Babyblaue Prog-Reviews: Mike Oldfield: Music of the Spheres: Review
 
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Mike Oldfield

Music of the Spheres

Coverbild
Informationen

Allgemeine Angaben

Erscheinungsjahr: 2008
Besonderheiten/Stil: instrumental; mit Orchester; Moderne Klassik
Label:
Durchschnittswertung: 8.5/15 (4 Rezensionen)

Besetzung

Mike Oldfield Classical Guitar

Gastmusiker

Lang Lang Piano
Hayley Westenra Lead Vocals
The Sinfonia Sfera Orchestra

Tracklist

Disc 1
1. Part 1

1. Harbinger
2. Animus
3. Silhouette
4. Shabda
5. The Tempest
6. Harbinger Reprise
7. On my Heart

24:19
2. Part 2

1. Aurora
2. Prophecy
3. On my Heart Reprise
4. Harmonia Mundi
5. The other Side
6. Empyrean
7. Musica Universalis

21:10
Gesamtlaufzeit45:29


Rezensionen


Von: Dirk Reuter @ (Rezension 1 von 4)


Schön, dass Herr Oldfield mir mit seiner neuen CD nochmal Gelegenheit gibt, ein wenig Wiedergutmachung für meine extrem negative Kritik an seinem letzten "Werk" zu leisten.

Eins vorweg: "Music of the Spheres" ist für mich das beste Oldfield-Album seit "Amarok". Nichts ist mehr da vom "Light + Shade"-Plastiksound, statt dessen gibt es echte Instrumente auf die Ohren, und zwar gleich ein ganzes Orchester. Musikalisch geht es zurück in Richtung "Tubular Bells", deren Thema in Part 1, speziell in "Harbinger", dezent wieder anklingt.

Auch personell geht es wieder zurück zu den Ursprüngen. Hatte doch seinerzeit der "Soft Machine"-Musiker Kevin Ayers durch ständige Unpünktlichkeit zu gemeinsamen Plattenaufnahmen Oldfield Warte- und Studiozeit beschert und so die Aufnahme von "Opus 1" überhaupt erst ermöglicht, so ist es nun ein anderes ehemaliges "Soft Machine"-Mitglied, das für das Orchester verantwortlich zeichnet: Karl Jenkins. Dessen Adiemus-Projekt klingt in den Chorpassagen auch des öfteren durch.

Oldfield hatte sich zu Beginn seiner Musikerkarriere gewünscht, alle Alben einfach fortlaufend nummeriert als "Opus" zu betiteln, was Virgin seinerzeit für keinen klugen Marketing-Schachzug hielt. Das hatte zur Folge, dass "Opus 1" als "Tubular Bells" veröffentlicht wurde. Insbesondere die Oldfield´schen Frühwerke verdienen allerdings, ebenso wie auch das bereits erwähnte "Amarok", die Bezeichnung "Opus" und so verhält es sich nun auch mit "Music of the Spheres". Wunderbar strukturiert, geschaffen als ein Werk, Musik aus einem Guss.

Ähnlichkeiten mit den Suiten eines Anthony Phillips sind ebenso auszumachen wie mit den CDs von "The Enid" oder auch den Stücken von Philip Glass, der ja spätestens seit "Platinum", auf der "North Star" von Oldfield neu arrangiert wurde, klar als eines seiner Vorbilder erkennbar ist.

Der Beginn von Part 2 erinnert mich an die Filmmusiken von Danny Elfman, hier besonders die romantisch verklärten Melodien für "Edward Scissorhands" (dt.: "Edward mit den Scherenhänden"). Doch dann dreht Oldfield zum Ende wieder auf, lässt es gewaltig klingen wie auf "Hergest Ridge" oder "Incantations", nur eben in einer eher orchestralen Version. Auch seine klassische Gitarre hat man lange nicht mehr so klar gehört wie hier.

