Hitler als Revolutionär: Er schrieb das Skandal-Buch - COMPACT

    Der Historiker Rainer Zitelmann war einst Maoist und wechselte später ins national-freiheitliche Lager. Mit seinem Namen untrennbar verbunden sind zwei geschichtspolitische Vorstöße, die in der BRD für große Aufregung sorgten: sein Appell zum 8. Mai 1945 und seine zum Skandal aufgebauschte Biografie „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“, die nun in einer erweiterten Neuauflage erhältlich ist. Hier mehr erfahren.

    „Was wir heute sind, stammt aus unseren Gedanken von gestern, und unsere Gedanken von heute erschaffen unser Leben morgen: Unser Leben entsteht aus unserem Geist“ – Dieser Buddha zugeschriebene Ausspruch steht am Anfang von Rainer Zitelmanns Buch „Die Kunst des erfolgreichen Lebens“.

    Der Ausspruch gibt inhaltlich die Richtung des Werkes vor: Der Mensch sei für sein Schicksal selbst verantwortlich, er solle sein Leben bewusst in die Hand nehmen und könne dann alles erreichen. Als Beispiel dafür präsentiert der Autor sich selbst: mit Immobiliengeschäften konnte der Historiker und Buchautor ein zweites Standbein aufbauen.

    Zitelmann ist Sohn eines evangelischen Pfarrers und besucht nach eigenem Bekunden jeden Sonntag ein Gotteshaus der Russisch-Orthodoxen Kirche, zu der er 1996 konvertierte. Er ist nicht nur begeisterter Kraftsportler, sondern schwört auch auf autogenes Training und macht dieses auf Autosuggestion basierende Entspannungsverfahren für den Großteil seiner Erfolge verantwortlich.

    Maoist mit Feuereifer

    Im Jahr 1971 hätte es Zitelmann wohl selbst kaum für möglich gehalten, welchen Weg sein Leben einmal nehmen würde. Damals war er mit gerade einmal 14 Jahren Jugendkader der maoistischen KPD/ML, einer von zahlreichen K-Gruppen in der alten Bundesrepublik, denen in den 1970er Jahren insgesamt fast 85.000 Mitglieder angehörten.

    Zitelmann, der bereits als Elfjähriger eine Schülerzeitung herausgab, war mit Eifer bei der Sache. Er ließ sich, wie er in seiner Autobiografie „Wenn du nicht mehr brennst, starte neu“ (2017) schreibt, die langen Haare abschneiden, die von den Maoisten als „Zeichen kleinbürgerlicher Dekadenz“ geschmäht wurden, und schon bald stand er in seiner Heimatstadt Frankfurt am Main früh morgens vor den Betriebstoren, um den Arbeitern die Parteizeitung „Roter Morgen“ in die Hand zu drücken.

    «Nein, nein, das war nicht der Kommunismus», behaupten Linke heute gerne mit Blick auf Stalins und Maos Verbrechen. Foto: Screenshot Youtube

    Die Schule fand Zitelmann zu dieser Zeit weniger interessant. Er fuhr lieber zu Demonstrationen und stieg innerhalb der KPD/ML schnell auf: Schon mit 15 war er Schulungsleiter der Jugendorganisation „Rote Garde“ und unterwies Studenten, die wesentlich älter als er selbst waren, in marxistisch-leninistischer Theorie.

    Bald jedoch zerstritt sich die Gruppe. Der einstige Heißsporn war desillusioniert und trat als 18-jähriger Gymnasiast aus der KPD/ML aus, ohne sich von seinen kommunistischen Ideen zu verabschieden. Nun fand er die Zeit, sich auf sein Abitur vorzubereiten.

    Verharmlosung des Nationalsozialismus?

