Erding Neufinsing Diabetes: „Leben wie alle anderen auch Hans Kahle (78) hat in 50 Jahren gelernt, mit der Krankheit umzugehen
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Diabetes: „Leben wie alle anderen auch“

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Hans Kahle hat seinen Diabetes im Griff: Der Sensor am Oberarm misst laufend den Blutzuckerwert, den er auf dem Kontrollgerät ablesen kann. Die Pumpe gibt automatisch das Insulin für die Grundversorgung in den Katheter am Bauch ab, zusätzlich erforderliches Insulin zum Essen oder zur Korrektur wird extra eingeleitet. © Peter Gebel

Vor über 50 Jahren bekam Hans Kahle von seinem Hausarzt die erschreckende Diagnose: Zuckerkrankheit. Doch der 78-jährige Neufinsinger hat sein Leben trotz der nicht heilbaren Krankheit gut im Griff. Zum heutigen Weltdiabetestag berichtet er von seinen Erfahrungen und Aktivitäten rund um den Zucker.

Neufinsing - Gerade hatte Hans Kahle mit 27 Jahren seine Meisterprüfung im Elektrohandwerk absolviert und war mit dem Hausbau in Neufinsing beschäftigt, als eine Verletzung am Bein schlecht verheilte und dazu noch eine Gewichtsabnahme von 25 Kilo innerhalb von zwei Monaten kam. Schließlich suchte der viel beschäftigte Handwerker seinen Hausarzt auf. Nach einer Urinprobe erfuhr er als Ergebnis: „Du bist zuckerkrank“ – und wurde mit einem Blutzuckerwert von 850 – normal wären 120 – ins alte Krankenhaus in Erding eingewiesen.

Sechs Wochen musste er dort verbringen, lernte dabei das Spritzen von Insulin und langweilte sich arg. „Ich habe mich ja nicht krank gefühlt“, erklärt Kahle, der nun zu den Diabetikern des Typs 1 gehörte. Nach der Entlassung informierte er sich mit einem Sachbuch über die Zuckerkrankheit und begann mit der heimischen Behandlung in Eigenregie: Mit einer Glasspritze, die wöchentlich ausgekocht werden musste, spritzte er ein Mal pro Tag gemischtes Insulin vom Rind. „Die Nadeln waren damals allerdings fünf Mal so dick wie heute“, erklärt Kahle schmunzelnd.

Über 12 Jahre führte er sein normales Arbeitsleben weiter, dann der Zusammenbruch in der Firma. Ein junger Arzt im Krankenhaus erkannte den lebensgefährlichen Insulinmangel, als das Rinderinsulin plötzlich nicht mehr aufgenommen wurde. Kahle wurde umgestellt auf normales Insulin (technisch hergestellt aus Coli-Bakterien), dazu bekam er auch eine der neu eingeführten Insulinpumpen. „Ich war einer der Ersten mit Pumpe, da war ich schon stolz“, berichtet der Diabetiker.

Statt der Urintests beim Arzt waren nun häusliche Zuckermessungen möglich, bei der ein Tropfen Blut aus der Fingerkuppe entnommen werden muss.

Als Kahle in den Außendienst versetzt wurde, bastelte er sich selbst ein kleines Ladegerät für den Pumpen-Akku. „Die Technik hat das Leben leichter gemacht für uns“, resümiert er zufrieden.

Wichtig ist dem Diabetiker die Information über seine Krankheit, dazu trat er schon zu Beginn dem Diabetikerbund bei. Viel gelernt habe er in der Münchner Selbsthilfegruppe, schon bald übernahm er die Koordination für die Gruppe der Pumpenträger und organisierte die monatlichen Treffen mit Vorträgen.

Als Vorstandsmitglied im Bayerischen Diabetikerbund wurde er auch mit der Organisation des Landesdiabetikertages in München betraut. Bis heute gibt er gerne seine Erfahrungen weiter, bildet sich aber auch selber laufend fort. Als Versuchspatient ließ er sich 1986 eine Insulinpumpe im Bauchraum einsetzen - „mit der Fernsteuerung war das eine tolle Sache“, berichtet der Technikfan.

Er durfte an Ärzteschulungen teilnehmen, stand im engen Kontakt mit Medizinern und Vertretern der Medizintechnik und vermittelte seine Erkenntnisse den Mitpatienten. Stets auf der Suche nach relevanten Informationen, ist Kahle auch beim Sozialverband VdK aktiv als Ortsgruppen-Beisitzer, der in den Ortsgruppen auch Vorträge zum Thema Diabetes hält.

Kahle trägt heute eine externe Insulinpumpe in der Brusttasche, die mit einem dünnen Schlauch mit dem Katheter am Bauch verbunden ist, durch den das Insulin eingespritzt wird. Die Messung des Zuckerwertes übernimmt ein Sensor am Oberarm, der die Werte auf ein Kontrollgerät überträgt. Bei Abweichungen von den vorab eingestellten Grenzwerten erfolgt ein Piepsen.

Zweimal Piepsen heißt für Kahle, dass sein Zuckerwert zu hoch liegt, er muss also Insulin an der Pumpe abrufen. Bei drei Piepsern liegt der Zuckerwert zu niedrig, deshalb wird Traubenzucker eingenommen. Der Diabetiker hat seine Krankheit gut im Griff und achtet darauf, den Zuckerwert im Gleichgewicht zu halten. In der Küche übernimmt der Elektromeister, der seit 54 Jahren mit seiner Christine verheiratet ist, auch öfter selbst den Kochlöffel. Beim Essen bleibt Kahle allerdings maßvoll, „auch wenn’s schmeckt“ und wiegt die Zutaten penibel ab.

Er leitet seit Jahren die Diabetiker-Selbsthilfegruppe Erding, die sich monatlich beim Lindenwirt in Bergham trifft, und versorgt dort seine Mitstreiter laufend mit neuen Rezepten, aber auch medizinischen Erkenntnissen zu ihrer Krankheit und macht ihnen Mut. „Wir Diabetiker können leben wie alle anderen auch“, sagt Kahle.

Mit dem Wissen, das er sich über die Jahre angeeignet hat, lässt sich der rührige Senior von seiner Krankheit nicht einschränken, ist immer noch ehrenamtlich sehr aktiv und fährt auch gern mit dem Wohnwagen im Urlaub.

Die Treffen der Diabetes-Selbsthilfegruppe sind jeden ersten Montag im Monat um 15 Uhr beim Lindenwirt in Bergham, Infos unter Tel. (0 81 21) 99 98 59.

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