Festzuhalten bleibt: Mike Oldfield ist zurück. Mehr davon, und nicht erst wieder in 10 oder 15 Jahren.

Anspieltipp(s): Harbinger, Prophecy, Empyrean
Vergleichbar mit: Mike Oldfield in den 70ern
Veröffentlicht am: 6.4.2008
Letzte Änderung: 29.12.2014
Wertung: 12/15

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Von: Jörg Schumann @ (Rezension 2 von 4)


Ein neues Oldfield-Album. Jahrelang war dies meinerseits mit einem Gähnen bzw. Gleichgültigkeit verbunden. Und nun?

Erster Hördurchgang. Harbinger. Stilistisch dem Beginn von Tubular Bells sehr ähnlich. Schade. Ein weiteres Tubular Bells....? In Animus werde ich bald an grosse Filmsoundtracks erinnert: Frauengesang, Streicher.... Herr der Ringe schwebt vorbei. Silhouette: introducing the Flute, dazu Acoustic Guitar, perlendes Grand Piano; Schönklang pur. Was ist "Music of the Spheres"? Es geht in diesem Stile weiter: eine Melange aus Selbstzitaten, beinahe radiotauglichem Schönklang (für die zweiten Programme) und Filmmusik.

Mit jedem Hördurchgang wird das Werk irgendwie besser. Das anfängliche Unbehagen bei allzu "schönen" Parts ist unterdessen dem Gefallen am Gesamtkunstwerk, das Ungehaltensein über Selbstzitate (siehe auch Musica Universalis, welches eine Variation des Finale von Tubular Bells ist) dem Gefallen an einer klassischeren, orchestralen Version des "Originals" gewichen. Music of the Spheres ist für mich Filmmusik ohne Film.

Anspieltipp(s):
Vergleichbar mit:
Veröffentlicht am: 10.4.2008
Letzte Änderung: 10.4.2008
Wertung: 9/15

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Von: Thoralf Koss @ (Rezension 3 von 4)


Au weia, was soll denn das?

Der Herr Oldfield versammelt ein Orchester und Operetten-Sänger um sich, um mit ihnen das oldfieldsche Universum nicht etwa neu zu definieren, sondern neu zu langweilen.

Klassik goes Oldfield mit Chor- und Operettengesängen ... das habe ich gerade noch gebraucht. Und dieses ständige Bemühen der Tubular-Bells-Themen beweist einem doch langsam, aber sicher, dass Oldfield alle Ideen ausgegangen sind, die sich hinter dem Begriff "Kreativität" verbergen.

Oldfield lässt hier die klassische Sau raus, mit Bläsern, Streichern, Trommlern, Harfenisten, Chanteusen, Flötisten und Bombasten, die längst gelernt haben, dass es rentabler ist, den 100sten Aufguss ehamaliger Erfolgswerke runterzunudeln, als bewusst das Risiko einzugehen, nach neuen Wegen zu suchen.

Wann erklingen endlich die Totenglocken dieses ständig wiederbelebten musikalischen Erbes?

Anspieltipp(s): Harbinger
Vergleichbar mit: Einschläferndem Glockengeläut!
Veröffentlicht am: 16.4.2008
Letzte Änderung: 16.4.2008
Wertung: 4/15
Klingelingeling - wie oft noch?

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Von: Nik Brückner (Rezension 4 von 4)



"Music of the Spheres" - the same, but here it comes again?

"Tubular Bells" ständig wiederbelebt? Der hundertste Aufguss ehemaliger Erfolgswerke? Vermeidung des Risikos, nach neuen Wegen zu suchen? Na ich weiß nicht.

