Die standhafte Johanna von Bismarck
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Ehepaar

Die standhafte Johanna von Bismarck

Neubrandenburg / Lesedauer: 4 min

Die Frau an der Seite des ersten Reichskanzlers des Deutschen Kaiserreichs wurde im April 1824 geboren. Bismarck selbst nannte sie seinen „Anker an der guten Seite des Ufers“.
Veröffentlicht:08.04.2024, 19:00

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Otto von Bismarck gehört zu jenen Persönlichkeiten der deutschen Geschichte, die auch heute noch in der breiten Öffentlichkeit bekannt sind. Überall gibt es Bismarck-Denkmäler und -Straßen. Dazu existieren viele Publikationen, die sein Wirken differenziert untersuchen. Er wird als Staatsmann von weltpolitischer Bedeutung und Gewaltmensch, Schlüsselgestalt deutscher Geschichte und Eiserner Kanzler bezeichnet, der die Reichseinigung ebenso rigoros realisierte wie den Kulturkampf gegen den Katholizismus, die Sozialistengesetze und das Sozialversicherungsgesetz. Als Pragmatiker, der den Parlamentarismus im Inneren als Mittel zum Zweck benutzte, bewährte sich Bismarck nach außen als Schiedsrichter Europas. Er neutralisierte die Großmächte durch ein kompliziertes Bündnissystem und forderte weitsichtig die dauerhafte Verständigung mit Russland, ehe Kaiser Wilhelm II. alle Erfolge Bismarcks zur Friedenserhaltung zunichtemachte.

Familie von Puttkamer stammte aus Pommern

Der am 1. April 1815 geborene Staatsmann hatte mehr als 40 Jahre lang eine starke Frau an seiner Seite. Bismarck nannte sie immer wieder seinen „Anker an der guten Seite des Ufers“. Sie hieß Johanna Friederike Charlotte Dorothea Eleonore von Puttkamer. Im Unterschied zum gewaltigen Literaturumfang über Bismarck gibt es neben vereinzelte Erwähnungen im Zusammenhang mit ihm nur wenige Bücher, die die Rolle der Johanna von Bismarck untersuchen. Darin werden Einblicke in ihre pietistisch geprägte Herkunft, ihre Entwicklung zur Kanzlergattin, ihren Alltag, die gemeinsamen Aufenthalte in Pommern und in ihre Bedeutung an seiner Seite gewährt.

Johanna von Puttkamer wurde am 11. April 1824 in Reinfeld geboren. Der Ort, der 1527 erstmals schriftlich erwähnt wurde und später an die Adelsfamilie von Glasenapp kam, fiel 1839 an Luitgard von Puttkamer, eine geborene von Glasenapp. Das war die Mutter von Johanna. Reinfeld (heute das polnische Barnowiec) gehörte bis 1945 zum pommerschen Landkreis Rummelsburg und zum Regierungsbezirk Köslin. Der Vater Johannas, Heinrich von Puttkamer, war ein kirchlich-konservativer Landjunker, der einem Uradelsgeschlecht aus Hinterpommern entstammte, das mehrere Güter in Pommern besaß, sehr verzweigt war und viele hohe Staatsbeamte, Minister und Generäle hervorbrachte.

Ein generöser Mann von Welt

Erzogen wurde Johanna von Puttkamer als einzige Tochter auf Gut Alt Kolziglow nahe Reinfeld ganz „im Zeichen der Bibel“ und streng pietistisch. Da war der flotte Bismarck mit einem eher etwas ausschweifenden Lebenswandel zunächst kein Thema. Der junge Mann, der ab 1839 die Familiengüter in Pommern in die Gewinnzone wirtschaftete, kam in Kontakt zum Pietistenkreis um Moritz von Blanckenburg und Heinrich von Puttkamer. Das Ehepaar Blanckenburg arrangierte 1846 für seine pietistischen Freunde eine Harzreise. Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer kamen sich dort näher. Der Junker auf Freiersfüßen ließ den Sekt fließen und gab sich weltmännisch. Man besuchte die mittelalterliche Märchenburg Falkenstein, genoss das Selketal und weilte im Alexisbad im Herzogtum von Anhalt-Bernburg. Die Harzreise war im Sinne der Eheanbahnung ein voller Erfolg.

Nach der Heimkehr nahm Bismarck seinen berühmten Werbebrief an den Vater Johannas in Angriff. Er gab sich in gewählten Worten als reuiger Sünder, der auf dem Weg der Besserung sei und für Johanna das Beste wolle. Das überzeugte den skeptischen Vater Puttkamer, im Juli 1847 fand die Hochzeit statt. Bismarck schrieb an seinen Bruder: „Ich glaube ein großes und nicht mehr erhofftes Glück gemacht zu haben, indem ich ganz kaltblütig gesprochen eine Frau von seltenem Geist und seltenem Adel der Gesinnung heiratete, dabei liebenswürdig wie ich nie ein Frauenzimmer gekannt habe.“ Ein Jahr später kam mit Marie das erste von drei Kindern des Ehepaares zur Welt.

Briefe an die Gattin sind erhalten

Bismarck machte Karriere, wurde Abgeordneter, Botschafter, Minister und schließlich Ministerpräsident und Vertrauter des Preußenkönigs Wilhelm I., dem er schließlich die Kaiserkrone verschaffte. Der Aufsteiger war rastlos tätig, lebte recht ungesund, genoss nur selten sein Eheglück und war dann bei Ehefrau Johanna in besten Händen. Bismarck erwarb 1867 das Gut Varzin (heute Warcino) bei Reinfeld, wo das Paar viele Sommer und Winter verbrachte.

Über alle Jahrzehnte hinweg war es Johanna, die Bismarck pflegte, tröstete und aufbaute. Der Kanzler wusste um ihre Bedeutung für sich und schrieb viele Briefe von allen Aufenthalten in der Fremde, die weitgehend überliefert sind. Als Johanna, die er in einem Brief „Anker an der guten Seite des Ufers“ nannte, am 27. November 1894 bei einem Aufenthalt in Varzin starb, war das für ihren Mann wie ein Erdrutsch. Er ließ das Varziner Gartenhaus, den Lieblingsplatz der Verstorbenen, in eine Grabkapelle umbauen und bestattete sie dort. Erst später wurde ihr Leichnam ins Bismarck-Mausoleum in Friedrichsruh östlich von Hamburg überführt.

Buchtipps: Andrea Hopp: Im Schatten des Staatsmanns. Johanna, Marie und Marguerite von Bismarck als adelige Akteurinnen (1824-1945), Paderborn 2022 (Otto-von-Bismarck-Stiftung, Wissenschaftliche Reihe, Band 30); Gabriele Hoffmann: Otto von Bismarck und Johanna von Puttkamer. Die Geschichte einer großen Liebe. Insel Verlag Berlin, 2014. Anke Weidinger: Mein Anker an der guten Seite des Lebens: Das Leben der Johanna von Bismarck. SCM Hänssler, 2010.