    Das zweite Leben des Rainer Zitelmann begann, nachdem er sich 1978 als Student der Geschichte und Politikwissenschaften an der Technischen Hochschule Darmstadt eingeschrieben hatte. Inzwischen von seiner marxistischen Verirrung weitgehend geheilt, beschäftigte sich intensiv mit der bekannten Hitler-Biografie Joachim Fests, die ihn davon überzeugte, dass die ihm bestens vertrauten linken Erklärungsansätze zur Entstehung des Dritten Reiches nicht überzeugend waren.

    Er wollte der Sache selbst auf den Grund gehen und beschloss, auf diesem Feld zu promovieren. 1987 erschien das Ergebnis: „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“. Diese Doktorarbeit brachte Zitelmann nicht nur die Bestnote „Summa cum laude“ ein, sondern erweiterte auch die NS-Forschung um wichtige Aspekte.

    So brachte der Autor in seiner Hitler-Biografie Argumente dafür vor, dass der NS-Führer in vielerlei Hinsicht nicht dem Typus eines Reaktionärs entsprach, sondern das Bürgertum rundweg ablehnte und Althergebrachtes überwinden wollte. Hitler dürfe demnach „keineswegs im politisch rechten Spektrum eingeordnet werden“, war Zitelmanns Schlussfolgerung. So positiv die Rezeption von „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“ unter Historikern ausfiel, so negativ war das Echo in Teilen der Presse, die eine Verharmlosung des Nationalsozialismus witterten.

    Doch es gab auch positive Stimmen: So adelte der Historiker Andreas Hillgruber in der Welt Zitelmanns Buch zu „einem der wichtigsten Beiträge zur Hitler-Forschung der letzten Jahre“, und Klemens von Klemperer schrieb im Journal of Modern History:

    „Rainer Zitelmann bekennt sich zu einem Verzicht auf moralische Urteile, doch seine gewissenhafte und verantwortungsbewusste wissenschaftliche Arbeit spricht umso deutlicher. Sein Buch bildet einen Meilenstein in unserem Verständnis von Adolf Hitler.“

    Mit „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“ empfahl sich Zitelmann für höhere Weihen. 1992 trat er eine Stelle als Cheflektor beim renommierten Ullstein-Verlag an, wo er mit der Einführung der dezidiert konservativen Reihe „Ullstein-Report“ auch sein eigenes Profil zu schärfen wusste. Dies blieb auch der linksextremen Szene nicht verborgen: 1993 zündete man sein Auto an und ließ über die Taz ein Bekennerschreiben veröffentlichten.

    Noch im selben Jahr wechselte Zitelmann als Leiter des Ressorts „Geistige Welt“ zur Tageszeitung Die Welt. Auch dort erwies er sich als streitbarer Geist und brachte viele seiner Kollegen gegen sich auf, so dass seine Entlassung unabwendbar schien. Doch irgendwann rief der Medienmogul Leo Kirch, damals Großaktionär des Springer-Konzerns, bei Verlagsvorstand Jürgen Richter an und sagte erbost: „Lasst den Zitelmann in Ruhe!“ Damit war die Sache erstmal erledigt.

    „Gegen das Vergessen“

    Zitelmann blieb umtriebig, trat 1994 in die FDP ein und versuchte, gemeinsam mit vormaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, deren nationalliberalen Flügel zu beleben und ihm zumindest in Berlin zum Durchbruch zu verhelfen. Doch das Projekt blieb erfolglos. Zitelmann konnte zwar durch das maßgeblich von ihm verfasste „Liberale Manifest“ Aufsehen erregen, die Mehrheit der Partei wollte ihm und seinen Mitstreitern aber nicht folgen.

    Allergrößte Aufmerksamkeit wurde Zitelmann 1995 zuteil, als zum 50. Jahrestag der Kapitulation der deutschen Wehrmacht ein von ihm formulierter und von über 300 Personen des öffentlichen Lebens unterzeichneter Aufruf als Anzeige in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde. Der Titel: „8. Mai 1945 – gegen das Vergessen“.