"Music of the Spheres" von 2008 war Oldfields zweites Album mit Mercury Records und sein erstes klassisches Werk. Gut, es hatte Orchesterfassungen von "Tubular Bells" und "Hergest Ridge" gegeben, aber die gingen doch eigentlich eher auf das Konto von David Bedford. Abgesehen davon ertönen Orchesterklänge lediglich auf "The Killing Fields" und in "Mont St Michel". Das klingt mir nicht nach dem immer Gleichen. Kann man Oldfield überhaupt ernsthaft Selbstkopie vorwerfen? Der Mann hat nach den Großwerken der 70er in den 80ern Popmusik gemacht, das Album unmittelbar vor "Music of the Spheres" enthielt, so die Auskunft der Babyblauen Seiten, Fahrstuhlmusik und Techno, das davor war eine – gut begründete – Neuaufnahme seines Debüts, das davor New-Age-Chill-Out-Musik, und das davor Instrumentalmusik von der Gitarre. Das sieht mir nun wirklich nicht nach dem immer Gleichen aus – leidgeprüfte Fans können ein Lied davon singen. Und angesichts der Tatsache, dass er für fast alle diese Alben ordentlich auf's Dach gekriegt hat, kann man Oldfield wohl kaum mangelnde Risikobereitschaft vorwerfen. Im Gegenteil.

Das einzige, was hier mit Fug ein Rückbezug auf "Tubular Bells" genannt werden kann, ist das einleitende Stück "Harbinger" und der Schluss "Musica Universalis". Oldfield bearbeitet in "Harbinger" Themen aus "Introduction" ("Tubular Bells") bzw. "Sentinel" ("Tubular Bells II"), während "Musica Universalis" vor allem strukturelle Ähnlichkeiten mit "Finale", dem Höhepunkt und Abschluss des ersten Teils von "Tubular Bells" aufweist. Abgesehen davon enthalten lediglich "Silhouette" und "Musica Universalis" Reminiszenzen an Oldfields Debüt, und auch nur sehr vage. Und Oldfield geht damit ganz offen um. Warum auch nicht? Es ist legitim, und hat nun wirklich nichts Anrüchiges.

"Music of the Spheres" basiert auf dem Konzept einer himmlischen Musica universalis. Oldfield schreibt dazu im Cover:

"Musica Universalis is the ancient theory that every celestial body, the sun, the moon and the stars have an inner music. This is a harmonic and mathematical concept derived from the movements of the planets in the solar system. The music created is inaudible to the human ear. 'Music of the Spheres' is my interpretation of this theory. Every planet and every star: even the whole universe has music within it that no one can hear, this is what it would sound like if it was set free. This is 'Music of the Spheres'."

Klar, der Weltraum, natürlich kam der auch früher schon in Oldfields Werk zum Klingen. Aber eben nicht nur auf "Tubular Bells II" (mit Titeln wie "Dark Star", "Weightless" oder "Moonshine"), er ist auch Thema auf "Earth Moving", "Heaven's Open" oder "The Songs Of Distant Earth". Er ist ein grundlegendes Thema Oldfields, wie bei vielen anderen Komponisten auch.


Die Entstehung des Albums

Mit diesem Konzept im Kopf also begann Oldfield die Arbeit an seinem ersten klassischen Album. Obwohl das gar nicht mal seine ursprüngliche Idee gewesen war: Ursprünglich war nämlich ein Elektronikalbum geplant. Erst als sich "Music of the Spheres" entwickelte, verwandelte es sich in ein Orchesterstück. Deshalb (aber nicht allein deshalb) wurde die Veröffentlichung auch mehrfach verschoben. Die (hochinteressante) Single "Spheres", die aus den frühen Stadien des Albums extrahiert wurde, repäsentiert eine Art Übergangsphase.

