Debatte um den Einheitskanzler: Braucht Berlin einen Helmut-Kohl-Platz?

Debatte um den Einheitskanzler: Braucht Berlin einen Helmut-Kohl-Platz?

Berlin debattiert, ob es zu Ehren Helmut Kohls eine Straße oder einen Platz geben soll. Die CDU in Marzahn-Hellersdorf wäre sofort bereit, aber auch andere Orte sind denkbar.

Helmut Kohl bei der Berliner Einheitsfeier 1990 vor dem Reichstag, links neben ihm seine Ehefrau Hannelore Kohl
Helmut Kohl bei der Berliner Einheitsfeier 1990 vor dem Reichstag, links neben ihm seine Ehefrau Hannelore KohlWolfgang Kumm/dpa

Seit Jahren ist es ein offener Wunsch der CDU in Berlin, dass Altkanzler Helmut Kohl in der Hauptstadt mit einem Platz oder einer Straße geehrt wird. Seitdem die Partei mit Kai Wegner an der Spitze die Wiederholungswahl gewonnen hat und derzeit mit der SPD über eine große Koalition verhandelt, ist auch das Thema wieder in den Fokus gerückt. An Vorschlägen, mitunter unsinnigen, jedenfalls mangelt es nicht.

2017 starb Helmut Kohl, der schon zu Lebzeiten als Einheitskanzler in die Geschichte eingegangen war. Als er regierte, fiel die Mauer und der Euro kam. Bis 1998 blieb der Pfälzer an der Macht, bis ihn die SPD mit Gerhard Schröder ablöste. Es folgten ungute Momente für Kohl: 1999 kam die Parteispendenaffäre auf, der Altkanzler weigerte sich, Spendernamen zu nennen, und nahm diese auch mit ins Grab. Und seine damalige Ziehtochter und spätere Bundeskanzlerin, Angela Merkel, distanzierte sich von ihm. Bis zu seinem Tod war er dennoch ein großes Vorbild in der Union, weil er eben Geschichte schrieb.

Seit Jahren wirbt daher die Berliner CDU dafür, dass dem Altkanzler ein Denkmal gesetzt wird, im jüngsten Wahlkampf vorne weg Kai Wegner, der forderte, „an einer zentralen Stelle Berlins“ an den „Kanzler der Einheit“ zu erinnern. Immerhin ist inzwischen die Fünf-Jahres-Frist nach dem Tod verstrichen, die in Berlin gebraucht wird, um eine Persönlichkeit mit einem Straßennamen zu ehren.

Es gibt schon einige Straßen und Plätze, die nach dem Altkanzler benannt sind, wie hier in Mannheim.
Es gibt schon einige Straßen und Plätze, die nach dem Altkanzler benannt sind, wie hier in Mannheim.Uwe Anspach/dpa

In den Jahren zuvor waren alle Vorschläge fehlgeschlagen. 2018 beispielsweise, als sich der damalige CDU-Fraktionschef Burkard Dregger (58) in den Kopf gesetzt hatte, den Großen Stern mit der Siegessäule im Tiergarten nach Kohl zu benennen. Ein frommer Wunsch, der schnell vom Tisch gewischt wurde. Die Begründungen reichten vom diplomatischen „der Große Stern ist zu groß – für jeden Politiker“ (FDP) bis zum groben „geschichtslos, despektierlich, dümmlich“ der Grünen.

Doch nun könnte die Ehrenstraße oder der Platz in greifbare Nähe rücken, definitiv festgelegt hat sich die höchste Entscheidungsrunde („Dacharbeitsgruppe“) um Kai Wegner und Franziska Giffey (SPD) aber noch nicht. Trotzdem gibt es bereits allerhand Ideen.

Unions-Fraktionsvize Stefanie Bung (45), derzeit in der Koalitionsverhandlungsgruppe Stadtentwicklung, postete kürzlich eine Karte vom jetzigen Schlossplatz (Mitte) vis-à-vis vom Lustgarten, schrieb dazu: „Berliner und Besucher aus aller Welt würden dort zwischen Berliner Dom, Humboldt-Forum und Einheitsdenkmal auch an den Kanzler der Deutschen Einheit angemessen erinnert werden.“ Der Schlossplatz als Helmut-Kohl-Platz? Mal sehn.