    Zu Besuch beim Klassenfeind: Erich Honecker (r.) mit dem CDU-Politiker Alfred Dregger 1987 in Bonn. Da hatte er den Machtkampf gegen Ulbricht schon lange für sich entschieden. Foto: IMAGO / Sven Simon

    In dem 128 Worte langen Text, zu dessen Erstunterzeichnern der frühere Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Alfred Dregger, und der ehemalige Finanz- und Verteidigungsminister Hans Apel (SPD) gehörten, wurde zunächst Theodor Heuss zitiert: „Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie für jeden von uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.“

    Dann hieß es:

    „Einseitig wird der 8. Mai von Medien und Politikern als ‚Befreiung‘ charakterisiert. Dabei droht in Vergessenheit zu geraten, dass dieser Tag nicht nur das Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft bedeutete, sondern auch den Beginn von Vertreibungsterror und neuer Unterdrückung im Osten und den Beginn der Teilung unseres Landes.“

    Schließlich kam Zitelmann mit den anderen Unterzeichnern zu dem Schluss: „Ein Geschichtsbild, das diese Wahrheiten verschweigt, verdrängt oder relativiert, kann nicht Grundlage für das Selbstverständnis einer selbstbewussten Nation sein, die wir Deutschen in der europäischen Völkerfamilie werden müssen, um vergleichbare Katastrophen künftig auszuschließen.“

    Unabhängiger Geist

    Wahrscheinlich war es der immense öffentliche Druck, der Zitelmann zur Entscheidung brachte, sich umzuorientieren. Entscheidender Wendepunkt sei seiner Aussage nach ein Gespräch mit Peter Gauweiler bei einem Spaziergang 1996 gewesen. „Querköpfe wie Sie und ich müssen ordentlich Geld verdienen, um frei unsere Meinung vertreten zu können“, sagte ihm der CSU-Politiker.

    Zitelmann, damals 38, hatte sich ein Vierteljahrhundert lang fast nur mit Politik und Geschichte befasst und Geld lediglich als notwendiges Übel angesehen. Nun begann er neben seiner gutbezahlten Tätigkeit als Ressortleiter abends als Versicherungsvertreter zu arbeiten, um sich Vertriebsfertigkeiten anzueignen.

    Intellektueller mit Muckis. Der Historiker, Unternehmer und begeisterte Kraftsportler Rainer Zitelmann. Foto: IMAGO / GlobalImagens

    Im Jahr 2000 gab er schließlich seine journalistische Tätigkeit auf und gründete die Dr. Zitelmann PB GmbH, die sich auf Beratungstätigkeiten im Bereich Kommunikation und Markenpositionierung für Immobilien- und Fondsgesellschaften spezialisierte und bald Marktführer in Deutschland wurde.

    In den folgenden Jahren machte Zitelmann viel Geld mit geschickten Immobilieninvestments, bis er 2016 im Alter von 59 Jahren reif für sein viertes Leben war: Er verkaufte seine Firma – und ist seitdem als finanziell unabhängiger Schriftsteller und Vortragsredner tätig. Im selben Jahr wurde er an der Universität Potsdam zum Dr. rer. pol. („magna cum laude“) promoviert. Seine Dissertation erschien 2017 als Buch unter dem Titel „Psychologie der Superreichen. Das verborgene Wissen der Vermögenselite“.

    Doch bis heute sind mit seinem Namen vor allem seine beiden geschichtspolitische Vorstöße verbunden, die in der Bundesrepublik zu viel beachteten Aufregern wurden: der Appell zum 8. Mai und seine Biografie „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“, die den NS-Führer in einem vollkommen neuen Licht betrachtet.

    Das Skandal-Buch in neuer Auflage: Rainer Zitelmann kommt in „Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs“ zu Erkenntnissen, die den heutigen Zeitgeist-Historikern nicht schmecken. Deswegen wird seine sensationelle Hitler-Biografie heute totgeschwiegen. Wir machen da nicht mit – und empfehlen Ihnen daher erst recht die um drei Aufsätze erweiterte Neuauflage dieses einzigartiges Werkes (724 Seiten, gebunden). Hier bestellen

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