Bei der Erstellung der Orchesterfassung wurde Oldfield schließlich von Karl Jenkins unterstützt, bekannt von Soft Machine, aber auch von Adiemus. Ähnlich wie zuvor David Bedford half Jenkins Oldfield dabei, seine musikalischen Ideen für ein Orchester ("Sinfonia Sfera", ein Orchester, das speziell für das Album zusammengestellt wurde.) zu arrangieren. Oldfield schickte Jenkins Midi-Dateien, und dieser produzierte dann mit Hilfe des Notationsprogramms Sibelius eine Partitur. Interessant für Oldfield-Historiker: Jenkins hatte 1973 bei der BBC-TV-Aufführung von "Tubular Bells" Oboe gespielt. Sein Stil ist dabei auf dem Album als Ergänzung zu Oldfields Themen und Motiven deutlich zu hören (insbesondere auf "Shabda"). Die Solisten auf dem Album sind die neuseeländische Sopranistin Hayley Westenra (auf "On My Heart") und der chinesische Starpianist Lang Lang (auf sechs Tracks). Während Oldfield in den Abbey Road Studios arbeitete, nahm Lang Lang seine Beiträge in New York auf. Lange gebraucht hat er dafür vermutlich nicht.


Die Musik

Los geht's also mit "Harbinger". Es ist ein sofort erkennbares, von "Tubular Bells" inspiriertes Thema, das das Album eröffnet, vorgetragen von der Streichersektion. Obwohl – eigentlich ist es eher von von "Tubular Bells II" abgeleitet: Der Abschnitt steht in einem geraden Takt, und Melodiefragmente stammen eindeutig aus "Sentinel". Es ist schon spannend, zu hören, wie Oldfield dieses sehr bekannte Motiv noch einmal aufgreift und wieder neu bearbeitet. Eine Neuinterpretation, keine Selbstkopie.

Diese Einführung leitet über zu einem leisen Violinthema, das von Klavier und Harfe begleitet wird. Dann erklingt die Gitarre des Meisters: sehr zurückhaltend, mit kurzen melodischen Phrasen, die ein wenig an Kammermusik erinnern. Nach einem kurzen Ruhepunkt bei 1:30 nimmt die Musik dann an Intensität zu. Schlagzeug und Bässe weisen auf kommende Musik voraus, die zum Ende hin von Blechbläsern und Pauken angekündigt wird.

Und dann, typisch Oldfield, leitet eine Passage mit neuem Material über in den nächsten Track, "Animus". Hier erklingt nun ein Chor, Sopranstimmen, die mit viel Hall der Musik eine Atmosphäre von Raum und Kälte verleihen. Oldfield spielt die Gesangsmelodie auf der Gitarre. Dann wischt eine breite, dramatische Streichergeste diesen Teil beiseite, und die Violinen lassen ein romantisch-dramatisches Thema erklingen, das von den Klavierskalen Lang Langs begleitet wird. Der Rest des Stücks erinnert dann an Filmmusik, Flugszenen etwa, oder Sachen von Danny Elfman. Yep, das Album wurde 2009 in der Sendung "Ray Mears' Northern Wilderness" (BBC Two) als Hintergrundmusik verwendet.

Weiter geht's mit "Silhouette", einem vergleichsweise zurückhaltenden Stück, das mit einer einfachen Melodie über aufgelösten Klavierakkorden ein melancholisches, instrospektiv-reflektierendes Gefühl verbreitet. Man kann hier an "Hergest Ridge" denken, es gibt auch einen stillen kontrastierenden Abschnitt, der ein wenig an das Dudelsackmotiv aus "Tubular Bells" erinnert (ab 2:00). Dann, nach einem Tonartenwechsel, kehrt die Musik zum Hauptthema zurück, das diesmal von der Harfe begleitet wird. Ein schönes, stilles Stück, "Silhouette", sensibel orchestriert.

