Mühlheimer Jäger warnt vor wachsender Wolfspopulation: „Ist kein Schmusetier“
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Mühlheimer Jäger warnt vor wachsender Wolfspopulation: „Ist kein Schmusetier“

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Sorgt für hitzige Debatten: Der Europäische Grauwolf feiert seit einiger Zeit sein Comeback in deutschen Wäldern – doch nicht jeder ist darüber erfreut.
Sorgt für hitzige Debatten: Der Europäische Grauwolf feiert seit einiger Zeit sein Comeback in deutschen Wäldern – doch nicht jeder ist darüber erfreut. © dpa

Der Mühlheimer Jäger und Buchautor Stephan-Harald Voigt warnt vor der stetig wachsenden Wolfspopulation und fordert Regulierung. Eine Expertin gibt derweil Entwarnung.

Mühlheim/Wiesbaden – Er ist Stoff zahlreicher Legenden und Sagen, als äußerst intelligenter Jäger bekannt und fühlt sich mittlerweile auch in hiesigen Wäldern wieder pudelwohl: der Wolf! Seit sich vor rund zwei Jahren das erste Weibchen in Hessen niedergelassen hat, ist die Population der Raubtiere laut dem Wolfszentrum am Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie in Wiesbaden kontinuierlich gestiegen.

Während Naturschützer und Umweltverbände diese Entwicklung bejubeln, sorgt das Thema insbesondere bei Haltern von Weidetieren für Zähneknirschen. Sie fürchten, dass bei wachsender Population auch die Zahl der Übergriffe auf Nutztiere zunimmt. Nicht wenige fordern daher, die Ausbreitung in Form von aktiver Bejagung zu kontrollieren – so auch Stephan-Harald Voigt.

Der 63-jährige gebürtige Offenbacher hat sich als passionierter Jäger und Naturfreund intensiv mit der Rückkehr der Wölfe beschäftigt. 2020 veröffentlichte er mit „Die Wolf Armee Fraktion“ sogar einen Roman, der sich der Thematik widmet. In dem Buch beleuchtet der ehemalige Polizist, der seit 2008 in Mühlheim wohnt, beide Seiten des Artenschutzes – er selbst hält den Wolf für schützenswert, spricht sich jedoch für eine Steuerung der Population aus.

„Es ist immer schön, wenn sich die Natur vom Menschen erholt, daher freue ich mich, dass es in Deutschland wieder Wölfe gibt“, sagt Voigt und warnt: „Der Wolf ist aber kein Schmusetier, und ein Zusammenleben kann nur mit einer aktiven Bestandsregulierung gelingen.“ Diese könne in Form von Bejagung erfolgen, ähnlich wie bei Wildschweinen und Rehen.

Damit das möglich ist, müsse jedoch zunächst ein rechtlicher Rahmen auf europäischer Ebene geschaffen werden – denn dort steht der Wolf aktuell unter Naturschutz. „Wir müssen jetzt Regeln und Konzepte entwickeln, damit wir entsprechend reagieren können, sollte die Population weiter zunehmen“, fordert Voigt.

Bis es soweit ist, plädiert der Autor auf konstruktiven Diskurs zwischen beiden Lagern. „Das Thema spaltet die Gesellschaft, oftmals wird den Weidetierhaltern in den Debatten von idealistischen Naturschützern Populismus vorgeworfen“, meint Voigt.

Laut ihm sollten die Sorgen der Landwirte jedoch ernst genommen werden, die bisherigen Schutzmaßnahmen hält er für unzureichend: „Es nützt nichts, wenn die Herdenschutzzäune immer höher werden und elektronisch abgesichert sind, der Wolf ist intelligent, lässt sich nicht lange abschrecken.“ Für kleinere Landwirtschaftsbetriebe sei es zudem fast unmöglich, Abwehrmaßnahmen dieser Größenordnung zu stemmen. „Die Weidetierhaltung ist für den Naturschutz unerlässlich, steht aber bald vor dem Aus“, fürchtet Voigt.

Doch ist es angesichts der in Hessen immer noch vergleichsweise niedrigen Wolfspopulation überhaupt notwendig, in kostspielige Maßnahmen zu investieren? „Wir empfehlen grundsätzlich allen Betrieben, Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, sagt Annika Ploenes vom Wolfszentrum. Grundsätzlich sei im gesamten Bundesland mit durchreisenden Tieren zu rechnen. „Der Wolf ist ein opportunistischer Jäger, er schlägt vor allem dort zu, wo er seine Beute am leichtesten erreicht“, hebt die Expertin die Wichtigkeit geeigneter Abwehrmethoden hervor.

Für deren Umsetzung sei es den Landwirten möglich, Fördermittel zu beantragen. Die Bezuschussung erfolge jedoch nur, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. So müssten in dem Gebiet beispielsweise vermehrt Wölfe nachgewiesen werden, erläutert Ploenes.

Überlegungen, die Population mittels Bejagung einzudämmen, gebe es nicht – das primäre Ziel bestehe derzeit darin, einen günstigen Erhaltungszustand mit Blick auf ganz Europa zu erreichen. „Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Tiere nicht ausgerottet werden und genügend Artgenossen für die Fortpflanzung vorhanden sind“, sagt Ploenes.

Die Expertin glaubt nicht, dass Hessen oder anderen Bundesländern deshalb in Zukunft ein Wolfsproblem droht. „Die Anzahl und Größe der Vorkommen reguliert sich häufig von selbst, da in einem Territorium nur die beiden Elterntiere wirklich langfristig beheimatet sind“, gibt Ploenes Entwarnung. „Die Welpen sind auch nur bis zu einem gewissen Alter geduldet, dann müssen sie das Gebiet verlassen.“ Aus diesem Grund sei ein unkontrollierbarer Anstieg der Zahlen äußerst unwahrscheinlich. „Hinzu kommt, dass mit steigender Population auch die Nahrung knapp wird, was die Wölfe zur Abwanderung zwingt“, sagt Ploenes.

Dabei ist ein gelegentlicher Zusammenprall mit den Menschen unvermeidbar, in seltenen Fällen verirrt sich ein Tier sogar in eine dicht besiedelte Ortschaft – sehr zur Aufregung der Anwohner. „Das ist die Ausnahme, die Erfahrung hat gezeigt, dass die Wölfe nur auf der Durchreise sind und schnell wieder aus der Situation heraus wollen“, sagt Ploenes. Wichtig sei, die unfreiwilligen Besucher möglichst umgehend zu melden, das Wolfszentrum stellt dafür eine extra Hotline sowie Meldebögen im Internet zur Verfügung.

Und auch ,wenn Zweibeiner für gewöhnlich nicht auf dem Speiseplan der Beutegreifer stehen, heißt es im Falle einer zufälligen Begegnung: Abstand halten! „Die wenigsten Menschen wissen, wie man sich zu verhalten hat“, kritisiert Stephan-Harald Voigt. „In die Hände klatschen, laut rufen, mit Stöcken werfen und auf keinen Fall panisch wegrennen“, rät Ploenes. „Das könnte sonst den Jagdinstinkt wecken.“ Einer Studie zufolge sei es im Zeitraum von 2002 bis 2020 in ganz Europa und Nordamerika jedoch lediglich zu 14 Übergriffen gekommen. (Jan Lucas Frenger)

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