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Wo der "Schlächter von Polen" herrschte

Leitender Redakteur Geschichte
Der Hügel Wawel in Krakau ist Polens Heiligtum. Ausgerechnet hier herrschte im Zweiten Weltkrieg Hitlers Statthalter Hans Frank.

In sieben Wochen vom Leutnant der Reserve zum Generalgouverneur: Solche Karrieren gibt es nur in Diktaturen, und auch dort ausschließlich im Krieg. Hans Frank aber dürfte dieser Aufstieg natürlich erschienen sein. Der Jurist hatte am Hitler-Putsch 1923 teilgenommen, war zeitweise der persönliche Anwalt des NSDAP-Chef und amtierte seit 1934 als Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Dass der 39-Jährige zu Beginn des Polen-Feldzugs die Uniform eines einfachen Reserve-Leutnants anzog, war eine Farce – denn Hans Frank wusste, dass höhere Aufgaben auf ihn warteten.

Nicht an der Front, sondern im beschaulichen Potsdam erreichte am 12. September 1939 die Nachricht, er werde zum obersten Verwalter des besetzten Polens ernannt. Als Dienstsitz war Krakau ausersehen, genauer: das alte Schloss der polnischen Könige auf dem Hügel Wawel über der Weichsel inmitten der Krakauer Altstadt.

Angriff auf die polnische Oberschicht

Natürlich war das ein symbolischer Akt: Durch die Übernahme der Residenz demonstrierten Hitler und Frank, dass sie die besetzten Gebiete Polens dauerhaft und ohne jede Rücksicht beherrschen wollten. Ein neuer Bildband beleuchtet jetzt erstmals die Bedeutung der Krakauer Burg als Herrschaftszentrale und als Ausgangspunkt fürchterlicher Verbrechen während der Besatzungszeit dar. Verfasst hat es Dieter Schenk, der unter anderem mit der besten Biografie über den „Schlächter von Polen“ Hans Frank hervorgetreten ist ( Krakauer Burg. Die Machtzentrale des Generalgouverneurs Hans Frank 1939-1945. Ch. Links Verlag Berlin 2010, 206 S., 29,90 Euro. )

Unmittelbar vor Hans Franks Dienstantritt hatten SS und Gestapo bereits vorgeführt, wie sie im Generalgouvernement zu herrschen gedachten: Am 6. November 1939 waren die Professoren der traditionellen Jagiellonen-Universität verhaftet und größtenteils ins KZ Sachsenhausen gebracht worden. Es war der Auftakt zur systematischen Ausrottung der polnischen Oberschicht durch die Nazis – eine fürchterliche Parallele zum Mord an tausenden polnischen Offizieren durch den sowjetischen Geheimdienst NKWD ungefähr zur selben Zeit.

Im Nürnberger Prozess behauptete Hans Frank, er habe sich bei Hitler für die Freilassung der Krakauer Professoren eingesetzt. Das ist jedoch unwahrscheinlich, wie Dieter Schenk zeigt. Der Generalgouverneur sprach sich nämlich gegen die Einrichtungen von KZs in seinem Machtgebiet aus und empfahl stattdessen: „Wer bei uns verdächtig ist, der soll gleich liquidiert werden.“ Was die Krakauer Professoren betraf, so hätten sie ihm nur „Scherereien“ gemacht: „Hätten wir die Sache von hier aus gemacht, wäre sie anders verlaufen.“

Feindschaft der Nazi-Statthalter

Von der Krakauer Burg aus errichtete Hans Frank zusammen mit seinem größten Konkurrenten, dem „Höheren SS- und Polizeiführer“ Friedrich-Wilhelm Krüger, ein Schreckensregime über das besetzte Polen. Die beiden Statthalter Hitlers und Himmlers waren einander in inniger Feindschaft verbunden, und mehr als einmal versuchte Krüger, seinen direkten Vorgesetzten zu stürzen – doch Hitler hielt an seinem Vertrauten fest. Zutreffend charakterisiert Dieter Schenk in seinem reich bebilderten und gut lesbaren Buch den Haupttäter Frank als „eine Mischung aus Proporz und Machtmensch“.

Wie andere schwache Menschen in herausgehobenen Positionen konnte auch Hans Frank der Versuchung absoluter Macht nicht widerstehen: Hemmungslos raffte er Kunst, Geld und andere Besitztümer an sich, hielt in der Krakauer Burg Hof wie ein König (nur Hitler und Göring entfalteten noch mehr Pracht als er) und spielte sich auf wie ein Renaissance-Fürst. Seine Frau Brigitte tat es ihm gleich; sie benahm sich wie die „Königin von Polen“ und genoss diese angemaßte Position sichtlich.

Gleichzeitig trieb Hans Frank die Umsetzung des NS-Rassenwahns konsequent voran. Auf der Weihnachtsfeier seines Wachbataillons 1940 bemerkte er mit zynischem Bedauern: „Ich habe freilich in einem Jahr weder sämtliche Läuse noch sämtliche Juden beseitigen können. Aber im Laufe der Zeit wird sich das schon erreichen lassen.“

Im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilt

In Krakau wurde, wie in vielen anderen polnischen Städten, ein Getto für Juden eingerichtet. In dem mit Stacheldraht abgeriegelten Viertel im Süden der Stadt wurden über 20.000 Menschen eingepfercht; vorher hatten auf demselben Areal zur 3.000 Krakauer gewohnt. Die endgültige „Räumung“ dieses Gettos 1943 hat der Regisseur Steven Spielberg 1993 in seinem Film „Schindlers Liste“ mit all ihrem Schrecken authentisch nachgestellt.

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Für das Krakauer Getto trug Hans Frank nur indirekt Verantwortung; dagegen sorgte er persönlich für die Ausplünderung des Generalgouvernements und für die Vorbereitung eines weiteren Völkermordes, dem möglichst viele auch nicht-jüdische Polen zum Opfer fallen sollten. In einer Rede sinnierte Frank im Dezember 1942: „Darin liegt nur die eine große Schwierigkeit, dass ein Ausrotten von Millionen menschlicher Wesen an Voraussetzungen geknüpft ist, die wir zur Zeit nicht erfüllen.“ Den Beinamen „Schlächter von Polen“ trug der rücksichtslose Gewaltmensch Hans Frank zu Recht.

Mit der Wende im Zweiten Weltkrieg bekam Hitlers Statthalter Angst. Als die Rote Armee im August 1944 schon rund zwei Drittel des Generalgouvernements erobert hatte, ließ er seine Beute, vor allem Kunst, in zwei Eisenbahnwaggons nach Schlesien bringen. Doch persönlich verließ er den Wawel erst ein halbes Jahr später, als sowjetische Panzer die letzte Verteidigungsstellung vor Krakau durchbrochen hatten.

Am Schliersee in Bayern richtete er eine „Außenstelle des Generalgouvernements Polen“ ein, voll gestopft mit geraubten Gemälden. Hier ließ sich Frank Anfang Mai 1945 widerstandslos von US-Soldaten festnehmen. Im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, den er trotz mehrerer Selbstmordversuche erlebte, wurde er zum Tode verurteilt. Anders als die meisten seiner Mitangeklagten akzeptierte der furchtbare Jurist und Schreibtischtäter Hans Frank das gegen ihn gefällte Todesurteil.

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