Nun darf das Blech ran. "Shabda" wird von Akkorden der Blechbläser und der Streicher eingeleitet, bevor Oldfield eine einfache Melodie auf der Gitarre spielt, die er subtil dekoriert. Die Flöte übernimmt dieses Thema und entwickelt es weiter, mit einigen harmonischen Wendungen, dann spielen Gitarre und Flöte es gemeinsam. Es folgt eine zweite, rhythmisch interessante Flötenmelodie, bevor der Rest der Holzbläser das kontrastierende Thema übernimmt. Schließlich erklingen Stimmen, und eine Marimba-Begleitung kommt hinzu, was der Musik sofort (oder auch: unvermittelt) eine afrikanische Atmosphäre verleiht. An dieser Stelle ist Jenkins' Einfluss auf das Album nicht zu überhören.

Mit "The Tempest" haben wir dann das beste Stück des Album vor uns. Der Track beginnt mit einem großartigen, vom Minimalismus inspirierten Muster, das zwischen 5/4 und 6/4 wechselt und ohne weiteres von Steve Reich oder Phillip Glass stammen könnte. Dann tritt das Klavier hinzu, doppelt die Streicher, und liefert mit seinen Staccati zusätzliche rhythmische Unterstützung. Wenn die Blechbläser dazukommen, machen die allgegenwärtigen Synkopen es zunehmend schwierig, die eins zu finden, was jegliches Gefühl der Stabilität beseitigt. Bei 1:40 setzt dann ein wunderbares, spielerisches Duett von Gitarre und Flöte ein.

Das Hinzufügen der Harfe eine Minute später verleiht dem höheren Register eine durchdringliche Qualität, bevor die Gitarre endlich mit ihrer heiteren Melodie zurückkehrt. Die Musik wechselt in einen 7/4-Takt, und reduziert sich kurz auf einen Flötenpart. Dann erklingt eine prachtvolle Blechbläsermelodie, die von Streicherachteln unterstützt wird, was für einen spannenden Konstrast sorgt. Diese Kombination getragener Blechbläser mit einem schnellen Streicherpart dürfte sich Oldfield von Sibelius abgeschaut haben, der ihn wohl sehr beeindruckt haben muss. Warum auch nicht: "The Tempest" ist auf jeden Fall die interessanteste und anregendste Komposition auf "Music of the Spheres".

Das Stück kommt mit einer ruhigen Coda zu seinem Ende, die Musik wechselt allerdings gleich wieder ihren Charakter, denn mit "Harbinger (Reprise)" kehren Motive vom Anfang des Werks zurück, die als Übergang zum nächsten Titel fungieren.

"On My Heart" setzt mit dunklen, eindringlichen Akkorden der Blechbläser ein, bevor Hayley Westenra eine der wohl besten Vokalmelodien von Oldfield vorträgt. Ein mehrstimmiger Chor begleitet sie bald, und das Piano übernimmt die Rolle, die zuvor der Harfe zugekommen war. Dann beendet kurzes Gitarren-Zwischenspiel das kurze Stück.

Der nächste Track, "Aurora", ist das Scherzo des Albums: Ein unbeschwertes und lebhaftes Stück, rhythmische Streicher leiten es ein, begleitet von vokalen Interjektionen, bevor ein Holzbläserthema über Pauken ertönt. Danach erhält jede Instrumentenfamilie Gelegenheit, zu glänzen. Oldfield spielt ein schönes, sehr scharakteristisches Gitarrensolo, bevor er vom gesamten Orchester dominiert wird. Recht schnell bricht das Stück dann aber in sich zusammen, und die Harfe spielt einige Phrasen aus "Harbinger", um das Stück zu einer ruhigen und entspannten Auflösung zu bringen.

Stimmungswechsel: "Prophecy" beginnt mit orientalisch anmutenden Klängen. Das Stück ist um die harmonische Moll-Tonleiter herum gebaut, die einen sehr charakteristischen Klang hat, und der Musik eine mysteriöse Qualität verleiht. Eine Wiederholung von Akkorden aus "Shabda" führt zu einem Höhepunkt, bevor Saiten-Tremoli und ein dunkler, bedrohlicher Chor der Musik eine unheimliche Spannung verleihen. Wieder ist die Stimmung kalt und frostig. Erst wenn Lang Lang nach einem Tonartenwechsel übernimmt und Dur-Tonleitern spielt, beginnt die Musik lichter und wärmer zu werden. Mit jeder Wiederholung wird der Pianopart virtuoser, dann verklingt das Stück, und es geht weiter mit einer kurzen Reprise von "On my Heart".

Westenras Stimme klingt dabei im Vergleich zu ersten Mal noch einsamer, die Dissonanzen der Streicher unter- - nun ja - -streichen das. Schnell ist dann der Übergang zu "Harmonia Mundi" vollzogen. Die Musik bleibt sanft, Blechbläser und Streicher leiten zu einer einfachen Gitarrenmelodie hinüber, die sich auf frühere Themen stützt. Dann wird die Melodie von Flöten und weiteren einander ablösenden Instrumenten übernommen. "Harmonia Mundi" ist ein Ruhepunkt auf "Music of the Spheres", an der die Musik sich nicht weiter fortentwickelt, sondern für einige Minuten zum Stillstand kommt.

Man kann sich fragen, ob das hier zum richtigen Zeitpunkt geschieht. "The other Side" und "Empyrean" müssen das Momentum erst mühsam wieder in Gang bringen. Ein dunkles Fagott spielt ein ahndungsvolles, ja fast bedrohliches Thema, wie um auf lauernde Gefahren hinzuweisen. Das Tamburin verleiht der Musik dabei ein orientalisches Flair, dann wird zu einem Duett zwischen Gitarre und Harfe umgeschaltet, und mit "Empyrean" zu einem fast mittelalterlich klingenden Fanfarenmotiv. Diese Passage ist ein klassischer Oldfield: ein ständiger Wechsel von einem Motiv zum nächsten, ohne dass eine folgerichtige Entwicklung erkennbar wäre. Solche Passagen gab es auf seinem Debüt, solche Passagen gibt es fast vierzig Jahre später auch hier. Und es geht in diesem Stil weiter. Die Streicher spielen Akkorde, die aus einem Popsong zu stammen scheinen. Dann erklingen die schillernden Fanfaren erneut, diesmal begleitet von Trommeln. Schließlich übergibt Oldfield die Fanfarenmelodie an die Holzbläser, und verbindet sie mit den Popakkorden. Ein seltsames Stück - aber ein echter Oldfield.

Echt Oldfield ist auch der abrupte Übergang zu "Musica Universalis". Das Stück stellt die zweite Revernz an "Tubular Bells" auf "Music of the Spheres"dar, und zwar an den Abschnitt "Finale", den Höhepunkt und Abschluss des ersten Teils: Ein Streicherostinato leitet das Stück ein, und setzt sich über weite Teile von "Musica Universalis" hinweg fort. Eine Melodie wird vorgestellt, zunächst vom Klavier. Diese Melodie wird wiederholt, zunächst vom Glockenspiel (echte Fans schreiben: "Glockenspeil"), dann von der Gitarre und schließlich von den Röhrenglocken. Auch typisch Oldfield: Die Musik wird durch Hinzufügen weiterer Instrumente allmählich verdichtet. Nach einem kurzen Abschnitt, in dem nur das Streicherostinato zu hören ist, spielen die Bläser eine neue Melodie, ähnlich wie in "The Bell" von "Tubular Bells II". Ein Chor aus Blechbläsern und Streichern, jetzt in einer neuen Tonart, baut sich zum einem klimaktischen Ende hin auf, und lässt das Stück (oder das Universum?) im Glanz symphonischer Größe erstrahlen, bevor Oldfield es mit einer zunächst leisen, dann in einem Crescendo anschwellenden Tutti zuende bringt.


