In den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren war das Regietheater auf dem Höhepunkt seiner Kreativität und brachte eine Reihe von Bühnenereignissen hervor, die sich einer ganzen Generation von Theatergängern lebenslang eingeprägt haben.
Bei einem war Hans-Michael Rehberg, der am Dienstag im Alter von 79 Jahren gestorben ist, beteiligt: 1983 spielte er Ibsens „Baumeister Solness“, als Midlife-Krisenopfer, das sich von einer jungen Frau noch einmal zum Risiko und zum Absturz verführen lässt, unter der Regie von Peter Zadek im Münchner Residenztheater.
Das lockende Weib gab seine damalige Lebensgefährtin Barbara Sukowa. Es ist eine dieser Theaterlegenden der Epoche – so wie Susanne Lothar als „Lulu“, Ulrich Wildgruber als „Othello“ oder Gert Voss als Shylock oder Hermann.
Rehberg wurde am 2. April 1938 im brandenburgischen Fürstenwalde geboren. Sein Vater war der von den Nazis geschätzte Dramatiker Hans Rehberg. Als Rehberg Junior 1983 in München den Holocaust-Organisator Eichmann in Heinar Kipphardts Stück „Bruder Eichmann“ spielt, schauten deshalb alle natürlich ganz genau hin und suchten irgendwas Privates.
Dabei brauchte Rehberg solche persönlichen Beziehungen zu Rollen gar nicht. Der Autor C. Bernd Sucher schrieb in seinem Buch „Theaterzauberer“ über ihn, er scheine erst das Denken seiner Figuren zu überprüfen, bevor er in ihre Körper krauche, sich mit ihnen identifiziere: „Rehberg ist ein realistischer Schauspieler mit einer sehr traditionellen Vorstellung von der Theaterkunst.“
Diese Vorstellung hat er seit Anfang der Siebzigerjahre eine Zeit lang auch als Regisseur in die Tat umgesetzt, doch das war längst vorbei. Realismus gehört schon lange nicht mehr zu den 1000 Blumen, die doch in der Theaterlandschaft blühen sollten.
Also suchte sich der seit Jahrzehnten in jeder Beziehung freie Schauspieler Rehberg Orte, wo seine Kunst gefragt war: Nach einigen festen Jahren in München, die auf die Ausbildung an der Essener Folkwang-Schule folgten, hat er sich an kein Theater mehr dauerhaft gebunden.
Er spielte am Thalia-Theater Hamburg, an der Freien Volksbühne Berlin, am Schauspielhaus Zürich, am Staatstheater Stuttgart, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, an der Berliner Schaubühne und bei den Salzburger Festspielen.
Lange Arbeitsbeziehungen zu Regisseuren
Gerne ging er dafür lange Arbeitsbeziehungen mit Regisseuren ein – beispielsweise mit Niels-Peter Rudolph und mit Dieter Giesing. Letzterer führte auch Regie bei Isaak Babels „Sonnenuntergang“ im Wiener Akademietheater, mit dem Rehberg 1994 einen seiner größten Triumphe hatte: Dem patriarchalischen Fuhrunternehmer Mendel Krik verlieh er die Tiefe eines grausamen und sinnlichen König Lear. Das sah auf der großen Bühne aus wie ein Cinemascopefilm aus der untergegangenen jüdischen Welt Altosteuropas.
Rehberg hat auch Fernsehen und Film nie verschmäht: Außer in diversen Breloer-Dokudramen spielte er u. a. in „Schindlers Liste“ den Auschwitz-Kommandanten Höß, in „Traumschiff Surprise“ den finsteren Rogul, dem Patriarchen Brenner im Alpen-Italowestern „Das finstere Tal“ und in der ZDF-Serie „Pater Braun“ den Bischof Hemmelrath. 2015 wurde er für seine Rolle als sturköpfiger, Drogen handelnder Sozialhilfeempfänger in „Schuld“ nach Ferdinand von Schirach (Episode „Schnee“) mit dem Schauspielpreis der Deutschen Akademie für Fernsehen ausgezeichnet.