Denkmal für den Altkanzler: Bezirke melden bereits Interesse an

Doch auch Bezirke melden Interesse an, vorneweg Marzahn-Hellersdorf. Der CDU-Abgeordnete Christian Gräff stammt von dort. Er hält die Idee für gut: „Warum muss Helmut Kohl das Denkmal in Mitte oder in Tiergarten gesetzt werden? Bei uns passt es doch auch, und viele Menschen sind offen dafür“, sagt Gräff im Gespräch mit der Berliner Zeitung.

Tatsächlich würde Marzahn-Hellersdorf gut passen. Der Bezirk hat sich in den vergangenen Jahren zu einer neuen Hochburg der Berliner CDU gemausert, es ist außerdem der Wahlkreis von CDU-Generalsekretär Mario Czaja. Und wo würde eine Erinnerung an Kohls „blühende Landschaften“ besser passen als im Boom-Stadtteil im Berliner Osten?

Der Wirtschaftspolitiker Gräff wüsste auch schon einen Standort: im Ortsteil Biesdorf den Elsterwerdaer Platz, gut angebunden an die U5, die dort eine Haltestelle gleichen Namens hat. Das große Areal mit einem zweigeschossigen Einkaufszentrum, dem Biesdorf-Center, könnte eine Auffrischung gebrauchen. Das Bezirksparlament von Marzahn-Hellersdorf hat schon zugestimmt. „Es ist gut, dass sich da jetzt etwas tut“, so Gräff, „Helmut Kohl als Namenspate würde da gut hinpassen.“

Warum Kohl nicht neben die Adenauer-Straße legen?

Doch auch andere Plätze oder Straßen wären denkbar. In Wedding beispielsweise sucht das Bezirksamt Mitte derzeit Namensvorschläge für den Nettelbeckplatz. Der preußische Reformer und Seemann Joachim Nettelbeck ist im Bezirk in Ungnade gefallen, weil er um 1800 „aktiv im Versklavungshandel tätig war und Koloniallobbyismus betrieb“, wie es in einem Namensfindungsaufruf des Bezirksamts heißt. Allerdings würden Frauennamen bevorzugt, heißt es weiter.

Aber was wäre denn mit der Paul-Löbe-Allee, die durch das Regierungsviertel führt? Ein Teil könnte weiterhin so heißen, doch das östliche Ende Richtung Spree könnte in Helmut-Kohl-Straße umbenannt werden. Sie liefe direkt am Reichstagsgebäude entlang. Kohl befände sich in unmittelbarer Nachbarschaft seiner Vorgänger  Konrad Adenauer und Willy Brandt, die dort auch mit einem Straßennamen bedacht sind.

Frei wäre auch der Platz vorm Fernsehturm am Alex mit dem Neptunbrunnen, der legendäre „Platz ohne Namen“. Helmut Kohl könnte sich hier, direkt vor dem Roten Rathaus, auch gut machen. Doch bislang sind diese Orte nicht in der Vorschlagsliste der Politiker, dennoch werden gewiss weitere folgen.

Übrigens: Kohls Vorgänger Helmut Schmidt (SPD) hat auch noch keine Straße in Berlin, dafür eine im Bernauer Stadtteil Schmetzdorf, vor den Toren der Hauptstadt – allerdings auch, weil er dort im Krieg Unterschlupf mit Ehefrau Loki fand. Es ist eine Anliegerstraße und gilt als „Nebenstraße mit Verbindungscharakter“.

Bundesweit gibt es mehrere Kohl-Straßen

Allerdings ist es ja nicht so, dass Helmut Kohl bei Ehrungen per Straßenname bundesweit zu kurz käme. In Speyer, der Stadt, in der Kohl 2017 beerdigt wurde, ist ein Teil der Rheinpromenade in Helmut-Kohl-Ufer umbenannt worden. Mainz, wo Kohl von 1969 bis 1976 als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident amtierte, hat inzwischen einen Helmut-Kohl-Platz. Auch in Dessau, Erfurt und im Seebad Loddin auf der Insel Usedom haben sich die Befürworter einer Ehrung des Altkanzlers durchgesetzt. In Dessau allerdings musste die Helmut-Kohl-Straße gerade saniert werden. Die Baustelle kostete viele Nerven, heißt es dazu in der Mitteldeutschen Zeitung.