Fazit

Und das war's! Mike Oldfields erstes Orchesterwerk. "Music of the Spheres" wurde 2009 für einen Classical Brit Award nominiert. Es hat ihn nicht bekommen. Und ich meine, zu recht. Das Album ist als Klassikalbum anachronistisch und irrelevant, und gehört auch in Oldfields Werk nur zu den guten, nicht aber zu seinen besten Arbeiten. Fluss, Struktur und Entwicklung sind nachvollziehbar, die Themen verweben sich durchgängig miteinander, und erzeugen so Kohärenz. Ähnlich wie auf Oldfields früheren Alben gibt es aber auch immer wieder harsche Brüche zwischen Passagen, die musikalisch nicht besonders gut miteinander zusammenhängen. Echte Entwicklungen werden oft nicht zugelassen.

Hinzu kommt, dass mit "Harbinger", "The Tempest" und "Aurora" gerade jene Stücke herausragen, die wenig Wert auf Melodie legen. So schön manche Melodie auf "Music of the Spheres" auch sein mag, von den vielen grandiosen Melodieeinfällen früherer Tage ist die Musik auf diesem Album ein Stück entfernt. Trotzdem: "Music of the Spheres" stieg auf Platz 1 der UK Classical Charts ein, und wurde auf Platz 9 in die UK Albums Chart aufgenommen. Es ist damit das erfolgreichste Oldfield-Album der 2000er Jahre. Und das zu Recht: Die Fans, die lange unter seinen Eskapaden leiden mussten, hatten mit "Music of the Spheres" endlich wieder ein "richtiges" Oldfield-Album in der Hand. Soll heißen: Ein Album mit Ähnlichkeiten zu "Tubular Bells", "Tubular Bells II" und "Hergest Ridge", mit weiblichem Gesang – und mit ein bisschen "Adiemus".

P. S.: Um das Album weiter zu promoten, erklärte sich Oldfield bereit, es live aufzuführen, in Bilbao, im dortigen Guggenheim Museum. Im November 2008 wurde eine 2 CD-Version (Limited Edition) veröffentlicht, die sowohl die Studio- als auch die Live-Aufnahmen dieses Konzerts enthält. Und eine iTunes-only-Version enthält zusätzlich noch kurze Interviews mit Mike Oldfield und Karl Jenkins.

Anspieltipp(s):
Vergleichbar mit:
Veröffentlicht am: 8.1.2021
Letzte Änderung: 14.1.2021
Wertung: 9/15

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Alle weiteren besprochenen Veröffentlichungen von Mike Oldfield

Jahr  Titel Ø-Wertung # Rezis
1973 Tubular Bells 12.50 7
1974 Hergest Ridge 12.60 5
1975 Ommadawn 12.40 5
1975 The Orchestral Tubular Bells 6.00 2
1978 Incantations 13.00 6
1979 Exposed 12.00 2
1979 Platinum 7.60 5
1980 QE2 10.00 2
1981 Music Wonderland - 2
1982 Five Miles Out 9.80 5
1983 Crises 6.20 5
1984 Discovery 6.75 4
1984 The Killing Fields - Soundtrack 11.00 2
1985 The Complete Mike Oldfield 11.00 2
1987 Islands 2.00 3
1989 Earth Moving 3.00 5
1990 Amarok 11.45 11
1991 Heaven's Open 7.25 4
1992 Tubular Bells II 10.75 4
1993 Elements - 1
1993 The Best of Mike Oldfield Elements - 1
1994 The Songs Of Distant Earth 7.25 4
1996 Voyager 9.00 3
1998 Tubular Bells III 2.00 3
1999 The Millennium Bell 1.00 4
1999 Guitars 5.67 3
2002 Tres Lunas 1.00 2
2003 Tubular Bells 2003 11.50 6
2005 Exposed (DVD) 12.50 2
2005 Light + Shade 1.50 2
2006 Live at Montreux 1981 (DVD) 11.00 1
2014 Man on the Rocks 6.00 3
2015 The Best of: 1992-2003 8.00 1
2017 Return to Ommadawn 11.00 2

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