Rede des Bundesministers des Innern, Hans-Peter Friedrich

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Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen!

Gut 5,8 Milliarden Euro im Bundeshaushalt des Innenministeriums und auch in diesem Jahr wieder mehr als zwei Drittel für den Bereich der inneren Sicherheit: Das ist auch dringend notwendig; denn die Bedrohungslage für Europa insgesamt, aber auch für unser Land ist nach wie vor angespannt.

Der islamistische Terror hat uns in den Fokus genommen, und wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass wir täglich mit Anschlägen in Deutschland oder auf deutsche Einrichtungen oder Personen im Ausland rechnen müssen. Deswegen ist es richtig, dass wir uns darüber verständigen, dass Wachsamkeit der Preis der Freiheit und der inneren Sicherheit ist. Diese Wachsamkeit muss immer wieder gezeigt und gestärkt werden.

Neben der Bedrohung aus dem Ausland gibt es aber auch noch ein neues Phänomen, das die Sicherheitskräfte vor besondere Herausforderungen stellt, nämlich das Phänomen des sogenannten Homegrown Terrorism, des hausgemachten Terrorismus, des Wachsens von Terroristen im eigenen Land. Dieses Problem haben die Vereinigten Staaten, alle unsere europäischen Partner und wir in Deutschland. Der Anschlag vom 2. März 2011 in Frankfurt durch einen solchen „hausgemachten Terroristen“, aber auch die Anschlagsversuche der sogenannten Kofferbomber und der Sauerland-Gruppe belegen, dass wir ein solches Problem haben. Sie alle haben viel-leicht das Drohvideo des Herrn Cuspert gesehen oder davon gehört, das in der letzten Woche bekannt wurde – auch in der Öffentlichkeit. Ich glaube, das alles macht es notwendig, dass wir uns mit diesem Phänomen in besonderer Weise auseinandersetzen.

Die besondere Herausforderung für die Sicherheitskräfte ist, dass kein großer Kreis, sondern nur ein kleines soziales Umfeld beurteilen kann, was in den Menschen, die sich selbst radikalisieren, überhaupt vorgeht. Deswegen habe ich im Rahmen der Sicherheitspartnerschaft auch Eltern, die das Schicksal erleiden mussten, ein Kind dadurch zu verlieren, dass es sich einer radikalen terroristischen Gruppierung angeschlossen hat und zum Beispiel nach Pakistan ausgereist ist, eingeladen und mich mit ihnen getroffen.

Ich habe einer Mutter gegenübergesessen, die geschildert hat, wie ihr Kind vor ihren Augen verloren ging. Sie sagte: Ich wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte. Das hat mich dazu veranlasst, noch in derselben Woche beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Hotline zu schalten, sodass Eltern und Angehörige die Möglichkeit haben, sich beraten zu lassen, wenn sie merken, dass ihr Kind oder Verwandter in einer solchen Situation ist.

Jetzt geht es natürlich darum, dass wir diese Hotline bekannt machen. Dafür haben wir eine Plakataktion vorbereitet, die in den letzten zwei Wochen auch in den Medien Thema war; sie war dadurch sehr erfolgreich; denn die entsprechende Nummer ist bekannt geworden. Ich kann Ihnen sagen, dass die Zahl der hilfesuchenden Eltern oder Verwandten, die angerufen haben, enorm angestiegen ist. Insofern kann man bei dieser Plakataktion nach dem Start im Internet schon jetzt von einem großen Erfolg sprechen.

Die Sicherheitsarchitektur muss insgesamt gut aufgestellt werden und auch in der Zukunft gestärkt werden. Das bedeutet, dass wir alle Säulen der Sicherheitsarchitektur stärken müssen.

Ich beginne mit dem Bereich, der in den letzten Wochen in den Medien verstärkt vorkam, nämlich dem Verfassungsschutzverbund.

Wir sind dabei, das Bundesamt für Verfassungsschutz zu reformieren und werden folgende wesentliche Modernisierungsmaßnahmen umsetzen:

Erstens – das ist ganz wichtig –: Wir werden im Bundesamt für Verfassungsschutz bestimmte Aufgaben priorisieren. So wird es seine Arbeit auf den Bereich der gewaltgeneigten Organisationen und auf besonders gefährliche verfassungsfeindliche Tendenzen konzentrieren. Das halte ich für richtig; denn wir brauchen auch freie Kapazitäten für neue Aufgaben.

