Neue Biografie : Verstörende Details aus dem Leben Hannelore Kohls - WELT
WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Panorama
  3. Leute
  4. Neue Biografie : Verstörende Details aus dem Leben Hannelore Kohls

Leute Neue Biografie

Verstörende Details aus dem Leben Hannelore Kohls

Ein Buch schildert Intimes aus dem Leben der Kanzlergattin: Die NS-Verstrickungen des Vaters, Vergewaltigungen 1945 – und den Abschiedsbrief vor dem Suizid.

Den Urlaub am Wolfgangsee hat sie gefürchtet. Viel lieber wäre Hannelore Kohl nach Italien gefahren oder an die See. Aber es musste der Wolfgangsee sein, und dort empfing Helmut Kohl als Bundeskanzler und CDU-Chef tagtäglich dienstliche Besucher.

Seine Frau saß einmal mit einem Bekannten vor dem Ferienhaus abseits auf einer Bank und betrachtete eine solche Runde um ihren Mann. Plötzlich sagte sie leise zu ihrem Sitznachbarn: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich das alles hasse.“

So schreibt es Heribert Schwan in einem Buch über die 2001 aus dem Leben geschiedene Kanzlergattin auf, das in die Buchläden kommt und über welches der „Spiegel“ vorab berichtet. Es ist nach der Autobiografie des Sohnes Walter Kohl das zweite Buch binnen eines Jahres, in welchem intime, ja vertraulichste Begebenheiten aus der Familie Kohl der Öffentlichkeit preisgegeben werden.

Der heute 66 Jahre alte frühere WDR-Fernsehautor Heribert Schwan war 1985 Mitverfasser einer Helmut-Kohl-Biografie und 1989 Koautor eines großen Fernsehporträts. Damals hatte Hannelore Kohl anscheinend Vertrauen zu Schwan gewonnen – eines der seltenen Male, dass sie einem Vertreter der Medien mit anderer Gefühlsregung statt kalter Verachtung begegnete.

Nächtliche Spaziergänge waren Hannelores einziger Lichtblick

Sehr oft, viel zu oft hatte sie Journalisten nur als hämisch erlebt, wenn diese sich über ihren Mann oder auch über sie selbst äußerten. Der zeitgeschichtlich versierte und menschlich abwägende Heribert Schwan hingegen wirkte anders.

Lesen Sie auch

Als er Ende der 90er-Jahre Helmut Kohl bei der Abfassung seines ersten Memoirenbandes half, entstand zwischen der lichtallergisch gewordenen Hannelore Kohl und Schwan eine professionelle Vertrautheit, die ihn zum Begleiter ihrer nächtlichen Spaziergänge in der Umgebung von Ludwigshafen-Oggersheim werden ließ.

Die Spaziergänge waren die einzige Chance für Hannelore Kohl, an die frische Luft zu kommen. Auf ihnen hat sie Schwan anscheinend ihr Herz ausgeschüttet. Daraus ist nun ein Buch entstanden, über das der Autor sagt, es sei ein „Vermächtnis“. Hannelore Kohls Offenheit dem Journalisten gegenüber habe er als „Einverständnis“ verstehen dürfen, „eines Tages das zu veröffentlichen, was sie mir in den vielen Monaten und Wochen vor ihrem Tod anvertraute“.

Mehrfach vergewaltigt von Soldaten

Zu den anvertrauten Details gehört die Schilderung, wie russische Soldaten kurz vor Kriegsende die damals zwölf Jahre junge Hannelore Renner mehrfach vergewaltigten und sie dann „wie einen Sack Zement“ aus einem Fenster warfen. Seither hatte sie mit einer schweren Wirbelsäulenverletzung zu kämpfen.

Seither auch hatte sie zeitlebens Erinnerungsschübe an jenen Tag, wenn sie nur die Mischung aus Knoblauch, Alkohol und Achselschweiß wahrnahm. Die hämischen Journalisten, die lange nach dem Krieg über sie als „Barbie aus der Pfalz“ spotteten, hatten keine Ahnung, woher eine gewisse Gesichtsstarre vielleicht sonst noch rühren könne als von einer leichthin unterstellten Naivität.

Anzeige

Hätten solche Journalisten gewusst, was Schwan nun darlegt, nämlich dass Hannelore Kohls Vater vor 1945 nicht nur ein wichtiger Mann beim Monopolhersteller der „Panzerfaust“ war, sondern dessen für Tausende umgekommene jüdische KZ-Arbeiter mitverantwortlicher Sozialdirektor – dann wäre die Gehässigkeit wohl noch viel größer gewesen.

Hannelore Kohls Einfluss auf die Politik

Zeitlebens ist die Kanzlergattin nicht an eigenen, sondern an fremden Maßstäben gemessen worden. Schon vor dem Einzug Helmut Kohls ins Kanzleramt hat seine Frau klarsichtig gewusst, dass jede Hoffnung auf ein vertrautes normales Familienleben Illusion bleiben würde. Schwan schreibt, Hannelore Kohl habe im Ludwigshafener Bungalow Gespräche über Politik verboten. Ihr so begabter wie energischer Mann sei, aus Bonn kommend, deshalb oft lautlos im Arbeitszimmer verschwunden.

Unpolitisch war seine Frau dennoch nicht. Sie hat wie eine Löwin zu ihm gestanden – sie, die unter den Kanzlergattinnen die lebensweiseste, am härtesten vom Krieg getroffene und zeitgeschichtlich wahrscheinlich die bei Weitem bedeutendste Ehefrau gewesen ist.

Ohne ihre Leipziger Herkunft, ohne ihre Bindungen an Landschaften in der späteren DDR wäre es ungewiss gewesen, ob Helmut Kohl mit seiner linksrheinisch-lateineuropäischen Prägung 1989 wirklich so entschlossen die deutsche Einheit angesteuert hätte . Die Mehrheitsstimmung in den Führungszirkeln der damaligen CDU war nicht so beschaffen, dass ohne Hannelores langen Einfluss eine derart waghalsige Politik für den Kanzler der einzig naheliegende Kurs gewesen wäre.

Heribert Schwan druckt dann noch erstaunlicherweise den Abschiedsbrief ab, den Hannelore Kohl am 4. Juli 2001 ihrem Mann hinterlassen hat. Der Brief, unterzeichnet mit ihrem intimen Kosenamen „Dein Schlänglein“, enthält keinerlei Vorwürfe. Er ist das Vermächtnis einer lebenslang verkannten, klugen und gütigen Frau.

Vereinsamt und krank - Das Leiden der Kanzlergattin

Hannelore Kohl starb 2001 durch Selbstmord. Sie litt an einer schweren Lichtallergie. Für die beiden Söhne Peter und Walter Kohl sowie für Helmut Kohl ein Schock.

Quelle: N24

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema