gut aus für den Ausbau der B12 – gerade habe ich im Gespräch mit Verkehrsminister Bernreiter die nötigen Mitarbeiter durchgesetzt.“ Klappern gehört zum Handwerk jedes Politikers.

Die 45 aus der „Reisegruppe Hold“ applaudieren und setzen sich wieder in den Bus, es geht heim ins Oberallgäu. „Schee war´s“, sagt eine Dame, „interessant und spannend. Hat sich echt gelohnt!“

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