Als Zweites müssen wir die Analysefähigkeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Verfassungsschutzverbundes insgesamt verbessern. Analysefähigkeit verbessern heißt, dass wir die Erkenntnisse, die die verschiedenen Behörden haben, auch allen zur Verfügung stellen müssen. Das ist ein wichtiger Punkt; denn die Konzeption für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland muss lauten: arbeitsteiliges Herangehen der einzelnen Behörden, Kooperation dieser Behörden und Vernetzung der Behörden. Arbeitsteiligkeit, Kooperation, Vernetzung! Jede Behörde handelt in ihrem Bereich, nach ihren rechtlichen Grundlagen, nach ihren Möglichkeiten, Spezialisierungen und Fähigkeiten; aber dann muss alles zusammenfließen.

Es gibt hierfür ein sehr erfolgreiches Beispiel, das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum gegen den Islamismus, in dem alle Behörden von Bund und Ländern, BKA, LKÄ, BND, MAD, zusammenarbeiten und Informationen austauschen, und zwar täglich, und dabei sehr erfolgreich sind.

Nach dem Auftauchen der Terrorfälle im vergangenen November – am 14. November haben wir den ganzen Umfang zur Kenntnis nehmen müssen – habe ich bereits am 16. Dezember, also einen Monat später, ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus auf den Weg gebracht, und zwar in Meckenheim bei Bonn, wo täglich Vertreter des Verfassungsschutzes, der Kriminalpolizei und des MAD in all diesen wichtigen Fragen zusammenarbeiten. Auch dieses Zentrum lässt sich erfolgreich an.

Ich habe entschieden, dass wir für alle Phänomenbereiche, denen sich der Verfassungsschutz widmet, jetzt ein solches Abwehrzentrum als gemeinsames Sicherheitszentrum gründen. Wir werden also in allen Phänomenbereichen diese Plattform zur Kooperation und Zusammenarbeit auf den Weg bringen. Die Vorarbeiten finden derzeit bereits statt.

Dritter Punkt beim Verfassungsschutzverbund ist die Zusammenarbeit mit den Ländern. Wir haben auf der Ebene der Innenminister Einigkeit darüber erzielt, dass wir den Informationsfluss verbessern wollen. Die Innenminister der Länder haben in einem Papier gesagt: Jawohl, die Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz muss gestärkt werden. Was Stärkung der Zentralstellenfunktion heißt, werden wir mit den Innenministern der Länder im Einzelnen noch ausdiskutieren.

Für mich ist ganz klar, dass diese Stärkung der Zentralstellenfunktion auch eine Koordinierungsmöglichkeit durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bedeutet. Selbstverständlich müssen wir in der Lage sein, wenn wir sehen, dass mehrere Länder an einem Phänomen, an einem Fall arbeiten, eine Koordinierung dieses Falls herbeizuführen. Ich halte das für notwendig. Das ist eine der wesentlichen Lehren aus den Erkenntnissen im Falle NSU.

Schließlich geht es darum, Transparenz herzustellen, auch gegenüber der Öffentlichkeit und dem Parlament.

Ich komme zur zweiten Säule, der Bundespolizei: Wir haben dort die Reformen umgesetzt. Die Neuorganisation ist abgeschlossen. Das Parlament hat eine Evaluierung verlangt, die ebenfalls abgeschlossen wird. Sie wird aber keine gravierenden Veränderungen, sondern nach dem, was sich momentan abzeichnet, Nachjustierungen nach sich ziehen. Wichtig ist auch hier: Arbeitsteilung, Kooperation, Vernetzung.

Wir müssen einerseits eine Zusammenarbeit mit dem BKA auf den Weg bringen. Deswegen haben wir schon seit dem letzten Jahr eine gemeinsame Arbeitsgruppe, um die IT-Fähigkeiten von Bundespolizei und BKA zu vernetzen. Wir wollen aber auch dort, wo das möglich ist, eine gemeinsame Ausbildung herbeiführen. Auch das ist ein wichtiger Punkt.

Andererseits müssen wir für Arbeitsteilung, Kooperation und Vernetzung, also für ein engeres Zusammenwirken zwischen dem Präsidium in Potsdam und den Direktionen sorgen. Ich glaube, auch das ist ein richtiger Ansatzpunkt. Es geht um Impulse, die von oben nach unten und von unten nach oben gegeben werden.

Beim BKA sind wir dabei, insbesondere den Mittelansatz für den Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie zu verstärken. Ich glaube, auch das ist ein entscheidender Punkt.

Wir sind insbesondere dabei – auch das zeigt dieser Haushaltsentwurf –, den Kampf gegen den Rechtsextremismus zu verstärken: insgesamt 25 Millionen Euro mehr für diesen Bereich, und zwar nicht nur für den Bereich der Sicherheitsbehörden, sondern zum Beispiel auch zur Stärkung der gesellschaftlichen Strukturen, zur Stärkung der Abwehrfähigkeit gesellschaftlicher Strukturen, indem wir den Bereich „Zusammenhalt durch Teilhabe“ ausweiten.

Ich will ganz kurz ein Wort zum NPD-Verbot sagen. Wir befinden uns in einer Phase, in der wir Material sammeln und bewerten. Die Zusammenstellung werden wir Ende dieses Monats fertig haben. Im Oktober/November werden wir dann Gelegenheit haben, uns über die Möglichkeiten eines solchen NPD-Verbots Gedanken zu machen und darüber zu diskutieren. Auch das ist ein wichtiger Punkt, über den wir in den nächsten Wochen beziehungsweise Monaten entscheiden müssen.

Ich möchte noch ein ganz aktuelles Thema ansprechen, nämlich die Aufnahme von Flüchtlingen. Wir haben in Syrien eine angespannte Lage. Bisher hat sich der UNHCR darauf beschränkt, für Hilfe vor Ort zu sorgen. Wir beteiligen uns in großem Umfang daran. Das gilt für die Bundesregierung insgesamt. So hilft dort das THW den Flüchtlingen. Wenn es zu einem Hilfsappell des UNHCR an die Weltgemeinschaft kommen sollte, dann wird sich die Europäische Union insgesamt verständigen. Ich habe mit den Innenministern der Länder vereinbart, dass Deutschland dann sofort handelt und auch bereit sein wird, entsprechende Hilfsmaßnahmen zu übernehmen.

Im Übrigen – lassen Sie mich auch das sagen – habe ich mit den Länderinnenministern schon im vergangenen Jahr vereinbart, dass wir dreimal 300 Flüchtlinge – Flüchtlinge aus den Flüchtlingslagern in Nordafrika und irakische Flüchtlinge, die sich in der Türkei befinden – aufnehmen. Die ersten 195 sind bereits angekommen. Weitere 100 werden im Oktober kommen. Ich denke, auch das zeigt, dass wir als Bundesrepublik Deutschland unserer humanitären Verpflichtung nachkommen.

Ein Thema, das viel erfreulicher ist, ist der Sport. Die Olympischen Spiele und die Paralympics liegen hinter uns. Sie wurden mit einer grandiosen Vorstellung unserer englischen Freunde beendet und sind auch für die deutschen Athletinnen und Athleten, wie ich meine, sehr erfolgreich verlaufen. Für uns ist es ein weiterer Ansporn, dafür zu sorgen, dass das Geld, das wir im Haushalt für die Förderung des Leistungssports vorsehen, effizient ausgegeben wird. Ich denke, dass wir allen Grund haben, auf den Beitrag, den der Bund dazu leistet, stolz zu sein. Wir als Regierung, Sie als Parlament, der Sportausschuss und der Haushaltsausschuss, tragen dazu bei, dass sich unsere Sportlerinnen und Sportler so positiv präsentieren können.

Eine wesentliche Aufgabe des Bundesinnenministeriums, die unmittelbar vor uns liegt, ist die Ausarbeitung der Demografiestrategie. Wir werden am 4. Oktober 2012 einen großen Demografiegipfel in Berlin durchführen, einen Kongress, bei dem wir die einzelnen Arbeitsgruppen auf den Weg bringen. Für die spezielle Arbeitsgruppe „Zukunft des öffentlichen Dienstes“ ist das Innenministerium zuständig. Inzwischen haben die Menschen im ganzen Land – wenn Sie mit Unternehmen sprechen, dann bekommen Sie die Bestätigung – begriffen, wie wichtig eine gut funktionierende Verwaltung für einen gut funktionierenden Staat ist. Auch die Wirtschaft kann nur erfolgreich sein, wenn die Verwaltung funktioniert. Deswegen bedanke ich mich dafür, dass es vonseiten der Haushälter große Bereitschaft gibt, auf weitere Stellenreduzierungen zu verzichten. Wir sind mittlerweile an einem Limit. Die Aufgabenbewältigung durch den öffentlichen Dienst wäre durch weitere Stellenreduzierungen gefährdet. Dafür also ganz herzlichen Dank.

Im Übrigen sind wir dabei, Effizienzressourcen zu heben, wo immer es geht. Das E-Government-Gesetz, das den elektronischen Zugang zu den Ministerien schafft, ist unterwegs und wird demnächst in das Kabinett eingebracht. Modernisierung der Verwaltung ist also auch eines der wichtigen Themen des Innenministeriums. Ein weiteres wichtiges Thema ist Effizienzsteigerung, der sinnvolle Einsatz aller Mittel.

Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen bei den Haushaltsberatungen, die vor uns liegen.